Alle Beiträge von admin

Keine Schenkungsteuerpflicht bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zum Nennwert seines Geschäftsanteils

Das Finanzgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 13. November 2013 (4 K 834/13 Erb) erstmals zu der Frage Stellung genommen, ob Schenkungsteuer entsteht, wenn ein Gesellschafter unter Auszahlung nur des Nennbetrags seines Geschäftsanteils aus einer Kapitalgesellschaft ausscheidet, die nach dem sog. Managermodell organisiert ist. Die Frage hat insbesondere für Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften große praktische Bedeutung. Derartige Gesellschaften sind zuweilen in Gestalt eines Managermodells organisiert. Das Managermodell zeichnet sich dadurch aus, dass regelmäßig den Seniorpartnern der Gesellschaft eine Gesellschafterstellung eingeräumt wird, für die sie nur ein Entgelt in Höhe des Nennwerts zu zahlen haben und die sie bei Beendigung ihrer Gesellschafterstellung gegen eine der Höhe nach begrenzte Abfindung zurück zu übertragen haben.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat der Klage stattgegeben und eine Schenkungsteuerpflicht in dem von ihm entschiedenen Streitfall verneint. In diesem Streitfall war der Geschäftsanteil des ausscheidenden Gesellschafters zum Nennwert auf einen Treuhänder übertragen worden. Der Treuhänder hatte den Anteil bis zum Eintritt eines neuen Gesellschafters in die Gesellschaft für die verbliebenen Altgesellschafter zu halten.

Maßgebend für die Entscheidung des Gerichts war, dass es nach seiner Rechtsansicht an einer Bereicherung der Gesellschaft und der verbliebenen Gesellschafter fehlt. Der Treuhänder habe weder für die klagende Gesellschaft noch für die anderen Gesellschafter frei über den Geschäftsanteil verfügen können. Es sei nicht zu einem Übergang der Vermögenssubstanz auf die Gesellschaft oder die anderen Gesellschafter gekommen.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Düsseldorf, Pressemitteilung vom 02.12.2013 zum Urteil 4 K 834/13 vom 13.11.2013

 

Finanzgericht Düsseldorf, 4 K 834/13 Erb

Datum:
13.11.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 834/13 Erb
Tenor:

Der Schenkungsteuerbescheid vom 13. November 2013 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

1T a t b e s t a n d:

2Die Klägerin ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit beschränkter Haftung, die durch Umwandlung der A KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Jahr 2001 entstanden ist. Nach § 15 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin vom 30. Juni 2004 bedarf die Abtretung von Geschäftsanteilen der Zustimmung der Gesellschafterversammlung und der Gesellschaft. Neben dem Gesellschaftsvertrag haben die Gesellschafter der Klägerin, die Geschäftsanteile von jeweils 50.000 € halten, einen notariell beurkundeten Poolvertrag vom 30. Juni 2004 abgeschlossen. Gegenstand des Poolvertrags ist nach dessen § 1 Abs. 1 die Regelung der Verhältnisse der Gesellschafter untereinander sowie die gemeinschaftliche Ausübung der Gesellschafterrechte. Parteien des Poolvertrags können nach dessen § 2 Abs. 1 nur Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte sowie sonstige Personen sein, die nach dem Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüferordnung) als Geschäftsführer einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zugelassen werden können. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 des Poolvertrags endet die Mitgliedschaft unter anderem aus Altersgründen gemäß § 14 des Vertrags. Nach § 14 Abs. 1 des Poolvertrags verkauft und überträgt ein Poolmitglied mit Vollendung seines 63. Lebensjahres mit schuldrechtlicher Wirkung zum Ende des Tages der Beschlussfassung über die Feststellung des Jahresabschlusses der Klägerin sowie über die Rechnungslegung über die Gewinnverteilung und die Nebenrechnung nach § 10 Abs. 4 des Vertrags für das Geschäftsjahr, in dem es das 63. Lebensjahr vollendet hat, seinen Geschäftsanteil an einen Pooltreuhänder. Der Pooltreuhänder hat unter anderem die Aufgabe, die Geschäftsanteile, die für die Aufnahme neuer Poolmitglieder vorgesehen sind, bis zu ihrer Übertragung treuhänderisch für alle Poolmitglieder zu halten, sowie die Geschäftsanteile ausscheidender Poolmitglieder treuhänderisch für alle in der Klägerin verbleidenden Poolmitglieder zu erwerben und zu halten. Die Einzelheiten sind in einem Treuhandvertrag (Anlage 13 zum Poolvertrag) geregelt (§ 19 Abs. 9 des Poolvertrags). Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Treuhandvertrags hält der Treuhänder die Geschäftsanteile ausscheidender Poolmitglieder für die verbleibenden Poolmitglieder als fremdnütziger Treuhänder. Im Außenverhältnis ist der Pooltreuhänder Vollrechtsinhaber (§ 1 Abs. 3 des Treuhandvertrags). Für die Übertragung des Geschäftsanteils ausscheidender Gesellschafter sieht § 13 Abs. 1 des Poolvertrags i.V.m. § 3 des Kauf- und Übertragungsvertrags – Typ A – (Anlage 8 zum Poolvertrag) vor, dass der Pooltreuhänder an den Verkäufer ein Entgelt in Höhe des Nennbetrags des Geschäftsanteils zu zahlen hat. Ein Anspruch auf stille Reserven oder einen Goodwill besteht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 des Kauf- und Übertragungsvertrags – Typ A – (Anlage 8 zum Poolvertrag) nicht.

3Gesellschafter der Klägerin war unter anderem X, der nach der Umwandlung der A KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in die Klägerin einen Geschäftsanteil von 50.000 € hielt. X kündigte aus Altersgründen und übertrug seinen Geschäftsanteil auf der Grundlage der für ihn geltenden Übergangsregelung für Gesellschafter der vormaligen A KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (Anlage 5 zum Poolvertrag) zum 30. Juni 2005 auf den Pooltreuhänder. Hierfür erhielt er ein Entgelt von 50.000 €.

4Das beklagte Finanzamt erlangte am 3. April 2007 Kenntnis von der Übertragung. Es forderte die Klägerin mit Schreiben vom 21. Oktober 2011 auf, eine Schenkungsteuererklärung abzugeben. Dem kam die Klägerin am 22. November 2011 nach.

5Das beklagte Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, dass die Übertragung des Geschäftsanteils des X gegen Zahlung eines Kaufpreises von 50.000 € nach § 7 Abs. 7 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) der Schenkungsteuer unterliege. Es setzte deshalb gegen die Klägerin mit Bescheid vom 25. November 2011  513.730 € Schenkungsteuer fest. Dabei schätzte es den gemeinen Wert des übertragenen Geschäftsanteils mit 1.473.000 €, wovon es den Kaufpreis von 50.000 € abzog.

6Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein, den sie mit Schreiben vom 15. März 2012 begründete.

7Das beklagte Finanzamt wies die Klägerin mit Schreiben vom 22. August 2012 darauf hin, dass der gemeine Wert des übertragenen Geschäftsanteils mit 4.296,85 € je 100 €-Geschäftsanteil anzusetzen sei, so dass der Wert ihres Erwerbs mit 2.098.425 € anzunehmen sei. Demgemäß setzte das beklagte Finanzamt die Schenkungsteuer gegen die Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2013 auf 585.445 € neu fest. Zur Begründung führte es aus: Die Übertragung des Geschäftsanteils beruhe auf einem Gesellschaftsvertrag, obgleich dies nach § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG in der im Streitfall anzuwendenden Fassung nicht mehr erforderlich sei. Der Poolvertrag enthalte den Gesellschaftsvertrag der Klägerin ergänzende wesentliche Regelungen und betreffe damit die Grundlagen der Gesellschaft. § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG finde auch bei sog. Managermodellen Anwendung, bei denen eine zeitlich befristete Beteiligung an einer GmbH vorgesehen sei und der Erwerb sowie die spätere Veräußerung eines Geschäftsanteils nur zum Nennwert erfolge. Bei dem an X gezahlten Kaufpreis handele es sich um eine Abfindung, weil das Entgelt nicht frei ausgehandelt worden sei. Ein Wille zur Unentgeltlichkeit des Zuwendenden müsse nicht vorliegen. Die Klägerin sei als Erwerberin auch Steuerschuldnerin, weil das Ausscheiden des X ihre Beziehung zu ihm betreffe. Unerheblich sei, dass der Geschäftsanteil an den Pooltreuhänder veräußert worden sei. Hierdurch sei nur der Leistungsweg abgekürzt worden.

