Verfallene Prepaid-Guthaben: Umsatzsteuerpflichtige Entgelte – nicht bloß verfallene Beträge

FG Schleswig-Holstein: Restguthaben aus Mobilfunkverträgen sind steuerpflichtige Gegenleistung – Revision beim BFH anhängig


Was passiert, wenn Kund:innen Prepaid-Guthaben aufladen, aber diese später nicht vollständig aufbrauchen? Lange war umstritten, ob solche verfallenen Beträge umsatzsteuerpflichtig sind. Mit Urteil vom 17.09.2024 (Az. 4 K 26/22) hat das Finanzgericht Schleswig-Holstein nun entschieden: Ja – es handelt sich um steuerpflichtige Entgelte. Die Klägerin hat Revision beim BFH (V R 20/24) eingelegt.


Worum ging es im konkreten Fall?

Die Klägerin betrieb Mobilfunkdienste über eine Tochtergesellschaft und vertrieb aufladbare Prepaid-Karten. Die Kund:innen konnten Leistungen (Telefonie, SMS, Daten) entweder direkt bei der Anbieterin oder bei Dritten buchen. Nicht verbrauchtes Guthaben blieb zunächst rückforderbar – wurde aber häufig nicht abgerufen und verfiel.

Streitpunkt: Muss auf diese verfallenen Guthaben Umsatzsteuer abgeführt werden, obwohl ihnen keine konkrete Einzelleistung gegenüberstand?

Die Klägerin argumentierte:

  • Nur tatsächlich in Anspruch genommene Leistungen seien steuerbar.
  • Die bloße Bereitstellung der Netzinfrastruktur sei unentgeltlich erfolgt.
  • Bei Prepaid-Guthaben handle es sich um Mehrzweckgutscheine i.S.d. Gutscheinrichtlinie – deren Verfall sei nicht steuerbar.

Die Entscheidung des FG Schleswig-Holstein

Das Gericht wies die Klage ab und bezog sich auf die bestehende BFH-Rechtsprechung (u. a. BFH XI R 4/17):

  • Auch verfallene Prepaid-Guthaben beruhen auf dem ursprünglichen Vertragsverhältnis und sind als Entgelt für eine Leistung zu werten.
  • Die Leistung liegt bereits in der Bereitstellung der technischen Infrastruktur und der Ermöglichung von Mobilfunkverbindungen – auch passiv (Erreichbarkeit).
  • Der Verfall kommt einer Überzahlung gleich – die wirtschaftliche Grundlage bleibt die ursprüngliche Vereinbarung.
  • Die Behandlung als Mehrzweckgutschein wurde abgelehnt: Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 13 und Abs. 15 UStG lägen nicht vor, auch eine analoge Anwendung komme nicht in Betracht.
  • Eine Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG komme ggf. in Betracht, sei hier aber nicht einschlägig.

Revision anhängig beim BFH

Die Klägerin hat gegen das Urteil Revision eingelegt – das Verfahren ist nun beim Bundesfinanzhof unter dem Az. V R 20/24 anhängig. Es bleibt abzuwarten, ob der BFH die Sichtweise des FG Schleswig-Holstein bestätigt.


Was bedeutet das für die Praxis?

📌 Prepaid-Guthaben, die nicht eingelöst und nicht rückgefordert werden, sind als umsatzsteuerpflichtige Entgelte zu behandeln.
📌 Mobilfunkanbieter, aber auch Anbieter vergleichbarer Prepaid-Modelle (z. B. Park-Apps, Streaming, E-Mobilität), müssen sich auf Steuernachforderungen einstellen, wenn Guthaben verfallen.
📌 Die bloße Bereitstellung einer Nutzungsmöglichkeit (auch passiv!) kann als steuerbare Leistung gelten – auch ohne Inanspruchnahme.


Fazit: Prepaid ist kein Gutschein – jedenfalls nicht umsatzsteuerlich

Das FG Schleswig-Holstein zieht eine klare Grenze: Nicht eingelöste Prepaid-Guthaben sind keine steuerfreien Mehrzweckgutscheine, sondern stellen ein steuerpflichtiges Entgelt für bereitgestellte Leistungen dar.

Wer entsprechende Modelle im eigenen Unternehmen anbietet, sollte dringend prüfen, ob Umsatzsteuer korrekt erklärt wurde – und ob Rückstellungen oder Berichtigungen erforderlich sind.