Erlass von Beitragsschulden in der Krankenversicherung: Stichtag 31. Dezember 2013!

Für den Antrag auf den Erlass von Beitragsschulden in der Krankenversicherung bleiben nur noch wenige Wochen – Wer sich bis zum Jahresende bei seiner Krankenversicherung meldet, bekommt Beitragsschulden und Säumniszuschläge erlassen.

Seit dem 1. August 2013 ist das Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung in Kraft. Durch das Gesetz werden Versicherten in bestimmten Fällen die angehäuften Beitragsschulden ermäßigt oder sogar erlassen. In der gesetzlichen Krankenversicherung wurden zudem die Säumniszuschläge von 5 Prozent auf 1 Prozent reduziert. In der privaten Krankenversicherung wurde ein Notlagentarif für säumige Beitragszahler eingeführt.

Die Neuregelungen betreffen vor allem Personen, die sich trotz der seit dem 1. April 2007 bestehenden Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung verspätet oder noch nicht bei einer Krankenkasse gemeldet und dadurch Beitragsschulden angehäuft haben. Wer hierunter fällt, sollte sich jetzt unbedingt bei einer Krankenkasse melden, dann werden im Regelfall die Beitragsschulden für zurückliegende Zeiträume sowie die Säumniszuschläge erlassen. Am Jahresende endet diese Möglichkeit eines Beitragsschuldenerlasses.

Auch in der privaten Krankenversicherung gibt es eine vergleichbare Regelung: Hier existiert die Versicherungspflicht seit dem 1. Januar 2009. Wer in der privaten Krankenversicherung versicherungspflichtig ist und bis zum 31. Dezember bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen einen Antrag auf Versicherung stellt, dem wird der Säumniszuschlag erlassen. Für jemanden, der von 2009 bis heute nicht versichert war, beläuft sich dieser Säumniszuschlag – je nach individuellem Beitrag – auf bis zu 5.000 Euro.

Nichtversicherte sollten diese Möglichkeit jetzt nutzen: Es geht um ihren dringend notwendigen vollumfänglichen Versicherungsschutz im Krankheitsfall.

Weitere Informationen unter:
www.bundesgesundheitsministerium.de/pm_beitragsschulden_grundsaetze_genehmigt

Mehrsprachige Broschüre zum Schuldenerlass in der Krankenversicherung
www.bundesgesundheitsministerium.de/Schuldenerlass_in_der_GKV

veröffentlicht am:22.11.2013

DOWNLOADS

  • Pressemitteilung: Antrag auf den Erlass von Beitragsschulden in der Krankenversicherung – Stichtag 31.12.2013PDF-Datei (PDF) 94 KB
  • Fallkonstellationen in der GKVPDF-Datei (PDF) 60 KB
  • Fallkonstellationen in der PKVPDF-Datei (PDF) 57 KB

Bundesministerium für Gesundheit, Pressemitteilung vom 22.11.2013

Mengenbeschränkungen für Zigaretten

Ab dem 1. Januar 2014 dürfen Privatpersonen für ihren eigenen Bedarf aus Polen, Bulgarien, Ungarn, Lettland, Litauen und Rumänien statt der bisher möglichen 800 Zigaretten nur noch 300 Zigaretten nach Deutschland mitbringen. Wer mehr als die steuerfreien 300 Zigaretten dabei hat, muss für die darüber hinaus gehenden Mengen die fällige Tabaksteuer nachzahlen. Der Zoll stellt diese Zigaretten zudem sicher. Bei falschen Angaben über die tatsächliche Menge an mitgebrachten Zigaretten drohen zusätzlich strafrechtliche Konsequenzen.

Hintergrund ist eine Regelung im Tabaksteuergesetz, die auf europäisches Recht zurückgeht. Danach ist es möglich, die Anzahl der steuerfreien Zigaretten aus Ländern zu beschränken, die zum 1. Januar 2014 die EU-weiten Mindeststeuersätze nicht einhalten. Für das Erreichen dieser Voraussetzungen wurde diesen Ländern eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2017 eingeräumt. Nach Ablauf dieser Frist beziehungsweise bei einem vorzeitigen Erreichen der Voraussetzungen können wieder 800 Zigaretten steuerfrei mitgebracht werden.

Beispiel
Eine Privatperson wird bei ihrer Rückreise aus Polen am 3. Januar 2014 vom deutschen Zoll kontrolliert. Auf Nachfrage gibt sie zutreffend an, 800 Zigaretten für ihren eigenen Bedarf aus Polen mitgebracht zu haben. Da ab dem 1. Januar 2014 nur 300 Zigaretten steuerfrei sind, muss die Steuer für die darüber hinaus gehenden 500 Zigaretten nachgezahlt werden. Bei einer gängigen Marke würde sich die Nachzahlung bei dieser Menge auf circa 78 Euro belaufen. Zusätzlich werden die 500 Zigaretten sichergestellt.

Quelle: BMF/Zoll

Rheinland-Pfalz: Erbschaft- und Schenkungsteuer ab Januar zentral in Kusel

Im Rahmen der Strukturreform der Finanzverwaltung wird die Erbschaft- und Schenkungsteuer für ganz Rheinland-Pfalz ab dem 1. Januar 2014 zentral im Finanzamt in Kusel bearbeitet. Bislang wurden die rheinland-pfälzischen Fälle nicht nur im Finanzamt Kusel-Landstuhl, sondern auch im Finanzamt Koblenz bearbeitet. Durch die Zentralisierung am Finanzamt-Standort Kusel kommt es zu einer Stärkung der strukturschwachen Region. Jährlich werden rund 80.000 Fälle bearbeitet.

Aufgrund der notwendigen EDV-Umstellung ist das Finanzamt Kusel-Landstuhl zurzeit nur eingeschränkt erreichbar. Hier erfolgt eine neue Alphabetisierung der Steuerakten und gleichzeitig werden neue Steuernummern vergeben. Voraussichtlich werden die Arbeiten am 20. Dezember 2013 abgeschlossen sein.

Aktuelle Informationen finden sich auf der Internetseite des Finanzamts.

Quelle: OFD Rheinland-Pfalz

Steuerrechtliche Behandlung des Erwerbs eigener Anteile

BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 2 – S-2742 / 07 / 10009 vom 27.11.2013

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder hat das BMF die steuerrechtliche Behandlung des Erwerbs eigener Anteile geregelt:

Es geht dabei auf folgende Punkte ein:

A. Handelsrechtliche Grundlagen

B. Steuerrechtliche Konsequenzen

  1. Ebene der Gesellschaft
    1. Erwerb der Anteile
    2. Weiterveräußerung der Anteile
    3. Einziehung der Anteile
    4. Behandlung von Aufwendungen
  2. Ebene des Anteilseigners

C. Anwendung und Übergangsregelungen

  1. Grundsatz
  2. Anpassung an BilMoG-Grundsätze
  3. Übergangsregelungen für nicht unter BilMoG-Grundsätze fallende Geschäftsjahre

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die steuerrechtliche Behandlung des Erwerbs eigener Anteile Folgendes:

A. Handelsrechtliche Grundlagen
1 Mit dem Einfügen von § 272 Absatz 1a und 1b HGB durch das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, BilMoG) vom 25. Mai 2009 (BGBl. I Seite 1102) wurde der handelsbilanzielle Ausweis eigener Anteile rechtsformunabhängig geregelt.
2 Der Nennbetrag der eigenen Anteile ist nunmehr nach § 272 Absatz 1a Satz 1 HGB stets auf der Passivseite in der Vorspalte offen von dem Posten „Gezeichnetes Kapital“ abzusetzen. Eine Aktivierung der eigenen Anteile, bei gleichzeitiger Bildung einer entsprechenden Rück-lage kommt nicht mehr in Betracht. § 272 Absatz 1a Satz 2 und 3 und § 272 Absatz 1b HGB enthalten weitere Regelungen zur Behandlung des Erwerbs und der Veräußerung eigener Anteile in der Handelsbilanz. Danach ist ein Unterschiedsbetrag zwischen der Gegenleistung für den Erwerb der eigenen Anteile und dem anteiligen Nennbetrag dieser Anteile handels-rechtlich mit den frei verfügbaren Gewinn- und Kapitalrücklagen zu verrechnen (vgl. § 272
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Absatz 1a Satz 2 HGB). Bei dem Erwerb eigener Anteile handelt es sich wirtschaftlich betrachtet nicht um einen Anschaffungsvorgang, sondern um eine Kapitalherabsetzung.
3 Die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Erwerb der eigenen Anteile stellen handels-rechtlich Aufwand des Geschäftsjahres dar (vgl. § 272 Absatz 1a Satz 3 HGB).
4 Bei der Veräußerung der eigenen Anteile durch die Gesellschaft handelt es sich wirtschaftlich nicht um einen Veräußerungsvorgang, sondern um eine Kapitalerhöhung. Der offene Ausweis der eigenen Anteile in der Vorspalte des Postens „Gezeichnetes Kapital“ nach § 272 Absatz 1a Satz 1 HGB entfällt (§ 272 Absatz 1b Satz 1 HGB). Das „Gezeichnete Kapital“ wird in Höhe des Nennbetrages dieser Anteile – durch Minderung des Absetzungsbetrages – wieder ausgewiesen. Ein Unterschiedsbetrag zwischen dem anteiligen Nennbetrag der eigenen Anteile und der Gegen-leistung für den Erwerb dieser Anteile ist gem. § 272 Absatz 1b Satz 2 HGB bis zur Höhe des mit den frei verfügbaren Rücklagen verrechneten Betrages in die jeweiligen Rücklagen einzu-stellen. Ein darüber hinausgehender Differenzbetrag (Aufgeld) ist gem. § 272 Absatz 1b Satz 3 HGB in die Kapitalrücklage gem. § 272 Absatz 2 Nummer 1 HGB einzustellen.
5 Die Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Veräußerung der eigenen Anteile stellen handelsrechtlich Aufwand des Geschäftsjahres dar (vgl. § 272 Absatz 1b Satz 4 HGB).
6 Im Fall der Einziehung liegt ein bilanz- und ergebnisneutraler Vorgang vor. Der offene Aus-weis der eigenen Anteile in der Vorspalte des Postens „Gezeichnetes Kapital“ nach § 272 Absatz 1a Satz 1 HGB entfällt auch hier.
7 Die Regelungen sind nach Artikel 66 Absatz 3 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Handels-gesetzbuch (EGHGB) grundsätzlich erstmals auf Jahresabschlüsse für nach dem 31. Dezember 2009 beginnende Geschäftsjahre anzuwenden. Wahlweise sind die Regelungen nach Artikel 66 Absatz 3 letzter Satz EGHGB allerdings auch bereits auf Jahresabschlüsse für nach dem 31. Dezember 2008 beginnende Geschäftsjahre anzuwenden.
B. Steuerrechtliche Konsequenzen
I. Ebene der Gesellschaft
8 Auf der Ebene der Gesellschaft folgt die steuerrechtliche Behandlung des Erwerbs eigener Anteile künftig der wirtschaftlichen Betrachtungsweise des Handelsrechts. Danach sind auch in der Steuerbilanz der Erwerb und die Veräußerung eigener Anteile nicht als Anschaffungs- oder Veräußerungsvorgang, sondern wie eine Kapitalherabsetzung oder Kapitalerhöhung zu behandeln.
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1. Erwerb der Anteile
9 Der Erwerb eigener Anteile stellt bei der Gesellschaft keinen Anschaffungsvorgang dar, sondern ist wie eine Herabsetzung des Nennkapitals zu behandeln. In Höhe des Nennbetrags der eigenen Anteile ist § 28 Absatz 2 KStG entsprechend anzuwenden. Abweichend von § 28 Absatz 2 Satz 1 KStG ist ein bestehender Sonderausweis nicht zu mindern. Der über die Rückzahlung des herabgesetzten Nennkapitals hinausgehende Betrag stellt eine Leistung der Gesellschaft an den veräußernden Anteilseigner dar, die nach den Grundsätzen des § 27 Absatz 1 Satz 3 KStG zu einer Minderung des steuerlichen Einlagekontos führt, soweit sie den maßgebenden ausschüttbaren Gewinn übersteigt.
10 Werden eigene Anteile zu einem (angemessenen) Kaufpreis unterhalb des Nennbetrags erworben, ergeben sich keine Änderungen beim steuerlichen Einlagekonto und bei einem eventuellen Sonderausweis. In Höhe des Differenzbetrags zwischen dem Kaufpreis und dem Nennbetrag der Anteile ist von einer Kapitalherabsetzung ohne Auszahlung an den Gesell-schafter auszugehen, auf die § 28 Absatz 2 Satz 1 KStG entsprechend anzuwenden ist. Danach vermindert der Differenzbetrag einen bestehenden Sonderausweis. Übersteigt der Dif-ferenzbetrag den Sonderausweis, erhöht sich insoweit der Bestand des steuerlichen Einlage-kontos.
11 Kapitalertragsteuer ist auch auf den Teil der Leistung, der das steuerliche Einlagekonto nicht nach § 27 Absatz 1 Satz 3 oder § 28 Absatz 2 Satz 3 KStG mindert, nicht einzubehalten und abzuführen, da der Vorgang auf der Ebene des Anteilseigners eine Veräußerung darstellt (vgl. Rdnr. 20).
12 Bei Zahlung eines überhöhten Kaufpreises kann eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 EStG vorliegen, die nach den allgemeinen Grundsätzen zu behandeln ist. In diesen Fällen ist ggfs. Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen. Ein überhöhter Kaufpreis ist in der Regel nicht anzunehmen, wenn die Anteile über die Börse oder im Tender-Verfahren erworben werden.
2. Weiterveräußerung der Anteile
13 Die Weiterveräußerung der eigenen Anteile stellt bei der Gesellschaft steuerlich keinen Ver-äußerungsvorgang dar, sondern ist wie eine Erhöhung des Nennkapitals zu behandeln. Sie führt nicht zu einem steuerlichen Veräußerungsgewinn bzw. -verlust. In Höhe des Nennbe-
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trags der eigenen Anteile ergeben sich keine Auswirkungen auf den Bestand des steuerlichen Einlagekontos oder einen bestehenden Sonderausweis.
Ein den Nennbetrag übersteigender Betrag erhöht den Bestand des steuerlichen Einlagekon-tos.
14 Werden eigene Anteile zu einem (angemessenen) Kaufpreis unterhalb des Nennbetrags weiterveräußert, ist der Differenzbetrag zwischen dem Kaufpreis und dem Nennbetrag der Anteile als Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zu behandeln. In entsprechender Anwendung des § 28 Absatz 1 KStG vermindert der Differenzbetrag den Bestand des steuer-lichen Einlagekontos und führt, soweit der Bestand nicht ausreicht, zur Bildung bzw. Erhö-hung eines Sonderausweises.
15 Bei Zahlung eines zu niedrigen Kaufpreises kann eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 EStG vorliegen, die nach den allgemeinen Grund-sätzen zu behandeln ist. In diesen Fällen ist ggf. Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzu-führen. Ein zu niedriger Kaufpreis ist in der Regel nicht anzunehmen, wenn die Anteile über die Börse oder im Tender-Verfahren veräußert werden.
3. Einziehung der Anteile
16 Bei Einziehung eigener Anteile ergeben sich keine steuerlichen Auswirkungen.
Im Fall der Einziehung ohne einen vorangegangenen Erwerb gelten die in den Rdnrn. 8 ff. dargestellten Grundsätze mit der Maßgabe, dass eine Entschädigungszahlung wie eine Kauf-preiszahlung zu behandeln ist.
17 Wird das Nennkapital bei der Einziehung nicht herabgesetzt, ist der Vorgang hinsichtlich der Höhe des Nennbetrags der eingezogenen eigenen Anteile in entsprechender Anwendung des § 28 Absatz 1 KStG als Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zu behandeln.
4. Behandlung von Aufwendungen
18 Die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Veräußerung der eigenen Anteile sind als Betriebsausgaben abziehbar, soweit sie angemessen sind.
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5. Behandlung des Erwerbs und der Veräußerung eigener Anteile bei EU-/EWR-ausländi-schen Kapitalgesellschaften
19 Im Rahmen der Feststellung nach § 27 Absatz 8 KStG ist der Erwerb und die Veräußerung eigener Anteile entsprechend den Regelungen im Inland als Kapitalherabsetzung zu berück-sichtigen.
II. Ebene des Anteilseigners
20 Beim Anteilseigner stellt der Erwerb eigener Anteile durch die Gesellschaft ein Veräuße-rungsgeschäft dar, das nach allgemeinen Grundsätzen der Besteuerung unterliegt. Eine Steuerpflicht der Veräußerung kann sich u. a. ergeben aus §§ 13 bis 18 und 20 EStG. Darüber hinaus ist eine Steuerpflicht auch nach § 23 EStG i. d. F. vor dem Gesetz vom 14. August 2007 (BGBl. I Seite 1912) und § 21 UmwStG i. d. F. der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002 (BGBl. I Seite 4133, 2003 I Seite 738, geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 16. Mai 2003 (BGBl. I Seite 660)) möglich.
21 Werden die Anteile in einem Depot eines inländischen Kreditinstituts oder inländischen Finanzdienstleistungsinstituts im Sinne des § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 7 Buchstabe b) EStG, eines inländischen Wertpapierhandelsunternehmens oder einer inländischen Wertpa-pierhandelsbank verwaltet oder verwahrt oder wird die Veräußerung der Beteiligungsrechte von inländischen Kreditinstituten durchgeführt, haben die genannten Unternehmen als aus-zahlende Stelle die Kapitalertragsteuer auf den Veräußerungsgewinn zu entrichten (§ 44 Absatz 1 Satz 3 und 4 EStG).
22 Soweit im Einzelfall wegen eines überhöhten Kaufpreises bzw. – im Fall der Weiterveräuße-rung der eigenen Anteile – wegen eines zu niedrigen Kaufpreises eine verdeckte Gewinnaus-schüttung anzunehmen ist, ist dem Anteilseigner ein entsprechender Kapitalertrag im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 EStG zuzurechnen (vgl. Rdnrn. 12 und 15).
C. Anwendung und Übergangsregelungen
I. Grundsatz
23 Die Abschnitte A und B dieses BMF-Schreibens gelten für alle offenen Fälle, soweit Geschäftsjahre betroffen sind, für die die Neuregelung des § 272 Absatz 1a und 1b HGB i. d. F. des BilMoG gelten.
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II. Anpassung an BilMoG-Grundsätze
24 Anpassungen, die in der Handelsbilanz vorgenommen werden, um eigene Anteile, die nach bisherigem Recht zu aktivieren waren, nach den Grundsätzen des § 272 Absatz 1a Satz 1 und 2 HGB darzustellen, sind in der Steuerbilanz zu übernehmen. Der Nennbetrag ist dabei offen vom „Gezeichneten Kapital“ abzusetzen und die bisherige Rücklage für eigene Anteile ist in voller Höhe aufzulösen. In Höhe des über den Nennbetrag hinausgehenden Buchwerts der eigenen Anteile sind die frei verfügbaren Rücklagen zu vermindern.
25 Steuerrechtlich ist die Ausbuchung als Kapitalherabsetzung zu behandeln. Da in diesen Fällen zumindest in dem betreffenden Geschäftsjahr keine Kaufpreiszahlung an den Gesellschafter erfolgt, ist das auf die eigenen Anteile entfallende Nennkapital für die Anwendung des § 28 Absatz 2 Satz 1 KStG als bereits an den Gesellschafter ausgezahlt und damit als nicht einge-zahlt zu behandeln. Infolgedessen kommt es weder zu einer Verminderung des Sonderauswei-ses, noch zu einer Erhöhung des steuerlichen Einlagekontos. Der über den Nennbetrag hin-ausgehende Teil des Buchwerts der nicht mehr zu aktivierenden eigenen Anteile führt rechne-risch zu einer Verminderung des ausschüttbaren Gewinns.
III. Übergangsregelungen für nicht unter BilMoG-Grundsätze fallende Geschäftsjahre
26 Für Zeiträume, in denen bereits das Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren, nicht aber das Bil-MoG galt, gelten weiterhin die Regelungen des BMF-Schreibens vom 2. Dezember 1998 (BStBl I Seite 1509) nach Maßgabe der Rdnrn. 27 ff. Das BMF-Schreiben wird insoweit wie-der in Kraft gesetzt. Über Fälle, in denen aufgrund des BMF-Schreibens vom 10. August 2010 (BStBl I Seite 659) anders verfahren wurde, ist unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze im Einzelfall zu entscheiden.
Für die Weiteranwendung des BMF-Schreibens vom 2. Dezember 1998 (a. a. O.) unter Gel-tung des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens gilt Folgendes:
1. Behandlung des Erwerbs von nicht zu aktivierenden eigenen Anteilen bei der Kapitalge-sellschaft [II. 1. b.) aa) des BMF-Schreibens vom 2. Dezember 1998 (a. a. O.)]
27 Aufgrund der Behandlung des Erwerbs der eigenen Anteile als Anschaffungsvorgang auch auf Ebene der Gesellschaft hat der Vorgang keine Auswirkung auf das steuerliche Einlage-konto oder den Sonderausweis. Die Verminderung des EK 04 nach dem BMF-Schreiben vom 2. Dezember 1998 (a. a. O.) war allein den Besonderheiten der im Anrechnungsverfahren vor-
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zunehmenden Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals und der Abstimmung mit dem um das Nennkapital geminderten Eigenkapital laut Steuerbilanz geschuldet und hat seit dem Sys-temwechsel keine Bedeutung mehr. Eine Verminderung des steuerlichen Einlagekontos bzw. des Sonderausweises ist nicht vorzunehmen. Soweit der Kaufpreis den Nennbetrag der Anteile übersteigt, verringert sich rechnerisch der ausschüttbare Gewinn.
2. Behandlung der Weiterveräußerung von nicht zu aktivierenden eigenen Anteilen bei der Kapitalgesellschaft [II. 2. des BMF-Schreibens vom 2. Dezember 1998 (a. a. O.)]
28 Nach den Grundsätzen des BMF-Schreibens vom 2. Dezember 1998 (a. a. O.) ist die Weiterveräußerung der nicht zu aktivierenden Anteile als Kapitalerhöhung zu behandeln. Es ergeben sich insoweit keine Unterschiede zur steuerlichen Behandlung der Weiterveräußerung eigener Anteile in einem unter das BilMoG fallenden Geschäftsjahr (vgl. Rdnr. 13).
3. Behandlung der Einziehung von aktivierten Anteilen [II. 3. des BMF-Schreibens vom 2. Dezember 1998 (a. a. O.)]
29 Es bleibt bei der im BMF-Schreiben vom 2. Dezember 1998 (a. a. O.) vorgesehenen steuer-rechtlichen Behandlung als Kapitalherabsetzung ohne Auskehrung an die Gesellschafter. Hin-sichtlich des Nennbetrags des eingezogenen Anteils gilt § 28 Absatz 2 Satz 1 KStG. Aufgrund der Zahlung des Kaufpreises für die eigenen Anteile ist bei Anwendung des § 28 Absatz 2 Satz 1 KStG von nicht eingezahltem Nennkapital auszugehen. In Höhe des Nennbetrags kommt es weder zu einer Verminderung eines bestehenden Sonderausweises, noch erhöht sich das steuerliche Einlagekonto. In Höhe des über den Nennbetrag hinausgehenden Buch-werts der Anteile kommt es rechnerisch zu einer Verminderung des ausschüttbaren Gewinns. Eine Verminderung des steuerlichen Einlagekontos erfolgt nicht (vgl. insoweit Rdnr. 27).
Dieses BMF-Schreiben wird im Bundessteuerblatt I veröffentlicht.
Im Auftrag
Dieses Dokument wurde elektronisch versandt und ist nur im Entwurf gezeichnet.

