Alle Beiträge von steuerschroeder.de

Steuerberater

Digitale Steuerbescheide – Was ab 2026 gilt

DStV, Mitteilung vom 13.10.2025
Elektronische Bescheide werden zur Regel, Papier zur Ausnahme – worauf Steuerpflichtige und Kanzleien jetzt achten müssen.


Hintergrund

Mit dem Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) hat der Gesetzgeber die Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens weiter vorangetrieben. Ab 1. Januar 2026 treten neue Vorgaben für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten durch Datenabruf in Kraft.

Damit werden elektronische Steuerbescheide zur Regel – die Papierform bleibt nur noch die Ausnahme.
Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) fasst die Änderungen zusammen und empfiehlt Kanzleien, sich frühzeitig organisatorisch und technisch darauf einzustellen.


1. Elektronische Bekanntgabe ohne Einwilligung

Die neue Fassung des § 122a AO erlaubt es den Finanzbehörden, Verwaltungsakte – insbesondere Steuerbescheide – durch Bereitstellung zum elektronischen Abruf bekanntzugeben.

Wesentliche Änderung: Eine Einwilligung des Steuerpflichtigen ist künftig nicht mehr erforderlich.

Steuerbescheide, die auf Grundlage elektronisch eingereichter Steuererklärungen erlassen werden, gelten somit standardmäßig als elektronisch bereitgestellt. Die Finanzverwaltung sendet eine Benachrichtigung, sobald der Bescheid abrufbar ist.


2. Widerspruch gegen die elektronische Bekanntgabe möglich

Trotz der Digitalisierung bleibt der Papierbescheid weiterhin auf Antrag möglich.
Der Steuerpflichtige kann der elektronischen Bekanntgabe formlos widersprechen und eine postalische Zusendung verlangen – einmalig oder dauerhaft, ohne Angabe von Gründen.

Wichtig:

  • Der Antrag wirkt nur für die Zukunft, nicht rückwirkend.
  • Die Finanzämter können weiterhin ältere Bescheide elektronisch bekannt geben, wenn diese bereits digital erstellt wurden.

3. Beginn der Einspruchsfrist – neue Fristregelung

Ein elektronisch bereitgestellter Bescheid gilt am vierten Tag nach Bereitstellung als bekannt gegeben (§ 122a Abs. 5 AO n. F.). Erst ab diesem Zeitpunkt beginnt die Einspruchsfrist von einem Monat zu laufen.

Die von der Finanzverwaltung versandte Benachrichtigung über die Bereitstellung dient künftig nur noch der Information. Sie ist nicht mehr maßgeblich für den Fristbeginn.

Das bedeutet: Wer Bescheide nicht regelmäßig abruft, riskiert, dass die Einspruchsfrist unbemerkt abläuft.


4. Handlungsempfehlungen für Kanzleien und Mandanten

Die Umstellung auf den elektronischen Datenabruf eröffnet Chancen zur Effizienzsteigerung, erfordert aber auch Prozessanpassungen. Kanzleien und Mandanten sollten daher noch 2025 folgende Punkte prüfen und vorbereiten:

Kommunikation & Organisation

  • Bestehende Kommunikationswege mit der Finanzverwaltung analysieren.
  • Zuständigkeiten für Datenabruf und Fristenkontrolle in der Kanzlei klar regeln.
  • Urlaubs- und Krankheitsvertretungen sicherstellen.

Technische Vorbereitung

  • Nutzerkonten (z. B. ELSTER) einrichten oder aktualisieren.
  • Vollmachtsdatenbank (VDB) prüfen: Sind E-Mail-Adresse, Postempfang und Vertretungsrechte aktuell?
  • Regelmäßigen Abruf automatisieren, um Fristversäumnisse zu vermeiden.

Mandanteninformation

  • Mandanten über die Änderungen informieren und ggf. schriftlich abfragen, ob sie der elektronischen Bekanntgabe widersprechen möchten.
  • Auf Wunsch entsprechende Papierbescheide beantragen.

