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Vorsteuer-Vergütungsverfahren für Drittlandsunternehmer: Neue Vorgaben zu elektronischen Rechnungen

📅 Stand: 27. März 2025
📌 Quelle: BMF-Schreiben – III C 3 – S 7359/00050/005/072


Das Wichtigste vorab:
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat neue Regelungen veröffentlicht, die das Vorsteuer-Vergütungsverfahren für Unternehmer betreffen, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind – also außerhalb der EU.

Die zentralen Neuerungen betreffen insbesondere die Einreichung elektronischer Rechnungen sowie Anpassungen im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE).


I. Elektronische Rechnungen: Neue Möglichkeiten der Einreichung

Bisher galt: Originale in Papierform sind Pflicht.
Jetzt wird’s digital: Elektronisch übermittelte Rechnungen – also E-Rechnungen oder andere digitale Formate – können ab sofort auf zwei Wegen beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) eingereicht werden:

  1. Per Upload im BZStOnline-Portal (BOP)
  2. Auf einem Speichermedium (z. B. USB-Stick)

💡 Wichtig: Die Belege können spätestens bis zum Ende der Antragsfrist nachgereicht werden. Danach ist der Nachweis ausgeschlossen.


II. Unternehmerbescheinigung – jetzt auch digital zulässig

Der gesetzlich geforderte Nachweis der Unternehmereigenschaft (§ 61a Abs. 4 UStDV) – die sogenannte „Unternehmerbescheinigung“ – kann künftig ebenfalls digital erbracht werden.

Zulässig ist entweder:

  • das Muster USt 1 TN, oder
  • eine inhaltlich gleichwertige digitale Bescheinigung, ausgestellt durch die zuständige ausländische Steuerbehörde.

Die Bescheinigung ist wie gewohnt dem BZSt vorzulegen.
📄 Hinweis: Die Details zur Unternehmerbescheinigung finden Sie im BMF-Schreiben vom 18.11.2022 (BStBl I S. 1592).


III. Änderungen im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE)

Das BMF hat auch den Umsatzsteuer-Anwendungserlass angepasst:

Neue Definition im Abkürzungsverzeichnis:

E-Rechnung = elektronische Rechnung

Änderungen in Abschnitt 18.14 UStAE:

  • Nachweis der Vorsteuerbeträge: Elektronische Rechnungen gelten als gleichwertig, sofern sie über das BOP hochgeladen oder auf Datenträgern eingereicht werden.
  • Unternehmerbescheinigung: Klarstellung, dass digitale Nachweise zulässig sind.

IV. Anwendung & Gültigkeit

Diese neuen Regelungen gelten für alle offenen Fälle und sind damit ab sofort anwendbar.

✉️ Veröffentlicht wird das Schreiben im Bundessteuerblatt Teil I.


Fazit

Die Digitalisierung hält weiter Einzug in das Steuerrecht: Das BMF ermöglicht es Drittlandsunternehmern nun, elektronische Rechnungen und digitale Unternehmernachweise im Vorsteuer-Vergütungsverfahren zu verwenden. Damit wird das Verfahren deutlich moderner und international praktikabler.


Wenn Sie Fragen zum Vorsteuer-Vergütungsverfahren oder zur praktischen Umsetzung der neuen Anforderungen haben, sprechen Sie uns gerne an. Wir unterstützen Sie bei der Antragstellung!

Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen Solidaritätszuschlag

Solidaritätszuschlag 2020/2021

Mit heute verkündetem Urteil hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde gegen das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 (SolZG 1995) in der Fassung des Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 vom 10. Dezember 2019 zurückgewiesen.

Der zum 1. Januar 1995 eingeführte Solidaritätszuschlag stellt eine Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 Grundgesetz (GG) dar. Der Senat führt in seinem Urteil aus, dass eine solche Ergänzungsabgabe einen aufgabenbezogenen finanziellen Mehrbedarf des Bundes voraussetzt, der durch den Gesetzgeber allerdings nur in seinen Grundzügen zu umreißen ist. Im Fall des Solidaritätszuschlags ist dies der wiedervereinigungsbedingte finanzielle Mehrbedarf des Bundes. Weiter führt der Senat aus, dass ein evidenter Wegfall des Mehrbedarfs eine Verpflichtung des Gesetzgebers begründet, die Abgabe aufzuheben oder ihre Voraussetzungen anzupassen. Insoweit trifft den Bundesgesetzgeber – bei einer länger andauernden Erhebung einer Ergänzungsabgabe – eine Beobachtungsobliegenheit. Ein offensichtlicher Wegfall des auf den Beitritt der damals neuen Länder zurückzuführenden Mehrbedarfs des Bundes kann auch heute (noch) nicht festgestellt werden. Eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Aufhebung des Solidaritätszuschlags ab dem Veranlagungszeitraum 2020 bestand und besteht folglich nicht.

Die Verfassungsbeschwerde, mit der sich die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer gegen die unveränderte Fortführung der Solidaritätszuschlagspflicht und gegen den nur teilweisen Abbau des Solidaritätszuschlags wenden, blieb daher erfolglos.

Richterin Wallrabenstein hat sich der Senatsmehrheit im Ergebnis angeschlossen, jedoch hinsichtlich der Begründung ein Sondervotum verfasst.

Sachverhalt

Der – auch heute noch erhobene – Solidaritätszuschlag wurde mit Wirkung zum 1. Januar 1995 eingeführt. Er wird als Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG erhoben. Seit dem Jahr 2021 werden nur noch bestimmte Gruppen der Einkommensteuerpflichtigen und nach wie vor alle Körperschaftsteuersubjekte mit dem Solidaritätszuschlag belastet. Bemessungsgrundlage für den Zuschlag sind im Falle der Veranlagung zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer grundsätzlich die berechnete Einkommensteuer oder die festgesetzte Körperschaftsteuer beziehungsweise die zu entrichtenden Vorauszahlungen. Wird die Einkommensteuer in Form der Lohnsteuer erhoben, ist für die Bemessung des Solidaritätszuschlags grundsätzlich diese maßgebend. Im Falle des Kapitalertragsteuerabzugs bemisst sich der Solidaritätszuschlag nach der anfallenden Kapitalertragsteuer. Im Übrigen lehnen sich Festsetzung und Erhebung des Solidaritätszuschlags an die entsprechenden Vorschriften des Einkommen- beziehungsweise Körperschaftsteuergesetzes an.

Seit dem Jahr 1998 beträgt der Zuschlagsatz zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer 5,5 %.

Abgabepflichtig sind nach § 2 SolZG 1995 unter anderem natürliche Personen, die nach § 1 Einkommensteuergesetz einkommensteuerpflichtig sind. Weiter wird der Solidaritätszuschlag von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen erhoben, die nach § 1 oder § 2 Körperschaftsteuergesetz körperschaftsteuerpflichtig sind. Im Bereich der Einkommensteuer sind Freigrenzen vorgesehen. Überschreitet die Bemessungsgrundlage diese Freigrenzen nicht, fällt ein Solidaritätszuschlag nicht an. Bei einer Überschreitung kommt nicht sofort der volle Zuschlagsatz zur Anwendung (sog. Gleitzone). Durch das Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 vom 10. Dezember 2019 wurden die Freigrenzen mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2021 deutlich angehoben. Diese Freigrenzen finden jedoch nicht für alle in § 3 Abs. 1 SolZG 1995 geregelten Bemessungsgrundlagen Anwendung.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer einerseits im Hinblick auf den Veranlagungszeitraum 2020 gegen die unveränderte Fortführung der Solidaritätszuschlagspflicht und andererseits ab dem Veranlagungszeitraum 2021 gegen den nur teilweisen Abbau des Solidaritätszuschlags. Sie rügen unter anderem eine Verletzung der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG sowie einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Wesentliche Erwägungen des Senats

Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.