8Die Klägerin trägt mit ihrer Klage vor: Die Übertragung des Geschäftsanteils des X unterliege nicht nach § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG der Schenkungsteuer, weil sie nicht auf Gesetz oder Gesellschaftsvertrag beruhe. Die Übertragung beruhe vielmehr auf dem Poolvertrag sowie auf dem Kauf- und Übertragungsvertrag. Hierbei handele es sich um schuldrechtliche Vereinbarungen. Entsprechendes gelte für den gezahlten Kaufpreis, der deshalb keine Abfindung sei. Jedenfalls sei § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG im Streitfall nicht anwendbar, weil bei einem Managermodell andere Grundsätze zu gelten hätten als bei einer gewöhnlichen kapitalistisch geprägten Beteiligung. Bei dem vorliegenden Managermodell sei eine Gesellschafterstellung nur auf Zeit eingeräumt und gleichzeitig eine Kaufpreisbeschränkung für den Rückkauf vereinbart worden. Im Vordergrund stehe nicht die Überlassung von Kapital, sondern die Zurverfügungstellung von Arbeitskraft. Durch die Kapitalbeteiligung werde dem Gesellschafter ein zusätzliches Arbeitsentgelt in Gestalt von Gewinnausschüttungen gewährt. Demgemäß bringe die Rückübertragung der Beteiligung nur zum Ausdruck, dass der Gesellschafter nicht mehr Geschäftsführer sei und keinen Vergütungsanspruch für seine Tätigkeit mehr habe. Ein Zugriff auf stille Reserven sei ausgeschlossen, weil diese in nennenswertem Umfang ohnehin nicht vorhanden seien. Die Gewinne würden vollständig ausgeschüttet. Zudem fehle einem neu eintretenden Gesellschafter nach dem Poolvertrag die freie Verfügungsmöglichkeit über seinen Geschäftsanteil. Die Besteuerung führe zu einem nicht zu rechtfertigenden Eingriff in das ihr zustehende Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes. Bei ihr komme es laufend zu einem Wechsel von Gesellschaftern, um die Nachfolge von hoch qualifizierten Berufsträgern zu sichern. Die vom beklagten Finanzamt aufgegriffenen Fälle führten zu einer Schenkungsteuer von insgesamt etwa 13.000.000 €. Ihre wirtschaftliche Existenz stehe deshalb auf dem Spiel. In Anbetracht der drohenden Steuerbelastung sei es für sie überdies schwer, neue qualifizierte Gesellschafter zu finden. Aus diesen Gründen sei § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass für eine Besteuerung eine objektive Unentgeltlichkeit und eine Bereicherungsabsicht erforderlich seien. Sie sei jedenfalls nicht Steuerschuldnerin. Parteien des Kauf- und Übertragungsvertrags seien nur  X und der Pooltreuhänder, der den Geschäftsanteil für die Gesellschafter halte. X habe in Bezug auf sie auch keinen Zuwendungswillen gehabt. Selbst wenn man sie als Erwerberin ansähe, sei zu berücksichtigen, dass sie den Geschäftsanteil nur vorübergehend bis zum Eintritt eines neuen Gesellschafters halten würde, der den Anteil zum Nennwert erwerben werde. Der gemeine Wert des übertragenen Geschäftsanteils betrage allenfalls 50.000 €. Die Übertragungen anderer Gesellschafter zum Nennwert ein Jahr vor dem 30. Juni 2005 stellten Verkäufe dar, die Vorrang vor einer Schätzung des gemeinen Werts hätten. Im Übrigen sei die Schätzung des beklagten Finanzamts unzutreffend und führe zu einer krassen Überbewertung. Der gemeine Wert des übertragenen Geschäftsanteils betrage bei einer Anwendung des Stuttgarter Verfahrens höchstens 1.151.500 €.

9Das beklagte Finanzamt hat die Schenkungsteuer gegen die Klägerin mit Bescheid vom 13. November 2013 auf 416.780 € neu festgesetzt. Dabei ist es von einem gemeinen Wert des übertragenen Geschäftsanteils von 1.246.000 € ausgegangen, wovon es den Kaufpreis von 50.000 € abgezogen hat.

10Die Klägerin beantragt,

11

  • 121 den Schenkungsteuerbescheid vom 13. November 2013 aufzuheben;
  • 132 hilfsweise die Revision zu zulassen.

14Das beklagte Finanzamt beantragt,

15

  • 161 die Klage abzuweisen;
  • 172 hilfsweise die Revision zuzulassen.

18Zur Begründung verweist es im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung. Darüber hinaus trägt es vor: Der gemeine Wert des übertragenen Geschäftsanteils betrage unter teilweiser Berücksichtigung der Einwendungen der Klägerin 1.246.000 €.

19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

20Die Klage ist begründet. Der Schenkungsteuerbescheid vom 13. November 2013, der gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das beklagte Finanzamt hat die Schenkungsteuer zu Unrecht gegen die Klägerin festgesetzt.

21Die Klägerin ist schon nicht Steuerschuldnerin für den vom beklagten Finanzamt besteuerten Vorgang. Steuerschuldner ist nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG unter anderem der Erwerber. Nach § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG gilt als Schenkung auch der auf dem Ausscheiden eines Gesellschafters beruhende Übergang des Anteils oder des Teils eines Anteils eines Gesellschafters einer Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft auf die anderen Gesellschafter oder die Gesellschaft, soweit der Wert, der sich für seinen Anteil zur Zeit seines Ausscheidens nach § 12 ErbStG ergibt, den Abfindungsanspruch übersteigt. Bei der Prüfung der Frage, wer als Zuwendender und Bedachter an einer freigebigen Zuwendung beteiligt ist, kommt es ausschließlich auf die Zivilrechtslage und nicht darauf an, wem nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise Vermögen zuzurechnen ist (vgl. Bundesfinanzhof – BFH -, Urteile vom 9. Juli 2009 II R 47/07, BFHE 226, 399, BStBl II 2010, 74 sowie vom 9. Dezember 2009 II R 22/08, BFHE 228, 165, BStBl II 2010, 363).

22Der Geschäftsanteil des X ist nicht auf die Klägerin übergegangen. X hat seinen Geschäftsanteil vielmehr gemäß § 17 Abs. 1 des Poolvertrags i.V.m. den §§ 1 Abs. 1, 2 Buchst. a und 13 Abs. 1 der Anlage 8 zum Poolvertrag an den Pooltreuhänder verkauft und abgetreten (§ 15 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung). Nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 des Poolvertrags und § 2 Abs. 1 Satz 1 des Treuhandvertrags (Anlage 13 zum Poolvertrag) hält der Treuhänder die Geschäftsanteile ausscheidender Poolmitglieder für die verbleibenden Poolmitglieder – d.h. für die Gesellschafter der Klägerin – als fremdnütziger Treuhänder. Im Außenverhältnis ist der Pooltreuhänder Vollrechtsinhaber (§ 1 Abs. 3 des Treuhandvertrags). Die Poolmitglieder und nicht die Klägerin sind nach § 19 Abs. 4 des Poolvertrags und nach § 3 Abs. 2 des Treuhandvertrags verpflichtet, dem Treuhänder das für den Erwerb des Geschäftsanteils zu zahlende Entgelt zur Verfügung zu stellen. Der Erwerb des Geschäftsanteils des X kann daher schenkungsteuerrechtlich nicht der Klägerin zugerechnet werden, die weder Partei des Poolvertrags noch Partei des Kauf- und Übertragungsvertrags (Anlage 8 zum Poolvertrag) war.