5. Chancen der Umstellung

Die Digitalisierung der Steuerbescheide ist ein wichtiger Schritt hin zu einem modernen, papierarmen Besteuerungsverfahren.
Vorteile ergeben sich insbesondere durch:

  • Schnellere Zustellung und Verarbeitung von Bescheiden,
  • Reduzierte Bürokratiekosten in Kanzleien und Finanzverwaltung,
  • Einfache Archivierung in digitalen Dokumentenmanagementsystemen,
  • Bessere Nachvollziehbarkeit und strukturierte Datenverarbeitung.

Zugleich steigt die Bedeutung einer zuverlässigen Fristenkontrolle – sowohl für Steuerberater als auch für Selbstbucher und Unternehmen.


Fazit

Ab 2026 gilt: Digital ist Standard.
Die elektronische Bereitstellung von Steuerbescheiden ersetzt den Papierbescheid als Regelfall.
Kanzleien sollten ihre internen Abläufe, Vollmachten und Kommunikationswege jetzt überprüfen, um rechtzeitig vorbereitet zu sein.

Wer weiterhin Papierbescheide erhalten möchte, muss aktiv widersprechen – ein einfacher Antrag genügt.


Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e.V. (DStV), Mitteilung vom 13.10.2025

Übergang des wirtschaftlichen Eigentums bei schenkweiser Übertragung von GmbH-Anteilen unter Nießbrauchsvorbehalt

FG Düsseldorf, Urteil vom 04.09.2025 – 9 K 2034/24 E (rechtskräftig)
Nießbrauchsbelastung hindert den unentgeltlichen Erwerb nicht – ursprüngliche Anschaffungskosten des Schenkers bleiben bei der Veräußerung maßgeblich.


Sachverhalt

Der Kläger erhielt von einem Schenker GmbH-Anteile unentgeltlich, wobei sich der Schenker ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vorbehielt.
Dieses Nießbrauchsrecht führte zu erheblichen Einschränkungen der Eigentümerposition des Klägers:

  • kein Gewinnbezugsrecht,
  • eingeschränkte Stimmrechte,
  • Verfügungsverbot über die Anteile.

Später veräußerte der Kläger die GmbH-Anteile entgeltlich an einen Dritten.
Unmittelbar vor der Veräußerung verzichtete der Schenker gegen Zahlung einer Ablöse auf sein Nießbrauchsrecht.

Das Finanzamt war der Auffassung, dass der Kläger das wirtschaftliche Eigentum erst mit Ablösung des Nießbrauchs gegen Entgelt erlangt habe.
Daher seien die Anteile nicht unentgeltlich, sondern teilweise entgeltlich erworben worden – mit der Folge, dass die ursprünglichen Anschaffungskosten des Schenkers nach § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG nicht zu übernehmen seien.


Entscheidung des FG Düsseldorf

Das Finanzgericht Düsseldorf gab der Klage statt und stellte klar:

Der Kläger hat bereits im Zeitpunkt der Schenkung sowohl das zivilrechtliche als auch das wirtschaftliche Eigentum an den GmbH-Anteilen erlangt – trotz Nießbrauchsvorbehalts.

Nach Würdigung der Gesamtumstände war der Kläger derjenige, der der tatsächlichen Eigentümerstellung näher stand als der Schenker.
Der lebenslange Nießbrauch begründet zwar wirtschaftliche Einschränkungen, führt aber nicht automatisch dazu, dass das wirtschaftliche Eigentum beim Schenker verbleibt.


Ablösezahlung als nachträgliche Anschaffungskosten

Die Ablösezahlung an den Schenker kurz vor der Weiterveräußerung änderte daran nichts.
Sie diente ausschließlich der Befreiung von der Belastung (Nießbrauch) und führte nicht zu einem entgeltlichen Erwerb der Anteile selbst.

Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 25.01.2022 – IX R 14/21) stellen derartige Ablösezahlungen nachträgliche Anschaffungskosten dar.

Folglich gelten die Anteile steuerlich weiterhin als unentgeltlich erworben, mit der Konsequenz, dass bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns die ursprünglichen Anschaffungskosten des Schenkers nach § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG zu berücksichtigen sind.


