Unterschiedliche Besteuerung von Dividendeneinkünften der Muttergesellschaften eines steuerlichen Konzerns beeinträchtigt Nieder-lassungsfreiheit

Die unterschiedliche Besteuerung von Dividendeneinkünften der Muttergesellschaften eines steuerlichen Konzerns nach Maßgabe des Ortes der Niederlassung der Tochtergesellschaften verstößt gegen das Unionsrecht.

Eine solche unterschiedliche Behandlung beeinträchtigt ungerechtfertigt die Niederlassungsfreiheit

Nach französischem Recht können die Dividendeneinkünfte einer Muttergesellschaft aus Beteiligungen, die sie an anderen Gesellschaften hält, von ihrem Nettogesamtgewinn abgezogen werden und sind somit vorbehaltlich eines Anteils von 5 % steuerbefreit, der den Ausgaben und Aufwendungen entspricht, die sich auf die Beteiligungen beziehen. Stammen die Dividenden jedoch von Gesellschaften eines steuerlichen Konzerns, kann der Anteil für Ausgaben und Aufwendungen von dem Gewinn abgezogen werden, so dass die Dividenden letztlich keiner Steuer unterliegen. Da nur Gesellschaften mit Sitz in Frankreich einem solchen Steuerkonzern angehören können, schließt die in Rede stehende Regelung die Muttergesellschaften, die Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten halten, von der vollständigen Steuerbefreiung der bezogenen Dividenden aus. Stammen die Dividenden von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Tochtergesellschaften, ist nämlich die Möglichkeit eines Abzugs des Anteils nicht vorgesehen, was zur Folge hat, dass die Dividenden in Höhe von 5 % besteuert bleiben.

Die Gesellschaft Steria, die zur Steria-Gruppe gehört, hält Beteiligungen an Tochtergesellschaften, die sowohl in Frankreich als auch in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind. Sie ist der Ansicht, dass die französische Regelung gegen die im Unionsrecht verankerte Niederlassungsfreiheit verstößt, da ihr der Abzug des Anteils für Ausgaben und Aufwendungen bei den von ihren in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Tochtergesellschaften ausgeschütteten Dividenden verweigert wird, während sie diesen Abzug vornehmen könnte, wenn die Tochtergesellschaften ihren Sitz in Frankreich hätten. Der Gerichtshof wird mit dieser Frage von der Cour administrative d’appel de Versailles befasst.

Mit Urteil vom 02.09.2015 ist der Gerichtshof der Ansicht, dass die in Rede stehende französische Regelung die Muttergesellschaften benachteiligt, die in anderen Mitgliedstaaten ansässige Tochtergesellschaften halten, wodurch es für diese Gesellschaften weniger attraktiv werden kann, von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen, weil sie davon abgehalten werden, in anderen Mitgliedstaaten Tochtergesellschaften zu gründen.

Der Gerichtshof weist außerdem darauf hin, dass diese ungleiche Behandlung nur dann mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist, wenn sie Situationen betrifft, die nicht objektiv vergleichbar sind, oder durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. In diesem Zusammenhang ist der Gerichtshof der Ansicht, dass die Situation der Gesellschaften eines steuerlichen Konzerns mit der Situation von Gesellschaften, die einem solchen Konzern nicht angehören, insofern vergleichbar ist, als in beiden Fällen die Muttergesellschaft die mit ihrer Beteiligung an ihrer Tochtergesellschaft verbundenen Ausgaben und Aufwendungen trägt.

Schließlich hält der Gerichtshof die in Rede stehende unterschiedliche Behandlung nicht durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses wie das Erfordernis, die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, für gerechtfertigt. Diese unterschiedliche Behandlung bezieht sich nämlich nur auf ausländische Dividenden, die von gebietsansässigen Muttergesellschaften bezogen werden, so dass die Steuerhoheit ein und desselben Mitgliedstaats betroffen ist. Ebenso wenig kann die Notwendigkeit, die Kohärenz des in Rede stehenden Steuersystems zu wahren, als zwingender Grund des Allgemeininteresses ins Treffen geführt werden, da die in Rede stehende französische Regelung für die Muttergesellschaft eines steuerlichen Konzerns zu keinem steuerlichen Nachteil führt, der den ihr gewährten Steuervorteil (vollständige Steuerbefreiung für Dividenden) ausgleicht.

Der Gerichtshof gelangt zu dem Ergebnis, dass die durch die französische Regelung eingeführte unterschiedliche Behandlung nicht mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist.

Quelle: EuGH, Pressemitteilung vom 02.09.2015 zum Urteil C-386/14 vom 02.09.2015