23Der Senat kann nicht der vom beklagten Finanzamt vertretenen Auffassung folgen, dass die Übertragung des Geschäftsanteils auf den Pooltreuhänder der Klägerin zuzurechnen sei, weil das Ausscheiden des X ihre Beziehung zu ihm betreffe (vgl. ähnlich: Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG § 7 Randnr. 410; Fischer in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 4. Aufl., § 7 Randnr. 547; Ostermeyer/Riedel, BB 2006, 1662, 1664). Der Senat vermag keine Rechtsgrundlage für eine solche Zurechnung zu erkennen. Es würde zudem der maßgeblichen Zivilrechtslage widersprechen, der Klägerin den Erwerb des Pooltreuhänders schenkungsteuerrechtlich zuzurechnen.

24Nicht zu entscheiden hat der Senat, ob der Erwerb des Geschäftsanteils den Gesellschaftern der Klägerin zuzurechnen ist, die sich durch den Abschluss des Poolvertrags zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 705 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) zusammengeschlossen haben (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. September 1986 II ZR 272/85, NJW 1987, 890).

25Unbeschadet dessen ist der angefochtene Steuerbescheid auch deshalb rechtswidrig, weil es im Streitfall an einem Übergang des Geschäftsanteils i.S. des § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG auf die anderen Gesellschafter oder die Klägerin fehlt. Die vorgenannte Bestimmung enthält zwar eine Fiktion. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sie eine objektive Bereicherung der anderen Gesellschafter oder der Gesellschaft voraussetzt (vgl. BFH, Urteil vom 1. Juli 1992 II R 12/90, BFHE 168, 390, BStBl II 1992, 925; Fischer in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 4. Aufl., § 7 Randnr. 542). Erforderlich für die Annahme einer Bereicherung ist eine Vermögensverschiebung, die sich auf die Vermögenssubstanz beziehen muss (vgl. BFH, Urteil vom 30. Januar 2013 II R 38/11, BFHE 240, 287). Der Bedachte muss über den Gegenstand der Zuwendung tatsächlich und rechtlich frei verfügen können (vgl. Urteil vom 22. August 2007 II R 33/06, BFHE 218, 403, BStBl II 2008, 28).

26Hiervon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden. Der Pooltreuhänder hält den von X erworbenen Geschäftsanteil nur treuhänderisch auf Zeit bis zur Aufnahme neuer Gesellschafter (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 des Poolvertrags; §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 1 Satz 1 des Treuhandvertrags; Vortrag der Klägerin auf Bl. 136 GA), die den Anteil zum Nennwert erwerben werden. Der Treuhänder kann mithin weder für die Klägerin noch für die anderen Gesellschafter frei über den Geschäftsanteil verfügen. Mangels Realisierbarkeit eines über den Nennwert des Geschäftsanteils hinausgehenden Wertes ist es nicht zu einem Übergang der Vermögenssubstanz auf die Klägerin oder die anderen Gesellschafter gekommen.

27Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 138 Abs. 2 Satz 1, 135 Abs. 1, 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

Unimog nicht kraftfahrzeugsteuerfrei

Ein Unimog ist keine Zugmaschine im Sinne des Kraftfahrzeugsteuergesetzes. Dies hat das Finanzgericht Köln mit Urteil vom 05.03.2013 (6 K 745/11) entschieden.

In dem Verfahren begehrte eine Landwirtin für ihren „DB Unimog 427/10“ die Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für Zugmaschinen. Zur Begründung legte sie ein Herstellergutachten vor, wonach der Unimog alle technischen Voraussetzungen einer Zugmaschine bzw. eines Ackerschleppers erfülle. Diese Ansicht teilte das Gericht nicht und verwehrte die Kraftfahrzeugsteuerbefreiung. Denn ein Unimog „Universal-Motor-Gerät“ sei ein universell einsetzbarer, allradgetriebener Kleinlastwagen und Geräteträger, der bei drei Sitzplätzen und einer Ladefläche mit Zuladungsmöglichkeit von 3000 kg auch der Beförderung von Personen und Gütern diene. Das Fortbewegen von Lasten durch das Ziehen von Anhängern stehe hierbei nicht ausreichend im Vordergrund.

Auf Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat der Bundesfinanzhof die Revision zugelassen (II B 36/13).

Quelle: FG Köln, Pressemitteilung vom 02.12.2013 zum Urteil 6 K 745/11 vom 05.03.2013

Finanzgericht Köln, 6 K 745/11

Datum:
05.03.2013
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 745/11
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

1Tatbestand

2Die Klägerin ist seit dem 04.11.2010 Halterin eines Fahrzeugs „DB Unimog 427/10“ mit dem amtlichen Kennzeichen A – B 1. Dieses Fahrzeug ist als „Zugmaschine“ mit drei Sitzplätzen zugelassen. Es verfügt über eine Masse von 4500 kg sowie eine zulässige Gesamtmasse von 7500 kg. Das Fahrzeug weist neben der Fahrerkabine eine offene Ladefläche mit einer Größe von ca. 1,95 m x 1,90 m auf. Ausweislich der im Einspruchsverfahren eingereichten Bilder war diese Ladefläche von einer ca. 40 cm hohen Bordwand umgeben, die nach den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Bildern mittlerweile entfernt wurde.

3Mit Bescheid vom 28.12.2010 setzte der Beklagte für dieses Fahrzeug Kraftfahrzeugsteuer in Höhe von jährlich 500 € fest und versagte gleichzeitig die von der Klägerin bei der Zulassung des Fahrzeugs beantragte Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 7 KraftStG.

4Hiergegen richtet sich die vorliegende, nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit der die Klägerin die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 7 KraftStG begehrt. Hierzu trägt sie vor, dass sie einen landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieb betreibe, bei dem neben der Milchviehhaltung die Grünlandbewirtschaftung und der Ackerbau wesentliche Schwerpunkte bildeten. Das fragliche Fahrzeug diene dazu, die erforderlichen Feldarbeiten durchzuführen. Es verfüge dementsprechend über einen Heckkraftheber, Anschlüsse für eine Druckluftbremsanlage sowie einen Zapfwellenanschluss, die in ihrer Gesamtheit für den Anbau und den Betrieb landwirtschaftlicher Bodenbearbeitungsgeräte vorgesehen seien. Ausweislich des vorliegenden Herstellergutachtens vom 07.07.2005 erfülle das Fahrzeug alle technischen Voraussetzungen, um als Zugmaschine-Ackerschlepper, Schlüssel-Nr. 8710, eingestuft zu werden. Nach Bauart und insbesondere Ausstattung sei das Fahrzeug überwiegend zur Fortbewegung von Lasten durch Ziehen von Anhängern sowie sämtlicher landwirtschaftlicher Bodenbearbeitungsgeräte zu dienen geeignet und bestimmt. Die nach wie vor fortbestehende Qualität des Fahrzeugs als Personentransportmittel trete daher hinter dem das Fahrzeug in überwiegendem Maße prägenden Zugmaschinen Charakter unzweifelhaft zurück.

5Die Klägerin beantragt,

6den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 28.12.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.02.2011 aufzuheben.