Das SolZG 1995 ist als Inhalts- und Schrankenbestimmung der Eigentumsgarantie gerechtfertigt.

1. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 im Dezember 2019 kam dem Bundesgesetzgeber nach den finanzverfassungsrechtlichen Bestimmungen die Gesetzgebungskompetenz für die (modifizierte) Fortführung des Solidaritätszuschlags ab dem Jahr 2020 zu. Die finanzverfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erhebung einer Ergänzungsabgabe sind auch seither (noch) nicht evident entfallen.

a) Welche verfassungsrechtlichen Auswirkungen es hat, wenn eine vom Bundesgesetzgeber ursprünglich in kompetenzrechtlich zulässiger Weise eingeführte Steuer aufgrund nachträglicher Veränderungen aus dem Rahmen der herkömmlichen Merkmale dieser Steuer herausfällt, hat das Bundesverfassungsgericht bislang noch nicht entschieden.

Hinsichtlich des vorliegend relevanten Steuertypus der Ergänzungsabgabe ist davon auszugehen, dass ein evidenter Wegfall der für ihre Erhebung erforderlichen Voraussetzungen eine Verpflichtung des Gesetzgebers begründet, die Abgabe aufzuheben oder ihre Voraussetzungen anzupassen. Dies ist im Hinblick darauf anzunehmen, dass die Ergänzungsabgabe gegenüber anderen Steuern Besonderheiten aufweist. So knüpft sie nicht an einen steuerbegründenden Vorgang oder einen bestimmten Steuergegenstand an. Ihre Erhebung wird vielmehr im Wesentlichen durch das Erfordernis eines finanziellen Mehrbedarfs des Bundes, der zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben benötigt wird, bestimmt. Damit ist die Erhebung einer Ergänzungsabgabe weitgehend von den vom Gesetzgeber angetroffenen und bewerteten tatsächlichen Verhältnissen abhängig. Ändern sich diese später in solch signifikanter Weise, dass der ursprünglich angenommene finanzielle Mehrbedarf des Bundes evident entfallen ist, wird der Typusbegriff des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG nicht mehr gewahrt.

Bei der Frage des Fortbestands des finanziellen Mehrbedarfs des Bundes besteht zwar ein weiter Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Sieht er aber keinen Anpassungsmechanismus für den Fall einer (wesentlichen) Änderung der seiner Entscheidung zugrunde gelegten tatsächlichen Verhältnisse vor, überprüft das Bundesverfassungsgericht, ob die auf dieser Grundlage getroffene Regelung auch unter veränderten Rahmenbedingungen noch von der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers getragen wird und daher im Ergebnis weiter zu rechtfertigen ist. Dies ist dann nicht mehr der Fall, wenn sich eine Regelung unter veränderten tatsächlichen Bedingungen als evident nicht mehr realitätsgerecht erweist.

Insoweit trifft den Bundesgesetzgeber − bei einer länger andauernden Erhebung einer Ergänzungsabgabe − eine Beobachtungsobliegenheit. Er ist gehalten, in solchen Fällen seine ursprüngliche Entscheidung zur Einführung einer Ergänzungsabgabe in gewissen Abständen daraufhin zu überprüfen, ob die seinerzeit angenommene Entwicklung des finanziellen Bedarfs noch der Realität entspricht.

b) Es kommt damit maßgeblich darauf an, welche Merkmale eine Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG prägen und ob diese zum Zeitpunkt des Erlasses des Steuergesetzes vorlagen und auch heute noch nicht evident entfallen sind.

Der Wortlaut des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG sieht – über eine gewisse Akzessorietät zur Einkommen- und Körperschaftsteuer hinaus – keine weiteren Einschränkungen für die Erhebung einer Ergänzungsabgabe vor. Der Ergänzungsabgabe sind allerdings angesichts des ihr vom verfassungsändernden Gesetzgeber verliehenen Charakters, ihrer in den Gesetzesmaterialien ausführlich beschriebenen Funktion innerhalb der bundesstaatlichen Finanzverfassungsordnung sowie der finanzverfassungsrechtlichen Systematik weitere Grenzen gezogen.

aa) Die Ergänzungsabgabe setzt als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal einen finanziellen Mehrbedarf des Bundes voraus, der nach Einschätzung des Gesetzgebers durch die Erfüllung einer vom Bund angeführten bestimmten Aufgabe voraussichtlich entstehen wird und zu dessen Deckung die Erhebung der Ergänzungsabgabe notwendig erscheint. Dies ist im Gesetzgebungsverfahren offenzulegen.

Ausweislich der Gesetzesbegründung ist die heute in Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG verankerte Ergänzungsabgabe geschaffen worden, um „in begrenztem Rahmen“ eine möglichst reibungslose und flexible Deckung eines finanziellen Mehrbedarfs des Bundes zu gewährleisten, ohne die sachgerechte und stabile Verteilung des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern infrage zu stellen.

Hieraus folgt, dass die Erhebung einer Ergänzungsabgabe nicht voraussetzungslos möglich sein soll, sondern ihre inhaltliche Ausgestaltung durch die mit ihr verbundene Zielsetzung, die notwendige finanzielle Flexibilität des Bundes bedarfsorientiert sicherzustellen, geprägt und begrenzt wird. Dem verfassungsändernden Gesetzgeber ging es somit darum, die Ergänzungsabgabe ohne Zustimmung des Bundesrats aktivieren zu können, nicht aber darum, sie ohne Benennung eines Mehrbedarfs erheben zu dürfen.

Damit die Ergänzungsabgabe den ihr unverändert zugewiesenen Zweck erfüllen kann, ist es notwendig, aber auch hinreichend, dass sich der finanzielle Mehrbedarf auf eine bestimmte Aufgabe zurückführen lässt. Die Identifizierung eines solchen aufgabenbezogenen finanziellen Mehrbedarfs des Bundes als Voraussetzung der Erhebung einer Ergänzungsabgabe sichert die Interessen der Länder, die mangels Zustimmungserfordernis des Bundesrats keinen entscheidenden Einfluss auf die einfachgesetzliche Erhebung einer Ergänzungsabgabe nehmen können und die selbst über kein vergleichbares Einnahmeinstrument verfügen. Angesichts der grundsätzlich strikten Trennung zwischen steuerlicher Staatsfinanzierung und haushaltsrechtlicher Verwendungsentscheidung muss der Gesetzgeber den aufgabenbezogenen Mehrbedarf allerdings nur in seinen Grundzügen umreißen.

