Hintergrund: Zinsen bei der Steuer – ein System mit zwei Maßstäben?
Das deutsche Steuerrecht sieht Zinsen für Steuernachzahlungen (§ 233a AO) und für Aussetzungen der Vollziehung (§ 237 AO) vor – allerdings zu unterschiedlichen Zinssätzen:
- Nachzahlungszinsen: seit 2019 auf 0,15 % pro Monat begrenzt
- Aussetzungszinsen: weiterhin 0,5 % pro Monat
Diese Differenz war bereits mehrfach Gegenstand gerichtlicher Überprüfung. Nun hat das Finanzgericht Köln mit Beschluss vom 08.04.2025 (Az. 4 V 444/25) entschieden, dass an der Verfassungsmäßigkeit des höheren Aussetzungszinssatzes auch für Zeiträume nach dem 31.12.2022 erhebliche Zweifel bestehen.
Der Fall: Widerspruch gegen Aussetzungszinsen in Höhe von 0,5 %
Ein Ehepaar hatte gegen einen Steuerbescheid Einspruch eingelegt und eine Aussetzung der Vollziehung erreicht. Vom Finanzamt wurden für den Zeitraum Februar 2023 bis November 2024 jedoch Zinsen in Höhe von 0,5 % pro Monat erhoben. Dagegen wandten sich die Antragsteller mit Verweis auf einen BFH-Beschluss vom 08.05.2024 (VIII R 9/23), der die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt hatte.
Das Finanzgericht Köln folgte der Argumentation der Antragsteller und gewährte vorläufigen Rechtsschutz: Die höheren Zinsen müssen zunächst nicht bezahlt werden.
Warum das wichtig ist
Die Richter des FG Köln führen aus:
- Der Zinssatz von 0,5 % monatlich für Aussetzungszinsen sei nicht mehr zeitgemäß – insbesondere angesichts des seit 2019 reduzierten Zinssatzes bei Nachzahlungen.
- Die Zinssatzspreizung (0,5 % vs. 0,15 %) sei verfassungsrechtlich problematisch.
- Es fehle ein Zinsausgleich (z. B. durch Prozesszinsen), wie er sonst typischerweise im gerichtlichen Verfahren gegeben sei.
Die Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig, da das Finanzamt auf die Beschwerde verzichtet hat.
Was bedeutet das für Steuerpflichtige?
✅ Wer aktuell Zinsen auf gestundete Beträge zahlt, sollte prüfen lassen, ob ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz oder ein Einspruch gegen die Zinsfestsetzung sinnvoll ist.
✅ Auch in laufenden Einspruchsverfahren gegen Steuerbescheide sollten die erhobenen Aussetzungszinsen besonders kritisch hinterfragt werden.
Fazit
Das Thema „steuerliche Zinssätze“ bleibt politisch und verfassungsrechtlich hochbrisant. Während der Gesetzgeber Nachzahlungszinsen längst gesenkt hat, hält die Finanzverwaltung an hohen Aussetzungszinsen fest. Der Beschluss des FG Köln stärkt nun deutlich die Position der Steuerpflichtigen.
📌 Tipp aus der Praxis:
Wenn Sie von Aussetzungszinsen betroffen sind oder eine Steuerforderung bestreiten, beraten wir Sie gerne zu möglichen Anträgen oder Einspruchsmöglichkeiten. Sprechen Sie uns frühzeitig an!
Quelle:
Finanzgericht Köln, Pressemitteilung vom 26.05.2025 zum Beschluss vom 08.04.2025 (Az. 4 V 444/25)
Zur Pressemitteilung auf der Website des FG Köln