7Der Beklagte beantragt,

8die Klage abzuweisen.

9Er vertritt unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung die Ansicht, dass das fragliche Fahrzeug die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 KraftStG an eine L+F-Zugmaschine nicht erfülle.

10Entscheidungsgründe

11Die Klage ist unbegründet.

12Der Beklagte hat zu Recht eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 7 KraftStG verwehrt. Denn bei dem streitbefangenen Fahrzeug der Klägerin handelt es sich nicht um eine Zugmaschine im Sinne dieser Vorschrift.

13Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist eine Zugmaschine im Sinne des Kraftfahrzeugsteuerrechts ein Fahrzeug, dessen wirtschaftlicher Wert im Wesentlichen in der Zugleistung liegt und das nach seiner Bauart und Ausstattung ausschließlich oder überwiegend zur Fortbewegung von Lasten durch Ziehen von Anhängern zu dienen geeignet und bestimmt ist. Die Einstufung als Zugmaschine kommt deshalb nicht in Betracht, wenn das Fahrzeug auch zur Personenbeförderung und/oder Güterbeförderung geeignet ist. Dabei ist die objektive Beschaffenheit des Fahrzeugs unter Berücksichtigung aller Merkmale in ihrer Gesamtheit zu bewerten. Bei Serienfahrzeugen ist in der Regel die Konzeption des Herstellers für die Bauart bestimmend und trägt die objektive Beschaffenheit eines Fahrzeugs entscheidend. Auf dessen tatsächliche Verwendung kommt es für die Einstufung des Fahrzeugs nicht an.

14Auch die verkehrsrechtliche Einstufung als „Zugmaschine“ ist kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht bindend. Das Kraftfahrzeugsteuerrecht folgt zwar grundsätzlich den Begriffsbestimmungen in verkehrsrechtlichen Vorschriften, nicht aber Festlegungen verkehrsrechtlicher Art, die im Verwaltungswege erfolgen. Soweit es kraftfahrzeugsteuerrechtlich auf die Bauart („Gesamtbild“) des Fahrzeugs als Zugmaschine ankommt, darf dieses Merkmal nicht schon deshalb für gegeben erachtet werden, weil die Verkehrsbehörde unter Beachtung einschlägiger Verwaltungsanweisungen eine entsprechende Einstufung vorgenommen hat (BFH-Urteil vom 03.04.2001 VII R 7/00, BStBl II 2001, 451 mit weiteren Nachweisen).

15Danach kommt eine Einstufung des Fahrzeugs der Klägerin als Zugmaschine nicht in Betracht.

16Entsprechend seinem Namen (Abkürzung für „Universal-Motor-Gerät“) handelt es sich bei dem Unimog um einen universellen allradgetriebenen kleinen Lastkraftwagen und Geräteträger vor allem für die Land- und Forstwirtschaft, das Militär und für kommunale Aufgaben, aber auch für andere Aufgaben in unwegsamem Gelände. Unimogs werden auch bei Feuerwehren, THW und anderen Hilfsorganisationen eingesetzt. Weitere typische Einsatzgebiete sind die Versorgung von Berghütten und in Straßenmeistereien und Gemeinden, gerade auch in den Alpenländern (vgl. Wikipedia, Stichwort „Unimog“).

17Dieser offenen Herstellerkonzeption entsprechend vermag das Fahrzeug der Klägerin bei drei zugelassenen Sitzplätzen sowohl Personen als auch angesichts der Ladefläche und der Zulademöglichkeit von 3000 kg Güter zu befördern. Die unstreitig außerdem bestehende Möglichkeit zur Fortbewegung von Lasten durch Ziehen von Anhängern steht dabei nicht dermaßen im Vordergrund, dass die anderen genannten Zwecke dahinter völlig zurücktreten.

18Hat der Beklagte danach eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 7 KraftStG zu Recht verwehrt, begegnet die vorgenommene Besteuerung des Fahrzeugs als „anderes Kraftfahrzeug“ nach dem zulässigen Gesamtgewicht keinen rechtlichen Bedenken.

19Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Deutsche Piloten einer irischen Flug-gesellschaft fliegen weiterhin steuerfrei

Der Arbeitslohn eines in Deutschland wohnenden Piloten einer irischen Fluggesellschaft bleibt 2009 auch dann in Deutschland steuerfrei, wenn Irland auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat. Diese Besteuerungslücke konnte der Gesetzgeber durch den Mitte 2013 eingeführten § 50d Absatz 9 Satz 3 Einkommensteuergesetz nicht rückwirkend schließen. Die Vorschrift ist wegen des für belastende Gesetze geltenden Rückwirkungsverbots im Streitjahr nicht anzuwenden. Dies hat der 1. Senat des Finanzgerichts Köln in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit seinen Beschluss vom 18.10.2013 (1 V 1635/13) entschieden.

Die Finanzverwaltung hatte den von Irland nicht besteuerten Arbeitslohn des Piloten i. H. von 73.000 Euro bei der Steuerfestsetzung für 2009 der Besteuerung unterworfen. Der Pilot wehrte sich dagegen und beantragte beim Finanzamt erfolglos eine Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides. Das Finanzgericht gab dem Piloten nunmehr zumindest vorläufig Recht. Nach der im Aussetzungsverfahren vorgeschriebenen überschlägigen Prüfung stehe Deutschland nach Auffassung des 1. Senats insoweit kein Besteuerungsrecht zu.

Nach dem deutsch-irischen Doppelbesteuerungsabkommen hat Irland das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn des Piloten. Wenn ein Pilot jedoch in Irland nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist, verzichtet Irland auf sein Besteuerungsrecht soweit an Arbeitstagen kein irischer Flughafen angeflogen wird. Mit Urteil vom 11.01.2012 (I R 27/11) hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Steuerfreiheit dieser Einnahmen bestätigt. Als Reaktion hierauf hat der deutsche Gesetzgeber mit dem Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26.06.2013 (BGBl. I 2013, 1809) § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG eingeführt. Mit dieser Vorschrift will er rückwirkend in allen noch offenen Fällen Deutschland die Besteuerung ermöglichen.

Die gegen die Entscheidung des Senats zunächst vom Finanzamt erhobene Beschwerde vor dem Bundesfinanzhof in München hat die Finanzverwaltung zurückgenommen. Der Beschluss ist somit rechtskräftig.

Quelle: FG Köln, Pressemitteilung vom 02.12.2013 zum Beschluss 1 V 1635/13 vom 18.10.2013

Veräußerungskosten können nicht in vollem Umfang vom steuerpflichtigen Anteil eines Spekulationsgewinns abgezogen werden

Bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Anteils eines Spekulationsgewinns sind die Veräußerungskosten verhältnismäßig dem steuerbaren und dem nicht steuerbaren Teil des Veräußerungsgewinns zuzuordnen. Dies hat der 13. Senat des Finanzgerichts Köln mit Urteil vom 06.11.2013 (13 K 121/13) entschieden. Ein Anspruch auf Berücksichtigung der gesamten Veräußerungskosten bei dem steuerpflichtigen Teil des Veräußerungsgewinns ergibt sich nach Auffassung des Senats weder aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.07.2010 noch aus dem hierzu ergangenen Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 20.12.2010.

Eine Grundstücksgemeinschaft erzielte im März 2000 bei dem Verkauf eines 1991 erworbenen Grundstücks vor Berücksichtigung der Veräußerungskosten einen Spekulationsgewinn in Höhe von 60.000 DM. Hiervon waren nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts unstreitig nur 6.000 DM steuerbar. Das Finanzamt zog die bei der Veräußerung des Grundstücks entstandenen Kosten (Makler, Vorfälligkeitsgebühr und Grundbuch) von insgesamt 20.000 DM anteilig ab und ermittelte einen steuerpflichtigen Spekulationsgewinn in Höhe von 4.000 DM. Demgegenüber vertrat die Grundstücksgemeinschaft die Auffassung, die Veräußerungskosten seien in vollem Umfang vom steuerpflichtigen Anteil abzuziehen und machte einen Veräußerungsverlust von 14.000 DM geltend. Dieser Meinung konnte sich das Gericht nicht anschließen, weil dies im Ergebnis die Umdeutung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in eine Subventionsregel zur Folge hätte.