Die Aufgabenbezogenheit der Ergänzungsabgabe hat zugleich eine zeitliche Komponente. Für die Berechtigung ihrer Weitererhebung kommt es nicht auf den Ablauf ausschließlich zeitlich definierter Fristen wie etwa diejenige eines „Generationenabstands“ an, sondern allein darauf, ob der aufgabenbezogene Mehrbedarf evident weggefallen ist.

bb) Weiter darf die Ergänzungsabgabe das finanzielle Ausgleichssystem des Grundgesetzes nicht zu Lasten der Länder in einer Art und Weise antasten, die Steuerarten oder Steuern aushöhlen würden, deren Aufkommen allein den Ländern zufließt oder die Bund und Ländern gemeinsam zustehen (sog. Aushöhlungsverbot).

cc) Dagegen ist die Ergänzungsabgabe nicht als subsidiäres Finanzierungsinstrument ausgestaltet worden. Der Bundesgesetzgeber ist daher aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht gezwungen, von der Erhebung einer Ergänzungsabgabe abzusehen, wenn auch eine Erhöhung der Einkommen- oder Körperschaftsteuer beziehungsweise eine Anhebung der dem Bund zustehenden Verbrauchsteuern in Betracht käme, dies aber aus politischen Gründen nicht opportun oder durchsetzbar erscheint.

dd) Eine Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG ist von Verfassungs wegen auch nicht von vornherein zu befristen. Gegen eine Befristung spricht insbesondere die Funktion, die die Ergänzungsabgabe als flexible Alternative zur Anpassung der Einkommen- oder Körperschaftsteuer als gemeinschaftliche Steuern oder zur Erhöhung der allein dem Bund zufließenden Verbrauchsteuern erfüllen soll.

ee) Schließlich beschränkt Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG den Bundesgesetzgeber auch nicht darauf, eine Ergänzungsabgabe nur während einer „Notlage“ oder „Ausnahmelage“, nicht aber auch in einer „finanzverfassungsrechtlichen Normallage“ zu erheben.

Dafür, dass die Ergänzungsabgabe nur in „Notfällen“ erhoben werden soll, gibt es in den Gesetzesmaterialien keinen tragfähigen Anhaltspunkt. Weder in den Gesetzesmaterialien zum Finanzverfassungsgesetz 1955 beziehungsweise zur Finanzreform 1969 noch im Verfassungstext des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG werden den Erhebungszeitraum eingrenzende Formulierungen verwendet. Soweit in der Gesetzesbegründung zum Finanzverfassungsgesetz 1955 unter anderem von „anderweitig nicht auszugleichenden Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt“ die Rede ist, ist deren Deckung nicht als isolierte Zielstellung formuliert, sondern in eine untrennbare Aufzählung mit weiteren, miteinander eng verknüpften Zwecken gestellt worden.

c) In Anbetracht der beschriebenen Maßstäbe besaß der Bund im Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 am 10. Dezember 2019 die dafür erforderliche Gesetzgebungskompetenz. Er ist von Verfassungs wegen auch nicht verpflichtet, den Solidaritätszuschlag wegen eines späteren evidenten Wegfalls des angeführten aufgabenbezogenen Mehrbedarfs aufzuheben.

aa) Zunächst wird durch die mit dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 ab dem Jahr 2021 erheblich ausgeweitete Staffelung des Solidaritätszuschlags die eine Ergänzungsabgabe prägende Akzessorietät zur Einkommen- und Körperschaftsteuer nicht infrage gestellt und damit der Typus dieser Steuer nicht schon deshalb verfehlt.

Zwar mag der Gesetzgeber bei einer Ergänzungsabgabe wie dem Solidaritätszuschlag nicht zu einer sozialen Abstufung verpflichtet sein; dies ändert aber nichts daran, dass er in Anbetracht des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) und der unterschiedlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Einkommensteuerpflichtigen zu einer solchen Abstufung berechtigt ist. Das gilt auch dann, wenn die sozialen Erwägungen – wie beim Solidaritätszuschlag 1995 – nicht bereits bei dessen Einführung, sondern erst bei dessen teilweiser Rückführung berücksichtigt werden.

bb) Der wiedervereinigungsbedingte finanzielle Mehrbedarf des Bundes war bei Erlass des Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 mit Wirkung zum 1. Januar 2020 noch nicht in evidenter Weise entfallen. Auch heute kann ein offensichtlicher Wegfall des auf den Beitritt der damals neuen Länder zum Bundesgebiet zurückzuführenden – wenn auch verringerten – Mehrbedarfs des Bundes (noch) nicht festgestellt werden. Der Bund verzeichnet weiterhin einen wiedervereinigungsbedingten zusätzlichen Finanzierungsbedarf. Diese Einschätzung hält sich im Rahmen des dem Bundesgesetzgeber bei der Bestimmung einer Aufgabe und des durch sie bedingten finanziellen Mehrbedarfs zukommenden Spielraums. Dieser besteht zwar angesichts der langen Erhebungszeit des Solidaritätszuschlags 1995 nicht mehr in dem ursprünglichen Umfang. Er bleibt dem Gesetzgeber aber insoweit erhalten, als das Bundesverfassungsgericht lediglich nachprüfen kann, ob die Aufgabe, auf die die Einführung des Solidaritätszuschlags 1995 gestützt worden war, im Jahr 2020 oder danach offensichtlich in keiner Weise mehr einen finanziellen Mehrbedarf des Bundes begründet. Dies ist jedenfalls derzeit noch nicht der Fall.

Ein im Verfahren vorgelegtes Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass selbst 30 Jahre nach der Wiedervereinigung trotz positiver Entwicklungen noch strukturelle Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland verbleiben und es auch noch bis 2030 in bestimmten Bereichen wiedervereinigungsbedingte Belastungen des Bundeshaushalts gibt. Die erhobenen, in dem Gutachten ausgewerteten Daten und die daraus von den beteiligten sachkundigen Dritten gezogenen Schlussfolgerungen zeigen, dass von einem evidenten Entfallen des wiedervereinigungsbedingten Mehrbedarfs des Bundes noch nicht ausgegangen werden kann. Auch der Umstand, dass unter den in der mündlichen Verhandlung angehörten Ökonomen gerade keine einheitliche Bewertung zu erzielen war, verdeutlicht die fehlende Evidenz eines Wegfalls des wiedervereinigungsbedingten Mehrbedarfs. Die Frage, ob Ausgaben des Bundes jedenfalls auch auf ein bestimmtes Ereignis (hier: Wiedervereinigung) (mit) zurückgeführt werden können oder möglicherweise vollständig durch andere Einflussfaktoren bestimmt sind, kann je nach ökonomischer Grundannahme unterschiedlich beantwortet werden. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, eine Auswahl zwischen diesen Annahmen zu treffen, solange die Annahme, auf die sich der Gesetzgeber gestützt hat, nicht evident neben der Sache liegt.

