Alle Beiträge von steuerschroeder.de

Steuerberater

Tarifbegünstigung des Gewinns aus der Veräußerung eines restlichen Mitunternehmeranteils.

Hessisches Finanzgericht  v. 10.08.2013 – 1 K 2111/09

Leitsatz

  1. Der aus der Veräußerung oder Aufgabe eines Mitunternehmeranteils erzielte Gewinn ist gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2, § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 EStG mit einem ermäßigten Steuersatz zu besteuern, wenn alle stille Reserven in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs aufgedeckt werden.
  2. Die Veräußerung von Teilen von Mitunternehmeranteilen nach dem 31.12.2001 fällt mangels Aufdeckung aller stillen Reserven nicht mehr unter § 16,34 EStG.
  3. Eine begünstigte Betriebsveräußerung liegt nicht vor, wenn der Unternehmer wesentliche Betriebsgrundlagen bei einer Veräußerung seines übrigen Betriebs oder Teilbetriebs zurückbehält und für einen anderen betrieblichen Teil nutzt.
  4. Werden in einem zeitlich zusammenhängenden und sachlich einheitlichen Vorgang zunächst Teilanteile auf Angehörige unentgeltlich übertragen – ohne dass die stillen Reserven realisiert werden (§ 6 Abs. 3 EStG) – und sodann der gesamte Restanteil an einem fremden Erwerber veräußert, liegt mangels zusammengeballte Aufdeckung aller stiller Reserven keine vollständige Aufgabe des Mitunternehmeranteils vor.

 

Gesetze: EStG § 16 Abs. 2 EStG § 16 Abs. 1 EStG § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG § 34 Abs. 3 EStG § 6 Abs. 3

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist vorläufig nicht rechtskräftig

Die Beteiligten streiten darum, ob die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen durch den Beigeladenen als Veräußerungsgewinn oder als laufender Gewinn zu qualifizieren ist.

Die Klägerin ist ein …unternehmen und gehört als Tochtergesellschaft zum … der Firma A GmbH & Co. KG in … .

Komplementärin war die X Beteiligungs GmbH. Kommanditisten waren zunächst Herr X (der Beigeladene) mit einer Einlage von … DM und die A GmbH & Co. KG mit einer Einlage von … DM.

Mit notariell beurkundeten Verträgen vom…September 2003 übertrug der Beigeladene seine Anteile an der Komplementär- und der Kommanditgesellschaft zum Teil unentgeltlich auf seine Ehefrau … und zum Teil entgeltlich auf die Firma B Ltd:

 

Vertrag vom …09.2003
Firma
Erwerber
Nr. 6/2003 (Schenkung)
X Beteiligungs-GmbH – … DM (16 v.H. von … DM)
Frau X
Nr. 7/2003 (Schenkung)
X GmbH & Co. KG – … DM (16 v.H. von … DM)
Frau X
Nr. 8/2003 (Veräußerung)
X Beteiligungs-GmbH, – … DM (10 v.H. von … DM)
B Ltd.
Nr. 9/2003 (Veräußerung)
X GmbH & Co. KG – … DM (10 v.H. von … DM)
B Ltd.

 

Wegen der Behandlung der Übertragungen als unentgeltliche Zuwendungen an die Ehefrau und entgeltliche Veräußerungen an die B Ltd. besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit. Der Beigeladene war zum Zeitpunkt der Übertragung .. Jahre alt.

Mit den Übertragungen schied er aus der Gesellschaft aus. Er war jedoch

aufgrund eines Beratervertrags vom …03.2004 weiterhin für die Gesellschaft tätig. Diese Tätigkeit übte er im Rahmen einer genehmigten Nebentätigkeit

neben seiner Tätigkeit als … aus.

Im Handelsregister wurde der Eintritt der Ehefrau als Kommanditistin nach erfolgter Herabsetzung der Einlage und die dementsprechende Löschung der Kommanditistenstellung des Beigeladenen am …09.2003 eingetragen. Der Eintritt der B Ltd. als Kommanditistin und der damit verbundene Austritt des Herrn X wurde am …10.2003 eingetragen.

Mit Bescheid vom 18.11.2004 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen stellte der Beklagte, das Finanzamt (nachfolgend FA) Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von … € fest, davon entfielen … € auf laufenden Gewinn und … € auf Veräußerungsgewinn. Der Bescheid wurde dem Beigeladenen als Empfangsbevollmächtigten für die Klägerin bekannt gegeben.

Im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte die Betriebsprüfung einen Veräußerungsgewinn für die KG-Anteile in Höhe von … €. Nach Auffassung des FA handelte es sich dabei nicht um einen nach § 34 Abs. 3 EStG begünstigten, sondern um einen laufenden Gewinn nach § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG.

Das FA erließ daraufhin am 30.05.2008 einen geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, in welchem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb als laufende Einkünfte in Höhe von … € festgestellt wurden (Veräußerungsgewinne 0,00 €).

Mit Änderungsbescheid vom 08.12.2008 sind die Besteuerungsgrundlagen wie im Vorbescheid festgestellt worden. Eine Änderung erfolgte lediglich hinsichtlich der Aufteilung und Zurechnung der Spenden und der anrechenbaren

Steuerabzugsbeträge wie im Erstbescheid vom 18.11.2004 für die einzelnen Beteiligten. Beide Bescheide wurden auch an den Beigeladenen im Wege der Einzelbekanntgabe bekannt gegeben.

Am 25.06.2008 legte die Klägerin Einspruch ein gegen den Bescheid für 2003 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 30.05.2008 und gegen den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag vom 30.05.2008. Sie begründete den Einspruch im Wesentlichen damit, dass der Verkauf des Kommanditanteils des Herrn X einen nach §§ 34 Abs. 3, Abs. 1 Nr. 1, 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn darstelle.

Mit Einspruchsentscheidung vom 20.07.2009 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, dass nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG 2003 zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne zählten, die bei der Veräußerung des gesamten Anteils eines Gesellschafters entstünden, der als Mitunternehmer des Betriebs anzusehen sei. Während in der Vergangenheit eine steuerbegünstigte Anteilsveräußerung im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auch gegeben gewesen sei, wenn ein Mitunternehmer nur Teile seiner Beteiligung veräußert habe, sei dies durch das Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz ( BStBl 2002 I S. 35) geändert worden, vgl. § 52 Abs. 34 Satz 1 EStG. Danach gehörten Gewinne aus der Veräußerung von Teilen einer Beteiligung, die nach dem 31.12.2001 erzielt worden waren, ausschließlich zum laufenden Gewinn. Begünstigt sei ab dem 01.01.2002 nur noch die Veräußerung des gesamten Anteils des Gesellschafters (vgl. Bundesfinanzhof (BFH) -Beschluss vom 01.04.2005 VIII B 157/03, BFH/NV 2005, 1540). Hier sei nur ein Teil, nämlich 10 v.H. der gesamten Anteile des Gesellschafters, welche insgesamt 26 v.H. betrugen, veräußert worden. Somit sei der gesamte Gewinn, der bei der Veräußerung des Teils der gesamten Anteile in Höhe von … € erzielt worden sei, laufender Gewinn und nicht nach § 34 Abs. 3 EStG begünstigt gewesen.

Mit der erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, dass allein auf den nach der Schenkung an die Ehefrau verbliebenen Anteil, welcher an die … Gesellschaft (B Ltd.) veräußert wurde, abzustellen sei. Somit sei nach der Schenkung, welche beim Notar vor der Veräußerung beurkundet worden sei, ein gesonderter selbständig gewordener Mitunternehmeranteil bei dem Beigeladenen verblieben. Dies folge auch daraus, dass die Wirksamkeit der Abtretungen an die Ehefrau sofort eingetreten sei, die Abtretung der Anteile an die … Käuferin ( B Ltd.) jedoch erst mit der späteren Zahlung des Kaufpreises wirksam geworden sei. Damit sei ein deutlich größerer zeitlicher Abstand als eine „logische Sekunde” gegeben gewesen, so sei die Registereintragung hinsichtlich der Kommanditanteile mehr als vier Wochen später erfolgt.

Einem „gesamtplanhaften” Vorgehen stünden im Übrigen Alter und die weitere Tätigkeit des Beigeladenen entgegen. Vor allem aber habe er keine Sachherrschaft mehr über die seiner Frau geschenkten Beteiligungen. Vielmehr sei dadurch eine selbständige gewerbliche Tätigkeit seiner Ehefrau begründet worden. Auch sei ihm nach der Schenkung nur noch ein Unternehmensanteil von 10 v.H. verblieben. Der nach der Schenkung verbliebene Anteil sei daher sozusagen ein gesellschaftsrechtliches „aliud” geworden. Die Veräußerung könne nicht gemeinsam mit dem ehebedingt überlassenen Mitunternehmeranteil einheitlich betrachtet werden. Sie falle daher unter § 16 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Im Übrigen sei die Übertragung an die Ehefrau unter dem Blickwinkel der vorweggenommenen Erbfolge zu beurteilen. Fälle der vorweggenommenen Erbfolge beziehe der BFH in seine Gesamtplanrechtsprechung nicht ein. Was die Besteuerung von stillen Reserven angehe, so sei diese bei der Weitergabe im Familienverbund im weitergegebenen Vermögensgegenstand gesichert.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid für 2003 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 08.12.2008 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 20.07.2009 dahingehend zu ändern, dass von dem festgestellten Gesamtgewinn i.H.v. … EUR … EUR als laufende Einkünfte und … EUR als Veräußerungsgewinn festgestellt werden und die Minderung des laufenden Gewinns sowie den Veräußerungsgewinn dem Beigeladenen zuzurechnen.

Der Beigeladene schließt sich dem Antrag der Klägerin an.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA wiederholt und vertieft seine im Einspruchsverfahren vertretene Auffassung. So könne durch die Konstruktion der Verträge keine Tarifermäßigung für den Veräußerungsgewinn nach § 34 Abs. 3 EStG i.V.m. §§ 34 Abs. 2 Nr. 1 und 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG herbeigeführt werden. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG gehörten zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die erzielt würden bei der Veräußerung des gesamten Anteils eines Gesellschafters, der als Mitunternehmer des Betriebs anzusehen sei. Satz 2 der Vorschrift stelle klar, dass Gewinne, die bei der Veräußerung eines Teils eines Anteils im Sinne von Satz 1 Nr. 2 erzielt würden, laufende Gewinne seien.

Im Zuge der Gesetzesänderung 2002 sei § 34 EStG 2003 dahingehend modifiziert worden, dass die ermäßigte Besteuerung (mit dem halben Steuersatz) einmal im Leben und auf einen einzigen Veräußerungsgewinn (bei mehreren in einem Veranlagungszeitraum) unwiderruflich beschränkt worden sei (vgl. § 34 Abs. 3 S. 4 und 5 EStG 2003).

Tarifbegünstigte Veräußerungsgewinne im Sinne der §§ 14, 16 und 18 Abs. 3 EStG lägen grundsätzlich nur vor, wenn stille Reserven in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang aufgedeckt würden. Hier sei indes mit der steuerlichen Begünstigung der Buchwertfortführung für Frau X im Sinne des § 6 Abs. 3 EStG der überwiegende Teil der stillen Reserven gesetzeskonform der Besteuerung vorenthalten worden. Die Aufdeckung der stillen Reserven in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang könne somit nicht vorliegen, wenn weit über 50 v.H. der Aufdeckung der gebildeten stillen Reserven per Buchwertfortführung in die Zukunft verlagert würden.

Da vorliegend nur die stillen Reserven aus einem Anteil von 10 v.H. aufgedeckt worden seien und nicht die des gesamten Anteil von 26 v.H., komme eine Steuerermäßigung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStGnicht in Betracht, sondern der Veräußerungsgewinn müsse als laufender Gewinn gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG eingeordnet werden.

Der Auffassung der Klägerin, dass nach erfolgter Schenkung an die Ehefrau nunmehr der gesamte verbleibende Anteil veräußert wurde, könne nicht gefolgt werden. So handele es sich bei den vier am …09.2003 abgeschlossenen notariellen Verträgen um einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang. Die zeitliche Abwicklung der Verträge könne nicht zu unterschiedlichen steuerlichen Folgen führen. Vielmehr sei durch die Aufteilung in vier Teilübertragungen eine Konstruktion gewählt worden, um den Rechtssinn der Neuregelung des

§ 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu umgehen, was insoweit einen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 Abs. 1 AO darstelle.

Der Senat hat mit Beschluss vom 25.06.2013 das Verfahren wegen Gewerbesteuermessbetrags abgetrennt, welches nun unter dem Az. … geführt wird.

Mit Beschluss vom gleichen Tag ist Herr X zum Verfahren beigeladen worden.

Die einschlägigen Verwaltungsvorgänge (1 Band Feststellungsakten, 1 Sonderband verbindliche Auskunft, 1 Sonderband Betriebsprüfungsberichte, 1 Bilanzheft) waren beigezogen und Gegenstand der Beratung).

Die Klage ist unbegründet.

Der Bescheid für 2003 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 08.12.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung –FGO). Bei dem festgestellten Gewinn aus der Veräußerung der Gesellschaftsanteile des Beigeladenen handelt es sich nicht um einen tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn.

1. Nach § 16 Abs. 2 EStG ist Veräußerungsgewinn der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens oder den Wert des Anteils am Betriebsvermögen (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3) übersteigt. Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG sind Gewinne, die bei der Veräußerung eines Teils eines Anteils im Sinne von Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder 2 EStG erzielt werden, laufende Gewinne.

a) Erzielt der Steuerpflichtige aus der Veräußerung oder Aufgabe eines Mitunternehmeranteils einen Gewinn, so ist der Gewinn gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2, § 34 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 EStG mit einem ermäßigten Steuersatz zu besteuern. Der Zweck der Tarifvergünstigung nach §§ 16, 34 EStG besteht darin, die zusammengeballte Realisierung der während vieler Jahre entstandenen stillen Reserven nicht nach dem progressiven Einkommensteuertarif zu erfassen. Sie setzt demnach voraus, dass alle stillen Reserven der wesentlichen Grundlagen des Betriebs in einem einheitlichen Vorgang aufgelöst werden; denn eine Zusammenballung liegt nicht vor, wenn dem Veräußerer oder Aufgebenden noch stille Reserven verbleiben, die erst in einem späteren Veranlagungszeitraum aufgedeckt werden (vgl. BFH Urteil vom 06.09.2000 IV R 18/99, BFHE 193, 116, BStBl 2001 II S. 229 und BFH-Beschluss vom 18.10.1999 GrS 2/98, BFHE 189, 465, BStBl 2000 II S. 123 m.w.N.). Tarifbegünstigte Veräußerungsgewinne im Sinne der §§ 14, 16 und 18 Abs. 3 EStG liegen also grundsätzlich nur vor, wenn die stillen Reserven in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang aufgedeckt werden.

Mangels Aufdeckung aller stillen Reserven unterfällt die Veräußerung von Teilen von Mitunternehmeranteilen aus Gründen der Besteuerungsgleichheit nicht mehr den §§ 16, 34 EStG, wenn die Veräußerung nach dem 31.12.2001 erfolgt. Es fällt somit ein laufender Gewinn an (Wacker in Schmidt, EStG-Kommentar, 22. Auflage 2003, § 16, Rn. 412; BFH-Urteil vom 11.12.2001 VIII R 23 /01, BFHE 197, 425, BStBl 2004 II S. 474).

Bis zum 31.12.2001 war eine steuerbegünstigte Anteilsveräußerung im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auch gegeben, wenn ein Mitunternehmer nur Teile seiner Beteiligung veräußerte. Das Gesetz hat sich jedoch durch das Unternehmersteuerfortentwicklungsgesetz ( BStBl 2002 I S. 35) geändert, vgl. § 52 Abs. 34 Satz 1 EStG. Danach gehören Gewinne aus der Veräußerung von Teilen einer Beteiligung, die nach dem 31.12.2001 erzielt werden, ausschließlich zum laufenden Gewinn. Begünstigt ist ab dem 01.01.2002 nur noch die Veräußerung des gesamten Anteils des Gesellschafters (vgl. BFH-Beschluss vom 01.04.2005 VIII B 157/03, BFH/NV 2005, 1540). Zu beachten ist, dass nach der früheren Rechtsprechung zur Rechtslage vor 2002 die Tarifbegünstigung der §§ 16, 34 EStG auch dann zu gewähren war, wenn der Gesellschafter seinen Mitunternehmeranteil teilentgeltlich übertragen hat und sich damit des gesamten Betriebsvermögens mit der Folge entäußert hat, dass es bei ihm zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr zu einer Besteuerung der auf den (teilentgeltlichen) Erwerber übergegangenen stillen Reserven kommen konnte (BFH-Urteil vom 06.12.2000 VIII R 21/00, BStBl 2003 II S. 194BFHE 194, 97 m.w.N., unter II. 2 b)

Der BFH hat im Hinblick auf diesen Zweck der §§ 16, 34 EStG die Tarifvergünstigung in solchen Fällen nicht gewährt, in denen im Rahmen des Veräußerungs- oder Aufgabevorgangs nicht alle stillen Reserven in dem veräußerten Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil aufgedeckt worden sind. Danach liegt weder eine begünstigte Betriebsveräußerung noch eine begünstigte Betriebsaufgabe vor, wenn der Unternehmer wesentliche Betriebsgrundlagen bei einer Veräußerung seines übrigen Betriebs oder Teilbetriebs zurückbehält und für eine andere betriebliche Tätigkeit nutzt (vgl. z.B. vgl. BFH Urteil vom 06.09.2000 IV R 18/99, BFHE 193, 116, BStBl 2001 II S. 229 m. w. N.). Ebenfalls hat der BFH die Begünstigung versagt, wenn ein Mitunternehmer seinen Gesellschaftsanteil veräußert, zu seinem Sonderbetriebsvermögen gehörende wesentliche Betriebsgrundlagen aber in zeitlichem und wirtschaftlichem Zusammenhang damit ohne Aufdeckung der stillen Reserven in ein anderes Betriebsvermögen überführt (vgl. BFH-Urteil vom 19.03.1991 VIII R 76/87, BFHE 164, 260, BStBl 1991 II S. 635; BFH-Beschluss vom 31.08.1995 VIII B 21/93, BFHE 178, 379, BStBl 1995 II S. 890; ebenso für Fälle der Einbringung BFH-Urteile vom 26.01.1994 III R 39/91, BFHE 173, 338, BStBl 1994 II S. 458 und vom 16.02.1996 I R 183/94, BFHE 180, 97, BStBl 1996 II S. 342).