Der Senat hat gegen das Urteil die Revision zum Bundesfinanzhof in München wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinen Beschlüssen vom 07.07.2010 (2 BvL 14/02, 2 BvL 2/02 ,2 BvL 13/05) die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist des § 23 EStG bei Grundstücken auf zehn Jahre als teilweise verfassungswidrig eingestuft. Steuerpflichtige, die ein Grundstück mehr als 2 Jahre vor dem 31.03.1999 erworben und innerhalb der neuen 10-jährigen Spekulationsfrist nach diesem Datum wieder veräußert haben, müssen daher ihren Spekulationsgewinn nur insoweit versteuern, wie er nach dem 31.03.1999 entstanden ist. Die Finanzverwaltung hat die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 20.12.2010 (Bundessteuerblatt I 2011, 14) umgesetzt.

Quelle: FG Köln, Pressemitteilung vom 02.12.2013 zum Urteil 13 K 121/13 vom 06.11.2013

Firmeninsolvenzen steigen im 1. Quartal 2013 um 0,8 Prozent

Die Zahl der Firmeninsolvenzen in Deutschland ist im 1. Quartal 2013 gestiegen. Insgesamt wurden in den ersten drei Monaten des Jahres 7.460 Unternehmen zahlungsunfähig. Das entspricht einem leichten Anstieg um 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Studie „Firmeninsolvenzen 1. Quartal 2013“ der Wirtschaftsauskunftei Bürgel.

„Für das Jahr 2013 prognostizieren wir einen leichten Anstieg von einem Prozent auf knapp 30.000 Unternehmensinsolvenzen“, kommentiert Bürgel Geschäftsführer Dr. Norbert Sellin die aktuellen Zahlen. Damit werden die Firmeninsolvenzen nach drei Jahren rückläufiger Zahlen 2013 wieder ansteigen.

„Die schwache Konjunktur im 4. Quartal 2012 wirkt sich aktuell nachgelagert auf die Zahl der Firmeninsolvenzen aus“, so Dr. Sellin. Die wirtschaftliche Lage in Deutschland hat sich zwar im 1. Quartal 2013 wieder etwas stabilisiert. Das Wachstum betrug in den ersten drei Monaten 0,1 Prozent – allerdings deuteten viele Indikatoren der Wirtschaftsexperten auf ein stärkeres Plus hin. Viele Impulse für die Wirtschaft kamen dabei in den ersten drei Monaten vor allem von den privaten Haushalten, die Ihre Ausgaben aufgrund gestiegener Löhne und einer stabilen Beschäftigungslage erhöhten. Die Unternehmen in Deutschland investierten hingegen aufgrund der Verunsicherung durch die Schuldenkrise weniger und die deutschen Exporteure leiden weiter unter der schwächelnden Weltwirtschaft.

Nordrhein-Westfalen führt die Insolvenzstatistik bei den absoluten Zahlen mit 1.949 zahlungsunfähigen Unternehmen an. Aber auch Bayern (965 Firmeninsolvenzen), Baden-Württemberg (798), Niedersachsen (747) und Hessen (543) weisen im absoluten Vergleich hohe Werte auf.

Im relativen Vergleich mit Fokus auf die Firmendichte in den Bundesländern zeigt sich ein differenziertes Bild. Bei der Betrachtung der Firmeninsolvenzen je 10.000 Unternehmen führt Bremen die Insolvenzstatistik an (35 Insolvenzen je 10.000 Unternehmen). Über dem Bundesdurchschnitt von 24 zahlungsunfähigen Unternehmen je 10.000 Firmen rangieren auch Sachsen-Anhalt (32 Fälle je 10.000 Firmen), Nordrhein-Westfalen (30), Sachsen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen (je 28), Thüringen (26), Saarland sowie Berlin (je 25). In Bayern mit 17 Insolvenzen je 10.000 Unternehmen, gefolgt von Baden-Württemberg (18) sowie Brandenburg (19) gab es die wenigsten Insolvenzen.

Die Entwicklung leicht steigender Firmeninsolvenzzahlen zeigt sich nicht in allen Bundesländern. Acht Länder verzeichnen sogar rückläufige Zahlen. Den stärksten Rückgang meldete Thüringen mit 5,2 Prozent weniger zahlungsunfähigen Firmen im Vergleich zum Vorjahresquartal. Weniger Insolvenzen gab es auch in Brandenburg (minus 5,1 Prozent), Baden-Württemberg (minus 3,3 Prozent), im Saarland (minus 2,2 Prozent) sowie in Niedersachsen (minus 1,3 Prozent), Bayern (minus 1,2 Prozent), Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz (minus 0,6 Prozent). Einen starken Anstieg verbucht Sachsen-Anhalt mit sieben Prozent mehr Firmeninsolvenzen. Ebenso steigen die Fallzahlen in Berlin (plus 6,4 Prozent), Hamburg (plus 6,3 Prozent), Sachsen (plus 5,6 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (plus 4,9 Prozent).

Der Negativtrend, dass viele Jungunternehmen von Insolvenzen betroffen sind, setzt sich auch 2013 fort. Mehr als ein Viertel (26 Prozent) aller Insolvenzen im 1. Quartal 2013 wurden von Firmen angemeldet, die nicht länger als 2 Jahre am Markt aktiv waren. Gerade in der Startphase sorgt vor allem eine fehlende Kapitalausstattung für Finanzierungsschwierigkeiten. Auch scheitern Neugründungen, wenn sich deren Geschäftsideen als nicht marktgerecht erweisen. Zudem machen den Gründern vor allem Marktveränderungen, strategische Fehlentscheidungen und mangelnde interne Kompetenz zu schaffen.

GmbHs sind im 1. Quartal 2013 am stärksten von Firmeninsolvenzen betroffen. Ihr Anteil an der Insolvenzstatistik macht 35,5 Prozent aus. Auch die Gewerbebetriebe gehören zu den am stärksten betroffenen Rechtsformen: Knapp jedes dritte zahlungsunfähige Unternehmen ist ein Gewerbebetrieb (Anteil: 31,6 Prozent; absolut: 2.360).

Den mittlerweile drittstärksten Anteil von 5,8 Prozent am Firmeninsolvenzgeschehen in Deutschland macht die Rechtsform der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) aus.

Die Hauptursachen für Unternehmenspleiten bleiben nach wie vor erstens das Ausbleiben neuer Aufträge bzw. Stornierung oder die Verschiebung bereits erteilter Aufträge. Auch das Zahlungsverhalten von Kunden wirkt sich unmittelbar auf die Liquidität von Unternehmen aus. Insbesondere Unternehmen, die mit hohen Zahlungsausfällen kämpfen müssen, haben nur einen begrenzten Finanzierungsspielraum. So werden Dominoeffekte angestoßen, die mit Zahlungsverzögerungen, Liquiditätsengpässen und Finanzierungsschwierigkeiten beginnen und schließlich manches Unternehmen in die Insolvenz treiben. Aktuell sind rund 20 Prozent der insolventen Unternehmen von Dominoeffekten betroffen. Zudem sind oftmals Managementfehler für ein erhöhtes Insolvenzrisiko verantwortlich. So können falsche Markteinschätzungen oder fehlerhafte Produktplanungen sowie Investitionsfehler zum Scheitern von Unternehmen führen. Auch die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit von Firmen kann zur Insolvenz führen.