Das Schreiben im Volltext finden Sie auf der Homepage des BMF.

Quelle: BMF

Ist-Besteuerung bei Freiberuflern: BMF klärt den Begriff „Bücher führen“

Ist-Besteuerung bei Freiberuflern: BMF klärt den Begriff „Bücher führen“

Für Unruhe in der Praxis der Freiberufler sorgte in den letzten Monaten der Begriff „Bücher führen“: Als Reaktion auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22.07.2010 (Az.: V R 4/09) erläuterte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) in seinem Schreiben vom 31.07.2013, unter welchen Voraussetzungen Freiberuflern die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten genehmigt wird (§ 20 S. 1 Nr. 3 UStG). Eine Genehmigung ist danach ausgeschlossen, sobald ein Freiberufler für seine Umsätze Bücher führt. Dabei ist unerheblich, ob die Bücher freiwillig oder auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung geführt werden.

Maßstab: Betriebsvermögensvergleich
Erfreulicherweise beseitigt das BMF die Unklarheiten zum Begriff „Bücher führen“ sehr zeitnah. In seinem Antwortschreiben auf eine Eingabe des LSWB (Landesverband der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe in Bayern e.V.) als Mitgliedsverband des Deutschen Steuerberaterverbands e.V. stellt das BMF klar, dass nur dann „Bücher geführt“ werden, wenn der Freiberufler seinen Gewinn durch den Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG) ermittelt. Das Führen von Aufzeichnungen für die Erstellung einer Einnahme-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) schließt eine Genehmigung nicht aus. Auch das Führen einer OPOS-Liste zur Überwachung der offenen Rechnungen ist für die Gewährung der Ist-Versteuerung unschädlich.

Weiterhin: Ist-Besteuerung bei Gesamtumsatz unter 500.000 Euro
Unberührt von den Neuerungen bleibt die Möglichkeit der Ist-Besteuerung bei einem Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr von nicht mehr als 500.000 Euro (§ 20 S. 1 Nr. 1 UStG). Erfüllt ein Freiberufler diese Voraussetzungen, kann ihm die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten ebenfalls auf Antrag gewährt werden.

Quelle: DStV, Mitteilung vom 09.12.2013

Kommission unterzieht Steuerbefreiungen für bestimmte Unternehmen in Belgien eingehender Prüfung

Die Europäische Kommission hat ein eingehendes Prüfverfahren eröffnet, das ergeben soll, ob eine Beihilferegelung für innovative Unternehmen in Belgien im Einklang mit den EU-Beihilfevorschriften durchgeführt wird. Besonderes Augenmerk wird den Bedingungen gelten, zu denen eine Reihe von belgischen Unternehmen einen Steuerrabatt erhalten hat. Die Eröffnung eines eingehenden Prüfverfahrens gibt Beteiligten die Möglichkeit, zu der betreffenden Maßnahme Stellung zu nehmen, greift dem Ergebnis jedoch nicht vor.

Die Kommission genehmigte 2006 eine Regelung zur Förderung von Forschung und Entwicklung („FuE“), mit der bestimmte innovative Unternehmen (bezeichnet als „junge innovative Unternehmen“) von der Pflicht befreit wurden, einen Teil der Lohnsteuer für wissenschaftliches Personal an den Staat abzuführen. Belgien hatte zugesagt, in einem nationalen Gesetz zu definieren, für welche Formen der Forschung nach den EU-Vorschriften für staatliche Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation (FuEuI) eine Steuerbefreiung gewährt werden kann.

Im Rahmen einer 2011 vorgenommenen Kontrolle hat die Kommission jedoch festgestellt, dass diese Definitionen erst seit 2013 in der nationalen Gesetzgebung enthalten sind, die Regelung aber bereits seit sieben Jahren läuft. Werden innovativen Unternehmen Steuervorteile gewährt, ohne zuvor die förderfähigen FuE-Formen per Gesetz definiert zu haben, kann die Förderung nicht auf das FuE-Ziel ausgerichtet werden, das die Beihilfen rechtfertigt und eine Begrenzung etwaiger Wettbewerbsverfälschungen gewährleistet. Die gewährten Beihilfen könnten den Beihilfeempfängern daher entgegen den Vorgaben der staatlichen Beihilfen für FuEuI einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft haben. Die von Belgien bisher übermittelten Angaben und Unterlagen reichen nicht aus, um die Bedenken der Kommission auszuräumen.

Zudem hat Belgien die Regelung ohne entsprechende Anmeldung bei der Kommission nach Ablauf ihrer Geltungsdauer im Juli 2011 stillschweigend verlängert und den Steuernachlass erhöht.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 04.12.2013

Rücknahme des Antrags auf ermäßigte Besteuerung eines Veräußerungsgewinns

Finanzgericht Düsseldorf, 13 K 3624/11 E

Datum:
19.11.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 3624/11 E
Tenor:

Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 23.03.2009 und der Einspruchsentscheidung vom 15.09.2011 wird der Beklagte verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 16.02.2009 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer 2002 ohne Anwendung der Tarifbegünstigung gem. § 34 Abs. 3 EStG festgesetzt wird.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.

1Tatbestand:

2Streitig ist, ob die Kläger einen Antrag auf ermäßigte Besteuerung eines Veräußerungsgewinns nach § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zurücknehmen konnten.

3Die Klägerin und ihr am „…“.2008 verstorbener Ehemann, der Vater des Klägers, erklärten im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung 2002 laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Ehemanns der Klägerin aus einer Beteiligung an der „T-KG“ von

4-835.697 € und einen Veräußerungsgewinn, für den der ermäßigte Steuersatz des § 34 Abs. 3 EStG beantragt wurde, von 1.134.763 €. Der Beklagte führte die Veranlagung mit Einkommensteuerbescheid 2002 vom 16.3.2005 erklärungsgemäß durch und setzte die Einkommensteuer auf 90.029 € fest.

5Aufgrund einer Mitteilung für 2002 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 5.1.2009 erließ der Beklagte am 16.2.2009 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2002, mit dem er laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb von -871.604 € und weiterhin einen Veräußerungsgewinn von 1.134.763 €, der nach § 34 Abs. 3 EStG versteuert wurde, ansetzte und die Einkommensteuer auf 81.323 € festsetzte.

6Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 13.3.2009 Einspruch ein und beantragten, hinsichtlich der außerordentlichen Einkünfte die Einkommensteuer 2002 nicht nach dem ermäßigten Steuersatz des § 34 Abs. 3 EStG zu bemessen.

7Mit Schreiben vom 23.3.2009, das keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, führte der Beklagte aus, dass er das Begehren auf verbösernde Festsetzung der Einkommensteuer 2002 mit der Folge eines im Saldo höheren Vorteils wegen Berücksichtigung in einem Folgejahr nach pflichtgemäßem Ermessen ablehne.

8Dagegen legten die Kläger mit Schreiben vom 27.5.2009 Einspruch ein und machten geltend, dass der Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung jederzeit widerrufen werden könne.

9Der Beklagte wies den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2002 mit Einspruchsentscheidung vom 15.9.2011 als unbegründet zurück.

10Den Einspruch gegen die Ablehnung vom 23.3.2009 verwarf der Beklagte mit Einspruchsentscheidung ebenfalls vom 15.9.2011 als unzulässig. Er führte aus, dass es sich bei dem Schreiben vom 23.3.2009 nicht um einen Verwaltungsakt handele.

11Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 17.10.2011 Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 16.2.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.9.2011 erhoben.

12Sie machen geltend, dass es sich bei dem Schreiben des Beklagten vom 23.3.2009 um einen Verwaltungsakt handele. In der Sache seien die Kläger zu einer Änderung ihrer Wahlrechtsausübung nach § 34 Abs. 3 EStG berechtigt gewesen. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Kläger wird auf Schriftsätze vom 28.11.2011 und 11.11.2013 Bezug genommen.

13Die Kläger beantragen sinngemäß,

14unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 23.3.2009 und der Einspruchsentscheidung vom 15.9.2011 den Beklagten zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid 2002 mit der Maßgabe zu ändern, dass der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG keine Anwendung findet.

15Der Beklagte beantragt,

16              die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

17Er macht geltend, sein Schreiben vom 23.3.2009 habe keine Verwaltungsaktqualität. Es handele sich nicht um eine endgültige Entscheidung in Form der Ablehnung des gestellten Antrags, sondern sei so zu verstehen, dass der Beklagte nicht bereit gewesen sei, dem Änderungsbegehren zuzustimmen und dem Einspruch abzuhelfen. Einer Änderung des Einkommensteuerbescheids 2002 stehe § 351 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) entgegen. Insbesondere sei die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Wahlrecht zwischen getrennter Veranlagung und Zusammenveranlagung nicht auf das Wahlrecht gem. § 34 Abs. 3 EStG übertragbar, weil die Kläger nicht die vollständig neue Veranlagung mit der Aufhebung des ursprünglichen Steuerbescheids, sondern die Änderung des bisherigen Bescheids begehrten. Aus der in der Gesetzesbegründung enthaltenen Formulierung „soweit es nach den Vorschriften der AO zulässig ist“ ergebe sich, dass der Gesetzgeber im Falle des § 34 Abs. 3 EStG nicht von der Anwendung des § 351 Abs. 1 AO habe absehen wollen. Eine Rücknahme des Antrags nach § 34 Abs. 3 EStG sei nur möglich, wenn die Steuerermäßigung aufgrund der Änderung des Bescheids vollkommen ins Leere liefe, da dies zu einer nicht vertretbaren Härte für den Steuerpflichtigen führen würde, oder wenn die eingetretene Änderung entscheidungserheblich für die Antragstellung gewesen sei. Der Einkommensteuerbescheid 2002 könne zudem nicht gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert werden, weil kein rückwirkendes Ereignis vorliege.

18Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 7.11.2013 und 11.11.2013 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

19Entscheidungsgründe:

201. Angesichts des Einverständnisses der Beteiligten hält der Senat es für sachgerecht, gem. § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

212. Das Gericht legt die Klage dahingehend aus, dass die Kläger sich gegen den Ablehnungsbescheid vom 23.3.2009 und die zugehörige Einspruchsentscheidung vom 15.9.2011 wenden. Dies ergibt sich aus den Ausführungen der Kläger im Klageschriftsatz vom 17.10.2011, dass ihrem Antrag auf Nichtberücksichtigung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 3 EStG nicht entsprochen worden sei.

223. Die Klage ist zulässig.

23a) Bei der Klage handelt es sich um eine Verpflichtungsklage i. S. des § 40 Abs. 1 2. Alternative FGO, d. h. eine Klage, die auf Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts gerichtet ist. Der im „Einspruch“ vom 13.3.2009 enthaltene Antrag der Kläger auf Festsetzung der Einkommensteuer 2002 ohne Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 3 EStG ist der Sache nach ein (Verpflichtungs)Antrag auf Erlass eines geänderten Einkommensteuerbescheids 2002.

24b) Im Streitfall ist auch ein außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren durchgeführt worden.

25Gem. § 44 Abs. 1 FGO ist eine Verpflichtungsklage nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.

26Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Beklagte hat den Antrag vom 13.3.2009 mit Schreiben vom 23.3.2009 abgelehnt. Den wegen der unterbliebenen Rechtsbehelfsbelehrung fristgerecht mit Schreiben vom 27.05.2009 dagegen eingelegten Einspruch hat der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 15.09.2011 als unzulässig verworfen.

27Das Schreiben des Beklagten vom 23.3.2009 ist – entgegen der Ansicht des Beklagten – als ablehnender Bescheid auszulegen.

28Bei der Auslegung einer öffentlich-rechtlichen Willenserklärung kommt es nicht darauf an, was die Finanzbehörde damit gewollt hat. Vielmehr ist ausschlaggebend, wie der Adressat nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Maßgebend ist die Sicht eines objektiven Betrachters. Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde. Dies gilt auch für die Frage, ob einer Erklärung Regelungscharakter zukommt (BFH-Urteil vom 24.6.2008 IX R 64/06, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH –BFH/NV– 2008, 1676, unter II.1.a aa; BFH-Urteil vom 19.5.2004 III R 18/02, Bundessteuerblatt –BStBl– II 2004, 980, unter II.2.b).

29Danach handelt es sich bei dem Schreiben des Beklagten vom 23.3.2009 um einen Verwaltungsakt. Die Ausführungen des Beklagten in diesem Schreiben „Das Begehren auf verbösernde Festsetzung der Einkommensteuer 2002 mit der Folge eines im Saldo höheren Vorteils wegen Abzuges in einem Folgejahr nach § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO lehne ich nach pflichtgemäßen Ermessen hiermit ab.“ konnte nach dem objektiven Empfängerhorizont nur als verbindliche Ablehnung des Antrags verstanden werden.

304. Die Klage ist auch begründet.

31Der Ablehnungsbescheid vom 23.3.2009 und die Einspruchsentscheidung vom 15.9.2011 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 101 Satz 1 FGO). Der Beklagte war verpflichtet, dem Antrag auf Festsetzung der Einkommensteuer 2002 ohne Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 3 EStG zu entsprechen.

32a) Die Kläger waren berechtigt, ihr Wahlrecht gem. § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG dahingehend auszuüben, dass die Einkommensteuer 2002 ohne Anwendung des ermäßigten Steuersatzes festgesetzt werden sollte.

33Gem. § 34 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 EStG in der im Jahr 2002 geltenden Fassung kann auf Antrag die auf Veräußerungsgewinne i. S. des § 16 EStG entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz bemessen werden, wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder wenn er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist. Diese Ermäßigung kann der Steuerpflichtige nur einmal im Leben in Anspruch nehmen (§ 34 Abs. 3 Satz 4 EStG).

34§ 34 Abs. 3 Satz 1 EStG eröffnet ein Wahlrecht, dessen Ausübung nach dem klaren Gesetzeswortlaut zeitlich nicht befristet ist. Unbefristete Wahlrechte können grundsätzlich bis zur Bestandskraft der jeweiligen Steuerbescheide ausgeübt werden und sind erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des entsprechenden Bescheids verbraucht. Unanfechtbar ist eine Steuerfestsetzung, wenn sie nicht mehr mit ordentlichen Rechtsbehelfen des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren (§§ 347 f. AO) oder mit Rechtsbehelfen des Steuerprozesses (§§ 40 f., 115 f. FGO) angefochten werden kann (BFH-Urteil vom 30.08.2001 IV R 30/99, BStBl II 2002, 49, unter II.2.a). Deshalb kann der Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG bis zur Rechts- oder Bestandskraft des Bescheids gestellt oder zurückgenommen werden (vgl. Graf in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 34 Rz. 42; Sieker in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 34 C 26; Horn in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, § 34 EStG Rz. 83; Gänger in Bordewin/Brandt, EStG, § 34 Rz. 7; Wacker in Schmidt, EStG, 32. Aufl., § 34 Rz. 55).

35Danach konnten die Kläger ihren Antrag auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gem. § 34 Abs. 3 EStG mit dem „Einspruch“ vom 13.03.2009 zurücknehmen. Denn der nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderte Einkommensteuerbescheid 2002 vom 16.2.2009 ist erst mit Ablauf der Monatsfrist des § 355 Abs. 1 AO – wieder – bestandskräftig geworden. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte das Wahlrecht frei ausgeübt werden.

36b) Entgegen der Auffassung des Beklagten steht der Rücknahme des Antrags auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes die Vorschrift des § 351 Abs. 1 AO nicht entgegen.

37Gem. § 351 Abs. 1 AO können Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht.

38Bezüglich der Wahl der Veranlagungsart bei Ehegatten hat der BFH wiederholt entschieden, das Wahlrecht könne bis zur Unanfechtbarkeit eines Berichtigungs- oder Änderungsbescheids in vollem Umfang – und nicht nur, soweit die Änderung reicht – ausgeübt werden. § 351 Abs. 1 AO begrenze schon nach seinem Wortlaut nur den Umfang der Anfechtung eines Steuerbescheids. Das Begehren auf Änderung der Veranlagungsart sei jedoch nicht als Anfechtung zu verstehen, sondern als ein auf Durchführung einer erneuten Veranlagung gerichtetes Verpflichtungsbegehren, das die Besteuerungsgrundlagen unberührt lasse und nur die Rechtsfolgen der §§ 26a bis 26c EStG auslöse (BFH-Urteil vom 25.6.1993 III R 32/91, BStBl II 1993, 824, unter 2.; BFH-Urteil vom 20.1.1999 XI R 31/96, BFH/NV 1999, 1333, unter II.B.2.a; BFH-Urteil vom 24.1.2002 III R 49/00, BStBl II 2002, 408, unter II.3.).

39Diese Grundsätze sind nach Ansicht des Senats auch auf das Wahlrecht nach § 34 Abs. 3 EStG anzuwenden (ebenso Wacker in Schmidt, EStG, 32. Aufl., § 34 Rz. 55). Der Antrag und die Rücknahme des Antrags nach § 34 Abs. 3 EStG sind ebenfalls nicht als Anfechtung der Besteuerungsgrundlagen zu verstehen, sondern als ein auf Anwendung oder (im Fall der Rücknahme des Antrags) auf Nichtanwendung des ermäßigten Steuersatzes gerichtetes Verpflichtungsbegehren, das die Besteuerungsgrundlagen unberührt lässt. Das ergibt sich im Streitfall schon daraus, dass die Beteiligungseinkünfte des Ehemanns der Klägerin einheitlich und gesondert festgestellt werden, mit der Folge, dass eine Änderung der Besteuerungsgrundlagen nur im Wege der Anfechtung des Grundlagenbescheids zu erreichen ist, wohingegen der Antrag auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes bei der Festsetzung der persönlichen Einkommensteuer gestellt oder zurückgenommen werden muss. Die Ausübung und die Nichtausübung des Wahlrechts auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gehört in diesem Sinne nicht zu den nach Maßgabe des § 351 Abs. 1 AO materiell bestandskräftig gewordenen Besteuerungsgrundlagen (so auch zu § 34 Abs. 1 EStG a. F. Finanzgericht –FG– Schleswig-Holstein, Urteil vom 2.10.2003 5 K 394/02, Entscheidung der Finanzgerichte –EFG– 2004, 349, FG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 18.2.2005 III 157/04, EFG 2005, 965, unter 2.b aa).

40Auch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich nichts anderes. Zwar hat der Gesetzgeber ausgeführt, dass der Antrag ohne Unwiderruflichkeit im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens oder, soweit es nach den Vorschriften der AO zulässig sei, im Rahmen der Änderung von Steuerbescheiden zurückgenommen werden könne (BT-Drucks. 14/2683, 115 f.). Dass der Gesetzgeber damit auf die Regelung des § 351 Abs. 1 AO Bezug genommen hat, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung jedoch nicht. Die Gesetzesbegründung enthält auch keinen Hinweis darauf, dass eine Rücknahme des Antrags nur möglich sein soll, wenn es ansonsten zu nicht vertretbaren Härten für den Steuerpflichtigen käme oder die Änderung des Bescheids entscheidungserheblich für die Antragstellung wäre. Vielmehr hat der Gesetzgeber durch § 34 Abs. 3 i. V. m. 52 Abs. 47 Satz 1 EStG in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes 2001/2002 das erst durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 geschaffene Erfordernis der Unwiderruflichkeit des Antrags rückwirkend wieder aufgehoben, weil dieses zu nicht vertretbaren Härten für den Steuerpflichtigen geführt hatte (vgl. BT-Drucks. 14/2683, 115).

41c) Es kann dahinstehen, ob im Fall der Rücknahme des Antrags gem. § 34 Abs. 3 EStG die Regelung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO entsprechend anwendbar ist (bejahend für die Ausübung des Wahlrechts gem. § 6c EStG: BFH-Urteil vom 30.8.2001 IV R 30/99, BStBl II 2002, 49, unter 3.). Denn die materielle Reichweite eines Wahlrechts hängt nicht vom Bestehen einer Änderungsnorm ab und die effektive Durchsetzung eines bestehenden Rechts entspricht dem aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes folgenden Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Anwendung und Auslegung der Verfahrensvorschriften (FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 2.10.2003 5 K 394/02, EFG 2004, 349).

425. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

436. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

447. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Frage, ob § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG ein unbefristetes Wahlrecht eröffnet, das ohne Einschränkung durch § 351 AO auch noch nach Ergehen eines Änderungsbescheids ausgeübt werden kann, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt.

Veräußerung eines Teilgesellschaftsanteils: Ermittlung des Buchwerts

Finanzgericht Düsseldorf, 13 K 2696/11 F

Datum:
22.10.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 2696/11 F
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

1Tatbestand:

2Die Beteiligten streiten über die Höhe eines bei der Veräußerung eines Bruchteils eines Mitunternehmeranteils entstandenen Gewinns.

3Der Kläger ist Gesellschafter der „A-GbR“ (Beigeladene), die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt. Gem. § 13 Abs. 6 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags in der Fassung vom 01.01.1997 steht dem Kläger im Hinblick auf die Gesellschaftsanteile ausscheidender Gesellschafter ein Übernahmerecht zu.

4Der Kläger war zu Beginn des Streitjahres 2006 mit 50,5% an der Beigeladenen beteiligt. Er erwarb am 30.09.2006 von einem ausscheidenden Gesellschafter einen fünfprozentigen Gesellschaftsanteil für 331.093,40 € hinzu. Der Kläger hatte bereits im Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs die Absicht der zeitnahen Weiterveräußerung. Die Kaufpreiszahlung wurde in der Einnahmen-Überschussrechnung der Beigeladenen als sofort abzugsfähiger Aufwand behandelt. Am 02.10.2006 veräußerte der Kläger die fünfprozentige Beteiligung zu gleichen Teilen an zwei neu in die Beigeladene eintretende Gesellschafter für insgesamt 421.607 €.

5Die Beigeladene erklärte aus diesem Vorgang im Rahmen der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2006 einen dem Kläger zuzuordnenden Veräußerungsgewinn gem. § 18 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von 90.514,60 €.

6Der Beklagte stellte die Besteuerungsgrundlagen insoweit mit Bescheid für 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 18.03.2008 erklärungsgemäß fest.

7Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung „E-Stadt“ führte ab November 2009 bei der Beigeladenen eine Außenprüfung durch, in deren Rahmen der Prüfer Folgendes feststellte (Betriebsprüfungsbericht vom „…“.05.2010):

8Die von dem Kläger anlässlich früherer Erwerbe von Teilgesellschaftsanteilen gezahlten Kaufpreise seien zunächst auf die erworbenen Wirtschaftsgüter aufgeteilt und dann gesondert für jeden Erwerb durch eine entsprechende Abschreibung im Rahmen der Nutzungsdauer als Aufwand und Sonderbetriebsausgaben bei der Gewinnfeststellung der Beigeladenen berücksichtigt worden. Erstmals beim Erwerb des Teilgesellschaftsanteils zum 30.09.2006 sei dieser Erwerb und die damit zusammenhängenden Aufwendungen als sofort abzugsfähiger Aufwand behandelt worden.

9Der Betriebsprüfer vertrat die Auffassung, dass es sich bei der Beteiligung des Klägers an der Beigeladenen um einen einheitlichen Gesellschaftsanteil handele, der nach und nach zu unterschiedlichen Anschaffungskosten erworben worden sei. Werde der Bruchteil eines Mitunternehmeranteils veräußert, so sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 13.02.1997 (IV R 15/96, Bundessteuerblatt –BStBl– II 1997, 535) der Buchwert des veräußerten Teilgesellschaftsanteils im Wege der Durchschnittsbewertung zu ermitteln. Der Veräußerungsgewinn gem. § 18 Abs. 3 EStG betrage deshalb 419.270,00 €.

10Der Beklagte folgte den Feststellungen des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung „E-Stadt“ und erließ am 16.07.2010 einen entsprechend geänderten Bescheid für 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen.

11Der Kläger legte hiergegen fristgerecht Einspruch ein.

12Nach entsprechender Anhörung des Klägers erließ der Beklagte am 04.07.2011 einen geänderten Bescheid für 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, mit dem er den Gewinn aus der Veräußerung des Teilgesellschaftsanteils nicht mehr als Veräußerungsgewinn gem. § 18 Abs. 3 EStG, sondern als laufenden Gewinn behandelte.

13Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 12.07.2011 als unbegründet zurück.

14Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 03.08.2011 Klage erhoben.

15Er macht geltend, der zivilrechtliche Grundsatz der Einheitlichkeit von Personengesellschaftsanteilen sei bereits in Teilen eingeschränkt worden. Da vorliegend der Drittschutz nicht entgegenstehe, habe er den fünfprozentigen Anteil hinzuerworben, ohne dass – aufgrund seiner von vorneherein bestehenden und dokumentierten Weiterver- äußerungsabsicht – eine zivilrechtliche Vereinigung mit seinem bisherigen Gesellschaftsanteil eingetreten sei. Selbst wenn der hinzuerworbene Gesellschaftsanteil zivilrechtlich mit dem ursprünglichen Anteil verschmolzen sei, seien die Anteile aufgrund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise steuerlich getrennt zu behandeln. Der ursprüngliche Anteil habe zum Anlagevermögen gehört. Der am 30.09.2006 hinzuerworbene Anteil sei jedoch als Umlaufvermögen auszuweisen. Es gebe eine Anzahl von Fällen, bei denen aufgrund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise die steuerliche Beurteilung von Gesellschaftsanteilen von der zivilrechtlichen Rechtssituation abweiche.

16Der Kläger beantragt,

17den Bescheid für 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 04.07.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.07.2011 dahingehend zu ändern, dass der Gewinn aus der Veräußerung des fünfprozentigen Gesellschaftsanteils an der Beigeladenen vom 30.09.2006 in Höhe von 90.514,60 € als laufender Gewinn festgestellt und dem Kläger zugerechnet wird, hilfsweise, im Unterliegensfalle, die Revision zuzulassen.

18Der Beklagte beantragt,

19              die Klage abzuweisen.

20Er führt aus, vorliegend finde der zivilrechtliche Grundsatz der „Einheitlichkeit der Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft“ Anwendung. Deshalb seien die Anschaffungskosten des Gesellschaftsanteils des Klägers nach dem Durchschnittswert zu ermitteln.

21Entscheidungsgründe:

22Die Klage ist unbegründet.

23Der Bescheid für 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 04.07.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.07.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

241. Der Beklagte hat bei der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung des Teils des Gesellschaftsanteils des Klägers an der Beigeladenen zutreffend den im Wege der Durchschnittsbewertung ermittelten Bruchteil des Buchwertes des gesamten Gesellschaftsanteils dem Veräußerungserlös gegenübergestellt.

25a) Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehört auch der Gewinn, der bei der Veräußerung eines Teils eines Gesellschaftsanteils an einer freiberuflichen Sozietät erzielt wird. Wird der gesamte Anteil eines Mitunternehmers veräußert, ist der Veräußerungsgewinn gem. § 16 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. 18 Abs. 3 Satz 2 EStG der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteigt. Dabei ist der Buchwert des gesamten Mitunternehmeranteils in der Steuerbilanz der Gesellschaft (Kapitalkonto) sowie in den Ergänzungsbilanzen maßgeblich. Veräußert ein Mitunternehmer nur einen Teil seines Mitunternehmeranteils, so ist dessen Wert mit dem entsprechenden Bruchteil des Buchwerts des gesamten Mitunternehmeranteils anzusetzen (sog. Durchschnittsbewertung, BFH-Urteil vom 13.2.1997 IV R 15/96, BStBl II 1997, 535 unter 1.).

26Diese rechtliche Wertung ergibt sich daraus, dass nach dem Zivilrecht ein Gesellschafter einer Personengesellschaft grundsätzlich nur einen Anteil (Mitgliedschaftsrecht) haben kann. Die Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft ist daher notwendig „einheitlich“ (Urteil des Bundesgerichtshofs –BGH– vom 11.4.1957 II ZR 182/55, Entscheidungssammlung des BGH in Zivilsachen –BGHZ– 24, 106 unter 1., BGH-Urteil vom 20.4.1972 II ZR 143/69, BGHZ 58, 316 unter II.1.; BGH-Urteil vom 1.6.1987 II ZR 259/86, BGHZ 101, 123 unter 2.b, Hessisches Finanzgericht –FG–, Urteil vom 24.03.2010 13 K 2850/07, Entscheidung der FG –EFG– 2011, 622). Erwirbt ein Gesellschafter einer Personengesellschaft einen weiteren Anteil hinzu, so behält dieser neu hinzu erworbene Anteil grundsätzlich nicht seine rechtliche Selbständigkeit (BGH-Urteil vom 10.6.1963 II ZR 88/61, Betriebsberater 1963, 1076 unter I.1.a; Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl., § 124 Rn. 16).

27Zum Teil wird jedoch – worauf der Kläger hinweist – eine Ausnahme von der Einheitlichkeit des Gesellschaftsanteils angenommen, wenn die Anteile mit unterschiedlichen Sonderrechten ausgestattet sind oder Beschränkungen unterliegen, wie z. B. Testamentsvollstreckung, Treuhandschaft, Nießbrauch, Pfandrechte, Vor- und Nacherbschaft (vgl. BGH-Urteil vom 10.1.1996 IV ZB 21/94, Der Betrieb –DB– 1996, 468 unter II.2.b für den Fall der Testamentsvollstreckung; FG Baden-Württemberg Urteil vom 5.6.2002 2 K 367/99, EFG 2002, 1309; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 4. Aufl., § 45 I 2.b S. 1312 f.; Schulze zur Wiesche, DB 1998, 2552 ff.; ders. in: Festschrift für Reiß, 413 (417); Priester, DB 1998, 55 ff.; offen gelassen Hessisches FG, Urteil vom 24.3.2010 13 K 2850/07, EFG 2011, 622).

28b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besaß der Kläger nach dem Hinzuerwerb des fünfprozentigen Gesellschaftsanteils am 30.09.2006 einen zivilrechtlich einheitlichen Gesellschaftsanteil von 55,5%. Ob die oben erwähnten Fälle als Ausnahmen von der Einheitlichkeit des Gesellschaftsanteils zuzulassen sind, muss vorliegend nicht entschieden werden. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nämlich nicht vor. Der hinzuerworbene Anteil unterliegt weder erbrechtlichen Belastungen noch sachenrechtlichen Bindungen. Auch ein schuldrechtliches Treuhandverhältnis ist nicht gegeben.

29c) Daraus, dass der Kläger bereits im Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs am 30.09.2006 die Absicht der zeitnahen Weiterveräußerung des hinzuerworbenen Anteils hatte, ergibt sich nicht, dass der ursprüngliche Gesellschaftsanteil von 50,5% und der hinzuerworbene Anteil von 5,0% bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise steuerlich als zwei separate Mitunternehmeranteile zu behandeln sind.