Die Veräußerung der Mitunternehmeranteile darf nicht isoliert von einer vorherigen Buchwertübertragung betrachtet werden. Eine an Sinn und Zweck der §§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 34 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 EStG orientierte Auslegung steht einer auf die Anteilsübertragungszeitpunkte bezogenen isolierten Betrachtung entgegen (BFH-Urteil vom 30.08.2012 IV R 44/10, BFH/NV 2013, 376 m.w.N., sog. Gesamtplanrechtsprechung). Wird das Gesellschaftsvermögen ohne entsprechende Gegenleistung auf einen anderen Rechtsträger übertragen, wird zugleich dem Mitunternehmeranteil sein Wert genommen. Dies gilt auch für die im Mitunternehmeranteil ruhenden stillen Reserven, die bei einer unentgeltlichen Übertragung aus dem Gesellschaftsvermögen dem Mitunternehmer vollständig entzogen werden können. Wird ein derartig entwerteter Mitunternehmeranteil anschließend veräußert oder aufgegeben, werden stille Reserven nicht mehr aufgedeckt. In einem solchen Fall stellt sich die Frage einer Tarifbegünstigung wegen der Nichtentstehung eines Gewinns allerdings nicht.

Wird dem Mitunternehmeranteil nur ein Teil der stillen Reserven durch vorherige Buchwertübertragung entzogen, entsteht bei Veräußerung oder Aufgabe ein Gewinn durch Aufdeckung der verbliebenen stillen Reserven. Daran kann ein Interesse bestehen, um Abschreibungspotenzial für schnell abzuschreibende Wirtschaftsgüter zu schaffen, während die stillen Reserven in nicht oder nur langfristig abzuschreibenden Wirtschaftsgütern durch vorherige Buchwertübertragung nicht aufgedeckt werden. Die Gewährung der Tarifbegünstigung für den erzielten Gewinn aus der Anteilsveräußerung würde bedeuten, dass sie trotz nur teilweiser Aufdeckung der stillen Reserven in Anspruch genommen werden könnte (BFH Urteil vom 06.09.2000 IV R 18/99, BFHE 193, 116, BStBl 2001 II S. 229).

So liegt insbesondere eine Teilanteilsveräußerung unter zeitraumbezogener Würdigung zusammenhängender Einzelvorgänge vor, wenn ein einheitlicher Mitunternehmeranteil derart „aufgeteilt” wird, dass in einem zeitlich zusammenhängenden und sachlich einheitlichen Vorgang zunächst Teilanteile auf Angehörige unentgeltlich übertragen werden und sodann der gesamte Rest-Anteil an einen fremden Erwerber veräußert wird. Dann kann die Gestaltung mangels zusammengeballter Aufdeckung aller stillen Reserven nicht insgesamt als Aufgabe des Mitunternehmeranteils beurteilt werden, da hinsichtlich des geschenkten Teilanteils die stillen Reserven gem. § 6 Abs. 3 EStG nicht

realisiert werden (Patt in Hermann/Heuer/Raupach, EStG-Kommentar, § 16, Rn. 294; Stahl in KÖSDI 12/2002, 13537). Diese Konstellation entspricht der des hier zu entscheidenden Falles:

b) Im Streitfall hat der Kläger seine Gesellschaftsanteile an der KG zum Teil an seine Ehefrau im Wege der Schenkung übertragen und zum Teil veräußert. Der an die Ehefrau übertragene Teil ist dabei ohne Aufdeckung der stillen

Reserven in ein anderes Vermögen überführt worden. Diese Übertragung zu Buchwerten geschah in einem zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit den am gleichen Tag notariell vereinbarten Veräußerungen der Gesellschaftsanteile.

Der an Frau X geschenkte Anteil von 16 v.H. entzieht sich zum Zeitpunkt der Schenkung der Aufdeckung der stillen Reserven. Der Anteil wurde gem. § 6 Abs. 3 EStG zu Buchwerten übertragen. Aufgedeckt wurden hier nur die stillen Reserven aus einem Anteil von 10 v.H.

Entscheidend ist daher die Beantwortung der Frage, ob die Schenkung an die Ehefrau und die Veräußerung als einheitlicher Vorgang zu werten ist oder ob der dem Beigeladenen nach Vollzug der Schenkung verbleibende Anteil für sich betrachtet werden muss.

Die Veräußerungsabsicht ist mit Vertragsschluss am gleichen Tag dokumentiert.

Laut Schriftsatz des damaligen Bevollmächtigten … im Verfahren der verbindlichen Auskunft der Ehefrau vom Dezember 2009 hatte der Beigeladene sich mit dem Geschäftsführer der B Ltd. im Laufe des Jahres 2003 darüber verständigt, dass der Beigeladene seine 26 % ige Beteiligung verkauft. Dem Beigeladenen sei diese Entwicklung sehr entgegen gekommen, da ihm aus … Gründen daran gelegen gewesen sei, zum einen seine Beteiligung kurzfristig zu verkaufen und zum anderen auch sein Geschäftsführungsamt niederzulegen. Da der weitere Gesellschafter A Wert darauf gelegt habe, dass nicht ein gesellschaftsfremder Dritter unmittelbar eine Sperrminorität erhalte, der Beigeladene seine Beteiligung aber möglichst kurzfristig habe aufgeben wollen, habe er sich entschlossen, einen Teil seiner Ehefrau zu schenken.

Der Rechtsauffassung der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass bei isolierter

Betrachtung der beiden Übertragungsvorgänge er seinen vollständigen Mitunternehmerteil entgeltlich veräußert hätte, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 34 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 EStG vorlägen. Anders als die Klägerin meint, steht jedoch eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung der §§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 34 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m.

§ 34 Abs. 1 EStG einer auf die Anteilsübertragungszeitpunkte bezogenen isolierten Betrachtung entgegen (BFH-Urteil vom 30.08.2012 IV R 44/10, BFH/NV 2013, 376).

Bereits in seinem Urteil vom 06.09.2000 (IV R 18/99, BFHE 193, 116, BStBl 2001 II S. 229) hat der BFH ausgeführt, dass der Zweck der Tarifbegünstigung nach §§ 16, 34 EStG, die zusammengeballte Realisierung der während vieler Jahre entstandenen stillen Reserven nicht nach dem progressiven Einkommensteuertarif zu erfassen, es gebietet, die Tarifvergünstigung dann nicht zu gewähren, wenn aufgrund einheitlicher Planung und in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils wesentliche Betriebsgrundlagen der Personengesellschaft ohne Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven aus dem Betriebsvermögen der Gesellschaft ausgeschieden sind. Denn dann sind durch die Veräußerung nicht alle in den Mitunternehmeranteilen ruhenden stillen Reserven aufgedeckt worden (vgl. auch BFH-Urteile vom 12.04.2000 XI R 35/99, BFHE 192, 419, BStBl 2001 II S. 26; vom 06.12. 2000 VIII R 21/00, BFHE 194, 97, BStBl 2003 II S. 194). Deshalb ist für die Frage der Tarifbegünstigung eines Gewinns aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils ähnlich wie bei der Betriebsaufgabe eine zeitraumbezogene Betrachtung anzustellen, wenn ein „Veräußerungsplan” mehrere Teilakte umfasst (BFH-Urteil vom 06.09.2000 IV R 18/99, BFHE 193, 116, BStBl 2001 II S. 229; FG Köln 4 K 2555/06, EFG 2011, 319).

Die zeitraumbezogene übergreifende (materiell-rechtliche) Betrachtung mehrerer Rechtsgeschäfte im Wege der Gesamtplanrechtsprechung ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 16 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 und § 34 EStG, nur die zusammengeballte Aufdeckung aller stillen Reserven in den von § 16 Abs. 1 Satz 1 genannten Sachgesamtheiten abzumildern (Patt in Hermann/Heuer/Raupach, EStG-Kommentar, § 16, Rn. 298, BFH-Urteil vom 30.08.2012 IV R 44/10, BFH/NV 2013, 376; BFH-Urteil vom 25.02.2010 IV R 49/08, BFHE 228, 486, BStBl 2010 II S. 726). Dieser Beurteilung steht auch nicht die von der Klägerin herangezogene Rechtsprechung des BFH im Urteil IV R 14/03 vom 20.01.2005 (BFHE 209, 95; BStBl 2005 II S. 395) entgegen. Zum Einen handelt es sich dabei um einen Fall, der nach der Rechtslage vor dem 31.12.2001 zu beurteilen ist, zum Anderen handelte es sich dort um mehrere unterschiedliche Teil-

betriebe mit unterschiedlichen Tätigkeiten. Ebenso ist der vom FG Nieder-sachsen am 25.10.2011 entschiedene Fall (15 K 10217/09, zitiert nach juris) dem Sachverhalt nach nicht mit der hier zu entscheidenden Fallkonstellation vergleichbar.

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Da der Beigeladene nur einen Formalantrag gestellt hat, der keine Mehrkosten ausgelöst hat, waren ihm weder Kosten aufzuerlegen noch ein Erstattungsanspruch zu gewähren ( BFH-Urteil vom 04.05.2000 IV R10/99, BFHE 191, 529, BStBl 2002 II S. 850).

3. Da bisher, soweit ersichtlich, zu der Frage, ob unentgeltliche Zuwendungen an Angehörige in die Gesamtplanrechtsprechung einzubeziehen sind, keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt, war die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO).

Außergewöhnliche Belastungen – Beerdigungskosten keine zwangsläufigen außergewöhnlichen Belastungen

Leitsatz FG Münster  v. 01.07.2013 – 2 K 1062/12 E

1) Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen für die Beerdigung eines nahen Angehörigen entstehen, sind grundsätzlich außergewöhnlich.

2) Die Verpflichtung des Erben zur Übernahme der Beerdigungskosten gem. § 1968 BGB ist keine persönliche Verpflichtung des Erben, sondern eine Nachlassverbindlichkeit. Nimmt der Erbe die Erbschaft an, so beruht die Verpflichtung auf dem von ihm selbst gesetzten Rechtsgrund. Sie ist deshalb nicht zwangsläufig im Sinne von § 33 Abs. 2 EStG.

Gesetze: EStG § 33 Abs 2 EStG § 33 Abs 1

www.steuerschroeder.de/aussergewoehnliche-Belastungen.html
Außergewöhnliche Belastung wie Krankheitskosten, Zahnersatz, Brille,Beerdigung, Unterhalt etc. (s. ABC Übersicht) in der Steuererklärung von der Steuer …
www.steuerschroeder.de/…/bfh-urteil-vom-17-9-1987-iii-r-242_83-bstbl- 1988-ii-s-130/
17. Sept. 1987  Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit der Begründung statt, dem Kläger seien sämtliche Kosten der standesgemäßen Beerdigung seines …
https://www.steuerschroeder.de/…/bfh-urteil-vom-19-10-1990-iii-r-93_87- bstbl-1991-ii-s-140/
19. Okt. 1990  Er müsse sich die erhaltenen Versicherungsleistungen auf die anläßlich der Beerdigung erwachsenen Aufwendungen anrechnen lassen.
www.steuerschroeder.de/steuerlexikon/154242/Geschenke
Kränze und Blumen zu Beerdigungen z.B. von Geschäftspartnern u.ä. gehören nicht zu den Geschenken in diesem Sinne. Die Kosten sind somit auch dann als  …
https://www.steuerschroeder.de/…/bfh-urteil-vom-20-3-1984-ix-r-8_80-bstbl -1985-ii-s-43/
13. März 2013  Aufwendungen für die Beerdigung eines Altenteilsberechtigten sind beim Altenteilsverpflichteten auch bei Übernahme einer entsprechenden …
https://www.steuerschroeder.de/…/x-r-32-09-beerdigungskosten-als-dauernde -last-abziehbarkeit-von-wiederkehrenden-leistungen-als-dauernde…
2. Dez. 2012  Hat sich der Vermögensübernehmer gegenüber dem Vermögensübergeber verpflichtet, die Kosten einer standesgemäßen Beerdigung zu …
www.steuerschroeder.de/…/sind-beerdigungskosten-naher-angehoriger- ausergewohnliche-belastungen/
1. Apr. 2014  Aufwendungen für die Beerdigung eines nahen Angehörigen sind grundsätzlich außergewöhnlich.
https://www.steuerschroeder.de/…/bfh-urteil-vom-15-2-2006-x-r-5_04-bstbl- 2007-ii-s-160/
15. Febr. 2013  Darüber hinaus sind als Sonderausgaben abziehbar aber auch einmalige Aufwendungen, die – wie die Kosten für die Beerdigung und das …
www.steuerschroeder.de/steuergesetze/bgb/1615m
Stirbt die Mutter infolge der Schwangerschaft oder der Entbindung, so hat der Vater die Kosten der Beerdigung zu tragen, soweit ihre Bezahlung nicht von dem  …
www.steuerschroeder.de/steuergesetze/erbstr/10.9
(2) 1Abweichend von § 1968 BGB, wonach die Kosten der standesgemäßenBeerdigung des Erblassers nur den Erben treffen, unterscheidet § 10 ErbStG bei  …

 

Zu entscheiden ist, ob im Streitjahr 2010 Beerdigungskosten als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind.

Die Kläger sind zusammenveranlagte Eheleute. Sie haben zwei Kinder. Die Kläger erzielen Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit und aus Vermietung und Verpachtung. Der Kläger ist Eigentümer des Zweifamilienhauses I-Str. 1 in C-Stadt. Eine der beiden Wohnungen wird von den Klägern selbst genutzt; die andere ist seit September 2010 vermietet.

Die Eltern des Klägers (Erblasser) übertrugen ihm das in 1901 erbaute Zweifamilienhaus mit notariellem Vertrag vom 17.01.1991 (URNr. xx/1 des Notars L.). Das Grundstück war mit einer Grundschuld i.H.v. 85.000 DM belastet. Als Gegenleistung für die Übertragung räumte der Kläger seinen Eltern ein Wohnrecht (Jahreswert 6.429,60 DM) an der Wohnung im Obergeschoss ein, er verpflichtete sich, sie zu versorgen und die Kosten der Beerdigung und der Instandhaltung der Grabstätte zu übernehmen, soweit nicht Kostenerstattungen erfolgen über Sterbeversicherungen und dergleichen. Außerdem sollte er den Erblassern nach der Übergabe einen Betrag i.H.v. 20.000 DM zahlen. In diesem Vertrag verpflichtete er sich außerdem, seinen Geschwistern B. und E. im Hinblick auf deren Erb- und Pflichtteilsverzicht jeweils 20.000 DM nach dem Tod des letztversterbenden Elternteils zu zahlen. Zur Kostenberechnung wurde übereinstimmend ein Wert von 300.000 DM angegeben. Ebenfalls am 17.01.1991 schlossen die Erblasser und deren drei Kinder einen Erbvertrag (URNr. yy/91 des Notars L.). Danach setzten sich die Eltern jeweils gegenseitig als alleinige Erben ein. Nach dem Tod des Überlebenden sollte der beiderseitige Nachlass dem Kläger zufallen. Die Eltern setzten zulasten des Klägers Vermächtnisse aus, wonach seine Geschwister zu je ½ das komplette Spar- und Barvermögen und alles bewegliche Vermögen erhalten sollten. Im Gegenzug erklärten die Geschwister des Klägers einen Erb- und Pflichtteilsverzicht. Dieser Verzicht erfolgte unter der Bedingung, dass ihnen nach dem Tode des zuletzt versterbenden Elternteils entsprechend dem Übergabevertrag vom 17.01.1991 jeweils 20.000 DM gezahlt würden. Der Wert des reinen Nachlasses wurde mit 100.000 DM angegeben. Nach der Übergabe des Objekts investierte der Kläger nach eigenen Angaben in 1991/1992 ca. 170.000 EUR in dessen Renovierung.

Im Streitjahr verstarb die Mutter des Klägers. Sie war die zuletzt Versterbende. Der Kläger übernahm vertragsgemäß die Beerdigungskosten. Mit der Einkommensteuererklärung machte er Aufwendungen i.H.v. 6.227 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend.

Der Beklagte ließ diese Aufwendungen bei Erlass seiner Einkommensteuerbescheide vom 12.08.2011 und vom 06.12.2011 unberücksichtigt, weil sie durch den ererbten Nachlass gedeckt seien. Der Gesamtbetrag der Einkünfte beläuft sich auf xxxxx EUR, die festgesetzte Einkommensteuer beträgt xxxx EUR.

Mit ihrem Einspruch begehrten die Kläger die Anerkennung der Aufwendungen dem Grunde nach, der Höhe nach machten sie nur noch Aufwendungen i.H.v. 5.180 EUR geltend. Zur Begründung führten sie aus, der Kläger habe die Beerdigungskosten nicht aus dem Nachlass bestreiten können. Denn sämtliches Spar- und Barvermögen habe seinen Geschwistern zugestanden. Zur Erfüllung der Zahlungsverpflichtung aus dem Übergabevertrag (Zahlung von je 20.000 DM an die Geschwister nach dem Tod des zuletzt Versterbenden) habe er ein Darlehen i.H.v. 17.000 EUR aufnehmen müssen. Das zitierte Urteil des FG Baden-Württemberg vom 06.11.1980 III 102/78 , EFG 1981, 180 sei nicht anwendbar. Dem Kläger seien keine Vermögensgegenstände unentgeltlich übertragen worden. Er sei auch nicht nur vertraglich, sondern auch sittlich verpflichtet gewesen, die Beerdigungskosten zu übernehmen. Das ihm übertragene Grundstück habe allenfalls einen Wert von 40.000 EUR gehabt (Grundstück 28.000 EUR, Gebäude 12.000 EUR). Demgegenüber habe der Kläger Zahlungsverpflichtungen i.H.v. 30.000 EUR übernommen. Hinzu komme das den Eltern eingeräumte Wohnrecht. Dass der Gebäudewert mit Blick auf das Baujahr 1901 und die damals verwendeten Materialien eigentlich mit 0,– EUR anzusetzen sei, ergebe sich aus den in 1991/1992 getätigten Herstellungskosten von 170.000 EUR. Zudem gehörten Grundstücksübertragungen, die vor dem Erbfall im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge erfolgt seien, nach dem Urteil des FG Hamburg vom 11.10.1985 V 96/62 , EFG 1986, 293 nicht zum Nachlass. Aber auch vor dem Hintergrund der Urteile des FG München vom 30.03.1999 13 K 3321/94, EFG 1999, 703 und des FG Münster vom 24.02.1999 13 K 1810/96 E , EFG 1999, 608, nach denen Grundstücksschenkungen vor dem Erbfall dem Nachlass mit ihrem Wert im Zeitpunkt des Erbfalls hinzuzurechnen seien, könne hier nicht von einem realisierbaren Nachlasswert ausgegangen werden. Die Erblasserin sei nur zu ½ Eigentümerin des Grundstücks gewesen. Nach dem anzuhaltenden Grundstückswert im Zeitpunkt des Erbfalls (399 m² × 100,– EUR = 39.900 EUR, ½ = 19.950 EUR) ergebe sich nach Abzug der Verbindlichkeiten kein positiver Nachlasswert. Zudem sei die alte Bausubstanz im Rahmen der Generalüberholung untergegangen und damit wertlos geworden. Schließlich sei der im Zeitpunkt des Erbfalls maßgebliche Grundstückswert (155,– EUR (laut Gutachterausschuss) wegen übergroßer Straßenfront und wegen des extrem ungünstigen Zuschnitts des Grundstücks mit einem Abschlag von rd. 35 % zu versehen.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 29.02.2013 als unbegründet zurück. Der Kläger müsse sich entgegenhalten lassen, dass er das Objekt I-Str. 1 in C-Stadt im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erhalten habe. Er habe sich im Gegenzug zur Übernahme der Beerdigungskosten verpflichtet. Daraus folge, dass der Wert des übertragenen Vermögens die Beerdigungskosten habe abdecken können. Zum Zeitpunkt der Übertragung habe der Kläger damit den einzigen, sicheren, werthaltigen und Ertrag bringenden Vermögensgegenstand der Erblasser erlangt. Außerdem sei davon auszugehen, dass die Eltern zum Zeitpunkt der Übertragung alle Kinder hätten gleich behandeln wollen. Der Anteil des Klägers betrage damit ca. 20.000 DM. Dass das Vermögen im Zeitpunkt des Erbfalls verbraucht gewesen sei, werde nur gemutmaßt. Aus Sicht des Beklagten sei es nicht schädlich, dass die bei Übergabe vorhandene Bausubstanz möglicherweise im Rahmen einer Generalüberholung in die Bausubstanz eingegangen sei. Der Wert sei nicht verloren gegangen. Dieser Wert liege im Todeszeitpunkt jedenfalls noch über den Beerdigungskosten von 5.180 EUR.

