Aufrechnung eines Erstattungsanspruchs mit Insolvenzforderung nach Restschuldbefreiung

Mit Urteil vom 23. Oktober 2013 (Az. 4 K 186/11) hat der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts entschieden, dass die Aufrechnung eines Erstattungsanspruchs mit einer Insolvenzforderung durch das Finanzamt auch dann möglich ist, wenn nach Abschluss des Insolvenzverfahrens die Restschuldbefreiung erteilt worden ist.

Über das Vermögen des Klägers, eines Spielhallenbetreibers, wurde im August 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet. Im September 2010 wurde dem Kläger die Restschuldbefreiung erteilt. Im Jahre 2006 war die Festsetzung der Umsatzsteuer für 1991-1994 und 1996-2001 wegen der geänderten Rechtsprechung des EuGH gemindert worden. Da der Umsatzsteuerbescheid für 1995 nicht wirksam bekannt gegeben worden war, erließ das FA im April 2011 einen erneuten Bescheid, aus dem sich ein Umsatzsteuerguthaben des Klägers ergab. Im Mai 2011 erklärte das FA die Aufrechnung dieses Erstattungsanspruchs mit Einkommensteuerforderungen für 1991, 1994 und 1996, die es im Insolvenzverfahren als Insolvenzforderungen zur Tabelle angemeldet hatte. Mit seiner Klage wandte sich der Kläger gegen den vom FA erlassenen Abrechnungsbescheid, durch den das Erlöschen des Erstattungsanspruchs aufgrund der vom FA erklärten Aufrechnung festgestellt worden war.

Der 4. Senat bestätigte die Rechtmäßigkeit der Aufrechnung, deren Voraussetzungen im Streitfall erfüllt waren. Die Einkommensteuerforderungen seien zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung durchsetzbar gewesen, da sie zur Tabelle festgestellt worden waren und der Kläger gegen die Forderungen keinen Widerspruch erhoben hatte. Auf die materiell-rechtliche Rechtmäßigkeit der Forderungen komme es wegen der Feststellung zur Tabelle nicht an. Die Einkommensteuerforderungen seien auch fällig gewesen; die Fälligkeit richte sich nach der Entstehung der Einkommensteuer (§ 220 Abs. 2 Satz 1 AO) und nicht nach der Bekanntgabe der Steuerbescheide (§ 220 Abs. 2 Satz 2 AO), da Steuerbescheide im Insolvenzverfahren nicht erlassen werden durften und die Einkommensteuerforderungen als Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden waren.

Die Restschuldbefreiung stand nach Auffassung des Senats der Durchsetzbarkeit der Einkommensteuerforderungen nicht entgegen. Die Einkommensteuerforderungen seien zwar infolge der Restschuldbefreiung zu unvollkommenen Forderungen geworden, mit denen eine Aufrechnung grundsätzlich nicht mehr möglich sei. Aus § 94 InsO ergebe sich jedoch, dass ein zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestehendes Recht des FA zur Aufrechnung nicht nur während des Insolvenzverfahrens, sondern auch nach dessen Aufhebung im Anschluss an eine Restschuldbefreiung fortbestehe. Der Senat hat sich hierbei der Rechtsprechung des BGH zur vergleichbaren Fallgestaltung der Aufrechnung im Anschluss an einen Insolvenzplan angeschlossen.

Die Aufrechnung sei schließlich nicht durch das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausgeschlossen, da der Erstattungsanspruch aus der Umsatzsteuer 1995 insolvenzrechtlich bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im August 2004 begründet gewesen sei, auch wenn er erst zu einem späteren Zeitpunkt festgesetzt worden sei. Der Erstattungsanspruch sei daher auch bereits vor seiner Festsetzung erfüllbar gewesen.

Der Senat hat die Revision zugelassen, da bislang keine Entscheidung des BFH zur Auswirkung der Restschuldbefreiung auf eine spätere Aufrechnung mit Insolvenzforderungen vorliegt. Das Revisionsverfahren ist beim BFH unter dem Az. VII R 19/14 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 30.09.2014 zum Urteil 4 K 186/11 vom 23.10.2013 (nrkr – BFH-Az.: VII R 19/14)