Quelle: Bürgel, Pressemitteilung vom 26.08.2013

3.387,90 Euro Zweitwohnungssteuer/ Jahr zulässig

Die Stadt Baden-Baden darf für eine 146 m² große und vom Eigentümer selbst genutzte Zweitwohnung 3.387,90 Euro Zweitwohnungssteuer verlangen. Das hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit Urteil vom 24.06.2013 entschieden. Damit hatte die Berufung der Stadt Baden-Baden gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe Erfolg, das einen Abgabenbescheid der Stadt wegen fehlerhafter Steuerberechnung beanstandet hatte.

Die Klägerin, eine russische Staatsangehörige, ist Eigentümerin einer 146 m² großen, von ihr selbst genutzten Zweitwohnung in Baden-Baden. Der Steuersatz der städtischen Zweitwohnungssteuer bemisst sich nach dem jährlichen Mietaufwand, und zwar gestaffelt nach dessen Anteilen bis 2.500 Euro (20 %), über 2.500 Euro bis zu 5.000 Euro (27,5 %) und darüber (35 %). Wird eine Zweitwohnung selbst genutzt, kommt es auf die übliche Miete an, die anhand von Mieten für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung geschätzt wird. Für die Wohnung der Klägerin schätzte die Stadt die übliche Jahresmiete auf etwas über 11.000 Euro, indem sie den steuerlichen Einheitswert auf der Basis der Jahresrohmiete von 1964 anhand von Mietpreissteigerungen hochrechnete. Ausgehend davon setzte sie die jährliche Zweitwohnungssteuer auf 3.387,90 Euro fest. Die Klägerin rügte, schon die Höhe der Steuer verletze ihr Eigentumsgrundrecht. Außerdem sei die Schätzung fehlerhaft. Der VGH folgte dem nicht und bestätigte die Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheids.

Die festgesetzte Zweitwohnungssteuer sei mit höherrangigem Recht vereinbar, insbesondere der Höhe nach nicht unverhältnismäßig. Die Steuerbelastung der Klägerin, die ca. 30 % des geschätzten jährlichen Mietaufwands zu bezahlen habe, überschreite zwar die in der Rechtsprechung teilweise als kritisch angesehene Schwelle von 20 % des Mietaufwands. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung sei jedoch nicht entscheidend, ob ein bestimmter – mehr oder weniger willkürlich festgelegter – Steuersatz überschritten werde. Denn die Zweitwohnungssteuer bezwecke auch, das Halten von Zweitwohnungen einzudämmen, um das Wohnungsangebot für Einheimische zu erhöhen. Es komme deshalb darauf an, ob die Höhe der Steuer das Innehaben einer Zweitwohnung wirtschaftlich unmöglich mache. Das sei hier nicht der Fall. Der Steuersatz bewirke nicht, dass in Baden-Baden allgemein keine Zweitwohnungen mehr unterhalten werden könnten. Seit Inkrafttreten der Satzung im Jahre 2009 habe es mehr als 260 Zweitwohnungssteuerfälle im Jahr gegeben. Eine abnehmende Tendenz sei nicht feststellbar. Im Gegenteil habe es 2012 einen Höchststand von 342 Fällen gegeben, der 2013 mit 336 Fällen nur geringfügig unterschritten worden sei.

Auch die Schätzung des jährlichen Mietaufwands sei im Ergebnis rechtmäßig. Zwar sei die von der Stadtverwaltung praktizierte Methode, den steuerlichen Einheitswert von 1964 anhand von Mietpreissteigerungen hochzurechnen, in der städtischen Zweitwohnungssteuersatzung nicht vorgesehen. Dieser Fehler wirke sich aber im Ergebnis nicht aus. Denn eine von der Stadt im Berufungsverfahren vorgelegte weitere Schätzung anhand von 11 Vergleichswohnungen zeige, dass der zugrunde gelegte jährliche Mietaufwand nicht überhöht sei. Danach wäre ein jährlicher Mietaufwand von 7,05 Euro/m² angemessen. Die Stadt habe bei der Klägerin aber nur 6,44 Euro/m² jährlichen Mietaufwand angesetzt.

Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils durch Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

Quelle: VGH Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 26.08.2013 zum Urteil 2 S 2116/12 vom 24.06.2013

1. Halbjahr 2013: Staat erzielt Überschuss von 8,5 Milliarden Euro

Der Staat erzielte im ersten Halbjahr 2013 nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes einen Finanzierungsüberschuss von 8,5 Milliarden Euro. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen (1.335,8 Milliarden Euro) errechnet sich daraus eine Quote von +0,6 %. Die Haushalte von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung konnten damit von einer im europäischen Vergleich insgesamt günstigen Beschäftigungssituation und stabilen Wirtschaftsentwicklung im ersten Halbjahr 2013 profitieren.

Der Bund verringerte sein Finanzierungsdefizit im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum um knapp 6 Milliarden Euro auf -2,2 Milliarden Euro. Die Länder erreichten im ersten Halbjahr 2013 einen Überschuss von 1,2 Milliarden Euro, nachdem sie im entsprechenden Vorjahreszeitraum knapp einen ausgeglichenen Haushalt verfehlt hatten (-30 Millionen Euro). Bei den Gemeinden erhöhte sich der Überschuss im Vorjahresvergleich um 1 Milliarde Euro auf rund 5,3 Milliarden Euro. Der Überschuss der Sozialversicherung belief sich auf 4,3 Milliarden Euro und fiel damit erwartungsgemäß deutlich niedriger aus als bisher. Gründe hierfür waren zum Beispiel die Absenkung der Rentenversicherungsbeiträge und der Wegfall von Zuschüssen aus dem Bundeshaushalt.

Die Einnahmen des Staates beliefen sich im ersten Halbjahr 2013 auf 604,5 Milliarden Euro und waren um rund 16,3 Milliarden Euro höher (+2,8 %) als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Die Ausgaben des Staates entwickelten sich nahezu parallel mit den Einnahmen und stiegen im ersten Halbjahr 2013 um 15,8 Milliarden Euro (+2,7 %) auf 596,0 Milliarden Euro.

Die wichtigste Einnahmequelle des Staates sind die Steuern, die mit 321,4 Milliarden Euro gut die Hälfte der gesamten Einnahmen ausmachen. Der Zuwachs bei den Steuereinnahmen blieb mit +3,8 % im ersten Halbjahr 2013 hoch und stützte sich insbesondere auf die Entwicklung der Einkommen- und Vermögensteuern, die um 6,3 % höher ausfielen. Hierbei lag der Zuwachs bei der Lohnsteuer im ersten Halbjahr bei 5,6 %. Überdurchschnittlich stark erhöhten sich die Einnahmen aus der veranlagten Einkommensteuer (+12,8 %), der Gewerbesteuer (+8,4 %) und der Körperschaftsteuer (+8,1 %). Der Anstieg bei den Produktions- und Importabgaben, zu denen beispielsweise die Umsatzsteuer und Verbrauchsteuern gezählt werden, ist wegen der insgesamt schwächeren konjunkturellen Entwicklung zu Jahresbeginn mit +1,0 % eher verhalten ausgefallen. Die Sozialbeiträge an den Staat sind um 2,3 % auf 222,8 Milliarden Euro merklich angestiegen, obwohl die Absenkung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung um 0,7 Prozentpunkte rechnerisch zu einem Einnahmeausfall von gut 3 Milliarden Euro pro Halbjahr führt.