30Der ursprüngliche Gesellschaftsanteil des Klägers von 50,5% und der hinzuerworbene Anteil von 5,0% sind mit gleichen Rechten ausgestattet. Im Gegensatz zu den oben genannten möglichen erbrechtlichen (Testamentsvollstreckung, Vor- und Nacherbschaft) und sachenrechtlichen (Nießbrauch, Pfandrechte) Ausnahmefällen, bei denen der bisher gehaltene Anteil und der hinzuerworbene Anteil mit unterschiedlichen Rechten ausgestattet sind, wirkt sich der beabsichtigte Durchgangserwerb nicht beschränkend auf den Umfang der Rechte an dem Anteil aus. Der beabsichtigte Durchgangserwerb ist wirtschaftlich auch nicht mit dem oben genannten möglichen Ausnahmefall des Treuhandverhältnisses vergleichbar. Bei einem Treuhandverhältnis ist der Treunehmer durch einen Treuhandvertrag gebunden, die Sache im Sinne des Treugebers zu verwalten und nur zulässige Verfügungen vorzunehmen. Demgegenüber konnte der Kläger nach dem Erwerb des fünfprozentigen Gesellschaftsanteils eigenmächtig über diesen verfügen. Insbesondere hätte der Kläger die Absicht der zeitnahen Weiterveräußerung aufgeben können. Vorliegend kann dahinstehen, ob ein die Anteilsvereinigung verhinderndes Sondermerkmal vorliegt, wenn der Durchgangserwerber sich im Zeitpunkt des Anteilserwerbs bereits schuldrechtlich zur Weiterveräußerung des Anteils verpflichtet hat (vgl. dazu Wüllenkemper, EFG 2011, 624). Im Streitfall bestand im Zeitpunkt des Anteilserwerbs am 30.09.2006 keine schuldrechtliche Verpflichtung des Klägers zur Weitergabe des Anteils. Der Kläger hat den fünfprozentigen Gesellschaftsanteil erst am 02.10.2006 aufgrund neuer Verpflichtungen und selbständiger Verträge weiterveräußert.

31d) Die hinzuerworbenen Gesellschaftsanteile sind – entgegen der Ansicht des Klägers – auch nicht als Umlaufvermögen auszuweisen.

32Nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, ist der entgeltliche Erwerb eines Mitunternehmeranteils an einer Personengesellschaft einkommensteuerrechtlich nicht als Erwerb eines Gesellschaftsanteils als besonderes Wirtschaftsgut, vergleichbar der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, zu werten, sondern als entgeltliche Anschaffung von Anteilen an den einzelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern (BFH-Beschluss vom 25.2.1991 GrS 7/89, BStBl II 1991, 691, unter C.III.3. b cc; BFH-Urteil vom 6.7.1995 IV R 30/93, BStBl II 1995, 831, unter 1.). Bei bilanzierenden Personengesellschaften sind die Aufwendungen des Erwerbers, die den Betrag des übergehenden Kapitalkontos in der Steuerbilanz der Personengesellschaft übersteigen, in einer Ergänzungsbilanz zu aktivieren, soweit sie als Anschaffungskosten für die Anteile an den Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens anzusehen sind (BFH-Urteil vom 18.02.1993 IV R 40/92, BStBl II 1994, 224, unter 2.). Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sind die Anschaffungskosten eines Gesellschafters für den Erwerb seiner mitunternehmerischen Beteiligung in einer steuerlichen Ergänzungsrechnung nach Maßgabe der Grundsätze über die Aufstellung von Ergänzungsbilanzen zu erfassen, soweit sie in der Einnahmen-Überschussrechnung der Gesamthand nicht berücksichtigt werden können (BFH-Urteil vom 24.6.2009 VIII R 13/07, BStBl II 2009, 993, unter II.2.a).

33Bei Anwendung dieser Grundsätze hat die Frage, ob der Kläger den hinzuerworbenen Gesellschaftsanteil unmittelbar weiterveräußern oder langfristig halten wollte, keine Auswirkung auf die Erfassung des Beteiligungserwerbs in der Einnahmen-Überschussrechnung der Beigeladenen. Die hinzuerworbenen Gesellschaftsanteile sind weder als Umlaufvermögen noch als Anlagevermögen zu behandeln. Der von dem Kläger gezahlte Kaufpreis von 331.093,40 € ist, soweit er den Betrag des übergehenden Kapitalkontos übersteigt, in der steuerlichen Ergänzungsrechnung auf die verschiedenen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens der Beigeladenen zu verteilen.

342. Der Beklagte hat den Gewinn aus der Teilanteilsveräußerung zutreffend als laufenden Gewinn und nicht als begünstigen Veräußerungsgewinn i. S. des § 18 Abs. 3 i. V. m. § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG behandelt. Gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung führt nur die Veräußerung eines gesamten Mitunternehmeranteils zu einem begünstigten Veräußerungsgewinn.

353. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Gemäß § 139 Abs. 4 FGO sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn das Gericht sie aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Im Streitfall sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht erstattungsfähig, da diese keine Sachanträge gestellt hat und daher gem. § 135 Abs. 3 FGO keinem Kostenrisiko ausgesetzt war (vgl. BFH-Urteil vom 22.10.1991 VIII R 81/87, BStBl II 1992,147).

364. Die Revision war nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 13.2.1997 IV R 15/96, BStBl II 1997, 535) hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Streitfall eine weitere Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 FGO).

Bewertungsrecht: Einordnung eines Hochregallagers als Betriebsvorrichtung

Finanzgericht Düsseldorf, 11 K 211/12 BG

Datum:
19.09.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 211/12 BG
Tenor:

Der Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts auf den 01.01.2010 für die wirtschaftliche Einheit “A“- Stadt vom 13.10.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.12.2011 wird dahingehend abgeändert, dass der durch das Hochregallager (Bauteil 11 und 12 bzw. Lageplan Nr. 20 und 21) umbaute Raum bei der Berechnung des Einheitswertes unberücksichtigt bleibt. Die Berechnung des festzustellenden Einheitswertes wird dem Beklagten übertragen.

Der Beklagte trägt die Verfahrenskosten.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

1E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

2I. Die Klage ist begründet.

3Der angefochtene Einheitswertbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO). Das Finanzamt hat das Hochregallager einschließlich Vorzone zu Unrecht als Gebäude bewertet.

4Das Betriebsgrundstück der Klägerin ist gemäß § 99 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 BewG wie Grundvermögen zu bewerten. Nach § 68 Abs. 1 BewG gehören zum Grundvermögen außer dem Grund und Boden auch die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör. Nicht in das Grundvermögen einzubeziehen sind nach § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile sind.

5Für die Abgrenzung zwischen Gebäuden und Betriebsvorrichtungen ist vom Gebäudebegriff auszugehen, weil Gebäude grundsätzlich zum Grundvermögen gehören. Deshalb kann ein Bauwerk, das als Gebäude zu betrachten ist, nicht Betriebsvorrichtung sein (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 18.03.1987 II R 222/84, BStBl II 1987, 551 unter Hinweis auf das Urteil vom 25.03. 1977 III R 5/75, BFHE 122, 150, BStBl II 1977, 594 mit weiteren Nachweisen).

6Ein Bauwerk ist als Gebäude anzusehen, wenn es nicht nur fest mit dem Grund und Boden verbunden, von einiger Beständigkeit und ausreichend standfest ist, sondern es muss auch Menschen oder Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen Witterungseinflüsse gewähren und den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen gestatten (BFH-Urteil vom 28.05.2003 II R 41/01, BStBl. II 2003, 693, BFHE 202, 376 unter Hinweis auf BFH-Urteile in BFHE 96, 57, BStBl II 1969, 517, sowie vom 30. Januar 1991 II R 48/88, BFHE 163, 236, BStBl II 1991, 618). Alle Bauwerke, die sämtliche dieser Begriffsmerkmale aufweisen, sind ausnahmslos als Gebäude zu behandeln (BFH-Urteil vom 13. Juni 1969 III R 132/67, BFHE 96, 365, BStBl II 1969, 612).

7Dabei dürfen die einzelnen Flächen, welche den Aufenthalt von Menschen erlauben, im Verhältnis zum Ganzen nicht von untergeordneter Bedeutung sein (BFH-Urteil vom 14.11.1975 III R 150/74, BStBl. II 1976, 198). Diesbezüglich ist nicht nur auf die Größenverhältnisse der jeweils maßgebenden Bauteile abzustellen, sondern auch auf die Nutzungsintensität (BFH-Urteil vom 14.11.1975, a.a.O.).

8Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze stellt das Hochregallager nebst Vorzone kein Gebäude sondern eine Betriebsvorrichtung dar.

91. Die Eigenschaft als Gebäude ist deshalb nicht gegeben, weil das Hochregallager nicht den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen gestattet.

10Nach dem Inhalt der Akten und aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung steht fest, dass das vollautomatisch betriebene Hochregallager während des laufenden Betriebs von Menschen nicht betreten werden kann und aufgrund der automatisiert ablaufenden Ein- und Auslagerungsvorgänge auch nicht betreten werden darf. Das betriebliche Transport- und Lagersystem schaltet sich ab, sobald von der Vorzone, dem einzig möglichen Zugang, die Türe zum Hochregallagerraum geöffnet wird. Im Bereich des Regallagers selbst befinden sich außer den dem automatisierten Warentransport dienenden Lagergassen keinerlei Wartungs- und Beobachtungsgänge, auf denen sich Menschen ungestört durch das interne Transportsystem aufhalten können. Soweit sich Menschen zeitweilig außerhalb des Betriebsablaufs zu Wartungs-, Inspektions- und Reparaturarbeiten in dem Bauwerk (Lagerbereich) aufhalten, also während einer Betriebspause, ist dieser nur für kurze Zeitspannen mögliche Aufenthalt von untergeordneter Bedeutung (so schon BFH-Urteil vom 18.03.1987 II R 222/84, BStBl. II 1987, 551 zu einem vollautomatischen Hochregallager).

112. Anders als im eigentlichen Regallagerbereich ist zwar in der Vorzone wegen der neben dem Transportsystem verbliebenen Raumflächen der nicht nur vorübergehende Aufenthalt von Menschen möglich.

12a) Gleichwohl führt dies nicht dazu, den aus dem Hochregallagerbereich und der Vorzone bestehenden Bauwerkskomplex insgesamt als Gebäude im Sinne des Bewertungsgesetzes anzusehen. Hier greift die oben erwähnte BFH-Rechtsprechung (BStBl. II 1976,198), wonach es nötig ist, dass der Teil des Bauwerks, der zum Aufenthalt von Menschen geeignet ist, nicht nach Größenverhältnis und Nutzungsintensität von untergeordneter Bedeutung ist. In Bezug auf Größenverhältnisse ist die von der Rechtsprechung praktizierte 10 % Grenze als im Steuerrecht vertretene Erheblichkeitsschwelle zu berücksichtigen (vergleiche zu dieser Grenze etwa BFH-Urteil vom 21.09.2011, I R 89/10, BFHE 235, 263 unter Hinweis auf BFH Beschluss vom 07.04.2011 IV B 157/09, BFH/NV 2011, 1392).

13Nach Maßgabe beider Kriterien ist die Vorzone (einschließlich ihrer Zwischenebene) als Räumlichkeit von untergeordneter Bedeutung anzusehen.

14Hinsichtlich der Größenverhältnisse liegt die Vorzone unstreitig deutlich unter 10 % der Gesamtfläche (je nach Berechnungsart 7 % bzw. sogar nur 1,87 %).