Hiergegen richtet sich die anhängige Klage, mit der die Kläger ihr Begehren auf Anerkennung der Aufwendungen i.H.v. 5.180 EUR unter Hinweis auf ihren Vortrag im Verwaltungsverfahren weiter geltend machen. Ergänzend tragen sie vor, die Wertangabe in dem Grundstücksübertragungsvertrag von 300.000 DM habe lediglich der Berechnung der Notarkosten gedient. Die in § 1 des Vertrages genannte Grundschuld von 85.000 DM entspreche eher dem tatsächlichen Wert des Grundstücks. Dieser Vermögenswert habe die Nachlassverbindlichkeiten nicht überstiegen und zwar sowohl im Zeitpunkt der Übertragung (FG Münster) als auch im Zeitpunkt des Erbfalls (FG München). Außerdem werde weiterhin auf die Auffassung des FG Hamburg verwiesen. Zudem sei das Grundstück im Zeitpunkt der Übertragung mit dem Wohnrecht i.H.v. 6.429 EUR belastet und damit im Wert gemindert gewesen.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 06.12.2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.02.2012 weitere Aufwendungen i.H.v. 5.180 EUR als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zu berücksichtigen und die zu zahlende Einkommensteuer um ca 2.100 EUR zu mindern.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung. Entscheidungserheblich sei der Vermögenswert von 80.000 DM im Zeitpunkt der Übertragung. Da alle Beteiligten gleich behandelt werden sollten, übersteige der Anteil des Klägers die Beerdigungskosten von 5.180 EUR.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf die Steuerakten des Beklagten verwiesen.

 

Die zulässige Klage, über die die Berichterstatterin im Einverständnis der Beteiligten gem. §§ 79a Abs. 3 und 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) entscheiden konnte, ist nicht begründet. Zu Recht hat der Beklagte die Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen versagt. Die Kläger werden hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Die geltend gemachten Aufwendungen i.H.v. 5.180 EUR stellen keine außergewöhnliche Belastung dar. Denn sie sind nicht zwangsläufig i.S.v. § 33 Einkommensteuergesetz (EStG).

Nach dieser Vorschrift liegen außergewöhnliche Belastungen vor, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastungen). Auf Antrag wird die Einkommensteuer dann dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Abs. 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird, § 33 Abs. 1 EStG.

Im Streitfall liegt der Gesamtbetrag der Einkünfte zwischen xxxxx EUR und yyyyy EUR. Die zumutbare Belastung der im Splittingverfahren veranlagten Kläger mit ihren zwei Kindern beläuft sich danach auf × % des Gesamtbetrags der Einkünfte, d.h. auf xxx EUR. Damit könnten grundsätzlich xxxx EUR steuermindernd berücksichtigt werden.

Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen für die Beerdigung eines nahen Angehörigen entstehen, sind nach allgemeiner Ansicht grundsätzlich außergewöhnlich (vgl. BFH-Urteil vom 19.10.1990 III R 93/87, BStBl 1991 II S. 140).

Diese Aufwendungen sind für den Steuerpflichtigen aber nicht immer zwangsläufig.

Außergewöhnliche Aufwendungen sind dem Grunde nach zwangsläufig, wenn sich der Steuerpflichtige ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG. Dies ist dann der Fall, wenn rechtliche, sittliche oder tatsächliche Gründe von außen derart auf die Entschließung des Steuerpflichtigen einwirken, dass er ihnen nicht auszuweichen vermag. Entscheidend ist, ob das Ereignis, dessen Folgen die Aufwendungen oder die Verpflichtung zum Bestreiten der Aufwendungen sind, für den Steuerpflichtigen zwangsläufig war (BFH-Urteil vom 26.02.1998 III R 59/97, BStBl 1998 II S. 605. m.w.N.). Rechtliche Gründe, aufgrund derer sich ein Steuerpflichtiger den Aufwendungen dem Grunde nach nicht entziehen kann, können sich aus Gesetz, Verwaltungsakt oder Vertrag ergeben.

Als rechtlicher Grund für die Übernahme der Beerdigungskosten kommt grundsätzlich § 1968 Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Betracht. Nach dieser Vorschrift trägt der Erbe die Kosten der Beerdigung. Der Kläger war aufgrund des Erbvertrages vom 17.11.1991 (URNr. 43/1991) und dem Erb- und Pflichtteilsverzicht seiner Geschwister als Alleinerbe nach seiner zuletzt verstorbenen Mutter eingesetzt.

Bei der Verpflichtung aus § 1968 BGB handelt es sich aber nicht um eine persönliche Verpflichtung des Erben, sondern um eine Nachlassverbindlichkeit. Nachlassverbindlichkeiten treffen den Erben nur als denjenigen, dem das Vermögen des Erblassers zufällt. Sie belasten das übernommene Vermögen und nicht den Erben als einkommensteuerpflichtige Person. Ist der Nachlass überschuldet, hat der Erbe die Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen, so dass ihn aus § 1968 BGBkeine rechtliche Verpflichtung zur Begleichung der Beerdigungskosten trifft. Denn mit der Annahme der Erbschaft setzt der Erbe regelmäßig selbst den Grund für seine Rechtspflicht zur Erfüllung der damit verbundenen Schulden. Die Verpflichtung aus § 1968 BGB trifft ihn deshalb nicht zwangsläufig i.S.v. § 33 Abs. 2 EStG (BFH-Urteil vom 24.07.1987 III R 208/82, BStBl 1987 II S. 715; Schmidt/Loschelder, EStG 32. Aufl. 3013 § 33 Rz. 35 „Beerdigungskosten”; K.Heger in Blümich, EStG, Feb. 2012, § 33 Rz. 214f; Görke in Frotscher, EStG 09/2003, § 33 Rz. 50ff; Arndt in Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, EStG, Jan. 2001, § 33 Rdnr. C 40; Schmieszek in Bordewin/Brandt, EStG, Nov. 1999, § 33 Rz. 150f; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Nov. 2012, § 33 Rz. 142ff jew. m.w.N.).

Als rechtlicher Grund für die Übernahme der Beerdigungskosten kommt im Streitfall auch der Übergabevertrag vom 17.11.1991 (URNr. xx/1991) in Betracht. Darin hat sich der Kläger unter § 3 Ziff. 2) Buchst. b) verpflichtet, die Kosten der Beerdigung und der Grabpflege zu tragen, soweit nicht Kostenerstattungen erfolgen.

Als ein die Zwangsläufigkeit begründender rechtlicher Grund kommt jedoch grundsätzlich nur eine rechtliche Verpflichtung in Betracht, die der Steuerpflichtige nicht selbst gesetzt hat. Verpflichtungen aufgrund rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen können für sich allein regelmäßig eine Zwangsläufigkeit i.S.v. § 33 Abs. 2 EStG nicht begründen. Vielmehr muss in derartigen Fällen zu der selbst begründeten Rechtspflicht eine weitere rechtliche oder sittliche bzw. eine tatsächliche Zwangsläufigkeit zur Leistung gerade dieser Aufwendungen hinzutreten. Entsprechendes gilt, wenn die Übernahme der Rechtspflicht ihrerseits auf rechtlicher oder sittlicher Verpflichtung bzw. einer tatsächlichen Zwangsläufigkeit beruht. Bei der im Rahmen des § 33 EStG gebotenen wertenden Betrachtung fehlt es regelmäßig an der Zwangslage, wenn sich der Steuerpflichtige bewusst und aufgrund freier Entscheidung in eine bestimmte Situation begeben und die damit verbundenen Folgen in Kauf genommen hat, wie dies z.B. beim Abschluss von Verträgen und den damit u.U. verbundenen nachteiligen Folgen der Fall ist. Verpflichtungen auf Grund rechtsgeschäftlicher Vereinbarung können daher für sich allein eine Zwangsläufigkeit nicht begründen; es muss aus anderen Gründen eine Zwangsläufigkeit zu gerade dieser Leistung hinzutreten (vgl. BFH-Urteil vom 26.02.1998 III R 59/97, aaO, Schmidt/Loschelder aaO § 33 Rz. 17 und 23; Arndt in Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, aaO Rdnr. C 3 und 14; Littmann, EStG § 33 Rz. 135ff jew. m.w.N.).

In Anwendung dieser Grundsätze sind die Aufwendungen für die Beerdigungskosten im Streitfall nicht zu berücksichtigen. Denn der Kläger hat sich freiwillig – bzw im Hinblick auf die Übertragung des Grundstücks und den Erb- und Pflichtteilsverzicht seiner Geschwister – bereit erklärt, die Beerdigungskosten allein zu tragen.

Entgegen der Auffassung der Kläger ergibt sich die Zwangsläufigkeit zur Übernahme der Beerdigungskosten hier auch nicht – zusätzlich – aus sittlichen Gründen. Zwar bestehen sittliche Gründe zur Übernahme der Beerdigungskosten im allgemeinen bei einem nahen Angehörigen. Dies gilt auch dann, wenn er die Erbschaft ausschlägt (vgl. z.B. Schmidt/Loschelder, aaO § 33 Rz. 35 „Beerdigungskosten”).

Sittliche Gründe zur Übernahme der Beerdigungskosten können auch dann bestehen, wenn man als späterer Alleinerbe von einem Angehörigen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge die gesamte Existenzgrundlage erhält. In diesem Fall wäre es mit oder ohne rechtsgeschäftlicher Verpflichtung geradezu verwerflich, nicht dessen Beerdigungskosten zu übernehmen ( FG München Urteil vom 30.03.1999 13 K 3321/94, aaO).

In dem dort zu entscheidenden Fall war ein landwirtschaftlicher Betrieb auf die einzige Tochter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen und als (eine) Gegenleistung ein standesgemäßes Begräbnis ausbedungen worden. Bei dieser Sachlage sah das FG München zu Recht – neben der rechtsgeschäftlich ausbedungenen – eine sittliche Verpflichtung zur Übernahme der Beerdigungskosten.

Dieser Sachverhalt ist jedoch nicht mit dem des Streitfalls vergleichbar. Denn im Streitfall haben die Eltern des Klägers ihm nicht ihre gesamte Existenzgrundlage übertragen. Sie haben sich neben der Zurückbehaltung eines Wohnrechts an der Obergeschosswohnung noch erhebliche Zahlungen – sofortige an sich selbst und spätere bei Eintritt des Erbfalls an die Geschwister des Klägers – ausbedungen. Außerdem waren Vermächtnisse zugunsten der Geschwister und zu Lasten des Klägers ausgesetzt. Diese Vermächtnisse umfassten den gesamten vorhandenen Bargeldbestand (ca 32.000 EUR laut Angaben des Klägers zum Wert des Nachlasses) und das bewegliche Vermögen der Eltern im Zeitpunkt des Erbfalls.

Angesichts dieser Vereinbarungen bestand eine sittliche Verpflichtung des Klägers zur Übernahme der Beerdigungskosten allenfalls in dem Umfang, wie er sie aus dem Substanz- und Nutzungswert des übergebenen Grundstücks bzw. dem ererbten Nachlass decken konnte. Soweit dagegen bereits bei Abschluss der Vereinbarungen vom 17.11.1991 erkennbar gewesen sein sollte, dass die Verpflichtungen gegenüber den Eltern und den Geschwistern die übertragenen und ererbten Werte übersteigen würden, bestand für den Kläger keine (zusätzliche) sittliche Verpflichtung, die Beerdigungskosten (allein und in vollem Umfang) zu übernehmen.

Auch nach der Auffassung des FG Münster in seinem Urteil vom 19.04.1990 VI 5087/89 n.v., juris nur Leitsatz, sind Beerdigungskosten dann keine außergewöhnliche Belastung, wenn sie in Erfüllung einer vertraglichen Pflicht gegenüber dem Verstorbenen gezahlt werden. Denn die vertragliche Verpflichtung gegenüber dem Verstorbenen, dessen Beerdigungskosten zu zahlen, stellt einen Vertrag zugunsten des oder der Erben dar. Diese(r) werden – freiwillig – von der rechtlichen oder sittlichen Verpflichtung zur Tragung der Beerdigungskosten freigestellt mit der Folge, dass die vertragliche Verpflichtung Vorrang vor der gesetzlichen und/oder sittlichen Verpflichtung erhält. Dieser Vorrang der vertraglichen Verpflichtung könnte allenfalls insoweit eingeschränkt sein, als im Fall der gesetzlichen Erbfolge noch eine anteilige Verpflichtung zur Übernahme der Beerdigungskosten aus sittlichen Gründen besteht. Bei gesetzlicher Erbfolge hätte der Kläger – neben seinen beiden Geschwistern – allenfalls ein Drittel die angefallenen Beerdigungskosten tragen müssen.

Das erkennende Gericht geht bei der gebotenen wertenden Betrachtung davon aus, dass Aufwendungen dann nicht zwangsläufig i.S.v. § 33 Abs. 1 EStG sind, wenn ein Steuerpflichtiger vertraglich Verpflichtungen übernimmt und er im Gegenzug Vermögenswerte im Wege der vorweggenommener Erbfolge erhält. Denn in diesen Fällen ist anzunehmen, dass die Interessen aller Beteiligten angemessen berücksichtigt sind. Ansonsten wäre der Vertrag nicht oder nicht mit dem Inhalt geschlossen worden. Jedenfalls hat der Begünstigte eines solchen Übergabevertrages die vertraglichen Gegenleistungen dem Grunde und der Höhe nach freiwillig übernommen. Denn auch bei Abschluss eines Erbvertrages können die Vertragspartner frei über Inhalt und Abschluss entscheiden.

Eine Zwangslage kann auch aufgrund des Vergleichs mit dem gesetzlichen Erben nicht angenommen werden. Wird dieser nämlich auf die Möglichkeit verwiesen, die Erbschaft auszuschlagen, um seiner Verpflichtung aus § 1968 BGB zu entgehen (s.o.), so muss dies erst recht für den vertraglich Verpflichteten gelten. Er kann seine Interessen in viel größerem Umfang wahrnehmen, sei es durch Einflussnahme auf den Inhalt des Vertrages oder sogar durch Abstandnahme vom Vertragsschluss insgesamt. Beides wäre auch nicht verwerflich oder sittlich anstößig.

Geht man dennoch – wie oben dargestellt – davon aus, dass den Kläger eine sittliche Verpflichtung trifft, die Beerdigungskosten trotz vorrangiger vertraglicher Verpflichtung gegebenenfalls zu einem Drittel zu übernehmen und geht man – dem Urteil des FG München vom 30.03.1999 13 K 3321/94, aaO folgend –, davon aus, dass auch bei vertraglicher Verpflichtung zur Übernahme der Beerdigungskosten der übergebene Vermögensgegenstand noch einen realen Wert repräsentieren muss, läge im Streitfall keine Belastung vor. Denn die Beerdigungskosten wären durch den Wert des übernommenen Grundstücks gedeckt.

Der Abzug von Beerdigungskosten als außergewöhnliche Belastung scheidet grundsätzlich von vornherein aus, soweit die Aufwendungen aus dem Nachlass bestritten werden können oder durch sonstige im Zusammenhang mit dem Tod zugeflossene Geldleistungen gedeckt sind (vgl. BFH-Urteile vom 04.04.1989 X R 14/85, BStBl 1989 II S. 779 und vom 29.05.1996 III R 86/95, BFH/NV 1996, 807 m.w.N). Dies gilt auch im Fall einer vorweggenommenen Erbfolge (vgl. Urteile des FG München vom 30.03.1999 13 K 3321/94, aaO und des FG Münster vom 24.02.1999 13 K 1810/96 E aaO sowie des FG Baden-Württemberg vom 06.11.1980 III 102/78 , EFG 1981, 180). Danach führen Aufwendungen, die den Verkehrswert des Nachlasses nicht übersteigen, gar nicht erst zu einer Belastung i.S.v. § 33 EStG. Nur nach der Ansicht des FG Hamburg in seinem Urteil vom 11.10.1985 V 96/82, aaO steht es dem Abzug von Beerdigungskosten nicht entgegen, wenn der Erblasser dem Steuerpflichtigen zwei Jahre vor dem Erbfall ein Grundstück in vorweggenommener Erbfolge geschenkt hat, dessen Wert die Beerdigungskosten übersteigt.

Im Streitfall steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass der Kläger mit dem Grundstück und dem aufstehenden Zweifamilienhaus einen Gegenwert erhalten hat, der seine gesamten Verpflichtungen aus dem Vertrag vom 17.11.1991 – einschließlich der gesamten, jedenfalls aber etwaig anteilig zu tragender Beerdigungskosten – überstiegen hat.

Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass einvernehmlich getroffene Vereinbarungen zwischen Eltern und Kindern bzw. Geschwistern über Erbeinsetzung, Vermächtnisse, Übertragung und Verteilung des gesamten Nachlasses die Vermutung für sich haben, dass die Kinder als gesetzliche Erben gleichmäßig bedacht wurden. Ansonsten wären die Vereinbarungen nicht oder nicht mit dem Inhalt geschlossen worden.

Wenn danach die Geschwister des Klägers jeweils 20.000 DM und zusätzlich das gesamte Barvermögen (32.000 EUR) und den gesamten beweglichen Nachlass erhalten sollten, so spricht dies dafür, dass dem Kläger ebenfalls – und zwar nach Abzug aller Verpflichtungen – zumindest Werte i.H.v. 20.000 DM verbleiben sollten und verblieben sind.

Hinzu kommen folgende Überlegungen:

Nach eigenem Vortrag beläuft sich der Wert des Grund und Bodens nebst aufstehendem Gebäude auf mindestens 40.000 EUR, gegebenenfalls auf den im Vertrag genannten Belastungswert von 85.000 DM. Nach Einschätzung des Gerichts dürfte der Wert deutlich höher liegen. Denn eine Grundschuld schöpft den Wert eines Grundstücks im Regelfall nicht in vollem Umfang aus. Auch erfolgt die einvernehmliche Angabe eines Urkundswertes von 300.000 DM nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht nur zur Bemessung der Notarkosten. Hinzu kommt, dass der reine Nachlass laut Erbvertrag zusätzlich mit 100.000 DM angegeben wurde.

