Wann Alkohol eine Kündigung rechtfertigt

Wann Alkohol eine Kündigung rechtfertigt

Alkoholisiert Autofahren im Dienst, das geht nicht. Daher hatte das Arbeitsgericht Berlin die Kündigung eines Berufskraftfahrers bestätigt. Nicht so das Landesarbeitsgericht in zweiter Instanz: Da der alkoholabhängige Beschäftigte zu einer Therapie bereit war, kann die Krankheit eventuell geheilt werden.

Natürlich verletze ein Berufskraftfahrer seine Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag in erheblichem Maße, wenn er das Firmenfahrzeug unter Alkoholeinfluss am öffentlichen Straßenverkehr teilnehme, urteilte nun das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg. Allerdings hielten die Richter dem Beschäftigten seine Alkoholabhängigkeit zugute. Aufgrund der Krankheit sei dem Beschäftigten kein Schuldvorwurf zu machen.

Bei Alkoholkrankheit: Bereit zur Therapie?
Für eine wirksame Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist in diesem Fall eine Prognose zu treffen: Wenn anzunehmen ist, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit seinen arbeitsvertraglichen Pflichten dauerhaft nicht nachkommen kann, kann die Kündigung gerechtfertigt sein. Von einer solchen negativen Prognose könne man jedoch nicht ausgehen, wenn der Arbeitnehmer – wie im entschiedenen Fall – im Zeitpunkt der Kündigung ernsthaft zu einer Alkoholtherapie bereit war.

Im konkreten Fall war der Arbeitnehmer als Berufskraftfahrer beschäftigt und verursachte mit seinem Lkw unter Alkoholeinfluss (0,64 Promille) einen Unfall. Es entstand ein größerer Sachschaden, der Unfallgegner wurde dabei verletzt. Im Betrieb bestand ein absolutes Alkoholverbot.

Bundesarbeitsgericht: Keine Therapie, keine positive Prognose
Letztlich orientierte sich das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am Bundesarbeitsgericht. Das oberste Arbeitsgericht entschied zum Beispiel über die Kündigung eines alkoholkranken Mitarbeiters; für den zweiten Senat kam es damals auf folgendes an: „Ist im Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt, der Arbeitnehmer biete aufgrund einer Alkoholsucht dauerhaft nicht die Gewähr, in der Lage zu sein, die vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen, kann eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein.“

Das Bundesarbeitsgericht billigte damals die Kündigung, da der Mitarbeiter gerade nicht zu einer entsprechenden Therapie bereit war. „Für die Prognose im Hinblick auf die weitere Entwicklung einer Alkoholerkrankung kommt es entscheidend darauf an, ob der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung bereit ist, eine Entziehungskur beziehungsweise Therapie durchzuführen. Lehnt er das ab, kann erfahrungsgemäß davon ausgegangen werden, dass er von seiner Alkoholabhängigkeit in absehbarer Zeit nicht geheilt wird“, urteilte das Bundesarbeitsgericht. Da die Alkoholerkrankung zudem die betrieblichen Interessen erheblich beeinträchtigte und eine Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers ausfiel, war die damalige Kündigung für das Bundesarbeitsgericht rechtmäßig.

Landesarbeitsgericht: Abmahnung hätte genügt
Im Ergebnis anders entschied nun das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Es lehnte die Kündigung im aktuellen Fall ab. Bei einer – im aktuellen Fall – bestehenden Therapiebereitschaft könne vom Arbeitgeber in der Regel erwartet werden, das Fehlverhalten abzumahnen und das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.

Das Arbeitsgericht Berlin hatte noch die ordentliche Kündigung für sozial gerechtfertigt gehalten. Die Arbeitsrichter urteilten: Ob alkoholerkrank oder nicht, dem Beschäftigten sei vorzuwerfen, eine Fahrt mit dem Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss angetreten und hierdurch andere gefährdet zu haben. Wegen der Schwere der Pflichtverletzung rechtfertige dieses Verhalten die Kündigung – auch ohne Ausspruch einer Abmahnung.

Arbeitsgericht: Keine Abmahnung wegen schwerer Pflichtverletzung
Der Arbeitgeber müsse dafür Sorge tragen, dass das Alkoholverbot von allen Fahrern beachtet werde. Dies sei mit einer bloßen Abmahnung nicht zu erreichen, argumentierten noch die Richter der ersten Instanz. Auch habe der Arbeitnehmer letztlich keine Einsicht in sein Fehlverhalten gezeigt.

Dieser Argumentation ist das Landesarbeitsgericht letztlich nicht gefolgt.