Rechtliche Würdigung und Bedeutung für die Praxis

Das Urteil konkretisiert die Abgrenzung von zivilrechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum im Zusammenhang mit Nießbrauchsgestaltungen und Schenkungen von Gesellschaftsanteilen.

Wesentliche Punkte:

  • Der Nießbrauchsvorbehalt allein verhindert den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nicht automatisch.
  • Maßgeblich ist eine Gesamtbetrachtung der tatsächlichen Verhältnisse (Verfügungsbefugnis, Chancen und Risiken der Beteiligung).
  • Eine Ablösung des Nießbrauchs gegen Zahlung führt nicht zu einem entgeltlichen Erwerb, sondern zu nachträglichen Anschaffungskosten.
  • Bei anschließender Veräußerung sind somit die ursprünglichen Anschaffungskosten des Schenkers maßgeblich (§ 17 Abs. 2 Satz 5 EStG).

Das Urteil stärkt die steuerliche Rechtssicherheit bei der vorweggenommenen Erbfolge mit Nießbrauchsvorbehalt, einer gängigen Gestaltungsform in der Unternehmensnachfolge.


Fazit

Das FG Düsseldorf stellt klar:

  • Auch wenn der Erwerber durch ein Nießbrauchsrecht in seiner Nutzung stark eingeschränkt ist, kann er wirtschaftlicher Eigentümer im Sinne des Steuerrechts sein.
  • Die Ablösung des Nießbrauchs ändert daran nichts, sondern führt lediglich zu nachträglichen Anschaffungskosten.

Damit bleibt der unentgeltliche Charakter der Übertragung gewahrt – und die ursprünglichen Anschaffungskosten des Schenkers sind bei der späteren Veräußerung fortzuführen.


Quelle:
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 04.09.2025 – 9 K 2034/24 E (rechtskräftig)
Mitteilung im Newsletter Oktober 2025

Weitere Grundsätze zur Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG

BMF-Schreiben (koordinierter Ländererlass) vom 10.10.2025 – IV C 2 – S 2706/00061/003/134
Neue Kriterien für die Zusammenfassung kommunaler BgA mit Energiebezug – Wärmepumpen, PV-Hybridanlagen und Fernwärmenetze künftig einbezogen.


Hintergrund

Nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) können Betriebe gewerblicher Art (BgA) einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zusammengefasst werden,

„wenn zwischen ihnen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht.“

Bereits mit BMF-Schreiben vom 11. Mai 2016 (BStBl I S. 479) wurden Grundsätze für die Zusammenfassung insbesondere von Blockheizkraftwerken (BHKW) mit anderen kommunalen Einrichtungen – etwa Schwimmbädern oder Energieversorgungsbetrieben – festgelegt.

Das neue BMF-Schreiben vom 10. Oktober 2025 erweitert nun diese Grundsätze auf weitere Formen der Energieerzeugung und -versorgung.


Neue Fallgruppen für die Zusammenfassung nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG

Nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder stellt das BMF klar:
Neben einem BHKW können künftig auch folgende Anlagen bzw. Systeme eine technisch-wirtschaftliche Verflechtung begründen:

  • Wärmepumpen,
  • hybride Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen),
  • Fernwärmenetze.

Damit reagiert das BMF auf die zunehmende Dekarbonisierung und Elektrifizierung kommunaler Energieversorgung und schafft steuerliche Klarheit für moderne, nachhaltige Energieinfrastrukturen.


Praktische Bedeutung: Verbindung von „Bad-BgA“ und „Versorgungs-BgA“

Die Neuregelung betrifft vor allem kommunale Schwimmbäder und Energieversorgungsbetriebe:
Ein „Bad-BgA“ kann nun mit einem „Versorgungs-BgA“ (Netzbetrieb oder Energieversorgung) zusammengefasst werden, wenn eine enge technisch-wirtschaftliche Abhängigkeit besteht.