15Auch die Nutzungsintensität der Vorzone spricht nur für eine untergeordnete Bedeutung. Die Zone wird lediglich zur Durchführung von Wartungs- und Reparaturarbeiten aufgesucht. Die Steuerung des gesamten Hochregallagers, welche als eine intensive und prägende Nutzung angesehen werden könnte, erfolgt von einem anderen Raum aus, der etwa 200 m vom Regallager- und Vorzonenbereich entfernt liegt und dessen Bewertung hier nicht strittig ist.

16b) Die Vorzone selbst ist außerdem nicht als (eigenständiges) Gebäude einzuordnen. Insoweit fehlt es an der für den Gebäudebegriff nötigen eigenen räumlichen Umschließung. Die Vorzone befindet sich zusammen mit dem Hochregallager in einem Bauwerk. Die tragenden Außenwände sind sowohl Umschließungen des Hochregallagerbereiches als auch des Vorzonenbereiches. Die Trennung im Inneren durch den Metallgitterzaun (Klägerschriftsatz vom 03.09.2013 i.V.m. der Anlage 1, insbesondere auch den Anlagen 20 – 23), welcher ohnehin keinerlei tragende Funktion aufweist, ist nur wenig mehr als „mannshoch“. Infolge der durch die Vorzone verlaufenden Förderbänder für die Hänge- und die Liegeware ist die Vorzone zudem funktionstechnisch untrennbar mit dem eigentlichen Hochregallagersystem verbunden.

173. Die bautechnisch separate Konstruktion des Hochregallagersystems einerseits und des sie sowie die Vorzone umschließenden Bauwerks andererseits (die Außenwände sind keine Umwandungen, die notwendiger Bestandteil der Betriebsvorrichtung “Hochregallagersystem“ sind, vergleiche hierzu BFH-Urteil vom 13.06.1969 III 17/65, BStBl. II

181969, 517 – Förderturm als Betriebsvorrichtung) führt entgegen der Ansicht des Finanzamtes nicht zur Bejahung der Gebäudeeigenschaft.

19a) Der BFH hat seinerzeit einen in Stahlbetonbauweise errichteten Förderturm als Betriebsvorrichtung angesehen, da seine Außenwände zum größten Teil ausschließlich als Tragscheiben zur Betriebsvorrichtung gehörten. Damit habe die Fläche der Außenwände des gesamten Bauwerks größtenteils aus Umwandungen bestanden, die notwendiger Bestandteil der Betriebsvorrichtungen seien. Denke man sich von der gesamten Umschließung den Teil der Außenwände weg, der ausschließlich und unmittelbar zu einer Betriebsvorrichtung gehöre, so würde die Umschließung unzweifelhaft in sich zusammenfallen, d.h. sie wären nicht mehr standfest im Sinne der Begriffsbestimmung des Gebäudes. Die Umschließung erfülle damit nicht alle Merkmale des Gebäudebegriffs. Dementsprechend sei der ganze Förderturm einschließlich der von seinen Außenwänden gebildeten Umschließung als Betriebsvorrichtung zum beweglichen Betriebsvermögen zu rechnen.

20Abweichend von diesem Sachverhalt, welcher der vorerwähnten BFH-Entscheidung vom 13.06.1969 zu Grunde lag, kann im Streitfall die für eine Gebäudeeigenschaft nötige Standfestigkeit des die Betriebsvorrichtung umschließenden Bauwerks zwar nicht infrage gestellt werden. Dies führt aber gleichwohl nicht zu der Annahme der Gebäudeeigenschaft des das Regalsystem umschließenden Bauwerkes.

21Entscheidend für die Bewertung sind stets die tatsächlichen Verhältnisse. Zu diesen tatsächlichen Verhältnissen gehört im Streitfall das im Betrieb befindliche vollautomatische Hochregallagersystem. Aufgrund dieser tatsächlichen Verhältnisse müssen alle Kriterien erfüllt sein, die den Gebäudebegriff ausfüllen.

22Nach diesen Grundsätzen sind zwar die feste Verbindung mit dem Grund und Boden, die Standfestigkeit sowie die räumliche Umschließung des Bauwerks gegeben.

23Das Bauwerk gestattet aber bei laufendem Betrieb unabhängig davon, ob zwischen der Regalanlage und der äußeren Bauwerkshülle eine konstruktive, bautechnisch bedingte Verbindung in Gestalt einer untrennbaren Einheit besteht oder nicht besteht, aus den oben aufgezeigten Gründen keinen nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen. Damit ist nach wie vor ein wesentliches Gebäudemerkmal nicht erfüllt.

24b) Die Argumentation des Beklagten, bei dem Bauwerk handele es sich um ein Gebäude, in dem eine (übergroße) Betriebsvorrichtung untergebracht sei, beruht offensichtlich auf der Vorstellung, den Streitfall mit den Fällen gleich zu behandeln, bei denen in Lagergebäuden kleinere Betriebsvorrichtungen installiert sind. In derartigen Fällen ist infolge der verbleibenden freien Raumflächen der nicht nur vorübergehende Aufenthalt von Menschen möglich und die Gebäudeeigenschaft demnach zu bejahen.

25Der Senat folgt dieser Ansicht für den Streitfall aus zweierlei Gründen nicht.

26Zum einen würde diese Betrachtungsweise nicht den tatsächlichen sondern einen anderen fiktiven Sachverhalt erfassen.

27Zum anderen läuft eine solche Argumentation letztlich darauf hinaus, den Gebäudebegriff über die Verkehrsauffassung zu korrigieren. Das aber hat die Rechtsprechung stets abgelehnt (BFH-Urteil vom 18.03.1987 a.a.O. unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 13.06.1969 III R 132/67, BFHE 96, 365, BStBl II 1969, 612 sowie in BFHE 96, 57, BStBl II 1969, 517 und in BFHE 122, 150, BStBl II 1977, 594).

28c) Soweit der Beklagte die Annahme der Gebäudeeigenschaft damit begründet, dass nach Herausnahme der Hochregalanlage der die Anlage umgebende Baukörper im gesamten Umfang unverändert vorhanden ist, kann der Senat dieser Überlegung zur Bejahung der Gebäudeeigenschaft ebenfalls nicht zustimmen. Auch diese Betrachtungsweise erfasst nicht den tatsächlichen sondern einen anderen fiktiven Sachverhalt.

29II. Die Übertragung der Berechnung des festzustellenden Einheitswerts beruht auf

30§ 100 Abs. 2 S. 1 und 2 FGO.

31Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

32Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

33Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Ausführungen oben unter I.3. zugelassen.

Berücksichtigung von Sonderabschreibungen bei der Ermittlung des steuerfreien Wertzuwachses eines Grundstücks

Finanzgericht Düsseldorf, 8 K 3988/11 F

Datum:
25.04.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 K 3988/11 F
Tenor:

Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 vom 01.08.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.11.2011 wird dahingehend geändert, dass ein verbleibender Verlustvortrag zum 31.12.2006 für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften des Klägers auf 43.942 Euro und der Klägerin auf 43.202 Euro festgestellt wird.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

1T a t b e s t a n d:2Streitig ist, ob der Gewinn aus der Veräußerung eines Grundstücks zu den sonstigen Einkünften im Sinne der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) gehört.

3Die Kläger sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden.

4Der Kläger erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag vom 28.06.1996 das Grundstück A in B einschließlich eines noch zu errichtenden Einfamilienhauses zu einem Preis von 285.000 DM (umgerechnet 145.718 Euro). Hinsichtlich der Gebäudeherstellungskosten i.H.v.138.120 Euro machte er eine Sonderabschreibung nach dem Fördergebietsgesetz (FöGbG) i.H.v. insgesamt 68.530 Euro (67.999 Euro für 1996, 210 Euro für 1997 und 321 Euro für 1998) geltend. Im Übrigen erfolgten Absetzungen für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 Abs. 4 EStG i.H.v. 2% der Gesamtkosten, bis Ende 2006 betrug die AfA insgesamt 26.220 Euro (227 Euro für 1996, 2.737 Euro für 1997, 2.763 für 1998 bis 2005 und 1.152 Euro für 2006).

5Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 09.08.2005 übertrug der Kläger das Grundstück im Wege einer ehebedingten Zuwendung unentgeltlich an die Klägerin. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 30.03.2006 veräußerte die Klägerin das Grundstück zu einem Kaufpreis i.H.v. 91.000 Euro an fremde Dritte.

6In der Einkommensteuererklärung für 2006 erklärten die Kläger einen steuerlichen Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf des Grundstücks A gemäß § 23 EStG i.H.v. 31.829 Euro. Wegen der Gewinnberechnung wird auf die entsprechende Anlage zur Steuererklärung Bezug genommen.

7Der Beklagte folgte zwar der Berechnung der Kläger; unter Berücksichtigung der zum 31.12.2005 festgestellten verbleibenden Verlustvorträge ergaben sich jedoch im Einkommensteuerbescheid 2006 vom 20.06.2007 Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften von 0 Euro. Außerdem stellte er mit Bescheid vom 20.06.2007 den verbleibenden Verlustvortrag zum 31.12.2006 des Klägers auf 27.892 Euro und der Klägerin auf 27.432 Euro fest.

8Mit Einspruchsschreiben vom 25.06.2007 wandten sich die Kläger u. a. gegen die Erfassung des Veräußerungsgewinns unter Hinweis auf die damals beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) unter den Aktenzeichen 2 BvL 14/02 und 2 BvL 2/04 anhängigen Normenkontrollverfahren zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Verlängerung der sog. Spekulationsfrist bei der Veräußerung von Grundstücken von zwei auf zehn Jahre durch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.03.1999. Nachdem das BVerfG mit Beschluss vom 07.07.2010 (Bundessteuerblatt II 2011, 76) entschieden hatte, dass die Neuregelung insoweit verfassungswidrig ist, als Wertzuwächse besteuert werden, die bis zum Zeitpunkt der Verkündung der Gesetzesänderung am 31.03.1999 eingetreten sind und die nach Maßgabe der zuvor geltenden Rechtslage hätten steuerfrei realisiert werden können, beantragten die Kläger, die Erfassung des Veräußerungsgewinns rückgängig zu machen.

9Der Beklagte vertrat hingegen im Hinblick auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 20.12.2010, wonach zur Vereinfachung regelmäßig der Umfang des steuerbaren Wertzuwachses entsprechend dem Verhältnis der Besitzzeit nach dem 31.03.1999 im Vergleich zur Gesamtbesitzzeit linear zu ermitteln ist, und im Hinblick auf die Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Rheinland vom 18.01.2011 die Auffassung, dass Sonderabschreibungen nach dem FöGbG „pro rata temporis“ anzusetzen seien und keine Zuordnung zu den einzelnen Besitzzeiträumen erfolge. Unter Berücksichtigung eines nicht steuerbaren Zeitraums vom 28.06.1996 bis 31.03.1999 (33 Monate gerundet) und eines steuerbaren Zeitraums vom 01.04.1999 bis zur Veräußerung (84 Monate gerundet) teilte er den Veräußerungsgewinn i.H.v. 31.829 Euro auf und ging von einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn für die Zeit ab 01.04.1999 i.H.v. 22.851 Euro aus. Entsprechend erließ er am 01.08.2011 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2006. Der angesetzte Gewinn wirkte sich wegen der Verrechnung mit Verlustvorträgen steuerlich erneut nicht aus; die festgesetzte Einkommensteuer blieb gegenüber der Steuer aus dem vorangegangenen Änderungsbescheid vom 29.12.2009 unverändert.