Für die Frage, welchen Wert der Nachlass hatte, kommt es auf den Verkehrswert im Zeitpunkt des Erbfalls an (vgl. FG des Saarlandes Urteil vom 30.09.1992 1 K 76/92 , aaO und FG Münster Urteil vom 24.02.1999 13 K 1810/96, aaO). Nicht gefolgt werden kann der Auffassung des FG Hamburg in seinem Urteil vom 11.10.1985 V 96/82, aaO, ein im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfolgte Grundstücksschenkung könne außer Betracht bleiben.

Soweit die Kläger meinen, für die Bewertung des übernommenen Nachlasses könne es auf den Zeitpunkt der Übernahme ankommen, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Dies ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des FG Münster vom 24.02.1999 13 K 1810/96, aaO. Denn am Ende des Urteils heißt es, „Dass der Wert des übertragenen Vermögens höher ist als die Beerdigungskosten, steht … aufgrund … des Grundstücksübertragungsvertrages fest. Darin wurde der Verkehrswert des Objekts zur Zeit der Schenkung …auf 180.000 DM beziffert.” Die Ausführungen des FG Münster zu dem im Schenkungsvertrag genannten Wert verstehen sich als Begründung dafür, dass der Wert des Grundstücks aktuell, sprich im Zeitpunkt des Erbfalls, mindestens den im Schenkungsvertrag genannten Verkehrswert hatte.

Bei der Bewertung des Grundstücks im Zeitpunkt des Erbfalls ist deshalb auch zu berücksichtigen, dass der Kläger die Verpflichtungen gegenüber seinen Eltern und Geschwistern im Hinblick auf die sofortige Übertragung des gesamten Grundstücks übernommen hat. Damit hatte er bereits ab 1991 die Möglichkeit, das gesamte Grundstück – vorbehaltlich des Wohnrechts der Eltern – seit dieser Zeit für eigene Zwecke zu nutzen bzw. nutzbar zu machen. Er bewohnte das Objekt also bereits lange vor dem Erbfall, während seine Geschwister mit der Auszahlung ihrer Abfindungsbeträge bzw. der Vermächtnisse bis zum Erbfall warten und entsprechende inflationsbedinge Wertverluste hinnehmen mussten. Demgegenüber hatte der Kläger im Zeitpunkt des Erbfalls schon langjährige und damit nicht unerhebliche Nutzungsvorteile erlangt.

Unbeachtlich ist, dass die frühere Bausubstanz des übertragenen Hausgrundstücks durch die Generalüberholung möglicherweise untergegangen ist. Denn die von ihm getroffene Entscheidung, weniger werthaltige alte Bausubstanz gegen neue höherwertige Bausubstanz auszutauschen, muss sich der Kläger anrechnen lassen. Sie lässt auch nicht den Wert des übergebenen Grund und Bodens nebst Gebäude und den seit 1991 erlangten Nutzungsvorteil entfallen.

Entgegen der Auffassung des Klägers kann der Wert des übergebenen Vermögensgegenstandes nicht auf den Miteigentumsanteil der zuletzt verstorbenen Mutter reduziert werden. Der Kläger hat die Verpflichtung zur Übernahme der Beerdigungskosten beider Eltern im Hinblick auf die sofortige (1991) Übertragung und damit auf die sofortige Nutzung bzw. Nutzungsmöglichkeit des gesamten Grundstücks übernommen. Eine rechnerische Reduzierung des Nachlasswertes auf den Miteigentumsanteil der zuletzt verstorebenen Mutter lässt den Vorteil der Übertragung des gesamten Grundstücks noch zu Lebzeiten beider Eltern außer Acht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Erklärung der Finanzminister Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens und Spaniens (G5)

Am 27. November 2013 haben sich Griechenland, Island, Kolumbien, Liechtenstein, Luxemburg und Malta der Initiative der G5 zum automatischen Informationsaustausch in Steuersachen angeschlossen. Dazu erklären die Finanzminister der G5:

„Wir begrüßen ausdrücklich die Ankündigung von Griechenland, Island, Kolumbien, Liechtenstein, Luxemburg und Malta, sich der G5-Initiative zum automatischen Informationsaustausch in Steuersachen anzuschließen.

Mit dem neuen weltweiten Standard, der Anfang nächsten Jahres fertig gestellt werden soll, werden uns erheblich verbesserte Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um scharf gegen Steuerhinterziehung vorzugehen. Die Bereitschaft, sich der G5-Initiative anzuschließen, zeigt: Griechenland, Island, Kolumbien, Liechtenstein, Luxemburg und Malta haben erkannt, dass Steuertransparenz im Interesse ihres künftigen Wohlstandes liegt. Sie wollen daher bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung mit anderen Staaten zusammenarbeiten.

Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Griechenland, Island, Kolumbien, Liechtenstein, Luxemburg und Malta. Wir möchten insbesondere jede Gelegenheit nutzen, den automatischen Informationsaustausch in Steuersachen auf allen Ebenen aktiv voranzutreiben. Wir bekräftigen erneut unsere Aufforderung an alle Staaten, sich ebenfalls zur frühzeitigen Einführung des neuen Standards zu verpflichten.“

Mehr zum Thema

  • Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien vereinbaren untereinander einen erweiterten Informationsaustausch

Quelle: BMF online

Umsatzsteuer: Bauträger nicht Steuerschuldner gemäß § 13b UStG

Nach § 13b Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 2005 schuldet (ausnahmsweise) der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer bei bestimmten Bauleistungen, wenn er selbst Bauleistungen erbringt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 22. August 2013 (V R 37/10) den Anwendungsbereich der Vorschrift erheblich eingeschränkt und die dazu ergangene Anwendungsvorschrift der Finanzverwaltung (Abschnitt 182a der Umsatzsteuer-Richtlinie – UStR – 2005) in wesentlichen Punkten (Abschnitt 182a Abs. 10, Abs. 11 und Abs. 17 UStR) ausdrücklich verworfen. Der Leistungsempfänger ist nach dem Urteil nur dann Schuldner der Umsatzsteuer aus den von ihm beauftragten und unter die Vorschrift fallenden Bauleistungen, wenn er die an ihn erbrachten Leistungen seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet. Danach sind z. B. Bauträger für die von ihnen in Auftrag gegebenen Bauleistungen nicht mehr Schuldner der Umsatzsteuer.

Die Klägerin, ein Bauträger, hatte einen Generalunternehmer mit der Erstellung eines Gebäudes beauftragt und die von diesem nach Kündigung des Generalunternehmervertrags nicht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer zunächst selbst erklärt und abgeführt. In ihrer Jahreserklärung gab sie an, keine nachhaltigen Bauleistungen erbracht zu haben (Abschnitt 182a Abs. 10 UStR 2005). Sie schulde deshalb die Umsatzsteuer nicht. Das Finanzamt hielt dem entgegen, die Klägerin habe sich mit dem Generalunternehmer darüber geeinigt, dass sie die Umsatzsteuer schulde (Abschnitt 182a Abs. 17 UStR 2005). Die Finanzverwaltung geht im Übrigen davon aus, dass der Empfänger einer Bauleistung schon dann seinerseits Bauleistungen im Sinne der Vorschrift (§ 13b UStG) erbringt, wenn zwischen den von ihm empfangenen und den von ihm erbrachten Leistungen kein unmittelbarer Zusammenhang besteht (Abschnitt 182a Abs. 11 UStR 2005). Die Klage hatte keinen Erfolg.

Der BFH hatte das Verfahren zunächst ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vorgelegt, um klären zu lassen, ob § 13b UStG mit dem Europarecht vereinbar sei. Der EuGH hat dies grundsätzlich bejaht (Urteil vom 13. Dezember 2012 C-395/11 BLV). Er hat aber die nationalen Gerichte dazu aufgefordert, bei der Anwendung der Vorschrift für Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit Sorge zu tragen.

Davon ausgehend hat der BFH nun die Auslegung der Vorschrift durch die Finanzverwaltung – soweit im Streitfall anwendbar – als nicht rechtssicher genug verworfen:

  • Ob der Auftraggeber selbst nachhaltig Bauleistungen erbringe (Abschnitt 182a Abs. 10 UStR 2005) könne der Auftragnehmer nicht erkennen.
  • Für zu weitgehend erachtet der BFH auch die Annahme, dass die Erbringung jedweder Bauleistungen durch den Auftraggeber ausreiche, ohne dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der empfangenen und der erbrachten Bauleistung bestehen müsse (Abschnitt 182a Abs. 11 UStR 2005).
  • Auf eine Einigung zwischen den Vertragsparteien (Abschnitt 182a Abs. 17 UStR 2005) könne es schon deshalb nicht ankommen, weil das Gesetz den Übergang der Steuerschuldnerschaft nicht zur Disposition der Beteiligten stelle.

Eine hinreichend sichere Handhabung der Vorschrift ist zur Überzeugung des BFH nur gewährleistet, wenn der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Leistung seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet. Dies könne der Auftragnehmer in der Regel erkennen.

Konkret bedeutet dies, dass Bauträger nicht mehr als Steuerschuldner nach § 13b UStG in Betracht kommen, denn Bauträger erbringen keine Bauleistung im Sinne der Vorschrift, sondern liefern bebaute Grundstücke. Das unterscheidet sie vom sog. Generalunternehmer, der an seinen Auftraggeber Bauleistungen erbringt und deshalb die Steuer (auch) für die von ihm in einer Leistungskette (von Subunternehmern) bezogenen Bauleistungen nach § 13b UStG schuldet. Die Revision der Klägerin hatte deshalb Erfolg.

Ist der Unternehmer sowohl als Bauträger als auch als Generalunternehmer tätig, kommt es auf die Verwendung der von ihm bezogenen Bauleistung an. Maßgeblich ist dann, ob der Unternehmer die Bauleistung für eine steuerfreie Grundstücksübertragung als Bauträger oder für eine eigene steuerpflichtige Bauleistung als Generalunternehmer verwendet.

 Pressemitteilung Nr. 80/13 vom 27.11.2013, Entscheidung des V.  Senats vom 30.6.2011 – V R 37/10 –

EuGH-Vorlage zum Reverse Charge Verfahren bei Bauleistungen

Beschluss vom 30.06.11   V R 37/10

 

Mit Beschluss vom 30. Juni 2011 V R 37/10 hat der Bundesfinanzhof dem Gerichtshof der Europäischen Union Zweifelsfragen zur Vereinbarkeit der Regelung zum sog. Reverse-Charge-Verfahren vorgelegt. Während im Regelfall der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer abzuführen hat, schuldet für Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen, der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer, wenn er selbst ebenfalls solche Leistungen erbringt.

 

Die Regelung beruht auf der Ermächtigung des Rates vom 30. März 2004 (2004/290/EG) zum Reverse-Charge-Verfahren „bei der Erbringung von Bauleistungen an einen Steuerpflichtigen“. Unionsrechtliche Zweifel bestehen, ob diese Ermächtigung nur Baudienstleistungen (sonstige Leistungen), nicht dagegen (Werk-)Lieferungen betrifft. Denn nach der maßgeblichen Richtlinie (77/388/EWG) können die Mitgliedstaaten „als Lieferungen …die Erbringung bestimmter Bauleistungen betrachten.“ Dies könnte darauf hindeuten, dass unter Bauleistungen nur (Bau-)Dienstleistungen zu verstehen sind. Falls die Ermächtigung sich auch auf Lieferungen erstreckt, ist weiter zu klären, ob der Mitgliedstaat von der Ermächtigung abweichen und Untergruppen bilden kann. Denn während der Rat die Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens erlaubt, wenn der Leistungsempfänger „Steuerpflichtiger“ (d.h. Unternehmer) ist, tritt nach dem deutschen Umsatzsteuergesetz die Umkehr der Steuerschuld nur ein, wenn der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist, der selbst Bauleistungen erbringt. Dies war Anlass für das vorliegende Verfahren; denn die Finanzverwaltung geht insoweit davon aus, dass der Leistungsempfänger beim Bezug einer Bauleistung nur dann Steuerschuldner ist, wenn zumindest 10 % seines „Weltumsatzes“ im Vorjahr aus derartigen Bauleistungen besteht. Ob die Klägerin die „10% Grenze“ überschritten hat, war Ausgangspunkt des Rechtsstreits.

 

Die Entscheidung hat nicht nur für die Vergangenheit Bedeutung. Die Ermächtigung wurde zwar mit Wirkung zum 1. Januar 2008 durch eine Regelung zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft in der Richtlinie selbst ersetzt (inzwischen Art. 199 der Richtlinie 2006/112/EG). Auch diese Regelung verwendet den Begriff „Bauleistungen“ und nimmt ausdrücklich auf Art. 5 Satz 5 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2006/112/EG) Bezug, wonach die Mitgliedstaaten „die Erbringung bestimmter Bauleistungen“ als Lieferungen betrachten können.

 

 

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 22.8.2013, V R 37/10

Steuerschuldnerschaft bei sog. „Bauleistungen“ – Unionsrechtlich gebotene einschränkende Auslegung von § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG 2005

Leitsätze

1. § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG 2005 ist entgegen Abschn. 182a Abs. 11 UStR 2005 einschränkend dahingehend auszulegen, dass es für die Entstehung der Steuerschuld darauf ankommt, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient, seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet.

 

2. Auf den Anteil der vom Leistungsempfänger ausgeführten bauwerksbezogenen Werklieferungen oder sonstigen Leistungen i.S. des § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG 2005 an den insgesamt von ihm erbrachten steuerbaren Umsätzen kommt es entgegen Abschn. 182a Abs. 10 UStR 2005 nicht an.

Tatbestand

I.
1
Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für Bauleistungen, die die Beigeladene an die Klägerin erbracht hat, im Streitjahr 2005 Steuerschuldnerin i.S. des § 13b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geworden ist.
2
Die Klägerin betreibt laut Handelsregistereintrag ein Unternehmen, dessen Gegenstand der Erwerb, die Erschließung und die Bebauung von Grundstücken ist.
3
Am 13. September 2004 beauftragte die Klägerin die nach § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung Beigeladene als Generalunternehmer zur Erstellung eines Wohnhauses mit sechs Wohnungen zum Pauschalpreis von … EUR brutto. Laut Vertrag war die Beigeladene bei der Abrechnung von Abschlagszahlungen und der Schlussrechnung verpflichtet, die Umsatzsteuer gesondert auszuweisen.
4
Nachdem die Beigeladene in 2004 und 2005 Bauleistungen an die Klägerin erbracht hatte, kam es zur Kündigung des Vertrages durch die Klägerin. Am 17. November 2005 erteilte die Beigeladene eine Schlussrechnung ohne Umsatzsteuerausweis, in dem auf die Steuerschuldnerschaft der Klägerin nach § 13b UStG hingewiesen wurde.
5
In ihrer Umsatzsteuererklärung 2004 und in den Voranmeldungen 2005 erklärte die Klägerin zunächst gemäß § 13b UStG auf die von der Beigeladenen erhaltenen Bauleistungen Umsatzsteuer in Höhe von … EUR und führte die Umsatzsteuer an den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–) ab.
6
In ihrer Jahreserklärung 2005 erklärte sie jedoch diese Umsatzsteuerbeträge nicht mehr mit der Begründung, sie erbringe keine Bauleistungen, denn nach Abschn. 182a Abs. 10 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) sei dazu erforderlich, dass sie „nachhaltige“ Bauleistungen erbringe, was nur vorliege, wenn die Bauleistungen im Vorjahr mehr als 10 % der Gesamtumsätze betrügen. Wegen schwankender Umsätze habe sie diese Voraussetzung zwar noch im Jahre 2003, nicht aber 2004 erfüllt. Dies sei nachträglich im Rahmen der Jahresabschlussarbeiten 2004 aufgefallen. Entgegen dem Vortrag der Beigeladenen habe sie dieser keine Bescheinigung nach § 48b des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgehändigt. Eine vertragliche Einigung gemäß Abschn. 182a Abs. 17 UStR über den gesetzlichen Übergang der Steuerschuldnerschaft habe ebenfalls nicht vorgelegen.
7
Das FA ging zwar ebenfalls davon aus, dass die Klägerin die 10 %-Grenze nach Abschn. 182a Abs. 10 UStR im Vorjahr nicht überschritten habe. Gleichwohl sei von einer Einigung i.S. des Abschn. 182a Abs. 17 UStR auszugehen, weil die Klägerin die Änderung der Verhältnisse nicht mitgeteilt habe. Daraufhin setzte das FA mit Umsatzsteuerbescheid vom 14. November 2006 die Umsatzsteuer 2005 auf … EUR fest.
8
Nach Zurückweisung des Einspruchs wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab (veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2011, 278). Zur Begründung führte es aus, das FA habe den Übergang der Steuerschuld nach § 13b UStG im Ergebnis zu Recht angenommen. Das FG folge zwar nicht den Regelungen der UStR in Abschn. 182a Abs. 10 Sätze 2 und 3, wonach dies nur dann der Fall sei, wenn im vorangegangenen Jahr der Anteil an Bauleistungen mindestens 10 % betragen habe oder wenn der Leistungsempfänger dem Leistenden eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG „für Umsatzsteuerzwecke“ vorgelegt habe (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen –BMF– vom 16. Oktober 2009, BStBl I 2009, 1298 Rz 2, 3, 5). Das Erfordernis der Nachhaltigkeit der Bauleistungsumsätze sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Zudem könne der leistende Unternehmer nicht verlässlich beurteilen, ob die Voraussetzungen des Übergangs der Steuerschuldnerschaft vorlägen, weil dies von dem ihm unbekannten Verhältnis der Bauleistungen zu den sonstigen Umsätzen des Leistungsempfängers abhänge. Es genüge daher, wenn der Leistungsempfänger nur gelegentlich Bauleistungen erbringe. Der Übergang der Steuerschuldnerschaft sei nur dann ausgeschlossen, wenn ein Unternehmer überhaupt keine Bauleistungen erbringe. Ebenso wenig überzeugend sei die Regelung des Abschn. 182a Abs. 12 Satz 2 UStR, wonach der Übergang der Steuerschuldnerschaft von der Vorlage einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG „für umsatzsteuerliche Zwecke“ abhänge, weil dann der Übergang entgegen der gesetzlichen Regelung in das Belieben des Leistungsempfängers gestellt werde. Maßgebend für den Übergang der Steuerschuldnerschaft sei vielmehr, ob der Leistungsempfänger Unternehmer sei, der zumindest gelegentlich selbst Bauleistungen erbringe und ob dies für den Leistenden erkennbar sei.
9
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision und verteidigt die 10 %-Grenze. Sie habe auch keine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG der Beigeladenen vorgelegt.
10
Die Klägerin beantragt, die Umsatzsteuerfestsetzung 2005 vom 14. November 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Juli 2008 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um … EUR herabgesetzt wird.
11
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
12
Die Klägerin habe zwar zutreffend ausgeführt, dass ihr Anteil der Bauleistungen an den Gesamtumsätzen unter 10 % liege. Sie verfüge aber für 2005 über eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG. Daraus ergebe sich, dass die Klägerin für das Jahr 2004 als Bauleistender und für das Streitjahr 2005 nicht mehr als Bauleistender anzusehen sei. Die Klage sei dennoch unbegründet, weil die Klägerin mit der Beigeladenen eine Vereinbarung über die Umkehr der Steuerschuldnerschaft getroffen habe, was sich daraus ergebe, dass die Klägerin im Umsatzsteuer-Voranmeldungsverfahren 2005 die Umsatzsteuer erklärt und abgeführt habe.
13
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.
14
Der Senat hat mit Beschluss vom 30. Juni 2011 V R 37/10 (BFHE 233, 477, BStBl II 2011, 842) dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
15
„1. Umfasst der Begriff der Bauleistungen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Ermächtigung 2004/290/EG neben Dienstleistungen auch Lieferungen?
16
2. Falls sich die Ermächtigung zur Bestimmung des Leistungsempfängers als Steuerschuldner auch auf Lieferungen erstreckt:
17
Ist der ermächtigte Mitgliedstaat berechtigt, die Ermächtigung nur teilweise für bestimmte Untergruppen wie einzelne Arten von Bauleistungen und für Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger auszuüben?
18
3. Falls der Mitgliedstaat zu einer Untergruppenbildung berechtigt ist: Bestehen für den Mitgliedstaat Beschränkungen bei der Untergruppenbildung?
19
4. Falls der Mitgliedstaat zu einer Untergruppenbildung allgemein (siehe oben, Frage 2) oder aufgrund nicht beachteter Beschränkungen (siehe oben, Frage 3) nicht berechtigt ist:
20
a) Welche Rechtsfolgen ergeben sich aus einer unzulässigen Untergruppenbildung?
21
b) Führt eine unzulässige Untergruppenbildung dazu, dass die Vorschrift des nationalen Rechts nur zugunsten einzelner Steuerpflichtiger oder allgemein nicht anzuwenden ist?“
22
Diese Fragen hat der EuGH am 13. Dezember 2012 C-395/11, BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH (Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 2013, 63) wie folgt beantwortet:
23
„1. Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG des Rates vom 30. März 2004 zur Ermächtigung Deutschlands zur Anwendung einer von Artikel 21 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern abweichenden Regelung ist dahin auszulegen, dass der Begriff der ‚Bauleistungen‘ in dieser Bestimmung neben den als Dienstleistungen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2004/7/EG des Rates vom 20. Januar 2004 geänderten Fassung eingestuften Umsätzen auch die Umsätze umfasst, die in der Lieferung von Gegenständen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie bestehen.
24
2. Die Entscheidung 2004/290 ist dahin auszulegen, dass die Bundesrepublik Deutschland berechtigt ist, die ihr mit dieser Entscheidung erteilte Ermächtigung nur teilweise für bestimmte Untergruppen wie einzelne Arten von Bauleistungen und für Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger auszuüben. Bei der Bildung dieser Untergruppen hat dieser Mitgliedstaat den Grundsatz der steuerlichen Neutralität sowie die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, wie insbesondere die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit, zu beachten. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände zu überprüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist, und gegebenenfalls die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die nachteiligen Folgen einer gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit oder der Rechtssicherheit verstoßenden Anwendung der in Rede stehenden Vorschriften auszugleichen.“