Beispiele für eine zulässige Zusammenfassung:

  • Eine Wärmepumpe, die den überwiegenden Wärmebedarf des Schwimmbads deckt und zugleich mit einem kommunalen Stromversorgungsnetz gekoppelt ist.
  • Eine hybride PV-Anlage, die das Schwimmbad mit eigenem Strom versorgt und in das Netz des Energie-BgA einspeist.
  • Ein Fernwärmenetz, das das Bad direkt beliefert und dessen Lastenmanagement mit dem Betrieb des Energie-BgA abgestimmt ist.

Das BMF betont, dass die Zusammenfassung stets einzelfallbezogen zu prüfen ist.
Entscheidend ist, dass eine wechselseitige technische und wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht vorliegt – insbesondere hinsichtlich

  • des Gesamtwärmebedarfs des Bad-BgA und
  • der Stromerzeugung bzw. Steuerbarkeit des Energiesystems des Versorgungs-BgA.

Abgrenzung und Prüfungsmaßstab

Das Schreiben betont, dass keine schematische Anwendung erfolgen darf.
Vielmehr ist für jede Kommune bzw. jeden BgA zu prüfen:

  1. Besteht eine physische Energieverbindung (Wärme, Strom, Lastenmanagement)?
  2. Sind die Betriebsabläufe wirtschaftlich voneinander abhängig?
  3. Erfolgt eine gemeinsame Nutzung technischer Einrichtungen oder ein abgestimmter Einsatz von Energiekomponenten?

Eine rein organisatorische oder verwaltungstechnische Verbindung genügt hingegen nicht.


Steuerliche Folgen

Eine anerkannte Zusammenfassung nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG führt dazu, dass:

  • die zusammengefassten BgA gemeinsam als ein einheitlicher BgA gelten,
  • Gewinne und Verluste zusammen ermittelt werden,
  • eine einheitliche Steuererklärung abgegeben wird,
  • und Verrechnungen innerhalb der verbundenen Tätigkeiten steuerlich zulässig sind.

Dies kann zu einer Vereinfachung der steuerlichen Behandlung und ggf. zu Steuervorteilen führen, etwa durch den Ausgleich von Verlusten des Bad-BgA mit Gewinnen aus dem Versorgungs-BgA.


Fazit

Mit dem Schreiben vom 10. Oktober 2025 reagiert das BMF auf die zunehmende Verzahnung kommunaler Energie- und Infrastrukturbetriebe im Zuge der Energiewende.
Kommunen erhalten damit mehr Gestaltungsspielraum bei der steuerlichen Zusammenfassung von BgA, insbesondere wenn erneuerbare Energiequellen eingesetzt werden.

Die Entscheidung eröffnet Chancen für effiziente, steuerlich optimierte und ökologisch nachhaltige Strukturen im kommunalen Bereich – setzt aber zugleich eine gründliche Einzelfallanalyse voraus.


Quelle:
Bundesministerium der Finanzen, Schreiben (koordinierter Ländererlass) vom 10.10.2025 – IV C 2 – S 2706/00061/003/134

Das vollständige Schreiben finden Sie auf der Homepage des BMF.

Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Mehrseitigen Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen (BEPS-Multilateral Instrument)

BMF, Mitteilung vom 09.10.2025
Deutschland erweitert BEPS-Umsetzung auf 62 weitere Doppelbesteuerungsabkommen – multilaterale Anpassung soll internationalen Steuerwettbewerb eindämmen.


Hintergrund: BEPS-Multilateral Instrument (BEPS-MLI)

Zur Umsetzung der im Rahmen des OECD/G20-Projekts „Base Erosion and Profit Shifting (BEPS)“ entwickelten Maßnahmen gegen aggressive Steuergestaltungen und Gewinnverlagerungen wurde am 24. November 2016 das sogenannte BEPS-Multilateral Instrument (BEPS-MLI) beschlossen.

Dieses multilaterale Abkommen dient dazu, bestehende Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) effizient an den internationalen BEPS-Mindeststandard anzupassen – ohne dass jedes Abkommen einzeln neu verhandelt werden muss.