Die Ausgaben des Staates erhöhten sich im ersten Halbjahr 2013 um 2,7 % auf 596,0 Milliarden Euro. Etwas moderater verlief dabei der Anstieg bei den monetären Sozialleistungen, dem mit deutlichem Abstand größten Ausgabenblock des Staates: Für Leistungen wie Rentenzahlungen, Pensionen, Sozialhilfe, Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II wendete der Staat insgesamt 2,4 % mehr auf. Deutlich stärker stiegen dagegen die vom Staat gewährten sozialen Sachleistungen mit +4,4 %. Hier machte sich vor allem die Abschaffung der Praxisgebühr, die Anhebung der Honorare für niedergelassene Ärzte sowie sonstige Ausgabensteigerungen im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung bemerkbar. Die Ausgaben für die Vorleistungskäufe des Staates haben sich mit +4,3 % ebenfalls überdurchschnittlich erhöht. Dagegen war der Anstieg bei den Ausgaben für Arbeitnehmerentgelte mit +1,9 % unterdurchschnittlich. Deutlich rückläufig waren wiederum die Zinsausgaben (-3,9 %) und die Ausgaben für vom Staat getätigte Bruttoinvestitionen (-0,9 %).

Bei den Angaben handelt es sich um Daten in der Abgrenzung des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) 1995. Diese Angaben weichen aufgrund konzeptioneller Unterschiede teilweise deutlich von den ebenfalls vom Statistischen Bundesamt berechneten vierteljährlichen Kassenergebnissen des öffentlichen Gesamthaushalts ab.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 23.08.2013

Verfassungsbeschwerde gegen Rundfunkbeitragsstaatsvertrag derzeit unzulässig

Der Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg hat mit einem am 22.08.2013 veröffentlichten Beschluss die Verfassungsbeschwerde einer privaten Beschwerdeführerin gegen den neuen geräteunabhängigen einheitlichen Rundfunkbeitrag als unzulässig zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin muss zunächst den Rechtsweg vor den Verwaltungsgerichten beschreiten. Dort ist zu prüfen, ob die von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Zweifel am einheitlichen Rundfunkbeitrag für Radio und Fernsehen zu einer teilweisen Befreiung von den Beiträgen führen können.

1. Die Beschwerdeführerin wendet sich dagegen, dass sie – obwohl sie seit Jahrzehnten grundsätzlich nur das Hörfunk-, und nicht auch das Fernsehangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Anspruch nimmt – seit dem 1. Januar 2013 auf der Grundlage des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags zu einem einheitlichen Rundfunkbeitrag von 17,98 Euro pro Monat herangezogen wird.

2. Der Verfassungsbeschwerde steht, soweit sich die Beschwerdeführerin gegen den Beitragsanteil für Fernsehen wendet, der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen.

a) Auch wenn es unmittelbar gegen Parlamentsgesetze wie das Umsetzungsgesetz des Landes Baden-Württemberg, mit dem der Fünfzehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag und der darin enthaltene Rundfunkbeitragsstaatsvertrag in Landesrecht überführt wurden, keinen fachgerichtlichen Rechtsschutz gibt, folgt aus dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, dass der Beschwerdeführer vor einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz die Fachgerichte mit seinem Anliegen befassen muss. Damit soll neben einer Entlastung des Staatsgerichtshofs erreicht werden, dass der Staatsgerichtshof nicht auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage weitreichende Entscheidungen trifft. Von dieser Voraussetzung zur Erschöpfung des fachgerichtlichen Rechtswegs kann der Staatsgerichtshof ausnahmsweise absehen, wenn die Verfassungsbeschwerde von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde. Darüber hinaus ist die Beschreitung eines fachgerichtlichen Rechtswegs dann nicht geboten, wenn dies für den Beschwerdeführer aus sonstigen Gründen unzumutbar ist, insbesondere wenn sie offensichtlich aussichtslos erscheint.

b) Ausgehend von diesen Maßstäben muss die Beschwerdeführerin zunächst den Rechtsweg vor den Fachgerichten beschreiten. Von diesem Erfordernis kann hier nicht ausnahmsweise abgesehen werden.

Nach § 4 Abs. 6 Satz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages hat die Landesrundfunkanstalt in besonderen Härtefällen auf gesonderten Antrag von der Beitragspflicht zu befreien. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auf dieser Grundlage ein entsprechender Antrag der Beschwerdeführerin auf Ermäßigung ihres Beitrags um den Anteil für Fernsehen Erfolg haben könnte.

Anders als nach dem zum 1. Januar 2013 aufgehobenen Rundfunkgebührenstaatsvertrag hängt die Zahlungspflicht nun jedoch nicht mehr von dem zum Empfang bereitgehaltenen Rundfunkempfangsgerät ab, sondern im privaten Bereich von der Inhaberschaft einer Wohnung. Dabei sieht der Staatsvertrag im privaten Bereich einen einheitlichen Rundfunkbeitrag vor, um die bisherigen gerätebezogenen Nachforschungen weitgehend überflüssig zu machen und die technische Konvergenz der heute in der Regel verwendeten Empfangsmedien zu berücksichtigen. Nach der Gesetzesbegründung kann die Beitragspflicht nicht durch den Einwand abgewendet werden, in der konkreten Wohnung erfolge keine Rundfunknutzung bzw. es existierten keine technischen Empfangseinrichtungen, weil davon auszugehen sei, dass grundsätzlich in ganz Deutschland technisch der Empfang von Rundfunk ermöglicht werden könne. Daher ist die von der Beschwerdeführerin aus verfassungsrechtlichen Gründen verlangte Ermäßigung auf der Grundlage des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages möglicherweise ausgeschlossen.

Zu beachten ist jedoch, dass es sich auch nach der neuen Rechtslage bei dem „Rundfunkbeitrag“ – wie bei der alten „Rundfunkgebühr“ – nicht um eine Steuer, sondern um eine sog. „Vorzugslast“ handeln soll. Die Vorzugslast knüpft an eine Gegenleistung, eine individuell zurechenbare Leistung an. Diese soll hier die Möglichkeit der Nutzung von Rundfunk sein, die bei der Inhaberschaft einer Wohnung vermutet wird. Legitimierender Grund für eine „Vorzugslast“ ist unter anderem der Ausgleich von Vorteilen und Nachteilen. „Vorzugslasten“ müssen unter anderem dem Äquivalenzprinzip genügen. Dieses ist eine Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und besagt, dass Vorzuglasten – wie Gebühren und Beiträge – in keinem Missverhältnis zu der von der öffentlichen Gewalt gebotenen Leistung stehen dürfen. Demgegenüber unterscheidet weder das Grundgesetz noch die Landesverfassung begrifflich zwischen einer „Gebühr“ und einem „Beitrag“. Verfassungsrechtlich ist lediglich eine Abgrenzung zur Steuer notwendig, weil diese gerade keine Gegenleistung für eine besondere Leistung des Staates darstellt.

Die Inhaberschaft einer Wohnung stellt als solche jedoch noch nicht den Vorteil dar, den der Rundfunkbeitrag abschöpfen will. Vielmehr wird aufgrund der Wohnungsinhaberschaft vermutet, dass die Möglichkeit der Rundfunknutzung besteht. Eine von der tatsächlichen Nutzbarkeit abhängige Entgeltabgabe fordert jedoch einen widerlegbaren Wahrscheinlichkeitsmaßstab, bei dem ein nach den tatsächlichen Verhältnissen nicht Nutzungsfähiger oder ein Nichtempfänger des Angebots die gesetzliche Vermutung widerlegen, sich insoweit von der Beitragspflicht befreien kann. Das Bundesverfassungsgericht hat bezüglich der alten gerätebezogenen Rundfunkgebühren entschieden, dass es gerechtfertigt ist, wenn die Gebührenpflicht ohne Rücksicht auf die Nutzungsgewohnheiten der Empfänger allein an den Teilnehmerstatus geknüpft wird, der durch die Bereithaltung eines Empfangsgerätes begründet wird. Der Leistungsbezug wurde damals durch das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgerätes begründet. Dieser Tatbestand steht jedoch in einer engeren Verbindung mit der Nutzungsmöglichkeit von Rundfunk als die bloße Inhaberschaft einer Wohnung.