Das Auslaufen des sog. Solidarpakts II mit Ablauf des Jahres 2019 ist hingegen unerheblich. Dadurch ist lediglich die bis dahin erfolgte konkrete Ausgestaltung der Unterstützung der neuen Länder durch den Bund zu ihrem Ende gekommen. Dies bedeutet aber nicht, dass der Bund − wie er im vorliegenden Verfahren hinreichend dargetan hat − nicht auch nach diesem Zeitpunkt wiedervereinigungsbedingte Bedarfe der neuen Länder im gesamtstaatlichen Interesse, namentlich zur Herstellung möglichst gleichwertiger Lebensbedingungen, finanziell auszugleichen hat.

2. Das SolZG 1995 in der hier maßgeblichen Fassung genügt auch den materiellen Anforderungen an eine Inhalts- und Schrankenbestimmung.

a) Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass vorliegend mit dem Ansatz des Solidaritätszuschlags in Höhe von 5,5 % der Einkommen- beziehungsweise Körperschaftsteuer eine übermäßige, mit einer verfassungsrechtlichen Obergrenze zumutbarer Besteuerung nicht mehr vereinbare Steuerbelastung verbunden wäre und damit ein Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorläge. Dies gilt sowohl für das Jahr 2020, in dem − mit wenigen Ausnahmen − grundsätzlich von allen Einkommen- beziehungsweise Körperschaftsteuerpflichtigen die Abgabe erhoben wurde, als auch für die Jahre ab 2021, in denen in Bezug auf die Einkommensteuerpflichtigen grundsätzlich nur noch höhere Einkommensgruppen der Ergänzungsabgabe unterworfen sind.

Auch steht der Zuschlagsatz in Höhe von 5,5 % derzeit noch nicht evident außer Verhältnis zu der Höhe des aufgabenbezogenen Mehrbedarfs, der mit dem Solidaritätszuschlag gedeckt werden soll. Zwar betrug das Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag im Jahr 2020 18,7 Milliarden Euro, wohingegen die Summe der zumindest auch vereinigungsbedingten überproportionalen Belastungen des Bundeshaushalts in den Jahren ab 2020 lediglich rund 13 Milliarden Euro beträgt. Der Bundesgesetzgeber reagierte jedoch hierauf entsprechend seiner verfassungsrechtlichen Beobachtungsobliegenheit mit dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995, indem er den Solidaritätszuschlag nicht mehr von allen einkommensteuerpflichtigen Personen erhob und damit das Aufkommen für die Jahre ab 2021 deutlich verringerte. Im Jahr 2021 betrug das Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag nur noch 11 Milliarden Euro.

b) Das SolZG 1995 verletzt auch Art. 3 Abs. 1 GG nicht.

Im Hinblick auf die soziale Staffelung der Ergänzungsabgabe kann offenbleiben, ob eine grundrechtsrelevante Ungleichbehandlung darin liegen könnte, dass sich der Gesetzgeber (durch eine Gleitzone abgemilderter) Freigrenzen und keiner alle Steuerpflichtigen entlastender Freibeträge bedient beziehungsweise sich nicht dafür entschieden hat, alle Steuerpflichtigen gleichmäßig zu belasten. Eine solche wäre jedenfalls gerechtfertigt.

Soweit die Freigrenzen nach § 3 Abs. 3 Satz 1 SolZG 1995 grundsätzlich nicht auf die im Wege des Kapitalertragsteuerabzugs erhobene, sondern nur auf die veranlagte Einkommensteuer und Lohnsteuer Anwendung finden, handelt es sich nicht um im Wesentlichen vergleichbare Sachverhalte. Dies gilt ebenso, soweit die ab dem Jahr 2021 geltenden Freigrenzen nur auf Einkommensteuer- und nicht auch auf Körperschaftsteuersubjekte Anwendung finden. Insoweit liegen ebenfalls keine im Wesentlichen vergleichbare Sachverhalte vor.

Abweichende Meinung der Richterin Wallrabenstein

Die Maßstabsbildung und den damit konstruierten Kontrollanspruch des Senats darüber, ob vom Gesetzgeber angeführte Finanzbedarfe (fort)bestehen, halte ich für verfehlt. Auch wenn der Senat diese Kontrolle zurückgenommen ausübt, erschweren die neue Benennungspflicht und Beobachtungsobliegenheit die Erhebung einer Ergänzungsabgabe. Dies schafft verfassungsrechtliche Unsicherheit.

Erfasst man den grundgesetzlichen Gestaltungsrahmen für den Steuergesetzgeber anhand von Art. 14 GG, bilden Privatnützigkeit und Sozialbindung seine beiden Pole. Der Schutz vor einer Steuerlast durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ist wesentlich auch durch Art. 14 Abs. 2 GG geprägt. Gerade wegen der Entscheidung des Grundgesetzes für den Schutz des Privateigentums sind Steuern das wesentliche Instrument für eine regelmäßige und damit nachhaltig freiheitssichernde Korrektur der Eigentumsentwicklung, die der Umverteilung bedarf.

Indem der Senat die Ergänzungsabgabe an materielle Voraussetzungen bindet, verkürzt er diesen Gestaltungsspielraum einseitig. Der Bundestag muss dadurch seine Budgetentscheidungen nicht nur allen Bürgerinnen und Bürgern gegenüber demokratisch verantworten. Zusätzlich ist er nun speziell denjenigen, deren Eigentum er durch eine Ergänzungsabgabe belastet, nochmals rechenschaftspflichtig. Diese Erweiterung der Eigentümerstellung zu einem Kontrollrecht über Staatsausgaben ist mit Art. 14 Abs. 1 und 2 GG nicht in Einklang zu bringen.

Zudem belegt der Senat die Ergänzungsabgabe mit einem für das Steuerrecht grundlegend neuartigen Kassationsrisiko. Ob der aufgabenbezogene Mehraufwand, den der Bundestag zur Rechtfertigung einer Ergänzungsabgabe angeben muss, tatsächlich und in der Höhe des durch die Ergänzungsabgabe erzielten Steuervolumens besteht und nicht in evidenter Weise entfallen ist, will der Senat entscheiden. Dies zeigt seine Bereitschaft, in die Finanzpolitik einzugreifen. Das widerspricht meinem Grundverständnis der aus dem Demokratieprinzip und der Gewaltenteilung folgenden Kompetenzgrenzen des Bundesverfassungsgerichts.

Quelle: BVerfG, Pressemitteilung Nr. 30/2025 vom 26.03.2025 zum Urteil 2 BvR 1505/20 vom 26.03.2025

Pendlerpauschale: 13,8 Millionen Arbeitnehmer nutzten sie im Jahr 2020

Die Pendlerpauschale ist für viele Arbeitnehmer ein wichtiger steuerlicher Vorteil. Eine aktuelle Auswertung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) zeigt, dass im Jahr 2020 rund 13,8 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer diese Steuervergünstigung in Anspruch nahmen.

Wer nutzt die Pendlerpauschale?

Laut der Auswertung legten die Pendlerinnen und Pendler im Schnitt eine Strecke von 28 Kilometern zur Arbeit zurück. Interessant ist, dass nur jene Personen erfasst wurden, deren Werbungskosten den damaligen Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1.000 Euro überschritten. Wer darunter lag, machte oft gar keine Angaben zu den gefahrenen Kilometern oder reichte keine Steuererklärung ein.