In Deutschland erfolgt die Umsetzung des BEPS-MLI in einem zweistufigen Verfahren:

  1. Vertragsgesetz – Zustimmung zum multilateralen Abkommen, Festlegung der betroffenen Abkommen und Auswahlentscheidungen,
  2. Anwendungsgesetz – nationale Konkretisierung der Modifikationen im deutschen Recht.

Ziele des Änderungsgesetzes 2025

Mit dem neuen Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum BEPS-Multilateral Instrument erweitert die Bundesregierung das Vertragsgesetz vom 22. November 2020 (BGBl. II 2020 S. 946, 947) auf 62 weitere deutsche Doppelbesteuerungsabkommen, die bislang nicht dem BEPS-Mindeststandard entsprechen.

Damit sollen künftig nahezu alle deutschen Steuerabkommen in den multilateralen Anpassungsmechanismus eingebunden werden.

Ziel ist es,

  • unerwünschte Steuergestaltungen (etwa hybride Gestaltungen, Treaty Shopping, künstliche Betriebsstättenvermeidung) zu verhindern,
  • und faire Wettbewerbsbedingungen zwischen Staaten und Unternehmen zu sichern.

Verfahren und nächste Schritte

Die Änderungen treten nicht unmittelbar mit Inkrafttreten des Änderungsgesetzes in Kraft. Es ist ein mehrstufiges Verfahren vorgesehen:

  1. Gemeinsame Benennung der betroffenen Abkommen:
    Deutschland und der jeweilige Vertragspartner müssen das Steuerabkommen übereinstimmend als vom BEPS-MLI erfasst deklarieren.
  2. Anpassung des Anwendungsgesetzes (BGBl. I 2024 Nr. 205):
    Nach der Benennung werden die konkreten Modifikationen im nationalen Recht festgelegt.
  3. Notifikation an die OECD:
    Deutschland informiert die OECD darüber, dass die innerstaatlichen Voraussetzungen für das Wirksamwerden des BEPS-MLI erfüllt sind. Erst danach entfalten die Änderungen völkerrechtliche Wirkung.

Bedeutung für die Praxis

Die Ausweitung des BEPS-MLI auf zusätzliche Steuerabkommen hat erhebliche Auswirkungen auf international tätige Unternehmen, insbesondere in den Bereichen Verrechnungspreise, Betriebsstättenbegründung und Quellensteuerentlastung.

Wichtige praktische Punkte:

  • Steuerplanungen, die auf vertragliche Lücken oder Gestaltungen in älteren DBA beruhen, müssen überprüft werden.
  • Die Einführung von Anti-Treaty-Shopping-Klauseln und erweiterten Missbrauchsregeln kann bestehende Strukturen unmittelbar betreffen.
  • Unternehmen sollten künftig bei Gestaltungen mit Auslandsbezug eine BEPS-MLI-Kompatibilitätsprüfung durchführen.
  • Auch für Finanzinstitute, Holdinggesellschaften und Fondsstrukturen sind Auswirkungen auf Quellensteuerregelungen zu erwarten.

Einordnung und Ausblick

Mit der nun geplanten Erweiterung auf 62 weitere Doppelbesteuerungsabkommen stärkt Deutschland seine Rolle als aktiver Akteur in der internationalen Steuertransparenz- und Fair-Taxation-Initiative.
Zugleich bleibt der bilaterale Anpassungsweg weiterhin offen – insbesondere dort, wo spezifische Sonderregelungen (z. B. zu Dividenden oder Lizenzgebühren) erforderlich sind.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) betont, dass die multilaterale Anpassung nicht nur steuerpolitisch, sondern auch administrativ effizienter ist:
Anstelle von Dutzenden bilateraler Änderungsverhandlungen wird eine einheitliche multilaterale Grundlage geschaffen, die zentral über die OECD koordiniert wird.


