BFH konkretisiert Voraussetzungen für Steuerfreistellung durch ausländische Betriebsstätten

BFH-Urteile vom 18.12.2024 – I R 47/21 und I R 39/21
(Pressemitteilung Nr. 26/25 vom 02.05.2025)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit zwei Grundsatzentscheidungen zur Steuerfreistellung von Einkünften aus ausländischen Betriebsstätten im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) für mehr Klarheit gesorgt. Im Zentrum steht die Frage, wann eine Betriebsstätte im Ausland vorliegt und unter welchen Voraussetzungen entsprechende Einkünfte in Deutschland steuerfrei gestellt, aber dem Progressionsvorbehalt unterworfen werden können.


⚖️ Urteil I R 47/21: Betriebsstätte durch Schweizer Büroraum eines Taxiunternehmers

Ein in Deutschland ansässiger Taxiunternehmer war Mitglied einer Schweizer Taxifunkzentrale und nutzte dort regelmäßig einen gemeinsam genutzten Büroraum mit drei Arbeitsplätzen. Er führte dort unter anderem:

  • Personalverwaltung für seine Fahrer,
  • Buchhaltungsvorbereitungen,
  • Rechnungswesen und behördliche Kontrolle.

▶️ Der BFH entschied:

Die Einkünfte aus der Tätigkeit in der Schweiz sind in Deutschland steuerfrei zu stellen, da eine abkommensrechtliche Betriebsstätte nach dem DBA Deutschland-Schweiz vorliegt.

▶️ Maßgeblich war:

  • Die Tätigkeit war geschäftsleitend, nicht bloß „hilfsweise“.
  • Der Unternehmer hatte eine dauerhafte Verfügungsmacht über den Raum (u. a. durch einen eigenen abschließbaren Container).
  • Die Tätigkeit war nachhaltig und organisatorisch im Ausland verwurzelt.

Die Entscheidung zeigt: Auch bei „geteilten Räumlichkeiten“ kann eine Betriebsstätte vorliegen, wenn eine gewisse zeitliche und örtliche Verwurzelung gegeben ist.


🕒 Urteil I R 39/21: Mindestdauer für Betriebsstätteneigenschaft

Im zweiten Verfahren klärte der BFH die zeitliche Komponente: Eine Geschäftseinrichtung kann nur dann als Betriebsstätte im Sinne eines DBA anerkannt werden, wenn sie mindestens sechs Monate lang bestanden hat – und zwar sowohl hinsichtlich:

  • der tatsächlichen Nutzung durch den Unternehmer, als auch
  • der Verfügbarkeit über die Geschäftseinrichtung selbst.

Ein Unternehmen, das z. B. nur für wenige Monate im Ausland aktiv ist, erfüllt diese Voraussetzung nicht – selbst wenn die Tätigkeit vollständig in einer ausländischen Geschäftseinrichtung ausgeübt wurde.


📌 Bedeutung für die Praxis

  • Steuerpflichtige mit grenzüberschreitender Tätigkeit (z. B. Handwerker, Berater, Betreiber von Betriebsstätten im Ausland) sollten sorgfältig dokumentieren, wie lange und in welchem Umfang sie Geschäftsräume im Ausland nutzen.
  • Eine steuerfreie Behandlung der Auslandseinkünfte nach DBA setzt neben inhaltlichen auch zeitliche Mindestvoraussetzungen voraus.
  • Der BFH setzt mit diesen Urteilen klare Maßstäbe für die Anerkennung einer Betriebsstätte – insbesondere im Hinblick auf Verwurzelung, Nutzung, Verfügungsmacht und Dauer.

📣 Fazit

Die BFH-Urteile verdeutlichen:
Eine steuerliche Freistellung von Auslandseinkünften setzt voraus, dass im Tätigkeitsstaat eine echte, organisatorisch eingebundene und ausreichend lang genutzte Betriebsstätte besteht. Kurzfristige oder nur oberflächlich genutzte Einrichtungen reichen nicht aus.

Unternehmer, die grenzüberschreitend tätig sind, sollten ihre Struktur und Dokumentation prüfen – und im Zweifel rechtzeitig steuerlichen Rat einholen.

Sie sind grenzüberschreitend tätig oder planen eine Betriebsstätte im Ausland? Wir prüfen Ihre Struktur auf steuerliche Optimierung und Doppelbesteuerungsrisiken – sprechen Sie uns an!


Quelle: Bundesfinanzhof, Pressemitteilung vom 02.05.2025

  • Urteil I R 47/21 (LEXinform-Dokument Nr. 0953917)
  • Urteil I R 39/21 (LEXinform-Dokument Nr. 0953774)