Unionsrechtmäßigkeit der Fondsbesteuerung nach dem InvStG 2004 – BFH-Urteil vom 11. Oktober 2023, I R 23/23 (I R 33/17)

Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. Oktober 2023 (I R 23/23) befasst sich mit der Frage der Unionsrechtmäßigkeit der Besteuerung von Fonds nach dem Investmentsteuergesetz 2004 (InvStG 2004). Im Kern geht es um die steuerliche Behandlung eines nach luxemburgischem Recht errichteten Spezialimmobilienfonds (fonds d’investissement spécialisé, SIF-FCP), der in Deutschland Immobilieneinkünfte erzielt hat. Der Fonds wurde vom deutschen Finanzamt als beschränkt körperschaftsteuerpflichtig eingestuft, wogegen der Fonds klagte.

Wesentliche Entscheidungspunkte:

  1. Qualifikation als Zweckvermögen: Der BFH bestätigt, dass der luxemburgische Fonds als Zweckvermögen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu qualifizieren ist und mit seinen inländischen Einkünften der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht in Deutschland unterliegt. Dies basiert auf einem Typenvergleich, bei dem der Fonds einem deutschen Investmentfonds ähnlich ist.
  2. Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit: Der Ausschluss des luxemburgischen Spezialimmobilienfonds von der persönlichen Steuerbefreiung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 verstößt gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hatte bereits in einem vorangegangenen Urteil (L Fund vom 27.04.2023 – C-537/20) entschieden, dass eine solche Ungleichbehandlung zwischen gebietsansässigen und gebietsfremden Fonds unzulässig ist.
  3. Geltungserhaltende Reduktion: Der BFH entscheidet, dass die Steuerbefreiung des § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts auch dem luxemburgischen Fonds zu gewähren ist. Dies erfolgt durch eine geltungserhaltende Reduktion des nationalen Rechts, bei der das Tatbestandsmerkmal „inländisch“ unbeachtet bleibt, die Norm im Übrigen aber anwendbar ist.
  4. Aufhebung der Körperschaftsteuerbescheide: Aufgrund der unionsrechtlich gebotenen Steuerbefreiung werden die Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2008, 2009 und 2010 aufgehoben.

Bedeutung für die Praxis:

Das Urteil hat weitreichende Bedeutung für die Besteuerung von Investmentfonds in Deutschland, insbesondere für ausländische Fonds, die in Deutschland investieren. Es bestätigt die Notwendigkeit, die steuerliche Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Fonds sicherzustellen und unterstreicht den Vorrang des Unionsrechts vor nationalem Recht. Für die Praxis bedeutet dies, dass ausländische Fonds, die ähnlich strukturiert sind wie der luxemburgische SIF-FCP und in Deutschland Einkünfte erzielen, unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls von der Körperschaftsteuer befreit sein können. Dies könnte die Attraktivität Deutschlands als Investitionsstandort für ausländische Fonds erhöhen und bedarf einer sorgfältigen Prüfung in ähnlich gelagerten Fällen.

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