Fazit

Das Änderungsgesetz zum BEPS-Multilateral Instrument markiert einen weiteren Schritt zur Modernisierung und Vereinheitlichung der internationalen Steuerabkommenslandschaft.
Für Unternehmen mit grenzüberschreitenden Aktivitäten wird die Compliance-Komplexität steigen, zugleich aber auch Rechtssicherheit und Transparenz gefördert.

Kanzleien und Steuerabteilungen sollten die weiteren Schritte des Gesetzgebungsverfahrens und die Veröffentlichung der konkret betroffenen Abkommen genau verfolgen, um rechtzeitig Anpassungen in ihrer Steuerstrukturplanung vorzunehmen.


Quelle:
Bundesministerium der Finanzen, Mitteilung vom 09.10.2025 – Referentenentwurf zum Änderungsgesetz des BEPS-Multilateral Instrument (BEPS-MLI)

Modernisierungsagenda Digitalisierung: Bundesregierung will neue Standards für Gesetze

BRAK, Mitteilung vom 10.10.2025
„Law as Code“, KI in der Verwaltung und 24-Stunden-Unternehmensgründung – Bundesregierung beschließt umfassendes Reformprogramm zur Modernisierung von Staat und Gesetzgebung.


Digitalisierung und Entbürokratisierung als Staatsziel

Mit der bei der Kabinettklausur am 1. Oktober 2025 verabschiedeten Modernisierungsagenda hat die Bundesregierung ein ressortübergreifendes Reformprogramm zur Digitalisierung von Staat und Verwaltung beschlossen.
Ziel ist laut offizieller Pressemitteilung ein „schneller, digitaler und handlungsfähiger Staat, der zügig entscheidet und verlässlich liefert“.

Die Agenda verfolgt dabei zwei Hauptziele:

  1. Verwaltungsmodernisierung – durch digitale Prozesse, Bürokratieabbau und KI-gestützte Entscheidungsunterstützung.
  2. Bessere Rechtsetzung – durch neue Standards in der Gesetzgebung, insbesondere die Einführung von „Law as Code“, also maschinenlesbaren Rechtsnormen.

Neue Maßstäbe für Gesetzgebung: „Law as Code“

Besonders für Juristinnen und Juristen ist der Teil zur „Besseren Rechtsetzung“ von großer Bedeutung.
Erstmals will die Bundesregierung Rechtsnormen künftig nicht nur in Textform, sondern auch als maschinenlesbaren Code formulieren. Ziel ist eine direkte Integration von Gesetzen in IT-Systeme von Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.

Kernpunkte der Reformidee:

  • Einführung einer strukturierten „Frühphase“ bei der Gesetzgebung, in der bereits vor dem Entwurf geprüft wird, ob und wie eine staatliche Regelung erforderlich ist.
  • Einsatz von „Reallaboren“ und Experimentierklauseln, um Gesetze vorab unter realen Bedingungen zu testen.
  • Nutzung von digitalen Werkzeugen wie Rulemapping (grafische Darstellung von Rechtsregeln) und KI-gestützten Editoren, die Gesetzestexte semantisch analysieren und in konsistente Codierungen überführen.
  • Aufbau eines digitalen Gesetzgebungskreislaufs, der von der Konzeption über den Entwurf bis zur praktischen Anwendung reicht.

Dabei soll der natursprachliche Gesetzestext weiterhin rechtsverbindlich bleiben – der Code ergänzt ihn lediglich und erleichtert die maschinelle Verarbeitung.


Mehr Effizienz durch KI und digitale Verwaltung

Neben der Gesetzgebung sollen auch Verwaltungsprozesse digitalisiert und vereinfacht werden.
Künstliche Intelligenz soll in Zukunft bei der Entscheidungsunterstützung in verschiedenen Bereichen helfen – etwa in Visa-Verfahren, bei Verwaltungsakten oder der gerichtlichen Prüfung von Vorgängen.

Die Bundesregierung betont, dass der KI-Einsatz stets kontrolliert und rechtsstaatlich überprüfbar bleiben müsse. Datenschutz, Transparenz und Nachvollziehbarkeit sollen gewahrt werden.


