Verfahrensfehler: Überraschungsentscheidung – BFH-Beschluss vom 10. Januar 2024, IX B 9/23

Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. Januar 2024 (IX B 9/23) behandelt einen Fall, in dem das Finanzgericht (FG) Hamburg eine Entscheidung traf, die auf einem bisher nicht erörterten rechtlichen Gesichtspunkt basierte, nämlich der Annahme eines Treuhandverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen bezüglich der Vermietungseinkünfte aus einem Objekt. Diese Entscheidung wurde als Überraschungsentscheidung gewertet, da sie dem Rechtsstreit eine Wendung gab, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste.

Der BFH hob das Urteil des FG aufgrund eines Verfahrensmangels auf, da das FG seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hatte, indem es sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen Gesichtspunkt stützte, ohne die Klägerin darauf hinzuweisen oder ihr die Möglichkeit zu geben, sich zu diesem Punkt zu äußern. Dies verstieß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs und führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG Hamburg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung des rechtlichen Gehörs im Gerichtsverfahren und die Notwendigkeit für Gerichte, alle entscheidungserheblichen Punkte mit den Beteiligten zu erörtern, um Überraschungsentscheidungen zu vermeiden. Sie zeigt auch, dass das Ausbleiben eines Beteiligten in der mündlichen Verhandlung nicht als Verzicht auf die Einhaltung der Verfahrensvorschriften gewertet wird und dass Gerichte verpflichtet sind, bei Entscheidungen aufgrund neuer rechtlicher oder tatsächlicher Gesichtspunkte den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren.