Wohnungseigentümerversammlung: Eigentümer dürfen vorzeitig gehen

Wohnungseigentümerversammlung: Eigentümer dürfen vorzeitig gehen

Verlässt ein Wohnungseigentümer vorzeitig eine Eigentümerversammlung und führt er dadurch deren Beschlussunfähigkeit herbei, darf er trotzdem die Beschlüsse anfechten und sich auf eine fehlende Beschlussfähigkeit stützen.

Hintergrund

Ein Wohnungseigentümer war mit Vollmachten für 5 weitere Eigentümer ausgestattet. Auf einer Eigentümerversammlung war er zunächst anwesend, nach Abhandlung einiger Tagesordnungspunkte hatte er sie jedoch wieder verlassen. Hierdurch wurde die geforderte Mindestanzahl an anwesenden und vertretenen Eigentümern unterschritten.

Der Eigentümer hatte mehrere Beschlüsse, die nach seinem Verlassen der Versammlung gefasst wurden, angefochten. Unter anderem beruft er sich darauf, dass die Eigentümerversammlung nicht mehr beschlussfähig gewesen ist.

Die übrigen Eigentümer meinen, er könne sich nicht auf die Beschlussunfähigkeit berufen, weil er diese selbst durch sein vorzeitiges Verlassen der Eigentümerversammlung herbeigeführt habe.

Entscheidung

Die Klage des Wohnungseigentümers hatte Erfolg. Denn nach Auffassung der Richter war die Eigentümerversammlung nicht mehr beschlussfähig, nachdem der klagende Eigentümer diese verlassen hatte.

Der Kläger durfte sich auf die Beschlussunfähigkeit zu berufen, obwohl er die Beschlussunfähigkeit selbst herbeigeführt hat. Das Gericht sah dies nicht als rechtsmissbräuchlich an.

Es gibt beim Wohnungseigentum keine Treuepflicht zur Teilnahme an Gesellschafterversammlungen, auch wenn anders keine wirksamen Beschlüsse gefasst werden können. Die Wohnungseigentümer können nämlich in einer Zweitversammlung unabhängig von einem Quorum wirksame Beschlüsse fassen.

Fehlt die Beschlussfähigkeit, wird widerleglich vermutet, dass der formelle Fehler für die gefassten Beschlüsse kausal war. Diese Vermutung konnte hier nicht widerlegt werden, sodass die angefochtenen Beschlüsse vom Gericht für ungültig erklärt wurden.