Entscheidungsgründe

II.
25
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Entgegen dem Urteil des FG war die Klägerin für die von ihr bezogenen Leistungen nicht als Leistungsempfänger Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Nr. 4 UStG in der im Streitjahr geltenden Fassung.
26
1. Die Steuerschuld des Leistungsempfängers gemäß § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG setzt in Ausübung einer durch das Unionsrecht eingeräumten Ermächtigung voraus, dass er eine der in § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG genannten Leistungen bezieht und diese auch selbst erbringt.
27
a) Nach § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG in der im Streitjahr 2005 geltenden Fassung schuldet in „den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 genannten Fällen … der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist, der Leistungen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG erbringt“.
28
§ 13b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 UStG hat folgenden Wortlaut:“(1) Für folgende steuerpflichtige Umsätze entsteht die Steuer mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats: …

4. Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen. …“

29
§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG erfasst somit im Gegensatz zu § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht alle „Bauleistungen“, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, sondern nur Werklieferungen und sonstige Leistungen, die diesen Bauwerksbezug aufweisen.
30
b) Die durch § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 UStG nicht für alle Bauleistungen, sondern nur für bauwerksbezogene Werklieferungen und sonstige Leistungen angeordnete Steuerschuld des Leistungsempfängers beruht unionsrechtlich auf Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG des Rates vom 30. März 2004 zur Ermächtigung Deutschlands zur Anwendung einer von Artikel 21 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern abweichenden Regelung (Entscheidung 2004/290/EG). Danach besteht „bei der Erbringung von Bauleistungen an einen Steuerpflichtigen“ für die Bundesrepublik Deutschland die Befugnis, den „Empfänger der Gegenstände oder Dienstleistungen als Mehrwertsteuerschuldner“ zu bestimmen.
31
Dass diese Ermächtigung im nationalen Recht nicht für alle Bauleistungen und zu Lasten aller Steuerpflichtigen (Unternehmer), sondern nur für bauwerksbezogene Werklieferungen und sonstige Leistungen und dabei nur zu Lasten der Unternehmer ausgeübt wurde, die selbst derartige Leistungen erbringen, ist nach dem im Streitfall ergangenen EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63 unbeachtlich. Denn nach den Leitsätzen dieser Entscheidung umfasst „der Begriff der Bauleistungen in dieser Bestimmung neben den als Dienstleistungen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG … eingestuften Umsätzen auch die Umsätze, die in der Lieferung von Gegenständen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie bestehen“. Darüber hinaus ist „die Bundesrepublik Deutschland berechtigt …, die ihr mit dieser Entscheidung erteilte Ermächtigung nur teilweise für bestimmte Untergruppen wie einzelne Arten von Bauleistungen und für Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger auszuüben“.
32
2. Im Streitfall hat die Beigeladene an die Klägerin eine bauwerksbezogene Werklieferung i.S. von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG erbracht.
33
a) Der Begriff der Werklieferung in § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG entspricht dem in § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG. Danach sind Werklieferungen Lieferungen, bei denen der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstandes übernommen hat und hierbei Stoffe verwendet, die er selbst beschafft, wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gilt dies auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.
34
§ 3 Abs. 4 UStG betrifft nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats einheitliche, aus Liefer- und Dienstleistungselementen bestehende Leistungen in Form der Be- und Verarbeitung eines nicht dem Leistenden gehörenden Gegenstandes und ist richtlinienkonform entsprechend den unionsrechtlichen Grundsätzen zur Abgrenzung von Lieferung (Art. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG –Richtlinie 77/388/EWG–) und Dienstleistung (Art. 6 der Richtlinie 77/388/EWG) auszulegen (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 9. Juni 2005 V R 50/02, BFHE 210, 182, BStBl II 2006, 98, unter II.2.b cc).
35
Werklieferungen liegen danach vor, wenn der Unternehmer dem Abnehmer nicht nur die Verfügungsmacht an einem Gegenstand verschafft (§ 3 Abs. 1 UStG), sondern zusätzlich einen fremden Gegenstand be- oder verarbeitet. So können z.B. Buchbinderarbeiten als Bearbeitung von nicht dem Leistenden gehörenden Gegenständen Werklieferungen sein (BFH-Urteil vom 29. April 1982 V R 132/75, nicht veröffentlicht –n.v.–). Nicht ausreichend für die Annahme einer Werklieferung ist demgegenüber die Be- oder Verarbeitung eigener Gegenstände des Leistenden. Zwar kann z.B. die Zubereitung von Speisen in einem Imbissstand als Lieferung anzusehen sein (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. Juni 2011 V R 35/08, BFHE 234, 491, BStBl II 2013, 244, Leitsatz). Bei der durch den Imbissstandbetreiber ausgeführten Lieferung handelt es sich aber mangels Be- oder Verarbeitung von für den Standbetreiber fremden Gegenständen nicht um Werklieferungen i.S. von § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG. Ebenso führt die Herstellung anderer beweglicher Gegenstände wie z.B. PKW nicht aufgrund der Vereinbarung besonderer Spezifikationen wie Sonderausstattungen zu einer Werklieferung.
36
b) Im Streitfall hat die Beigeladene mit der Erstellung eines Wohnhauses eine Werklieferung i.S. von § 3 Abs. 4 UStG an die Klägerin erbracht.
37
aa) Wie der Senat bereits mit Urteil vom 24. Juli 1969 V R 9/66 (BFHE 97, 196, BStBl II 1970, 71) entschieden hat, bewirkt der Unternehmer dadurch, dass er auf dem ihm nicht gehörenden Grundstück ein Gebäude errichtet und das Gebäude dem Grundstückseigentümer übergibt, eine Werklieferung. Im Rahmen von § 3 Abs. 4 Satz 2 UStG tritt dabei die feste Verbindung mit Grund und Boden an die Stelle der Be- oder Verarbeitung eines fremden Gegenstandes. Der BFH hat an dieser Rechtsprechung in der Folgezeit festgehalten und entschieden, dass Bauhandwerker bei der Errichtung eines Gebäudes für den Grundstückseigentümer Werklieferungen ausführen (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1974 V R 29/74, BFHE 114, 512, BStBl II 1975, 396), dass der Mieter, der Ausbauten, Umbauten und Einbauten auf eigene Kosten durchführt oder auf dem gemieteten Grundstück ein Gebäude errichtet, an den Vermieter eine Werklieferung ausführt (BFH-Urteile vom 15. September 1983 V R 154/75, n.v. zu Einbauten, und vom 24. November 1992 V R 80/87, BFH/NV 1993, 634 zur Gebäudeerrichtung), und dass der Unternehmer mit der Herstellung von Erschließungsanlagen auf öffentlichen Flächen einer Gemeinde gegenüber der Gemeinde eine entgeltliche Werklieferung ausführt (BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 V R 14/09, BFHE 231, 273, BStBl II 2012, 428, Leitsatz 1). In Übereinstimmung hiermit kann sich die zur bloßen Verschaffung der Verfügungsmacht hinzutretende Bearbeitung auch aus dem Einbau des gelieferten Gegenstandes in ein Gebäude ergeben (zutreffend Abschn. 182a Abs. 3 Satz 2 UStR 2005 zum Einbau von Fenstern, Türen, Bodenbelägen, Aufzügen etc.).
38
bb) Danach erbrachte der Beigeladene im Streitfall mit der Errichtung des Wohnhauses auf dem für ihn fremden Grundstück eine Werklieferung i.S. von § 3 Abs. 4 Satz 2 UStG.
39
3. Die Klägerin ist aber gleichwohl nicht Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG, da sie die von der Beigeladenen empfangene Leistung nicht selbst zur Erbringung einer bauwerksbezogenen Werklieferung oder sonstigen Leistung i.S. von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG verwendet hat. Das Urteil des FG war somit aufzuheben und der Klage stattzugeben.
40
a) Im Hinblick auf das sich aus dem Unionsrecht ergebende Erfordernis der Rechtssicherheit ist § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG teleologisch einschränkend auszulegen.
41
aa) § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG setzt nach seinem Wortlaut voraus, dass der Leistungsempfänger selbst bauwerksbezogene Werklieferungen und sonstige Leistungen i.S. von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG erbringt.
42
bb) Bei der Auslegung des nationalen Rechts ist, soweit es auf einer unionsrechtlichen Harmonisierung durch Richtlinien der Europäischen Union beruht, das Unionsrecht und die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH im Wege der richtlinienkonformen Auslegung zu berücksichtigen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 30/09, BFHE 237, 263, BStBl II 2012, 623). Daher ist im Streitfall nicht nur zu beachten, dass der EuGH in dem den Streitfall betreffenden Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63 dem nationalen Gesetzgeber das Recht zugebilligt hat, Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG nur teilweise für bestimmte Untergruppen wie Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger auszuüben (s. oben II.1.b), sondern auch, dass der so ermächtigte Mitgliedstaat „bei der Bildung dieser Untergruppen … den Grundsatz der steuerlichen Neutralität sowie die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, wie insbesondere die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit, zu beachten“ hat und es „Sache des vorlegenden Gerichts [ist], unter Berücksichtigung aller maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände zu überprüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist, und gegebenenfalls die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die nachteiligen Folgen einer gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit oder Rechtssicherheit verstoßenden Anwendung der in Rede stehenden Vorschriften auszugleichen (EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63, 2. Leitsatz).
43
Der EuGH betont dabei, dass „Rechtsakte der Union … eindeutig sein müssen und dass ihre Anwendung für die Betroffenen vorhersehbar sein muss“. Der sich hieraus ergebende Grundsatz der Rechtssicherheit ist von jeder mit der Anwendung des Unionsrechts betrauten innerstaatlichen Stelle zu beachten und „gilt in besonderem Maße, wenn es sich um eine Regelung handelt, die sich finanziell belastend auswirken kann, denn die Betroffenen müssen in der Lage sein, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen“ (EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63 Rdnr. 47).
44
b) Das EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63 führt im Rahmen einer teleologischen Reduktion zu einer den Wortlaut von § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG einschränkenden Auslegung.
45
aa) Hat der Unternehmer eine bauwerksbezogene Werklieferung oder sonstige Leistung i.S. von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG bezogen, lässt es § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG für die an die Stelle der Steuerschuld des Leistenden tretende Steuerschuld des Leistungsempfängers ausreichen, dass der Leistungsempfänger selbst derartige Leistungen erbringt.
46
§ 13b Abs. 2 Satz 2 UStG schränkt das Erfordernis einer Leistungserbringung i.S. von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG in keiner Weise und dabei weder gegenständlich noch in zeitlicher Hinsicht ein. Nach dem Wortlaut der Vorschrift würde es für den von dieser Vorschrift angeordneten Wechsel in der Steuerschuldnerschaft z.B. ausreichen, dass an den Leistungsempfänger im Inland eine bauwerksbezogene Werklieferung erbracht wird, während er selbst lediglich im Ausland ohne Zusammenhang mit diesem Leistungsbezug eine derartige Werklieferung erbringt. Insoweit ist zu beachten, dass sich „eine solche finanzielle Belastung gleichwohl, wie dies in einem Sachverhalt wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen der Fall sein kann, aus der Anwendung dieser Regelung durch die zuständigen nationalen Behörden ergeben [könnte], wenn es diese Anwendung den betreffenden Steuerpflichtigen, zumindest vorübergehend, nicht erlaubt, den Umfang ihrer Verpflichtungen auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer genau zu erkennen“ (EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63 Rdnr. 48).
47
Eine derartige, dem Wortlaut von § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG einschränkungslos folgende Auslegung ist mit den Erfordernissen des Unionsrechts nicht zu vereinbaren, da es durch das Abstellen auf Umstände, die der Leistende im Regelfall nicht erkennt und auch nicht erkennen kann, nicht ermöglicht wird, genau zu erkennen, ob er oder sein Leistungsempfänger Steuerschuldner ist.
48
bb) § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG ist nicht dahingehend einschränkend auslegbar, dass es für den Wechsel in der Steuerschuldnerschaft darauf ankommt, dass der Leistungsempfänger „nachhaltig“ (so aber Abschn. 182a Abs. 10 Satz 2 UStR) bauwerksbezogene Werklieferungen und sonstige Leistungen erbringt und dabei die Summe dieser Leistungen mehr als 10 % seiner steuerbaren Umsätze beträgt (Abschn. 182a Abs. 10 UStR), wobei die Finanzverwaltung später präzisiert hat, dass dabei auf den „Weltumsatz“ des Leistungsempfängers abzustellen sein soll (Abschn. 13b.3 Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses –UStAE– in der Fassung des BMF-Schreibens vom 12. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1289).
49
Gegen die einschränkende Auslegung durch die Finanzverwaltung spricht, dass es auch hierdurch dem Leistenden nicht ermöglicht wird, zuverlässig zu beurteilen, ob er oder der Leistungsempfänger Steuerschuldner für die erbrachte Leistung ist. Dies zeigt sich nach den Verhältnissen des Streitfalles auch daran, dass die Klägerin selbst nicht in der Lage war, die nach der Verwaltungsauffassung maßgebliche 10 %-Grenze zutreffend zeitnah zu ermitteln, sodass auszuschließen ist, dass der Leistende diese Berechnung vornehmen kann. Der Senat schließt sich daher der von der Vorinstanz sowie im Schrifttum geäußerten Kritik an der sog. „10 % Regel“ in Abschn. 182a Abs. 10 UStR an (vgl. Ahrens, Umsatzsteuerberater 2004, 331; Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, § 13b UStG Rz 57; Küffner/Zugmaier, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2004, 712; Kuplich, UR 2007, 369; Meyer in Anm. EFG 2010, 280; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 13b Rz 384; Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 13b Rz 33.2).
50
cc) § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG ist entgegen Abschn. 182a Abs. 11 UStR dahingehend einschränkend auszulegen, dass es für den Übergang der Steuerschuldnerschaft darauf ankommt, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte bauwerksbezogene Werklieferung oder sonstige Leistung selbst zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet.
51
Zwar vermag auch diese Auslegung nicht alle Schwierigkeiten, die für den Leistenden bei der Zuordnung der Steuerschuldnerschaft bestehen, auszuräumen. So ist im Hinblick auf das Erfordernis, dass der Leistungsempfänger selbst eine bauwerksbezogene Werklieferung oder sonstige Leistung erbringt, z.B. danach zu unterscheiden, ob der Leistungsempfänger ein Generalunternehmer oder Bauträger ist. Während der Generalunternehmer regelmäßig auf einem seinem Auftraggeber gehörenden Grundstück baut, bebaut der Bauträger in der Regel eigene Grundstücke (vgl. hierzu z.B. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Mai 2010  10 AZR 190/11, Monatsschrift für Deutsches Recht 2012, 1046, unter I.2.c bb). Dementsprechend erbringt im Hinblick auf das Erfordernis der Be- oder Verarbeitung einer fremden Sache nur der ein fremdes Grundstück bebauende Generalunternehmer, nicht aber der ein eigenes Grundstück bebauende Bauträger eine bauwerksbezogene Werklieferung, die zur Anwendung von § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG führt (s. oben II.2.a und b aa). Gleichwohl gewährleistet die Auslegung nach der Verwendung der bauwerksbezogenen Werklieferung oder sonstigen Leistung durch den Leistungsempfänger auf der jeweiligen Baustelle noch am ehesten eine rechtssichere Beurteilung.
52
Für die auf die Verwendung durch den Leistungsempfänger abstellende Auslegung, nach der insbesondere zwischen Generalunternehmern, die selbst bauwerksbezogene Werklieferungen ausführen, und grundstücksveräußernden Bauträgern, bei deren Leistungen es sich umsatzsteuerrechtlich um Lieferungen handelt, sprechen zudem die für Bauträger bestehenden Sonderregelungen des Gewerberechts, auf deren Grundlage auch im Rechtsverkehr zwischen diesen beiden Unternehmergruppen zu unterscheiden ist. So war gemäß § 34c der Gewerbeordnung (GewO) in ihrer im Streitjahr geltenden Fassung die Tätigkeit als Makler, Bauträger oder Baubetreuer erlaubnispflichtig. Dies galt nach § 34c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a GewO a.F. (später § 34c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a der GewO in der Fassung des Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts vom 6. Dezember 2011, BGBl I 2011, 2481) insbesondere für diejenigen, die als Bauherr im eigenen Namen für eigene oder fremde Rechnung Bauvorhaben vorbereiten oder durchführen und dazu Vermögenswerte von Erwerbern, Mietern, Pächtern oder sonstigen Nutzungsberechtigten oder von Bewerbern um Erwerbs- oder Nutzungsrechte verwenden. Nach dem hierzu auf der Grundlage von § 34c Abs. 3 GewO ergangenen § 3 der Verordnung über die Pflichten der Makler, Darlehensvermittler, Bauträger und Baubetreuer (Makler- und Bauträgerverordnung) bestanden dabei besondere Sicherungspflichten für Bauträger, wenn in den Fällen des § 34c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a GewO „dem Auftraggeber Eigentum an einem Grundstück übertragen werden soll“.
53
dd) Nicht zu entscheiden hat der Senat im Streitfall, ob die Anordnung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers in § 13b Abs. 2 Sätze 2 und 3 UStG für Leistungen, die der Empfänger für seinen nichtunternehmerischen Bereich verwendet, mit dem Erfordernis der Leistungserbringung „an einen Steuerpflichtigen“ i.S. von Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG vereinbar ist.
54
ee) Die hiergegen gerichteten Einwendungen des FA greifen nicht durch.
55
(1) Entgegen der Auffassung des FA (vgl. Abschn. 182a Abs. 17 UStR) ist nicht entscheidungserheblich, ob sich die Beteiligten über die Handhabung der Steuerschuldnerschaft ursprünglich einig waren oder nicht, denn das Gesetz stellt den Übergang der Steuerschuldnerschaft zur Sicherung des Steueranspruchs nicht zur Disposition der Vertragsparteien (zutreffend Küffner/Zugmaier, DStR 2004, 712; Mößlang in Sölch/Ringleb, UStG, § 13b Rz 11: bloße Begleitsregelung).
56
(2) Der mit § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG verfolgte Zweck der Bekämpfung von Steuerausfällen im Baugewerbe rechtfertigt im Hinblick auf die vorrangig zu beachtende rechtssichere Abgrenzung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift keine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung. Zwar mag es sein, dass durch die Entscheidung 2004/290/EG „Steuerhinterziehungen oder Umgehungen möglichst umfassend verhütet werden“ sollten. Im Hinblick auf die nur eingeschränkte Ausübung der durch diese Entscheidung eingeräumten Befugnisse durch das nationale Recht (s. oben II.2.b) ergibt sich aus den weiter gehenden Befugnissen des Unionsrechts und den damit verfolgten Zwecken aber keine erweiternde Auslegung des nationalen Rechts.
57
Dass der nationale Gesetzgeber trotz der ihm durch das Unionsrecht eingeräumten Befugnisse bei der Umsetzung nicht auch eine Steuerschuldnerschaft für die Leistungsempfänger angeordnet hat, die Gebäude oder Gebäudeteile mit dazugehörigem Grund und Boden vor dem Erstbezug liefern (vgl. Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG) oder die –entsprechend § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG und in Übereinstimmung mit Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG– Unternehmer sind, ist daher nicht im Wege der Gesetzesauslegung änderbar.
58
(3) Auch die Überlegungen des FA zu innergemeinschaftlichen Lieferungen rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Denn dem Lieferer ist es bei innergemeinschaftlichen Lieferungen im Hinblick auf das Bestätigungsverfahren zur Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (vgl. § 18e UStG) möglich, personenbezogene Merkmale seines Abnehmers zu überprüfen. Eine derartige Möglichkeit besteht bei § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG nicht.
59
c) Im Streitfall hat die Klägerin die von ihr empfangene bauwerksbezogene Werklieferung für nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Grundstückslieferungen, nicht aber zur Erbringung einer eigenen bauwerksbezogenen Werklieferung verwendet. Dabei scheitert die Annahme einer durch die Klägerin erbrachten Werklieferung bereits daran, dass die Klägerin ein eigenes, nicht aber ein fremdes Grundstück bebaut und sodann veräußert hat (s. oben II.2.a und b aa). Ohne Bedeutung ist daher, ob die Erwerber der von der Klägerin veräußerten Wohnungen entsprechend einer später veröffentlichten Verwaltungsregelung (Abschn. 13b.3 Abs. 8 Sätze 6 und 7 UStAE in der Fassung des BMF-Schreibens in BStBl I 2011, 1289) „Einfluss auf Bauausführung und Baugestaltung“ genommen haben, da eine derartige Einflussnahme bei der Bebauung eines im Eigentum des Bauträgers stehenden Grundstücks nicht dazu führt, dass der Bauträger nunmehr für ihn fremde Gegenstände –als Voraussetzung der Werklieferung gemäß § 3 Abs. 4 UStG– bearbeitet.
60
d) Die danach enge Auslegung von § 13b Abs. 2 Satz 1 UStG schränkt diesen Tatbestand nicht übermäßig ein.
61
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass § 13b UStG keine umfassende Steuerschuldnerschaft für an Unternehmer im Bausektor erbrachte Bauleistungen anordnet. So bestehen nach § 13b Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 Nr. 3 UStG und § 13b Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG jeweils eigenständige Regelungen für die Zuordnung der Steuerschuldnerschaft bei grunderwerbsteuerbaren Umsätzen und bei Bauleistungen. Daher sind z.B. Grundstücksverkäufer, die Grundstücke bebauen und nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei liefern, nicht Steuerschuldner für die von ihnen bezogenen Bauleistungen (insoweit zutreffend Abschn. 13b.3 Abs. 8 Satz 5 UStAE). Danach ist im Streitfall das Urteil des FG aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Verwertungsverbot von Zufallserkenntnissen im Besteuerungsverfahren