Ob vor diesem Hintergrund verfassungsrechtlich zulässig auch demjenigen die Widerlegung der Nutzungsvermutung versagt werden kann, der einen erheblichen Teil des Rundfunkangebots – nämlich das Fernsehen – generell bewusst nicht nutzt und dies nachweisen kann, ist in der verfassungsrechtlichen Literatur umstritten.

Diese offene Frage, für die nicht nur verfassungsrechtliche, sondern auch einfachrechtliche Erwägungen maßgeblich sind, sowie die sich im Falle der Zulässigkeit der Widerlegung der Nutzungsvermutung weiter stellende Frage, ob die bestehende Härtefallklausel des § 4 Abs. 6 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages hierfür im Wege der Auslegung herangezogen werden kann oder ob der Staatsvertrag wegen des Fehlens einer speziellen Ausnahmeregelung verfassungswidrig ist, ist zunächst von den Verwaltungsgerichten zu klären. Diese sind in besonderer Weise zur Auslegung des einfachen Rechts, wozu auch der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag gehört, berufen. Zudem kann dort gegebenenfalls besser geklärt werden, welche Anforderungen an den Nachweis der Nichtnutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu stellen sind.

Erwägungen, mit denen bei der Erhebung von Gebühren und Beiträgen aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung eine Typisierung und Pauschalierung und damit eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden kann, stehen dem Einwand eines Beitragsschuldners, er nehme am Rundfunk nicht teil, jedenfalls nicht grundsätzlich entgegen. Eine Typisierung und Pauschalisierung ist unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nur zulässig, wenn die dadurch hervorgerufenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, sie lediglich eine kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv wäre. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass Rundfunkverweigerer diese Voraussetzungen für einen Härtefall erfüllen.

Quelle: StGH Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 22.08.2013 zum Beschluss 1 VB 65/13 vom 22.08.2013

Keine Betriebsaufgabe durch Erbteilung verpachteter Flächen

Das Niedersächsisches Finanzgericht hat seine Rechtsprechung geändert und entschieden, dass es nicht zu einer Betriebsaufgabe führt, wenn landwirtschaftliches Betriebsvermögen eines Verpachtungsbetriebs im Wege der Erbauseinandersetzung auf mehrere Miterben zu Alleineigentum übertragen wird. Dies gelte jedenfalls dann, wenn jeder Erbe Flächen erhält, die die für einen landwirtschaftlichen Betrieb erforderliche Mindestgröße übersteigen (FG Niedersachsen, Urteil v. 2.7.2013 – 15 K 265/11; Revision zugelassen).


Ein Land- und Forstwirt, der seinen bisher selbstbewirtschafteten Betrieb verpachtet, kann wählen, ob er die Betriebsverpachtung als Betriebsaufgabe i.S. des § 14 EStG behandeln oder sein Betriebsvermögen während der Zeit der Verpachtung als sog. ruhenden Betrieb fortführen will. Streitig ist vorliegend die Rechtsfrage, ob eine Erbauseinandersetzung, bei der bisher landwirtschaftliches Betriebsvermögen einzelnen Miterben als alleiniges Eigentum zugewiesen wird, zwingend zur Betriebsaufgabe eines landwirtschaftlichen Verpachtungsbetriebs führt.

Der Kläger ist Erbe seiner verstorbenen Mutter. Deren zuvor verstorbener Ehemann hatte einen landwirtschaftlichen Betrieb zunächst selbst bewirtschaftet und später verpachtet. Gegenstand des Pachtvertrags waren mehrere Grundstücke. Die Einkünfte wurden als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erklärt. Eine Betriebsaufgabeerklärung wurde nicht abgegeben. In einem Testament hatten sich die Eheleute gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt. Der Kläger und seine Geschwister wurden als Erben nach dem Tod des zuletzt Versterbenden bestimmt. Hinsichtlich des Grundbesitzes wurde eine Teilungsanordnung getroffen. Das Finanzamt war der Ansicht, dass der landwirtschaftliche Betrieb durch die spätere Erbauseinandersetzung zerschlagen worden sei. Für die Erbengemeinschaft sei deshalb ein Aufgabegewinn zu ermitteln und die Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens unter Aufdeckung der stillen Reserven in das jeweilige Privatvermögen der Erben zu überführen.

Gibt der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit der Verpachtung seines Betriebs keine Aufgabeerklärung ab, so führt er den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb – wenn auch in anderer Form – fort.

  • Geht der verpachtete Betrieb im Wege der Erbfolge über, treten die Erben in die Rechtsstellung des Verpächters ein. Bestand ursprünglich ein landwirtschaftlicher Betrieb, sind die Grundstücke in der Hand der Rechtsnachfolger Betriebsvermögen geblieben, solange sie nicht entnommen wurden oder der Betrieb aufgegeben wurde.
  • Die land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücke verlieren ihre Eigenschaft als Betriebsvermögen grundsätzlich auch dann nicht, wenn der Betrieb stark verkleinert wird.
  • Als Faustregel für eine Mindestgröße, unterhalb derer kein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb möglich ist, wird von der Finanzverwaltung und im Einzelfall in der Rechtsprechung eine Größe von 3.000 m² genannt (BFH, Urteil v. 5.5.2011 – IV R 48/08, m.w.N.).

Quelle: FG Niedersachsen online

Medikamente für die Hausapotheke sind ohne ärztliche Verordnung nicht steuerlich absetzbar

Mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 8. Juli 2013 (Az. 5 K 2157/12) hat das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz entschieden, dass Medikamente für die Hausapotheke (wie z. B. Schmerzmittel oder Erkältungspräparate) ohne ärztliche Verordnung nicht als sog. „außergewöhnliche Belastungen“ steuerlich geltend gemacht werden können.

Die Kläger (Eheleute) machten in ihrer Einkommensteuererklärung für 2010 (u. a.) Aufwendungen für Medikamente in Höhe von 1.418,03 Euro als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend und führten dazu aus, viele Medikamente würden wegen der Gesundheitsreform nicht mehr verschrieben, obwohl sie notwendig seien. Dies gelte z. B. auch für vorbeugende Medikamente wie Schmerz-, Erkältungs- und Grippemittel.

Das Finanzamt berücksichtigte nur die Aufwendungen, für die eine ärztliche Verordnung vorgelegt worden war, die übrigen Kosten (für die ohne Verordnung erworbenen Präparate) erkannte das Finanzamt nicht an.

Einspruchs- und Klageverfahren blieben erfolglos. Auch das Finanzgericht vertrat die Auffassung, dass die Kläger die Zwangsläufigkeit der streitigen Aufwendungen „formalisiert“ hätten nachweisen müssen. Denn – so das Finanzgericht – dies sei in § 64 Abs. 1 Nr. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) ausdrücklich angeordnet. Danach habe ein Steuerpflichtiger den Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen. Diese Vorschrift sei zwar erst mit der Verkündung des Steuervereinfachungsgesetzes (StVereinfG) 2011 in Kraft getreten. Dabei sei aber ausdrücklich angeordnet worden, dass die Vorschrift in allen Fällen, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt sei, anzuwenden sei. Die rückwirkende Geltung der Vorschrift auch für die Vergangenheit sei unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, denn der Gesetzgeber habe insoweit die Rechtslage lediglich so geregelt, wie sie bis zu diesem Zeitpunkt bereits einer gefestigten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) entsprochen habe.

Quelle: FG Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung vom 23.08.2013 zum Urteil 5 K 2157/12 vom 08.07.2013