Ein Großteil der Pendlerinnen und Pendler gehörte der mittleren Einkommensgruppe an:

  • 54 % verdienten zwischen 20.000 und 50.000 Euro brutto im Jahr.
  • 30 % hatten ein Jahreseinkommen von 50.000 bis 100.000 Euro.
  • 11 % verdienten weniger als 20.000 Euro.
  • 5 % lagen über der 100.000-Euro-Grenze.

Nutzung des Autos dominiert

Die meisten Pendlerinnen und Pendler nutzten für ihren Arbeitsweg das Auto. So gaben 84 % der Steuerpflichtigen an, zumindest einen Teil ihrer Strecke mit dem eigenen Pkw zurückzulegen. Besonders auf dem Land ist der Anteil der Autofahrer hoch:

  • In Großstädten (über 100.000 Einwohner) nutzten 68 % das Auto.
  • In Mittelstädten (20.000–100.000 Einwohner) waren es bereits 87 %.
  • In Kleinstädten (5.000–20.000 Einwohner) lag der Anteil bei 91 %.
  • In ländlichen Gemeinden erreichte er sogar 93 %.

Längere Strecken außerhalb von Großstädten

Die Entfernung zum Arbeitsplatz hängt stark vom Wohnort ab: Während Großstädter durchschnittlich 24 Kilometer zur Arbeit fuhren, waren es bei Menschen aus Mittelstädten 29 Kilometer und in Kleinstädten oder Landgemeinden sogar 30 bzw. 31 Kilometer.

Gesetzesänderungen und Zukunftsausblick

Im Jahr 2020 betrug die Pendlerpauschale 30 Cent pro Kilometer für den einfachen Arbeitsweg. Seit der Gesetzesänderung im Mai 2022 liegt die Pauschale ab dem 21. Kilometer nun bei 38 Cent.

Ob und in welchem Umfang die Pendlerpauschale im Rahmen der aktuellen politischen Diskussionen erneut angepasst wird, bleibt abzuwarten. Fest steht jedoch, dass sie weiterhin eine wichtige Entlastung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer darstellt, die regelmäßig einen längeren Arbeitsweg haben.

Tipp für Steuerpflichtige

Falls Ihre jährlichen Werbungskosten die Pauschale von derzeit 1.230 Euro (seit 2023) übersteigen, lohnt sich die Angabe der Pendlerpauschale in der Steuererklärung. Besonders für Arbeitnehmer mit langen Arbeitswegen kann dies eine erhebliche Steuerersparnis bedeuten.

EuGH-Vorlage: FG Köln hält Nichtgewährung der Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen in der Schweiz für europarechtswidrig

Das Finanzgericht (FG) Köln hat mit Beschluss vom 20.02.2025 (Az. 7 K 1204/22) eine entscheidende Frage zur Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weitergeleitet. Dabei geht es um die Frage, ob die Nichtgewährung der Steuerermäßigung nach § 35a Einkommensteuergesetz (EStG) für in der Schweiz erbrachte Handwerks- und haushaltsnahe Dienstleistungen gegen das Freizügigkeitsabkommen zwischen der EU und der Schweiz (FZA) verstößt.

Hintergrund des Falls

Die Kläger, ein Ehepaar mit deutscher und schweizerischer Staatsbürgerschaft, leben in der Schweiz. Der Ehemann war als Arbeitnehmer in Deutschland tätig und unterhielt dort eine Wohnung. Für ihr gemeinsames Haus in der Schweiz beauftragten die Eheleute Handwerks- und Gartenbauarbeiten, für die sie eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG beantragten. Das zuständige Finanzamt lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass die Leistungen außerhalb der EU bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) erbracht wurden.

Die Kläger fochten diese Entscheidung vor dem FG Köln an und argumentierten, dass die Ablehnung der Steuerermäßigung gegen das Freizügigkeitsabkommen zwischen der EU und der Schweiz verstoße.

Entscheidung des FG Köln

Das FG Köln teilte die Bedenken der Kläger und bezweifelte, ob die Beschränkung auf in der EU oder im EWR erbrachte Dienstleistungen mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist. In Artikel 9 Absatz 2 Anhang I des FZA ist ein Gleichbehandlungsgrundsatz verankert, der Arbeitnehmern und ihren Familienangehörigen dieselben steuerlichen Vergünstigungen zusichert wie inländischen Arbeitnehmern. Das FG Köln sieht daher eine mögliche Ungleichbehandlung gegenüber in Deutschland wohnhaften Steuerpflichtigen, denen eine Steuerermäßigung für entsprechende Leistungen gewährt wird.

Um diese Rechtsfrage zu klären, hat das FG Köln den Fall dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt. Eine Entscheidung des EuGH könnte erhebliche Auswirkungen auf Steuerpflichtige mit Immobilien in der Schweiz haben.

Relevante Rechtsgrundlagen

§ 35a Abs. 4 Satz 1 EStG:

(4) 1Die Steuerermäßigung nach den Absätzen 1 bis 3 kann nur in Anspruch genommen werden, wenn das Beschäftigungsverhältnis, die Dienstleistung oder die Handwerkerleistung in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen oder – bei Pflege- und Betreuungsleistungen – der gepflegten oder betreuten Person ausgeübt oder erbracht wird.

Artikel 9 Absatz 2 Anhang I FZA:

(2) Ein Arbeitnehmer und seine in Artikel 3 dieses Anhangs genannten Familienangehörigen genießen dort die gleichen steuerlichen und sozialen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen.

Bedeutung der EuGH-Entscheidung

Sollte der EuGH die Auffassung des FG Köln bestätigen, könnte dies weitreichende Folgen für in Deutschland steuerpflichtige Personen mit Immobilien in der Schweiz haben. Die Steuerermäßigung nach § 35a EStG könnte dann auch für Handwerksleistungen in der Schweiz gelten. Bis zur Entscheidung des EuGH bleibt abzuwarten, ob sich das deutsche Steuerrecht in diesem Punkt ändern muss.

Sanierungsklausel nach § 8c Absatz 1a KStG – Steuerliche Erleichterung für angeschlagene Unternehmen

Die Sanierungsklausel nach § 8c Absatz 1a des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) spielt eine bedeutende Rolle für Unternehmen, die sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden. Durch diese Regelung kann unter bestimmten Bedingungen verhindert werden, dass steuerliche Verlustvorträge bei einem schädlichen Beteiligungserwerb untergehen. Doch was genau bedeutet das und welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

1. Anwendungsbereich der Sanierungsklausel

Die Sanierungsklausel ist auf alle unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen anwendbar, die in den Geltungsbereich des § 8c KStG fallen. Dabei ist entscheidend, dass der Beteiligungserwerb in direktem Zusammenhang mit einer Sanierung des Unternehmens steht.

2. Voraussetzungen für die Anwendung

Damit die Sanierungsklausel greift, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Sanierungsbedürftigkeit: Das Unternehmen muss in einer wirtschaftlichen Krise stecken, die zur Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung führen kann oder bereits geführt hat.
  • Sanierungsfähigkeit: Es muss eine realistische Aussicht bestehen, das Unternehmen durch geeignete Maßnahmen wieder rentabel zu machen.
  • Sanierungsmaßnahmen: Die Maßnahmen zur Sanierung müssen geeignet sein, die Krise zu bewältigen.