Zufallserkenntnisse, die bei einer gegen einen anderen Beschuldigten durchgeführten Telefonüberwachung gewonnen worden sind, dürfen in einem Besteuerungsverfahren gegen den Betroffenen (hier: Inanspruchnahme als Haftender wegen Begehung oder Beteiligung an einer Straftat) nicht verwendet werden (Verwertungsverbot), wenn die dem Betroffenen im Haftungsbescheid zur Last gelegte Straftat strafprozessrechtlich die Anordnung einer Telefonüberwachung nicht gerechtfertigt hätte. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) klargestellt (Beschluss vom 24. April 2013 VII B 202/12).

Das Hauptzollamt hatte den Kläger als Haftenden für Tabaksteuer in Anspruch genommen. Ihm wurde im Haftungsbescheid zur Last gelegt, den Verkauf von unverzollten und nicht versteuerten Zigaretten zwischen Dritten vermittelt zu haben. Der Verkäufer der Zigaretten war deshalb vom Amtsgericht wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei verurteilt worden. Dem Kläger konnte im Strafverfahren eine Beteiligung allerdings nicht nachgewiesen werden. Im Haftungsbescheid ging das Hauptzollamt gleichwohl davon aus, dass der Kläger den Verkauf vermittelt habe und stützte sich dabei auf die Protokolle einer (aus anderen Gründen angeordneten) Telefonüberwachung aus dem Jahr 2007. Nach damals geltendem Recht durfte eine Telefonüberwachung wegen des Verdachts der Begehung von Steuerstraftaten nicht angeordnet werden. Das Finanzgericht hat den Haftungsbescheid aufgehoben mit der Begründung, die zufälligen Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung dürften gegen den Kläger nicht verwertet werden.

Diese Rechtsansicht hat der BFH für offensichtlich zutreffend erklärt, ohne dass dies in einem Revisionsverfahren geprüft werden müsse. § 477 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) lasse die Verwertung in einem anderen Strafverfahren gewonnener Erkenntnisse nur zu, wenn diese durch die betreffende Maßnahme auch unmittelbar zur Aufklärung der dem Beschuldigten bzw. Haftungsschuldner vorgeworfenen Straftat hätten gewonnen werden können. Zufallserkenntnisse aus einer Telefonüberwachung dürften jedoch zu Beweiszwecken nur verwertet werden, wenn sich die Erkenntnisse auf Katalogtaten im Sinne des § 100a StPO bezögen. Selbst nach der inzwischen in Kraft getretenen Neufassung dieser Vorschrift gehört dazu die einfache (d. h. nicht gewerbs- oder bandenmäßig begangene) Steuerhehlerei nicht.

BFH, Pressemitteilung Nr. 82/13 vom 27.11.2013 zum Beschluss VII B 202/12 vom 24.04.2013

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 24.4.2013, VII B 202/12

Verwertungsverbot sog. Zufallserkenntnisse im Besteuerungsverfahren – Die Entscheidung wurde nachträglich zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt; sie war seit dem 19.06.2013 als NV-Entscheidung abrufbar

Leitsätze

Aus einer im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen angeordneten Telefonüberwachung gewonnene Erkenntnisse, die sich auf einen nicht in § 100a StPO aufgeführten Straftatbestand beziehen, dürfen von den Finanzbehörden im Besteuerungsverfahren nicht verwendet werden.

Tatbestand

I.
1
Der im Streitfall vom Finanzgericht (FG) vernommene Zeuge S wurde im August 2011 vom Amtsgericht (AG) wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei verurteilt. Der Verurteilung lag (u.a.) der Verkauf von insgesamt 190 Stangen unverzollter und unversteuerter Zigaretten im August und September 2007 durch S an D zugrunde. Für die insoweit entstandene Abgabenschuld (Zoll, Tabaksteuer und Einfuhrumsatzsteuer) nahm der Beklagte und Beschwerdeführer (das Hauptzollamt –HZA–) den Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) als Haftenden gemäß § 71 der Abgabenordnung (AO) mit der Begründung in Anspruch, dieser habe das Kaufgeschäft vermittelt und damit den Tatbestand der Steuerhehlerei des § 374 Abs. 1 AO erfüllt.
2
Auf die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hob das FG den angefochtenen Steuerhaftungsbescheid auf. Eine Beteiligung des Klägers am Verkauf der Zigaretten habe sich nicht feststellen lassen. Zum einen habe das AG in dem Strafurteil lediglich den Verkauf der Zigaretten durch S an D, nicht jedoch eine Beteiligung des Klägers daran festgestellt. Zum anderen habe der Zeuge S zwar in seiner Vernehmung eingeräumt, zweimal unverzollte und unversteuerte Zigaretten an D verkauft zu haben, jedoch behauptet, der Kläger habe damit nichts zu tun gehabt. Die Protokolle über eine im Jahr 2007 durchgeführte Telefonüberwachung (TÜ-Protokolle), auf die das HZA seine Behauptung der Beteiligung des Klägers am Kaufgeschäft stütze, seien nicht verwertbar. § 100a der Strafprozessordnung (StPO) habe in seiner Fassung des Jahres 2007 (StPO a.F.), als für den Streitfall Erkenntnisse durch die Telefonüberwachung gewonnen worden seien, Steuerstraftaten der AO nicht erfasst. Einige dieser Strafvorschriften seien erst durch das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung … (TKÜNReglG) vom 21. Dezember 2007 (BGBl I 2007, 3198) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2008 in § 100a StPO eingefügt worden. Aus der durch das Jahressteuergesetz 2008 (JStG 2008) vom 20. Dezember 2007 (BGBl I 2007, 3150) in die AO aufgenommenen Vorschrift des § 393 Abs. 3 lasse sich nichts anderes herleiten, da diese rechtmäßig im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen gewonnene Erkenntnisse voraussetze und daher keine Erkenntnisse aus Zeiträumen erfasse, in denen für seinerzeit noch nicht in § 100a StPO aufgeführte Steuerstraftaten ein Verwertungsverbot bestanden habe.
3
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des HZA, welche es auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) stützt. Das HZA hält es für klärungsbedürftig, ob die Finanzbehörde vor dem Inkrafttreten der Neufassung des § 100a StPO gewonnene Ermittlungsergebnisse in noch nicht abgeschlossenen Besteuerungsverfahren verwenden dürfe. Nach Ansicht des HZA hat das FG diese Frage zu Unrecht verneint und deshalb die Protokolle über die Telefonüberwachung verfahrensfehlerhaft nicht als Beweismittel zugelassen.

Entscheidungsgründe

II.
4
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
5
1. Die für den Streitfall maßgebenden Rechtsfragen der Verwertung von Erkenntnissen aus einer Telefonüberwachung im Besteuerungsverfahren sind nicht klärungsbedürftig, sondern lassen sich anhand der Vorschriften der AO und der StPO sowie der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) eindeutig beantworten.
6
Erkenntnisse, die dem Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, zu denen durch eine Telefonüberwachung gewonnene Erkenntnisse gehören, dürfen nach § 393 Abs. 3 Satz 2 AO von der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren verwendet werden, soweit sie diese rechtmäßig im Rahmen eigener strafrechtlicher Ermittlung gewonnen hat oder soweit nach den Vorschriften der StPO den Finanzbehörden Auskunft erteilt werden darf.
7
Die seitens der Beschwerde formulierte und für klärungsbedürftig gehaltene Frage, „ob die Finanzbehörde Erkenntnisse, die sie [vor dem Inkrafttreten des TKÜNReglG und des JStG 2008] rechtmäßig im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen gewonnen hat, in noch nicht abgeschlossenen Fällen im Besteuerungsverfahren verwenden darf“, stellt sich im Streitfall nicht, denn die Erkenntnisse aus den TÜ-Protokollen, die das HZA im Streitfall als Beweismittel verwenden will, stammen nicht –wie es der 1. Alternative des § 393 Abs. 3 Satz 2 AO entspräche– aus eigenen strafrechtlichen Ermittlungen, sondern beruhen –wie sich aus dem angefochtenen FG-Urteil ergibt– auf vom AG auf Antrag der Staatsanwaltschaft angeordneten Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation gemäß § 100a Abs. 1 Nr. 2 StPO a.F., denen nach den in der Akte befindlichen TÜ-Protokollen der Verdacht auf Bandendiebstahl zugrunde lag.
8
Gemäß der 2. Alternative des § 393 Abs. 3 Satz 2 AO dürfen daher die Erkenntnisse aus den TÜ-Protokollen im Besteuerungsverfahren gegen den Kläger nur verwendet werden, soweit nach den Vorschriften der StPO den Finanzbehörden Auskunft erteilt werden darf. Wie auch das HZA in seiner Beschwerdebegründung ausführt, sind insoweit § 474 Abs. 2 und § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO einschlägig. Auskünfte aus Strafverfahren an die Finanzbehörden zur Feststellung eines Haftungsanspruchs wegen einer begangenen Steuerhehlerei (§ 71 AO) sind zwar gemäß § 474 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StPO i.V.m. § 116 AO grundsätzlich zulässig, unterliegen aber den besonderen Voraussetzungen einer Informationsübermittlung gemäß § 477 StPO (Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 55. Aufl., § 477 Rz 1; Julius/Temming, Strafprozessordnung, 4. Aufl., § 477 Rz 1).
9
Nach § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO dürfen aufgrund einer nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässigen Maßnahme erlangte personenbezogene Daten ohne Einwilligung des Betroffenen zu Beweiszwecken in anderen Strafverfahren nur zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach der StPO hätte angeordnet werden dürfen. Die Voraussetzungen einer Informationsübermittlung nach dieser Vorschrift sind im Streitfall nicht gegeben. Zwar erscheint es zweifelhaft, ob die Auskunftserteilung im Streitfall bereits deshalb unzulässig ist, weil die Erkenntnisse aus den TÜ-Protokollen nicht zu Beweiszwecken in einem anderen Strafverfahren, sondern zum Nachweis der Haftungsvoraussetzungen in einem Besteuerungsverfahren verwendet werden sollen, denn § 393 Abs. 3 AO, der im Besteuerungsverfahren gerade der Verwertung der dem Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegender Erkenntnisse aus dem Strafverfahren dienen soll, liefe dann weitgehend leer.
10
Jedenfalls steht aber § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO der Verwertung sog. Zufallserkenntnisse aus einer Telefonüberwachung zu Beweiszwecken entgegen, wenn sich diese Erkenntnisse nicht auf die sog. Katalogtaten des § 100a StPO beziehen (Julius/ Temming, a.a.O., § 477 Rz 5). Daher könnten im Streitfall die aus der Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnisse nicht in einem gegen den Kläger geführten Strafverfahren wegen Steuerhehlerei verwendet werden, weil dieser Straftatbestand in § 100a StPO nicht aufgeführt ist. Die Verwertung solcher sich nicht auf Katalogtaten beziehenden Zufallserkenntnisse für Zwecke des Besteuerungsverfahrens unterliegt keinen geringeren Anforderungen. Insoweit ist zwar nach dem BGH-Urteil vom 27. November 2008  3 StR 342/08 (BGHSt 53, 64) auf die aktuelle Rechtslage, d.h. auf § 100a StPO in seiner derzeitigen Fassung und nicht in der im Jahr 2007 geltenden Fassung abzustellen. Auch nach der aktuellen Fassung des § 100a Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c StPO sind jedoch Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation nur beim Verdacht auf Steuerhehlerei gemäß § 374 Abs. 2 AO, also beim Verdacht gewerbs- oder bandenmäßiger Begehung zulässig. Dass ein derartiger Verdacht gegen den Kläger besteht, ist weder seitens des HZA vorgetragen noch ersichtlich. Das HZA hat den Steuerhaftungsbescheid auf den Tatbestand der Steuerhehlerei gemäß § 374 Abs. 1 AO gestützt.
11
Für die Zulässigkeit einer Informationsübermittlung zu präventiven Zwecken gemäß § 477 Abs. 2 Satz 3 StPO bestehen ebenfalls keine Anhaltspunkte.
12
2. Aus alledem folgt, dass das FG im Streitfall die Verwertung der TÜ-Protokolle als Beweismittel zu Recht abgelehnt hat, das Urteil beruht nicht auf einem Verfahrensmangel.

Zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Abgabe von „Gratis-Handys“ durch einen Vermittler von Mobilfunkverträgen

Wenn ein Vermittler von Mobilfunkverträgen dem Kunden bei Abschluss eines Mobilfunkvertrags mit einem Mobilfunkanbieter (Netzbetreiber) „kostenlos“ ein Handy liefert und er hierfür von dem Netzbetreiber einen Bonus erhält, muss er die Abgabe des Handys nicht als sog. unentgeltliche Wertabgabe mit deren Einkaufspreis versteuern. Er hat vielmehr – neben der Vermittlungsprovision – (lediglich) diesen Bonus der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 16.10.2013 (XI R 39/12) entschieden.

Die Klägerin vermittelte Mobilfunkverträge zwischen Kunden und verschiedenen Netzbetreibern. Der Kunde konnte gegen eine erhöhte Monatsgebühr Tarife mit „kostenlosem“ Handy wählen. Das Finanzamt unterwarf die Lieferung dieser Handys mit deren Einkaufspreis als sog. unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzsteuer.

Dem folgte der BFH – wie bereits das Finanzgericht (FG) – nicht, weil die Abgabe des Handys wegen des von dem Netzbetreiber dafür gezahlten Bonus nicht unentgeltlich sei.