10Außerdem erließ der Beklagte am 01.08.2011 einen geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006, mit dem er den verbleibenden Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 EStG für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften des Klägers auf 32.419 Euro und der Klägerin auf 31.874 Euro feststellte.

11Den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 verwarf der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 04.08.2011 als unzulässig; durch den Ansatz des Veräußerungsgewinns von 22.851 Euro sei die Steuerfestsetzung nicht betroffen, da die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften aufgrund der Verrechnung mit Verlustvorträgen 0 Euro betragen. Die hiergegen unter dem Aktenzeichen 8 K 2893/11 E,F erhobene Klage haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 25.04.2013 zurückgenommen.

12Den Einspruch gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 wies der Beklagte als unbegründet zurück; er hielt an der vorgenommenen zeitanteiligen Aufteilung des Veräußerungsgewinns fest.

13Die Kläger haben sodann die vorliegende Klage erhoben.

14Sie sind der Ansicht, dass der Veräußerungsgewinn nicht zeitanteilig, sondern nach den tatsächlichen Wertverhältnissen aufzuteilen sei. Der ermittelte Gewinn von 31.829 Euro beruhe auf den in den Jahren 1996 bis 1998 vorgenommenen Sonderabschreibungen nach dem FöGbG. Daher sei der entstandene Gewinn diesen Jahren zuzurechnen. Ohne die Sonderabschreibung hätte sich ein Veräußerungsverlust ergeben. Durch die zeitanteilige Aufteilung konterkariere der Beklagte den vom BVerfG festgelegten Grundsatz, den Veräußerungsgewinn von Wirtschaftsgütern nicht der Besteuerung zu unterwerfen, bei denen die Spekulationsfrist am 31.03.1999 abgelaufen war.

15Die Entscheidung des Beklagten stehe auch im Widerspruch zu der Günstigerregelung im BMF-Schreiben vom 20.12.2010, wonach die lineare Aufteilung des Gewinn auf Antrag des Steuerpflichtigen keine Anwendung finde, wenn dieser einen tatsächlichen Wertzuwachs für den Zeitraum zwischen der Anschaffung des Wirtschaftsguts und dem 31.03.1999 nachweise. Diese Bedingung sei erfüllt.

16Denn aus einer vom Landesamt für Vermessung und Geoinformation des Landes …………….. eingeholten Übersicht der Verkaufswerte für Reihenhäuser in B ergebe sich ein Werteverfall in den Jahren 1996 bis 1998 von 15 %, in den Jahren 1999 bis 2006 lediglich von rd. 1 %. Im Umkehrschluss folge daraus, dass die Wertaufholung durch die Sonderabschreibungen ausschließlich in den Jahren 1996 bis 1998 erfolgt sei und der Veräußerungsgewinn in diese Jahre falle.

17Sie beantragen,

18den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 vom 01.08.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.11.2011 dahingehend zu ändern, dass ein verbleibender Verlustvortrag zum 31.12.2006 des Klägers auf 43.942 Euro und der Klägerin auf 43.202 Euro festgestellt wird.

19Der Beklagte beantragt,

20die Klage abzuweisen.

21Er hält an seiner Auffassung fest, dass eine Aufteilung des Veräußerungsgewinns pro rata temporis erfolgen müsse. Die Kläger hätten den Wert des Grundstücks zum 31.03.1999 nicht im Wege eines Sachverständigengutachtens nachgewiesen. Die Zusammenstellung von Wohnflächenpreisen aus verschiedenen Grundstücksmarktberichten sei als Nachweis des Grundstückswerts nicht geeignet, da es sich dabei um allgemeine Werte handele.

22E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

23Die Klage ist begründet.

24Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.

25Entsprechend § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG a.F. i.V.m. § 23 Abs. 3 Satz 9, 2. HS EStG a.F. ist der verbleibende Verlustvortrag für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften auf 43.942 Euro für den Kläger und 43.202 Euro für die Klägerin festzustellen. Denn der Beklagte hat die verbleibenden Verlustvorträge der Kläger um insgesamt 22.851 Euro zu niedrig festgestellt, da er im Jahr 2006 zu Unrecht den zum 31.12.2005 festgestellten Verlustvortrag der Kläger mit einem Veräußerungsgewinn der Klägerin gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG verrechnet hat. Für die Kläger ergab sich jeweils eine anteilige Erhöhung, da der Beklagte den Verlustabzug im Jahr 2006 entsprechend dem Rechtsgedanken des § 62d Abs. 2 Satz 2 Einkommensteuerdurchführungsverordnung auf die Kläger aufgeteilt hatte.

26Hinsichtlich der Veräußerung des Grundstücks A in B liegt grundsätzlich ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft der Klägerin gemäß §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG vor. Darunter fallen Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Gebäude und Außenanlagen sind einzubeziehen, soweit sie innerhalb dieses Zeitraums errichtet, ausgebaut oder erweitert werden. Die Klägerin ist aufgrund der ehebedingten Zuwendung in die Rechtsposition des Klägers eingetreten.

27Jedoch ist der in der Zeit von der Anschaffung des Grundstücks bis zur Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 am 31.03.1999 durch die Veräußerung entstandene Wertzuwachs steuerfrei zu stellen. In dem genannten Zeitraum war bereits eine konkret verfestigte Vermögensposition entstanden, die durch die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist durch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 nachträglich entwertet wurde. Denn nach der Entscheidung des BVerfG vom 07.07.2010 ist diese rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre wegen des Verstoßes gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes insoweit verfassungswidrig und daher nichtig, soweit durch Versteuerung eines Veräußerungsgewinns Wertsteigerungen erfasst werden, die bis zu Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 am 31.03.1999 entstanden sind und nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei realisiert worden sind oder steuerfrei hätten realisiert werden können, weil die alte Spekulationsfrist bereits abgelaufen war.

28Die Höhe des bis zum 31.03.1999 durch die Veräußerung des Grundstücks A in B entstandenen und steuerfrei zu stellenden Wertzuwachses der Klägerin ist in Anlehnung an die Vorschrift des § 23 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Da der tatsächliche Wert des Grundstücks zum 31.03.1999 nicht feststeht, ist der durch die Veräußerung entstandene Gewinn i.H.v. 31.829 Euro grundsätzlich im Wege der Schätzung gemäß § 162 Abgabenordnung (AO) aufzuteilen in einen Anteil für den bis zur Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 entstandenen – und steuerfreien – Wertzuwachs und in einen Anteil für den nach Verkündung dieses Gesetzes entstandenen steuerpflichtigen Wertzuwachs.

29Nach Ansicht des Gerichts ergibt sich für die Zeit nach dem 01.04.1999 kein Veräußerungsgewinn. Der Beklagte hat – unabhängig von der Anwendung der Günstigerregelung nach II.2.a) des BMF-Schreibens vom 20.12.2010, wonach die Vereinfachungsregelung der linearen Aufteilung des Wertzuwachses auf Antrag des Steuerpflichtigen keine Anwendung findet, sofern er einen tatsächlich höheren Wertzuwachs für den Zeitraum bis zum 31.03.1999 nachweist – zu Unrecht entsprechend der Verfügung der OFD Rheinland die von den Klägern bis zum 31.03.1999 in Anspruch genommenen Sonderabschreibungen nach dem FöGbG „pro rata temporis“ auf die gesamte Besitzzeit aufgeteilt. Vielmehr sind entgegen dieser Ansicht die Abschreibungsbeträge den Zeiträumen zuzuordnen, in denen sie tatsächlich gewährt wurden und sich steuerlich im Rahmen einer Einkunftsart im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG (hier: Vermietung und Verpachtung) steuerlich ausgewirkt haben (vgl. Bundesfinanzhof (BFH), Beschlüsse vom 12.07.2012 IX B 64/12, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH (BFH/NV) 2012, 1782 und 11.04.2012 IX B 14/12, BFH/NV 2012, 1130). Denn nach § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG mindern sich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten um die AfA, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen, soweit sie bei der Ermittlung der Einkünfte im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG abgezogen worden sind. Die Höhe des bis zum 31.03.1999 infolge der gewährten Sonderabschreibungen entstandenen Wertzuwachses der Klägerin steht fest und ist einer Schätzung gemäß § 162 AO nicht zugänglich. Sofern der Beklagte davon abweichend eine andere Wertermittlung zugrunde legen will, trifft ihn die Feststellungslast für die Höhe eines nach dem 31.03.1999 entstandenen Veräußerungsgewinns, da es sich es sich um eine steuerbegründende Tatsache handelt.

30Da entsprechend der Angaben der Kläger und der von ihnen vorgelegten Unterlagen seit Anschaffung bis zur Veräußerung des Grundstücks in B kontinuierlich ein Werteverfall zu verzeichnen war – der Veräußerungspreis lag ebenfalls deutlich unter den Anschaffungs- und Herstellungskosten -, beruht die Ermittlung eines Veräußerungsgewinns durch den Beklagten für die Zeit nach dem 31.03.1999 ausschließlich auf der zeitanteiligen Aufteilung der von den Klägern in Anspruch genommenen Sonderabschreibungen nach dem FöGbG. Entsprechend ergibt sich bei Zuordnung der Sonderabschreibungen zu dem Besitzzeitraum, in dem sie sich steuerlich ausgewirkt haben, dass in der Zeit bis zum 31.03.1999 hierdurch ein steuerfreier Wertzuwachs und in der Zeit danach – in dieser Zeit bis zum Verkauf wurde nur noch AfA in geringer Höhe in Anspruch genommen – kein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn entstanden ist.

31Die direkte Zuordnung der Sonderabschreibungen zu den Besitzzeiten entspricht den Überlegungen des BVerfG im Beschluss vom 07.07.2010. In der Höhe der gewährten Sonderabschreibungen ist eine konkret verfestigte Vermögensposition objektiv entstanden, die bei einer zeitanteiligen Aufteilung der in Anspruch genommenen Abschreibungsbeträge nachträglich entwertet würde. Denn hätte die Klägerin nach Ablauf der alten Spekulationsfrist von zwei Jahren das Grundstück bis zum 31.03.1999 veräußert, so hätten die bis dahin gewährten Sonderabschreibungen gemäß § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG die Herstellungskosten gemindert und damit den entsprechenden Veräußerungsgewinn erhöht. Dieser wäre aber unstreitig in voller Höhe steuerfrei gewesen (vgl. auch Niedersächsisches Finanzgericht (FG), Beschluss vom 27.12.2011 9 V 280/11, Entscheidungen der FG (EFG) 2012, 1460; Hessisches FG, Beschluss vom 17.02.2012 1 V 2821/11, EFG 2012, 1148; FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.03.2012 7 V 7191/11, EFG 2012, 1462).

32Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.