Hierbei wird auf insolvenzrechtliche Prinzipien Bezug genommen (§§ 17 bis 19 InsO), um die Notwendigkeit und Erfolgsaussicht der Sanierung zu bewerten.

3. Beteiligungserwerb zum Zwecke der Sanierung

Ein schädlicher Beteiligungserwerb liegt vor, wenn mehr als 50 % der Anteile einer Kapitalgesellschaft innerhalb von fünf Jahren den Eigentümer wechseln. Normalerweise führt dies dazu, dass Verlustvorträge nicht mehr genutzt werden können. Die Sanierungsklausel kann diesen Untergang verhindern, sofern die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Dabei ist der Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs entscheidend. Dieser muss in der Phase der Krise erfolgen, um als Sanierungsmaßnahme anerkannt zu werden.

4. Erhaltung wesentlicher Betriebsstrukturen

Ein zentrales Kriterium der Sanierungsklausel ist der Erhalt der wesentlichen Betriebsstrukturen. Dies kann auf drei Weisen erreicht werden:

  • Betriebsvereinbarung mit Arbeitsplatzregelung: Eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat, die die Sicherung von Arbeitsplätzen regelt.
  • Lohnsummenregelung: Die Lohnsumme muss innerhalb von fünf Jahren mindestens 400 % der Ausgangslohnsumme betragen.
  • Zuführung von wesentlichem Betriebsvermögen: Neue finanzielle Mittel oder Sachwerte im Umfang von mindestens 25 % des bestehenden Betriebsvermögens müssen eingebracht werden.

Falls diese Bedingungen nicht eingehalten werden, entfällt die Anwendung der Sanierungsklausel mit rückwirkender Wirkung.

5. Ausschluss der Sanierungsklausel

Es gibt bestimmte Situationen, in denen die Sanierungsklausel nicht anwendbar ist:

  • Einstellung des Geschäftsbetriebs: Wenn das Unternehmen seine operative Tätigkeit weitgehend einstellt, kann keine Sanierung im steuerlichen Sinne vorliegen.
  • Branchenwechsel: Falls das Unternehmen innerhalb von fünf Jahren nach dem Beteiligungserwerb seine Branche wechselt, entfällt die Anwendung der Sanierungsklausel.

6. Fazit

Die Sanierungsklausel nach § 8c Absatz 1a KStG bietet eine wertvolle steuerliche Erleichterung für angeschlagene Unternehmen, um den Verlust von steuerlichen Verlustvorträgen zu verhindern. Um die Vorteile dieser Regelung nutzen zu können, ist jedoch eine detaillierte Dokumentation und eine sorgfältige Planung der Sanierungsmaßnahmen erforderlich.

Bei Fragen zur Anwendung der Sanierungsklausel oder zur optimalen steuerlichen Gestaltung einer Sanierung lohnt es sich, frühzeitig steuerlichen Rat einzuholen.

Zinsschranke: Wichtige Änderungen für Unternehmen ab 2024

Mit dem Kreditzweitmarktförderungsgesetz vom 22. Dezember 2023 wurden die Regelungen zur Zinsschranke (nach § 4h EStG und § 8a KStG) geändert und an die EU-Antisteuervermeidungsrichtlinie (ATAD) angepasst. Diese Änderungen betreffen Unternehmen, die Zinsaufwendungen steuerlich geltend machen. Nachfolgend finden Sie eine Übersicht der wichtigsten Neuerungen und ihre Auswirkungen.

1. Zeitliche Anwendung der neuen Zinsschrankenregelungen

Die geänderte Fassung von § 4h EStG gilt für Wirtschaftsjahre, die nach dem 14. Dezember 2023 beginnen und nicht vor dem 1. Januar 2024 enden. Die Regelungen zu § 8a KStG finden ab dem Veranlagungszeitraum 2024 Anwendung.

2. Betriebsausgabenabzug für Zinsaufwendungen

Die Zinsschranke begrenzt den steuerlichen Abzug von Zinsaufwendungen. Betroffen sind:

  • Betriebe mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit
  • Mitunternehmerschaften und deren Sonderbetriebsvermögen
  • Organschaften, die als einheitlicher Betrieb gelten

Nicht betroffen sind vermögensverwaltende Personengesellschaften, es sei denn, sie gelten steuerlich als Gewerbebetrieb.

Welche Aufwendungen fallen unter die Zinsschranke?

  • Alle Zinsen für Fremdkapital (fest oder variabel verzinst)
  • Vergütungen für partiarische Darlehen, typisch stille Beteiligungen oder Genussrechte
  • Zinsaufwendungen aus Finanzierungsleasing oder Factoring
  • Bestimmte Fremdwährungsgewinne/-verluste, die aus der Kapitalaufnahme entstehen

Nicht betroffen sind Miet- und Pachtzinsen, Erbbauzinsen oder sonstige gewinnunabhängige Aufwendungen.

3. Steuerliches EBITDA als Begrenzung des Zinsabzugs

Der Zinsabzug ist auf 30 % des steuerlichen EBITDA begrenzt. Das EBITDA ergibt sich aus dem steuerlichen Gewinn zzgl.:

  • Zinsaufwendungen
  • Abschreibungen nach § 6 und § 7 EStG
  • Verlustvorträgen und Sonderausgabenabzügen

Falls die Zinsaufwendungen den zulässigen Abzugsbetrag übersteigen, werden sie als Zinsvortrag in künftige Jahre vorgetragen.

4. Ausnahmetatbestände von der Zinsschranke

Die Zinsschranke gilt nicht, wenn:

  • Die Nettozinsaufwendungen des Betriebs unter 3 Mio. Euro liegen (Freigrenze)
  • Der Betrieb keinem Konzern angehört und keine Betriebsstätte im Ausland hat (Stand-alone-Klausel)
  • Die Eigenkapitalquote des Betriebs nicht mehr als 2 %-Punkte unter der des Konzerns liegt (Eigenkapital-Escape)

5. Gesellschafterfremdfinanzierung & Konzerninterne Darlehen

Bei konzerninternen Darlehen kann die Zinsschranke in Verbindung mit § 8a KStG zur Anwendung kommen. Hierbei sind Darlehen kritisch, die von nahestehenden Personen oder Gesellschaftern stammen. Solche Darlehen werden steuerlich nur anerkannt, wenn sie marktüblich sind und keine missbräuchlichen Steuervermeidungsstrategien verfolgt werden.

6. Sonderregelungen für Infrastrukturprojekte & ÖPP

Bestimmte langfristige Infrastrukturprojekte sowie öffentlich-private Partnerschaften (PPP) sind von der Zinsschranke ausgenommen, wenn sie:

  • Mit öffentlichen Mitteln finanziert wurden (z. B. EU, Bund, Länder, Gemeinden)
  • In der EU ansässig sind und der Besteuerung unterliegen
  • Für Zwecke der Daseinsvorsorge genutzt werden

Fazit: Was sollten Unternehmen jetzt tun?