Allerdings hat das FG im zweiten Rechtsgang Feststellungen zum Inhalt der Gutschriften zu treffen, die die Netzbetreiber der Klägerin erteilt haben und auf deren Grundlage jeweils abgerechnet worden ist. Soweit darin auch für den Bonus Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen worden ist, kommt insoweit eine (zusätzliche) Steuerschuld des Vermittlers wegen unrichtigen Steuerausweises in Betracht.

BFH, Pressemitteilung Nr. 81/13 vom 27.11.2013 zum Urteil XI R 39/12 vom 16.10.2013

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 16.10.2013, XI R 39/12

Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Abgabe von „Gratis-Handys“ durch einen Vermittler von Mobilfunkverträgen – Getrennte Beurteilung von Leistungen verschiedener Unternehmer auch bei identischem Leistungsempfänger

Leitsätze

1. Liefert ein Vermittler von Mobilfunkverträgen den Kunden bei Abschluss eines Mobilfunkvertrages „kostenlos“ Mobilfunktelefone oder sonstige Elektronikartikel, ist der von dem Mobilfunkanbieter an den Vermittler hierfür gezahlte Aufschlag auf die Vermittlungsprovision (Gerätebonus) Entgelt eines Dritten i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG für die Lieferung des Vermittlers an den Kunden.

 

2. In diesem Fall liegt keine umsatzsteuerbare unentgeltliche Wertabgabe i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG des Vermittlers von Mobilfunkverträgen an den Kunden vor.

 

3. Nimmt der Vermittler Gutschriften der Mobilfunkanbieter, in denen auch für den Gerätebonus Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen worden ist, widerspruchslos entgegen, kommt insoweit eine Steuerschuld des Vermittlers wegen unrichtigen Steuerausweises in Betracht.

Tatbestand

I.
1
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, vermittelte in den Jahren 2006 und 2007 (Streitjahre) Mobilfunkverträge zwischen Kunden und verschiedenen Mobilfunkanbietern. Sie bot auf ihrer Internetseite Mobilfunkverträge an, bei denen sie den von ihr vermittelten Kunden bei Abschluss eines Mobilfunkvertrages ein Mobilfunktelefon (Handy) und andere Elektronikartikel ohne Berechnung zur Verfügung stellte; allerdings mussten die Kunden dafür höhere Gebühren an den Mobilfunkanbieter zahlen.
2
Der Kunde konnte bei den Mobilfunkverträgen zwischen Tarifen mit oder ohne Handy wählen. Bei den Tarifen mit Handy offerierte die Klägerin den Kunden, bei Vertragsabschluss ein Handy für 0 EUR oder –nicht streitgegenständlich– gegen Zuzahlung ein höherwertiges Handy zu liefern. Entschied sich der Kunde für einen Zweijahresvertrag mit Handy, musste er an den Mobilfunkanbieter dafür eine um 5 bis 10 EUR erhöhte Monatsgebühr bezahlen. Die Gebührenerhöhung war unabhängig davon, ob der Kunde ein Handy ohne Berechnung oder gegen Zuzahlung bestellte. Entschied er sich für ein „kostenloses“ Handy, bekam er das ausgewählte Handy von der Klägerin für 0 EUR übersandt. Soweit der Kunde sich für ein höherwertiges Handy entschied, leistete er an die Klägerin die vereinbarte Zuzahlung, wofür die Klägerin Umsatzsteuer abführte.
3
Um Kunden für einen teureren Mobilfunkvertrag mit Handy zu werben, machte die Klägerin auch zusammengefasste Angebote (sog. Bundle-Angebote) für 0 EUR, bei denen die Kunden bei Abschluss eines Mobilfunkvertrages neben einem Handy noch andere Elektronikartikel wie Navigationsgeräte oder MP3-Player auswählen konnten. Die Abgabe der zusätzlichen Elektronikartikel war davon abhängig, dass der Kunde einen Mobilfunkvertrag mit Handy abschloss.
4
Die Klägerin erhielt nach Vermittlung der Mobilfunkverträge von den Mobilfunkanbietern Zahlungen, für die sie Umsatzsteuer abführte. Die Höhe der von den Mobilfunkanbietern an die Klägerin geleisteten Zahlungen war davon abhängig, ob der Kunde einen Tarif mit oder ohne Handy gewählt hatte. Schloss der Kunde einen Vertrag über einen Tarif mit Handy –unabhängig davon, ob das Handy von der Klägerin kostenlos oder gegen Zuzahlung abgegeben wurde– ab, zahlte der jeweilige Mobilfunkanbieter an die Klägerin zusätzlich zu der „Provision“ einen weiteren Betrag –als „Gerätebonus“, „Hardware-Subvention“, „Fremdhardwareunterstützung“ oder „Fremd-Hardware Werbungskostenzuschuss“ bezeichnet– (im Folgenden: „Gerätebonus“). Die Auszahlung des Gerätebonus bei der Vermittlung eines Mobilfunkvertrages mit Handy war nach den Provisionsvereinbarungen mit den Mobilfunkanbietern davon abhängig, dass die Klägerin dem Anbieter die individuelle Seriennummer (IMEI – International Mobile Station Equipment Identity) des an den Kunden gelieferten Handys mitteilte.
5
Die Handys und die sonstigen Elektronikartikel hatte die Klägerin im eigenen Namen erworben und insoweit den Vorsteuerabzug geltend gemacht.
6
Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) die Auffassung, dass es sich bei der Abgabe der von der Klägerin an die Kunden für 0 EUR abgegebenen Handys und sonstigen Elektronikartikel um unentgeltliche Wertabgaben nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) handele, die wie folgt der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien:
7
Jahr
2006 (16 %)
2007 (19 %)
Einkaufspreis Handys
… EUR
… EUR
Einkaufspreis sonstige Zugaben
… EUR
… EUR
Bemessungsgrundlage
… EUR
… EUR
Umsatzsteuer
… EUR
… EUR
8
Die Einsprüche gegen die entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheide für 2006 und 2007 vom 10. August 2009 –die aus hier nicht streitigen Gründen am 4. Februar 2010 nochmals geändert wurden– blieben erfolglos.
9
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und setzte die Umsatzsteuer für 2006 um … EUR und für 2007 um … EUR herab. Es führte zur Begründung im Wesentlichen aus, im Streitfall lägen keine nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG steuerbaren unentgeltlichen Zuwendungen vor, sondern –aufgrund der erhöhten Provisionen der Mobilfunkanbieter an die Klägerin– entgeltliche Lieferungen der Klägerin an die Kunden. Die von den Mobilfunkanbietern an die Klägerin gezahlten erhöhten Provisionen bei Vermittlung von Mobilfunkverträgen mit Handy stellten Entgelte von Dritten i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG dar.
10
Im Streitfall stünden die erhöhten Provisionszahlungen der Mobilfunkanbieter (Dritter) im unmittelbaren Zusammenhang mit der Lieferung der Handys und der elektronischen Zusatzartikel durch die Klägerin (Unternehmerin) an die Kunden (Leistungsempfänger). Das ergebe sich aus der in den Provisionsvereinbarungen vertraglich vereinbarten Verknüpfung der erhöhten Provision mit der Abgabe eines durch die IMEI-Nummer konkretisierten Handys und zeige sich auch an der Kalkulationsgrundlage der Klägerin.
11
Die Klägerin schulde die streitige Umsatzsteuer auch nicht nach § 14c UStG. Soweit sie für die Handylieferung in ihren Rechnungen an die Kunden das Drittentgelt des jeweiligen Mobilfunkanbieters nicht ausgewiesen habe, habe sie weder einen höheren als den gesetzlichen Steuerbetrag (§ 14c Abs. 1 UStG) noch unberechtigt einen Steuerbetrag ausgewiesen (§ 14c Abs. 2 UStG). Soweit über ihre Provisionen durch Gutschrift (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG) der Mobilfunkanbieter abgerechnet worden sei, liege ebenfalls kein unrichtiger oder unberechtigter Steuerausweis nach § 14c UStG vor. Die in den Gutschriften ausgewiesenen Steuerbeträge beruhten auf den zwischen der Klägerin und den Mobilfunkanbietern vereinbarten Entgelten für die Vermittlung von Verträgen mit oder ohne Handygestellung. Sie habe hierfür Umsatzsteuer abgeführt, ohne dass eine Gefährdung des Steueraufkommens ersichtlich sei.
12
Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 241 veröffentlicht.
13
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG und § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG. Es führt zur Begründung im Wesentlichen aus, das FG habe den Begriff des Entgelts verkannt. Die Handyabgaben seien unentgeltlich erfolgt, was zum Ansatz einer Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG führe.
14
Die erhöhten Provisionszahlungen durch die Mobilfunkanbieter an die Klägerin bei Vermittlung von Mobilfunkverträgen mit Handy stellten kein Entgelt eines Dritten nach § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG dar. Durch den Umstand, dass diese Zahlungen an die Klägerin von der Mitteilung der IMEI-Nummer des abgegebenen Handys an den jeweiligen Mobilfunkanbieter abhängig gewesen seien, ergebe sich kein unmittelbarer, sondern allenfalls ein für die Annahme von Drittentgelt nicht ausreichender mittelbarer Zusammenhang zwischen der Provisionserhöhung des Netzbetreibers und der kostenfreien Abgabe eines Mobilfunkgeräts.
15
Dass die Gewährung der erhöhten Provisionen an die Lieferung bestimmter Handys anknüpfe, bedeute insbesondere nicht, dass die Provisionserhöhung für diese Lieferungen als zusätzliches Entgelt vorgesehen gewesen sei. Es handele sich vielmehr lediglich um eine technische Anknüpfung zur Absicherung der Mobilfunkanbieter gegenüber der Klägerin, damit die Netzbetreiber zu Recht höhere Provisionen gezahlt hätten, sowie gegenüber den Kunden, damit diesen zu Recht höhere monatliche Grundgebühren in Rechnung gestellt worden seien. Derartige technische oder wirtschaftliche Verknüpfungen führten allein nicht dazu, die Zahlung zum zusätzlichen Entgelt für die Lieferung von Handys an Endkunden zu machen. Daraus könne insbesondere die für die Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG erforderliche überwiegende Begünstigung der Abnehmer der Handylieferungen (Entgeltübernahme zu deren Gunsten) und damit ein preisauffüllender Charakter der Provisionserhöhungen nicht abgeleitet werden.
16
Es sei zu beachten, dass die von den Mobilfunkanbietern im Falle einer kostenlosen Handyabgabe entrichteten höheren Provisionen durch die höheren monatlichen Gebührenzahlungen der Kunden an diese kompensiert bzw. in der Summe übertroffen worden seien. Die Klägerin habe den Netzbetreibern bei Vermittlung von Mobilfunkverträgen mit Handy daher mehr Umsatz vermittelt und dieser zusätzliche Umsatz sei durch die höhere Provision abgegolten worden. Die jeweiligen Mobilfunkanbieter hätten sich von der höheren Provisionszahlung eigene wirtschaftliche Vorteile in Form höherer Mobilfunktarife versprochen. Deren Interesse habe mithin nicht –wie aber für die Annahme eines Entgelts von dritter Seite i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG erforderlich– vornehmlich darin bestanden, die Leistung der Klägerin an die Kunden zu fördern bzw. sicherzustellen.
17
Im Streitfall komme hinzu, dass zwischen der Klägerin und den jeweiligen Mobilfunkanbietern durch die abgeschlossenen Vermarktungs- bzw. Vermittlungsverträge ein unmittelbarer, bereits gegen das Vorliegen eines Entgelts von dritter Seite sprechender Leistungsaustausch vorgelegen habe. Es habe sich bei der erhöhten Provisionszahlung durch die Netzbetreiber daher lediglich um ein weiteres Entgelt für die Vermittlung des Endkunden durch die Klägerin gehandelt.
18
Das FG habe zu Unrecht die Anwendung des § 14c Abs. 2 UStG abgelehnt. Den Drittentgeltcharakter der erhöhten Provisionen unterstellt, sei in den jeweiligen Gutschriften bezüglich der abgegebenen Handys der falsche Leistungsempfänger (der Mobilfunkanbieter anstelle des Endkunden) angegeben worden. Die Klägerin schulde als Empfängerin der Gutschriften die Umsatzsteuer, die in den Gutschriften gesondert ausgewiesen worden sei.
19
Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

