Mit Urteil vom 28. November 2019 (Az. 1 K 88/16) hat der 1. Senat des Finanzgerichts erkannt, dass ein Irrtum der für eine Kapitalgesellschaft handelnden Person der Annahme einer vGA gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG dann nicht entgegensteht, wenn der Irrtum einem gedachten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter nicht unterlaufen wäre.
Im Streitfall war im Rahmen der Beurkundung einer Kapitalerhöhung – u. U. irrtümlich – statt der eigentlich bezugsberechtigten Kapitalgesellschaft (der Klägerin im Streitfall) deren Gesellschafterin zur Übernahme des neu entstehenden Geschäftsanteils zugelassen worden, obwohl dies ursprünglich anders beabsichtigt gewesen war und obwohl die an der Kapitalerhöhung Beteiligten auch nachfolgend davon ausgingen, dass die bezugsberechtigte Kapitalgesellschaft den Anteil erworben hatte.
In seiner Entscheidung stellt der 1. Senat zunächst klar, dass die Gesellschafterin der Klägerin nicht nur zivilrechtliches Eigentum an dem durch die Kapitalerhöhung entstandenen neuen Geschäftsanteil erworben habe, sondern dieser ihr auch steuerlich zuzurechnen sei. Sodann prüft und bejaht er das Vorliegen der „objektiven“ Voraussetzungen einer vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG. Als alleinige Anteilseignerin habe die Klägerin grundsätzlich einen Anspruch auf die Teilnahme an der Kapitalerhöhung und damit ein Recht zum Bezug des neuen Geschäftsanteils gehabt. Dieses Recht habe sie weder ausgeübt, noch habe sie es anderweitig verwertet. Vielmehr sei die Gesellschafterin zur Teilnahme zugelassen worden und habe den Anteil erworben. So sei es zu einer Vermögensverschiebung zum Nachteil der Klägerin und zugunsten ihrer Gesellschafterin gekommen. Diese sei auch gesellschaftlich veranlasst gewesen. Denn die Verschiebung sei zum einen der Klägerin zuzurechnen, weil für sie bei der entsprechenden Beschlussfassung die Gesellschafterin als vertretungsberechtigtes Geschäftsführungsorgan gehandelt habe. Zum anderen sei auszuschließen, dass ein gedachter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die Vermögensverschiebung auch zugunsten eines gesellschaftsfremden Dritten vorgenommen hätte.
Die gesellschaftliche Veranlassung entfalle auch dann nicht, wenn B sich – wie von der Klägerin behauptet – bei der Beurkundung des Gesellschafterbeschlusses in einem Irrtum befunden haben sollte. Denn Irrtümer der für die Gesellschaft handelnden Personen seien in diesem Zusammenhang nur dann beachtlich, wenn sie auch einem gedachten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter unterlaufen wären. Letzteres hat das FG in Bezug auf den behaupteten Irrtum der B verneint. Ein ordentlicher Geschäftsleiter hätte nach Auffassung des FG den Vertragstext, der insoweit eindeutig formuliert war, nämlich sorgfältig gelesen und dann sofort erkannt, dass nicht die Klägerin, sondern B den Anteil erwerben würde. Sofern ein gedachter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter sich am Tag der Beurkundung zu einer solch sorgfältigen Lektüre nicht in der Lage gesehen hätte, hätte er – schon angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache (die im Besprechungsfall erheblich war) – eine Verlegung des Termins erwirkt.
Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 30.09.2020 zum Urteil 1 K 88/16 vom 28.11.2019