  • Prüfen Sie Ihre Zinsaufwendungen: Sind Sie von der Zinsschranke betroffen?
  • Berechnen Sie Ihr steuerliches EBITDA: Können alle Zinsen steuerlich abgezogen werden?
  • Nutzen Sie mögliche Ausnahmetatbestände: Eigenkapital-Escape, Stand-alone-Klausel oder die Freigrenze können helfen, die Steuerlast zu optimieren.
  • Achten Sie auf konzerninterne Darlehen: Sind diese steuerlich unschädlich oder droht eine Zinskürzung?

Die neuen Regelungen zur Zinsschranke treten ab 2024 in Kraft und können sich erheblich auf die steuerliche Abzugsfähigkeit von Zinsen auswirken. Eine frühzeitige steuerliche Analyse ist daher essenziell!

Grundsteuer: Frist zur Anzeige von Änderungen am Grundstück und Gebäude endet am 31.03.2025

Alle Eigentümer von Grundstücken und Immobilien sollten beachten, dass wesentliche Änderungen an ihrem Eigentum bis spätestens zum 31.03.2025 beim zuständigen Finanzamt gemeldet werden müssen. Diese Frist gilt für alle Veränderungen, die bis zum 31.12.2024 eingetreten sind und sich auf die Grundsteuerberechnung auswirken können.

Welche Änderungen sind anzeigepflichtig?

Folgende Änderungen müssen dem Finanzamt gemeldet werden:

  • Bauliche Veränderungen, die die Wohn- oder Nutzfläche beeinflussen, wie:
    • Abriss oder Neubau eines Gebäudes
    • Anbauten, Dachgeschoss- oder Kellerausbau
    • Errichtung von Garagen oder weiteren Nebengebäuden
  • Nutzungsänderungen:
    • Umwandlung von Gewerbeflächen in Wohnraum oder umgekehrt
  • Steuerbefreiungen:
    • Nutzung für steuerfreie Zwecke, z. B. durch eine gemeinnützige Organisation
    • Entfall einer bisherigen Steuerbefreiung durch geänderte Nutzung oder Verkauf
  • Steuervergünstigungen:
    • Beendigung von Förderprogrammen für sozialen Wohnungsbau
    • Aufnahme eines Gebäudes in die Denkmalliste
  • Nachgewiesener niedrigerer Wert:
    • Falls ein Verkehrswertgutachten eine niedrigere Bewertung bestätigt hat, sind Änderungen an den relevanten Faktoren ebenfalls meldepflichtig.

Eigentumsübertragungen

Ein Wechsel des Eigentümerstatus muss dem Finanzamt nur gemeldet werden, wenn die Übertragung nicht auf einem notariellen Kaufvertrag beruht. Dies ist beispielsweise im Erbfall oder durch Schenkung der Fall.

Was muss nicht gemeldet werden?

Es besteht keine Meldepflicht für Änderungen der Wertverhältnisse, die sich im Vergleich zum Hauptfeststellungszeitpunkt (01.01.2022) verändert haben. Dazu gehören unter anderem:

  • Geänderte Bodenrichtwerte
  • Veränderte Mietpreise

Diese Faktoren bleiben bis zur nächsten Hauptfeststellung im Jahr 2029 unverändert.

Wie kann die Meldung erfolgen?

Die Anzeige von Änderungen erfolgt digital über das Online-Portal MeinELSTER. Hier kann entweder eine neue Feststellungserklärung für den Grundbesitzwert abgegeben oder eine sonstige Nachricht an das Finanzamt gesendet werden.

Fazit

Eigentümer sollten sicherstellen, dass sie die Meldefrist zum 31.03.2025 einhalten, um spätere Probleme oder steuerliche Nachteile zu vermeiden. Wer unsicher ist, ob eine Meldung erforderlich ist, sollte sich rechtzeitig steuerlichen Rat einholen.

BFH: Träger eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs haftet für nicht abgeführte Kapitalertragsteuer

BFH, Urteil vom 11.12.2024 – VIII R 24/23
Quelle: Bundesfinanzhof, veröffentlicht am 20.03.2025

Mit Urteil vom 11. Dezember 2024 hat der Bundesfinanzhof (BFH) klargestellt, dass ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (wGB) innerhalb einer gemeinnützigen Körperschaft als eigenständiger Steuerentrichtungspflichtiger gilt – mit weitreichenden Konsequenzen für die Kapitalertragsteuerhaftung.


Hintergrund: Gemeinnützigkeit und wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb

Viele gemeinnützige Organisationen unterhalten neben ihrem ideellen Bereich wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, etwa für gastronomische Angebote, Veranstaltungen oder Sponsoringaktivitäten. Auch wenn beide unter dem Dach einer einzigen Körperschaft stehen, trennt das Steuerrecht diese Bereiche fiktiv, insbesondere im Zusammenhang mit der Kapitalertragsteuer.


Der Fall: Kapitalerträge – aber keine Kapitalertragsteuer

Im vorliegenden Fall wurde eine gemeinnützige Körperschaft für nicht einbehaltene und nicht abgeführte Kapitalertragsteuer (KESt) in Anspruch genommen. Konkret ging es um Ausschüttungen innerhalb der eigenen Struktur – vom wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb an die Trägerkörperschaft. Das Finanzamt sah hierin Kapitalerträge, für die KESt hätte einbehalten und abgeführt werden müssen.


Die Entscheidung des BFH

Der BFH bestätigte die Auffassung der Finanzverwaltung und stellte klar:

  • Fiktives Verhältnis zwischen zwei Rechtssubjekten: Nach § 44 Abs. 6 Satz 1 EStG gelten der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb als Schuldner und die Trägerkörperschaft als Gläubiger der Kapitalerträge – steuerlich also wie zwei verschiedene Personen.
  • Entsprechend ist der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb als „Dritter“ im Sinne von § 171 Abs. 15 AO anzusehen – also als derjenige, der die Steuer schuldet bzw. hätte abführen müssen.
  • Auch für die Frage der Festsetzungsverjährung (§ 171 Abs. 3a AO) ist diese Fiktion relevant: Die Hemmung gilt nur für den tatsächlich angefochtenen Bescheid und nur gegenüber dem betroffenen Rechtsträger – also hier konkret dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil schafft mehr Klarheit – und zugleich neue Risiken:

  • Trennung beachten: Trägerkörperschaft und wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb sind bei Kapitalerträgen steuerlich strikt zu trennen, auch wenn sie formal dieselbe Organisation sind.
  • Pflichten im Blick behalten: Wirtschaftliche Geschäftsbetriebe müssen ihre Pflichten zur Einbehaltung und Abführung von Kapitalertragsteuer kennen und erfüllen – auch bei internen Vorgängen.
  • Verjährungsfragen prüfen: Die Entscheidung grenzt die Verjährungshemmung präzise ein – dies ist insbesondere bei Einsprüchen und Anfechtungen von großer Bedeutung.

Fazit

Der BFH stärkt mit diesem Urteil die steuerliche Eigenständigkeit wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe im Rahmen gemeinnütziger Organisationen. Fehlender Kapitalertragsteuerabzug kann zu einer persönlichen Haftung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs führen. Gemeinnützige Einrichtungen sollten interne Zahlungen sorgfältig prüfen und steuerlich korrekt behandeln.


Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.12.2024 – VIII R 24/23

BFH: Steuerprivilegien in Großbritannien können erweiterte beschränkte Steuerpflicht in Deutschland auslösen

BFH, Urteil vom 14.01.2025 – IX R 37/21
Pressemitteilung Nr. 16/25 vom 20.03.2025

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem wegweisenden Urteil entschieden, dass britische Steuervergünstigungen nach der sogenannten „remittance basis“ in Deutschland kompensatorisch besteuert werden können. § 2 des Außensteuergesetzes (AStG) greift demnach auch dann, wenn Kapitalerträge aufgrund britischer Sonderregeln im Ausland nicht versteuert werden – eine steuerliche Warnung für Wegziehende mit deutschem Vermögen.


Was ist die „remittance basis“?

In Großbritannien können nicht-domicilierte Personen (z. B. Zugezogene) unter bestimmten Bedingungen wählen, ihre ausländischen Einkünfte nur dann zu versteuern, wenn diese ins Vereinigte Königreich überwiesen („remittet“) werden. Einkommen, das im Ausland verbleibt, bleibt steuerfrei. Diese Regelung stellt eine steuerliche Sonderbegünstigung dar, die für bestimmte Personengruppen gilt.


Der Fall: Deutsche Kapitalerträge im Ausland steuerfrei – aber in Deutschland steuerpflichtig?

Im entschiedenen Fall war die Klägerin von Deutschland nach Großbritannien verzogen und nutzte dort die remittance basis. Gleichzeitig erzielte sie weiterhin Zins- und Dividendenerträge aus Deutschland, die sie nicht nach Großbritannien transferierte – und dort somit nicht versteuerte. Das deutsche Finanzamt wandte daraufhin § 2 AStG an, der bei einer niedrigeren ausländischen Besteuerung eine erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht vorsieht.

Die Klägerin wehrte sich, unterlag aber sowohl vor dem Finanzgericht als auch in der Revisionsinstanz vor dem BFH.


Die Entscheidung des BFH

Der BFH bestätigte die Auffassung der Finanzverwaltung:

  • Die remittance basis ist eine begünstigende Vorzugsbesteuerung, weil sie nur einem eingeschränkten Personenkreis offensteht.
  • Die fehlende Besteuerung von nicht transferierten Auslandseinkünften bedeutet eine erhebliche steuerliche Entlastung.
  • § 2 AStG sei in solchen Fällen verfassungsgemäß und unionsrechtskonform und diene dem Ziel, eine Abwanderung in Steueroasen oder Niedrigsteuerländer nicht durch Steuerprivilegien attraktiv zu machen.

Was bedeutet das für Steuerpflichtige?

Die Entscheidung ist ein klares Signal an deutsche Steuerbürger mit Auslandssitz:

  • Wer in ein Land mit speziellen Steuervergünstigungen auswandert, kann dennoch in Deutschland steuerlich erfasst werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
  • Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 2 AStG kann für bis zu zehn Jahre nach dem Wegzug greifen – insbesondere bei deutscher Staatsangehörigkeit und weiterhin vorhandenen wesentlichen wirtschaftlichen Interessen in Deutschland.
  • Die Nutzung von internationalen Steuerprivilegien sollte daher mit Bedacht geplant und steuerlich begleitet werden.

Fazit

Der BFH bekräftigt mit diesem Urteil die Bedeutung des Außensteuergesetzes als Schutzinstrument gegen aggressive Steuervermeidung durch Wohnsitzverlagerung. Zugleich macht er deutlich, dass internationale Gestaltungen auch in Deutschland steuerliche Folgewirkungen haben können – insbesondere dann, wenn sie zu einer spürbaren Minderung der Gesamtsteuerbelastung führen.


Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.01.2025 – IX R 37/21, Pressemitteilung vom 20.03.2025

Elektronische Bescheinigung für Mehrwertsteuerbefreiungen: Neuregelung im EU-Amtsblatt veröffentlicht

Mit der Veröffentlichung der Durchführungsverordnung (EU) 2025/428 im Amtsblatt der Europäischen Union am 28. Februar 2025 wurde ein weiterer Schritt zur Digitalisierung des europäischen Steuerrechts vollzogen. Die Verordnung tritt am 20. März 2025 in Kraft und bringt wichtige Änderungen bei der Bescheinigung von Mehrwertsteuerbefreiungen nach Artikel 151 der MwSt-Richtlinie (2006/112/EG).


Hintergrund: Elektronische statt papiergebundener Bescheinigungen

Die Neuerung geht zurück auf die Richtlinie (EU) 2025/425, welche die bislang in Papierform verwendete Bescheinigung durch eine elektronische Bescheinigung über die Mehrwertsteuerbefreiung ersetzt. Diese dient dem Nachweis, dass eine bestimmte Lieferung oder Leistung von der Mehrwertsteuer befreit ist – insbesondere im Kontext von Umsätzen an internationale Organisationen, diplomatische Einrichtungen oder ähnliche Empfänger.


Übergangszeitraum bis 2032

Damit die Mitgliedstaaten ausreichend Zeit für die technische und organisatorische Umsetzung der neuen Regelung erhalten, wurde ein Übergangszeitraum bis zum 30. Juni 2032 vorgesehen:

  • Bis zum 30.06.2032: Verwendung der bisherigen Papierbescheinigung nach Anhang II der VO (EU) Nr. 282/2011 weiterhin möglich.
  • Ab dem 01.07.2032: Ausschließliche Verwendung der elektronischen Bescheinigung verpflichtend. Papierbescheinigungen verlieren ihre Gültigkeit.

Änderungen im Überblick – Durchführungsverordnung (EU) 2025/428

Die Verordnung 2025/428 ändert die bestehende Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 in folgenden Punkten:

  1. Artikel 51 wird angepasst: Dieser Artikel regelt künftig die parallele Verwendung von Papier- und elektronischen Bescheinigungen bis zum Ablauf der Übergangszeit.
  2. Anhang II wird neu gefasst: Die Mustervorlage für die Papierbescheinigung wird an die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst.
  3. Ab dem 01.07.2032: Artikel 51 und Anhang II werden ersatzlos gestrichen – damit wird die Verwendung der Papierbescheinigung dauerhaft ausgeschlossen.

Ausblick: Fristen für nationale Umsetzung

Die Mitgliedstaaten der EU sind verpflichtet, die technischen Voraussetzungen für das elektronische Verfahren bis spätestens 30. Juni 2031 in nationales Recht umzusetzen. Ab dem 01. Juli 2031 kann die elektronische Bescheinigung dann bereits in der Praxis genutzt werden – ein Jahr vor der verpflichtenden Umstellung.


Fazit

Die Einführung der elektronischen Bescheinigung ist ein konsequenter Schritt hin zur Vereinheitlichung und Digitalisierung der Mehrwertsteuerpraxis innerhalb der EU. Unternehmen, insbesondere im grenzüberschreitenden B2G-Bereich, sollten frühzeitig prüfen, ob ihre Systeme die neuen Anforderungen rechtzeitig erfüllen können.


Quelle: DATEV eG – Informationsbüro Brüssel, Mitteilung vom 18.03.2025