20
Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

21
Sie tritt dem Vorbringen des FA entgegen.

Entscheidungsgründe

II.
22
Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
23
Zwar ist die Würdigung des FG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, im Streitfall lägen keine nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG steuerbaren unentgeltlichen Zuwendungen der Klägerin vor, sondern –aufgrund der über die reine Vermittlungsprovision hinaus geleisteten Zahlungen (Geräteboni) der Mobilfunkanbieter an die Klägerin– nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbare entgeltliche Lieferungen der Klägerin an die Kunden.
24
Die Revision des FA hat aber gleichwohl –mit dem Ergebnis der Zurückverweisung der Sache– Erfolg, weil die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht seine rechtliche Beurteilung tragen, es liege kein unrichtiger oder unberechtigter Steuerausweis nach § 14c UStG vor, soweit über die Provisionen der Klägerin durch Gutschrift der Mobilfunkanbieter abgerechnet worden sei.
25
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
26
Nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG wird einer Lieferung gegen Entgelt jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens, gleichgestellt. Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG).
27
2. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG entspricht Art. 5 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) bzw. Art. 16 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem –MwStSystRL– (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 14. Mai 2008 XI R 60/07, BFHE 221, 512, BStBl II 2008, 721, unter II.1.; vom 12. Dezember 2012 XI R 36/10, BFHE 239, 534, BStBl II 2013, 412, Rz 29).
28
Durch Art. 5 Abs. 6 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG (bzw. Art. 16 Satz 1 MwStSystRL) wird einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder als unentgeltliche Zuwendung oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt haben. Jedoch fallen Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und für Warenmuster zu Zwecken des Unternehmens nicht darunter (Art. 5 Abs. 6 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 16 Satz 2 MwStSystRL).
29
Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 27. April 1999 C-48/97 –Kuwait Petroleum– (Slg. 1999, I-2323, Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 1999, 278) können selbst Entnahmen, die für Zwecke des Unternehmens erfolgen, als unentgeltliche Zuwendung steuerbar sein. Dies gilt nach diesem Urteil z.B. für die ohne weitere Zuzahlung erfolgende Lieferung von Gegenständen aufgrund von Gutscheinen, die dem Abnehmer von Treibstoff ausgehändigt werden.
30
3. Eine Zuwendung i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 221, 512, BStBl II 2008, 721, unter II.1.; in BFHE 239, 534, BStBl II 2013, 412, Rz 33 ff.) ist nicht unentgeltlich, wenn sie gegen Entgelt erfolgt.
31
a) Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Zum Entgelt gehört auch, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG).
32
Eine Zahlung/Aufwendung ist grundsätzlich (nur) dann Entgelt/ Gegenleistung für eine bestimmte Leistung, wenn sie „für die Leistung“ bzw. „für diese Umsätze“ gewährt wird bzw. der Leistende sie hierfür erhält. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH, dass zwischen Leistung und Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich regelmäßig aus dem „Rechtsverhältnis“, d.h. den vertraglichen Beziehungen zwischen Leistendem und Leistungsempfänger ergibt (vgl. EuGH-Urteile vom 25. Mai 1993 C-18/92 –Bally–, Slg. 1993, I-2871, Der Betrieb –DB– 1994, 25; vom 3. März 1994 C-16/93 –Tolsma–, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 1994, 357, Neue Juristische Wochenschrift 1994, 1941, Rz 14; vom 24. Oktober 1996 C-317/94 –Elida Gibbs–, Slg. 1996, I-5339, HFR 1997, 111; vom 15. Mai 2001 C-34/99 –Primback Ltd.–, Slg. 2001, I-3833, UR 2001, 308; z.B. BFH-Urteile vom 19. Oktober 2001 V R 48/00, BFHE 196, 376, BStBl II 2003, 210, unter II.3.c; in BFHE 239, 534, BStBl II 2013, 412, Rz 37).
33
b) Diese Grundsätze gelten sinngemäß auch für die Beurteilung der Frage, ob die Zahlung eines Dritten für eine bestimmte Leistung des Leistenden gewährt wird bzw. ob der Leistende die Zahlung für diese Leistung erhält, denn die Entrichtung der Gegenleistung für Lieferungen oder sonstige Leistungen kann auch durch einen „anderen als den Leistungsempfänger“ (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG) bzw. durch einen „Dritten“ (Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 73 MwSyStRL) erfolgen, d.h. durch einen nicht mit dem Leistungsempfänger identischen Zahlenden (vgl. EuGH-Urteil –Bally– in Slg. 1993, I-2871, DB 1994, 25, Rz 17; BFH-Urteil in BFHE 196, 376, BStBl II 2003, 210, unter II.3.c).
34
Maßgebend ist, dass der Dritte für die Leistung des Unternehmers an den Leistungsempfänger zahlt und der Unternehmer die Zahlung hierfür erhält, so dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Drittzahlung besteht. Ob die Zahlung des Dritten zugleich Teil eines anderen Geschäftsvorganges ist, ist unerheblich (vgl. BFH-Urteil in BFHE 196, 376, BStBl II 2003, 210, unter II.3.c). Bei der Zahlung des Dritten darf es sich aber nicht um ein Entgelt für eine an ihn erbrachte Leistung handeln (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 V R 14/09, BFHE 231, 273, BStBl II 2012, 428, Rz 26).
35
4. Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Würdigung des FG, dass die Abgabe der von der Klägerin für 0 EUR an die Kunden gelieferten Handys oder sonstigen Elektronikartikel keine nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG steuerbaren unentgeltlichen Zuwendungen darstellen, sondern aufgrund der Zahlungen der Geräteboni der Mobilfunkanbieter an die Klägerin den Kunden gegen Entgelt von dritter Seite i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG überlassen worden sind, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
36
a) Das FG hat die im Streitfall vorliegenden Leistungsbeziehungen zutreffend beurteilt. Die Klägerin hat die Handys und sonstigen Elektronikartikel nicht an die Mobilfunkanbieter, sondern (unmittelbar) an die Kunden geliefert.
37
Obwohl die Klägerin die Handys und sonstigen Elektronikartikel unmittelbar den Kunden ausgehändigt hat, käme umsatzsteuerrechtlich zwar auch eine Lieferung der Klägerin an den jeweiligen Mobilfunkanbieter und des Weiteren eine Lieferung des Mobilfunkanbieters an den Kunden in Betracht. Hierfür könnte sprechen, dass der Mobilfunkanbieter gegen den Kunden (nur) bei Überlassung eines Handys einen Anspruch auf eine höhere Monatsgebühr (5 oder 10 EUR mehr) hat.
38
Diese Sichtweise scheidet im Streitfall aber aus. Denn –soweit ersichtlich– schuldete nach den abgeschlossenen Verträgen der Mobilfunkanbieter dem Kunden (lediglich) den Zugang zu seinem Mobilfunknetz, nicht aber die Lieferung eines Handys oder sonstiger Elektronikartikel. Auch enthielten die (im eigenen Namen erteilten) Rechnungen der Klägerin an die Kunden keinen Hinweis darauf, dass es sich bei der Abgabe des Handys oder sonstiger Elektronikartikel nicht um eine eigene Leistung (der Klägerin) handelte. Schließlich erfolgte in den Fällen, in denen sich der Kunde für ein höherwertiges Handy entschied, die vereinbarte Zuzahlung an die Klägerin (als Leistende).
39
b) Das FG ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass die Abgabe der Handys und sonstigen Elektronikartikel durch die Klägerin keine unselbständige Nebenleistung zu der vom Mobilfunkanbieter an die Kunden bewirkten Leistung (Einräumung des Zugangs zur Netznutzung) war.
40
Denn umsatzsteuerrechtlich sind Leistungen verschiedener Unternehmer –wie hier– auch dann jeweils für sich zu beurteilen, wenn sie gegenüber demselben Leistungsempfänger erbracht werden (vgl. BFH-Urteile vom 7. Februar 1991 V R 53/85, BFHE 164, 482, BStBl II 1991, 737; vom 10. September 1992 V R 99/88, BFHE 169, 255, BStBl II 1993, 316; BFH-Beschluss vom 18. April 2007 V B 157/05, BFH/NV 2007, 1544).
41
c) Das FG hat auch rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Zuwendung der durch die Klägerin an die Kunden abgegebenen Gegenstände aufgrund der entsprechenden Zahlungen der Mobilfunkanbieter an die Klägerin nicht unentgeltlich erfolgt ist. Entgegen der Ansicht des FA ist der von dem Mobilfunkanbieter an die Klägerin gezahlte Gerätebonus (vom FG als „erhöhte Provision“ bezeichnet) für die von ihr an den Kunden erfolgte Handylieferung im Streitfall nach § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG Entgelt eines Dritten (gl.A. Pickelmann, Mehrwertsteuerrecht –MwStR– 2013, 352, 353).
42
aa) Das FG hat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellt, dass die Höhe der von den Mobilfunkanbietern an die Klägerin bezahlten Provisionen davon abhängig war, ob der Kunde einen Tarif mit oder ohne Handy gewählt hatte. Bei den Tarifen mit Handy zahlte der Anbieter an sie eine „höhere Provision“, unabhängig davon, ob das Handy von ihr „kostenlos“ oder gegen Zuzahlung abgegeben wurde. Die Auszahlung der „erhöhten Provision“ bei der Vermittlung eines Mobilfunkvertrages mit Handy war nach den Vertriebsvereinbarungen mit den Mobilfunkanbietern davon abhängig, dass sie dem Anbieter die individuelle Seriennummer (IMEI) des an den Kunden gelieferten Handys mitteilte.
43
bb) Das FG hat dies –entgegen der Ansicht des FA unter Auseinandersetzung und Berücksichtigung der sachlichen Gegebenheiten des Streitfalls– dahin gewürdigt, dass die „erhöhten Provisionszahlungen“ der Mobilfunkanbieter (in Gestalt der Geräteboni) im unmittelbaren Zusammenhang mit der Handylieferung der Klägerin an die Kunden standen. Der unmittelbare Zusammenhang ergebe sich aus der in den Provisionsvereinbarungen vertraglich vereinbarten Verknüpfung der „erhöhten Provision“ mit der Abgabe eines durch die IMEI-Nummer konkretisierten Handys. Der Mobilfunkanbieter (Dritter) zahle für die Lieferung der Klägerin (Unternehmer) an die Kunden (Leistungsempfänger). Sie erhalte die Zahlung für die Lieferung des Handys und der ggf. mitgelieferten elektronischen Zusatzartikel. Dies zeige auch die unter Vorlage der Provisionsvereinbarungen dargelegte Kalkulationsgrundlage, wie die Klägerin für die von den Mobilfunkanbietern vorgegebenen Tarife ihre Vertragsangebote zusammengestellt habe. Soweit der Einkaufspreis eines Handys durch die Hardware-Vergütung des Mobilfunkanbieters gedeckt gewesen sei, sei ein Handy für 0 EUR angeboten worden. Bei über der Hardware-Vergütung liegenden Einkaufspreisen hätten die Kunden eine Zuzahlung leisten müssen. Welche Handys von der Klägerin für 0 EUR angeboten worden seien, sei daher von der mit dem Mobilfunkanbieter getroffenen Provisionsvereinbarung abhängig gewesen.
44
cc) Diese –verfahrensfehlerfrei zustande gekommene und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusste– Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (§ 118 Abs. 2 FGO).
45
Wenn das FA hingegen meint, es läge kein unmittelbarer, sondern allenfalls ein für die Annahme von Drittentgelt nicht ausreichender mittelbarer Zusammenhang zwischen der Provisionserhöhung des Netzbetreibers und der kostenfreien Abgabe eines Mobilfunkgeräts vor und die Klägerin habe den Netzbetreibern bei Vermittlung von Mobilfunkverträgen mit Handy durch die höheren monatlichen Gebührenzahlungen mehr Umsatz vermittelt und dieser zusätzliche Umsatz sei durch die höheren Provisionen abgegolten worden, setzt es lediglich seine Würdigung an die Stelle der vertretbaren Würdigung des FG.
46
dd) Ebenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist –entgegen der Ansicht des FA– die Auffassung der Vorinstanz, dass die von den Mobilfunkanbietern an die Klägerin geleistete (Basis)-Provision für die Kundenvermittlung der Annahme von Drittentgelt bei der „erhöhten Provision“ nicht entgegensteht (vgl. auch FG Saarland, Beschluss vom 30. August 2012  1 V 1116/12, EFG 2012, 2163).
47
Bei der Zahlung des Mobilfunkanbieters ist zwischen der Vermittlungsprovision für den Vertragsabschluss und dem Gerätebonus für die Abgabe der Handys und der sonstigen Elektronikartikel zu unterscheiden, da die Zahlungen –wie dargelegt– für jeweils selbständige, getrennte Leistungen gewährt wurden.
48
ee) Der Gerätebonus hatte demnach nicht die Funktion eines Zuschusses zur allgemeinen Förderung der Klägerin, sondern ersetzte den mit der IMEI-Nummer dokumentierten und bei ihr für die Abgabe der Handys und der sonstigen Elektronikartikel an den Kunden angefallenen Aufwand. Die Zahlung des Mobilfunkanbieters (Dritten) wurde vielmehr für die Lieferung der Geräte durch die Klägerin (Unternehmer) an den Kunden (Leistungsempfänger) gewährt. Die Klägerin gab die Geräte nur deshalb unberechnet an die Kunden weiter, weil sie dafür eine „erhöhte Provision“ in Gestalt eines Gerätebonus vom Mobilfunkanbieter erhielt. Damit bestand der für die Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG –wie dargelegt– erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen Leistung und Drittzahlung, auch wenn sich die Mobilfunkanbieter von der Zahlung der Geräteboni eigene wirtschaftliche Vorteile in Form höherer Mobilfunktarife versprochen haben sollten (gl.A. FG Saarland, Beschluss in EFG 2012, 2163).
49
Dieser Drittentgeltcharakter des Gerätebonus entfällt im Streitfall –wie das FG zutreffend erkannt hat– nicht dadurch, dass er nicht an den jeweiligen Einkaufspreis der von der Klägerin abgegebenen Geräte gekoppelt war, sondern von den Mobilfunkanbietern pauschal gewährt wurde. Denn der Gerätebonus diente dazu, den in den Provisionsvereinbarungen zwischen den Mobilfunkanbietern und der Klägerin vertraglich geregelten pauschalierten Aufwand für ihre Gerätelieferung an den Kunden zu vergüten.
50
ff) Eine abweichende rechtliche Beurteilung ergibt sich entgegen der Auffassung des FA nicht daraus, dass § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG in der Regel nur dann anwendbar ist, wenn ein unmittelbarer Leistungsaustausch zwischen dem Leistenden und dem Zahlenden zu verneinen ist (vgl. BFH-Urteil vom 20. Februar 1992 V R 107/87, BFHE 167, 567, BStBl II 1992, 705, unter II.3.).
51
Denn ein solcher Leistungsaustausch liegt im Streitfall in Bezug auf den allein zu beurteilenden Gerätebonus gerade nicht vor. Wie bereits dargelegt, ist bei der Provisionszahlung des Mobilfunkanbieters zwischen der Vermittlungsprovision für den Vertragsabschluss und dem Gerätebonus zu unterscheiden. Letzteren leistet der Mobilfunkanbieter an die Klägerin für ihre Lieferung der Handys und sonstigen Elektronikartikel an die Kunden.
52
5. Mithin hat die Klägerin (Unternehmer) den Kunden (Leistungsempfänger) Handys und ggf. sonstige Elektronikartikel gegen Entgelt eines Dritten (Mobilfunkanbieter) geliefert (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG). Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer für Lieferungen ist das Entgelt (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG). Die „erhöhte Provisionszahlung“ der Mobilfunkanbieter in Gestalt der Geräteboni gehört als Entgelt von dritter Seite (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG) zur Bemessungsgrundlage für die Leistungen (Lieferung der Handys und sonstigen Zugaben) der Klägerin an die Kunden (vgl. BFH-Urteil vom 19. Oktober 2001 V R 75/98, BFH/NV 2002, 547, unter II.; BFH-Beschluss vom 29. März 2007 V B 208/05, BFH/NV 2007, 1542). Sie schuldet nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG die Steuer.
53
Diese Steuer hat die Klägerin (im Ergebnis) bereits gezahlt, weil sie nach den Feststellungen des FG die von den Mobilfunkanbietern erhaltenen Zahlungen –insgesamt, also auch soweit ein Gerätebonus gezahlt wurde– der Umsatzsteuer unterworfen hat.
54
6. Allerdings sind die Ausführungen des FG, es liege kein unrichtiger oder unberechtigter Steuerausweis nach § 14c UStG vor, soweit über die Provisionen der Klägerin durch Gutschrift (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG) der Mobilfunkanbieter abgerechnet worden sei (S. 14 des FG-Urteils), unzureichend. Hierzu bedarf es weiterer Feststellungen.
55
a) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag (§ 14c Abs. 1 Satz 1 UStG).
56
Die Regelung beruht auf Art. 21 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 77/388/EWG (bzw. Art. 203 MwStSystRL), wonach im inneren Anwendungsbereich „jede Person, die die Mehrwertsteuer in einer Rechnung ausweist“, die Mehrwertsteuer schuldet.
57
aa) Der Normzweck des § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG besteht darin, Missbrauch durch Ausstellung von Rechnungen zu verhindern und der Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens durch ein Ungleichgewicht von Steuer und Vorsteuerabzug zu begegnen (vgl. BRDrucks 630/03, 84 f.; Wagner in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 14c Rz 13; Bunjes/Korn, UStG, 11. Aufl., § 14c Rz 1).
58
bb) Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG „… kann eine Rechnung von einem … Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift)“.
59
Nimmt der leistende Unternehmer eine Gutschrift widerspruchslos entgegen, in der ein höherer als der gesetzlich geschuldete Steuerbetrag gesondert ausgewiesen worden ist, schuldet er auch den Mehrbetrag (vgl. BFH-Urteil vom 23. April 1998 V R 13/92, BFHE 185, 317, BStBl II 1998, 418; Wagner in Sölch/ Ringleb, a.a.O., § 14c Rz 34 f.; Lippross, Umsatzsteuer, 23. Aufl., S. 915).
60
b) § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG ist auch anwendbar, wenn der ausgewiesene Steuerbetrag selbst nicht fehlerhaft ermittelt wurde (im Sinne von „unrichtiger Steuerbetrag“), sondern im Zusammenhang mit einer unzutreffenden Bemessungsgrundlage steht, z.B. weil in einer Rechnung (oder Gutschrift) unzutreffend ein Entgelt von dritter Seite i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG einbezogen wurde (vgl. Wagner in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 14c Rz 49; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 14c Rz 139; Lippross, a.a.O., S. 917).
61
So liegt es im Streitfall, soweit in den Gutschriften der Mobilfunkanbieter –neben den Provisionen– auch die Geräteboni erfasst und auch insoweit Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen wurde.
62
c) Entgegen der Auffassung des FG begründen im Streitfall solche von den Mobilfunkanbietern erteilten Gutschriften abstrakt die Gefahr, von den Mobilfunkanbietern zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs gebraucht zu werden. Denn den Mobilfunkanbietern steht insoweit kein Vorsteuerabzug nach § 15 UStG zu, weil sie nicht Leistungsempfänger sind (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 24. April 2009  1 K 4135/07 U, AO, EFG 2010, 601); es kommt insofern –bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 UStG– ausschließlich ein Vorsteuerabzug der Kunden als Leistungsempfänger der Klägerin in Betracht (vgl. Wagner in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 10 Rz 189).
63
d) In welchem Umfang derartige Gutschriften im Streitfall erteilt worden sind und ob die Klägerin den Gutschriften evtl. widersprochen hat (vgl. dazu BFH-Urteil vom 23. Januar 2013 XI R 25/11, BFHE 239, 547, BStBl II 2013, 417; Wagner, MwStR 2013, 534), hat das FG –von seinem Standpunkt aus zu Recht– nicht festgestellt.
64
Diese Feststellungen sind im zweiten Rechtsgang nachzuholen.

Keine Verzinsung der Wegzugsteuer

Wie das Finanzgericht Düsseldorf mit Urteil vom 27.09.2013 (Az. 1 K 3233/11 AO) entschieden hat, unterliegt die sog. Wegzugsteuer nicht der Vollverzinsung.

Die Kläger besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit und unterhielten bis 2011 einen Wohnsitz in Deutschland. Der Kläger war zu 25 % an einer inländischen GmbH beteiligt. Dabei handelte es sich zum Teil um eine steuerlich relevante Beteiligung des Privatvermögens, zum Teil um sog. einbringungsgeborene Anteile. Im Jahr 2006 begründeten die Kläger einen weiteren Wohnsitz in Österreich und verlagerten ihren Lebensmittelpunkt dorthin. Auf Antrag der Kläger unterwarf das beklagte Finanzamt den in den Anteilen entstandenen Vermögenszuwachs im Jahr 2011 der sog. Wegzugsteuer und stundete diese zinslos und ohne Sicherheitsleistung. Gegen die zugleich festgesetzten Zinsen wegen verspäteter Steuerfestsetzung, die das Finanzamt ebenfalls stundete, wendeten sich die Kläger mit ihrer Klage.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es darauf hingewiesen, dass zwar die gesetzlichen Voraussetzungen des Zinstatbestands erfüllt seien, dieser jedoch durch die Regelung über die zinslose Stundung der Wegzugsteuer verdrängt werde. Diese stehe nicht nur der Festsetzung von Stundungszinsen, sondern auch der Vollverzinsung entgegen. Denn der Gesetzgeber habe die Wegzugsteuer nach den Vorgaben des EuGH in der Rechtssache „Lasteyrie du Saillant“ europarechtskonform ausgestalten wollen. Die Festsetzung von Zinsen auf die geschuldete, aber verspätet festgesetzte Steuer verletze ebenso wie die Festsetzung von Zinsen auf die festgesetzte, aber gestundete Steuer die Niederlassungsfreiheit, da sie den in einen anderen EU-Staat verziehenden Steuerpflichtigen (ohne sachlichen Grund) benachteilige. Die Stundung der Zinsen genüge den europarechtlichen Erfordernissen nicht. Schließlich hätten die Steuerpflichtigen auch keinen Liquiditätsvorteil erlangt, der die Verzinsung rechtfertige.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Revision zum Bundesfinanzhof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Quelle: FG Düsseldorf, Pressemitteilung vom 26.11.2013 zum Urteil 1 K 3233/11 AO vom 27.09.2013

Steuerliche Gewinnermittlung; Rückstellungen für Verpflichtungen, zu viel vereinnahmte Entgelte mit künftigen Einnahmen zu verrechnen (Verrechnungsverpflichtungen)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 6. Februar 2013 (BStBl II S. …) entschieden, dass für Kostenüberdeckungen, die in einer Kalkulationsperiode entstanden sind und die in der folgenden Kalkulationsperiode durch entsprechend geminderte Entgelte auszugleichen sind, Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden sind.

Diese Entscheidung steht im Widerspruch zu dem BMF-Schreiben vom 28. November 2011 (BStBl I S. 1111), wonach Verrechnungsverpflichtungen als Bestandteil bestehender Vertragsverhältnisse mangels Erfüllungsrückstand nicht passiviert werden können.

Nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird das BMF-Schreiben vom 28. November 2011 (BStBl I S. 1111) aufgehoben.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 6 – S-2137 / 09 / 10004 :003 vom 22.11.2013

Über 100.000 Kontenabrufersuchen beim Bundeszentralamt für Steuern

Die Kontenabrufersuchen deutscher Behörden sind 2013 deutlich angestiegen, von insgesamt 72.578 Kontenabrufersuchen im Vorjahr auf 102.416 Kontenabrufersuchen bis Ende September 2013. Dies ist bereits heute ein Anstieg von über 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Dazu stellt der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Peter Schaar fest: „Das Kontenabrufverfahren wurde 2002 mit der Begründung eingeführt, die Finanzströme des Terrorismus aufzudecken. Hierfür wurde eine zentrale Abrufmöglichkeit für die Daten aller Konteninhaber in Deutschland eingerichtet. In den Folgejahren wurden die Befugnisse zum Abruf stark ausgeweitet: Finanzämter, Sozialdienststellen, Jobcenter, Gerichtsvollzieher und viele andere Behörden nutzen inzwischen das Abrufverfahren. Das Argument des Kampfs gegen den Terrorismus diente – wie wir jetzt wissen – als eine Art Türöffner zu den Kontodaten. Wie Prüfungen der Aufsichtsbehörden ergeben haben, fehlen oftmals sogar die Begründungen für den konkreten Abruf und Benachrichtigungen der Betroffenen unterbleiben. Ich sehe den Gesetzgeber in der Pflicht, die Befugnis zum Kontenabruf zu überprüfen und auf das unbedingt erforderliche Maß zurückführen.“

Bei dem Kontenabrufverfahren können die berechtigten Stellen auf Kontenstammdaten wie Name und Geburtsdatum des Bankkunden sowie auf Anzahl und Nummern der bei der Bank geführten Konten, nicht jedoch auf Kontostände und Kontobewegungen, zugreifen. Der Betroffene ist grundsätzlich auf die Möglichkeit des Kontenabrufs vorab hinzuweisen und über dessen Durchführung zu benachrichtigen.

Quelle: BFDI, Pressemitteilung vom 26.11.2013

Steuertermine Dezember 2013

Fälligkeit

Dienstag, 10.12.2013

  • Einkommensteuer
  • Lohn- und Kirchenlohnsteuer
  • Umsatzsteuer

Ablauf der Schonfrist

Freitag, 13.12.2013

  • Einkommensteuer
  • Lohn- und Kirchenlohnsteuer
  • Umsatzsteuer

Hinweis

Die Abgabe-Schonfrist ist abgeschafft. Die 3-Tages-Zahlungs-Schonfrist gilt nur noch bei Überweisungen, nicht bei Barzahlungen und Scheckzahlungen.

Quelle: DATEV eG