Bürokratieabbau und neue Service-Strukturen

Die Agenda enthält zudem konkrete Entlastungsziele:

  • Bürokratiekosten sollen bis 2030 um 25 % reduziert werden.
  • Der Personalbestand der Bundesverwaltung soll um 8 %, die Sachkosten um 10 % sinken.
  • Verwaltungsleistungen werden künftig stärker zentralisiert und über digitale Serviceportale angeboten.
  • Bürgerinnen und Bürger erhalten über ein zentral erreichbares Kontaktcenter (Telefon und Online-Zugang) leichter Unterstützung bei Verwaltungsfragen.

Ein zentrales Symbolprojekt ist die geplante „24-Stunden-Unternehmensgründung“:
Ein einheitliches digitales Gründungsportal soll es ermöglichen, ein Unternehmen innerhalb eines Tages vollständig online zu registrieren – ohne Behördengänge, ohne Papierformulare, über ein bundesweit standardisiertes Verfahren.

Weitere Projekte sind:

  • die Zentralisierung der internetbasierten Fahrzeugzulassung (iKfz) beim Kraftfahrt-Bundesamt,
  • der sogenannte „Bau-Turbo“ zur Beschleunigung von Bauverfahren und
  • die Reduktion von Bundesbehörden zur Effizienzsteigerung.

Rechtsetzung der Zukunft: Qualität vor Quantität

Im Handlungsfeld „Bessere Rechtsetzung“ (ab Seite 18 der Agenda) liegt der Fokus auf Qualität, Verständlichkeit und digitaler Tauglichkeit von Gesetzen.
Geplant sind unter anderem:

  • eine vereinheitlichte Methodik für Gesetzesfolgenabschätzungen,
  • Basisschulungen für Referentinnen und Referenten in den Ressorts,
  • eine digitale Evaluierungsplattform für Gesetzeswirkungen,
  • und die Einrichtung eines Zentrums für Legistik, das die Umsetzung koordiniert und vereinfacht.

Diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass Gesetze künftig praxisnäher, verständlicher und digital kompatibel werden.


Fazit: Aufbruch in eine digitalisierte Rechtsordnung

Mit der Modernisierungsagenda Digitalisierung markiert die Bundesregierung einen Wendepunkt in der deutschen Verwaltungs- und Gesetzgebungspraxis.
Die Vision: Ein digitaler Rechtsstaat, der bürokratische Hemmnisse abbaut, Innovation fördert und zugleich Rechtsstaatlichkeit und Bürgernähe wahrt.

Für die Praxis bedeutet das:

  • Juristische Arbeit wird zunehmend datenbasiert und interdisziplinär.
  • Rechtsinformatik und Legal Tech gewinnen weiter an Bedeutung.
  • Steuer-, Anwalts- und Beratungskanzleien sollten ihre digitale Kompetenz ausbauen, um künftig mit maschinenlesbaren Normen und automatisierten Verwaltungsprozessen effektiv arbeiten zu können.

Quelle:
Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), Mitteilung vom 10.10.2025

BFH: Keine Pflicht zur Anforderung einer Lesebestätigung bei Einspruch per E-Mail

BFH, Urteil vom 29.04.2025 – VI R 2/23
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Fristversäumnis – Anforderungen an die Sorgfaltspflicht beim E-Mail-Versand eines Einspruchs


Leitsatz

Wird ein Einspruch per E-Mail eingelegt, so ist das Unterlassen der Anforderung einer Empfangs- oder Lesebestätigung ohne Einfluss auf das Verschulden der Fristversäumnis im Rahmen eines Wiedereinsetzungsantrags.


Hintergrund

Die Einlegung von Rechtsbehelfen per E-Mail gehört mittlerweile zum steuerlichen Alltag. Dennoch bestehen immer wieder Unsicherheiten darüber, welche Sorgfaltspflichten ein Steuerpflichtiger oder sein Vertreter bei der elektronischen Übermittlung eines Einspruchs erfüllen muss, um die Einspruchsfrist nach § 355 AO zu wahren.

Im vorliegenden Fall hatte der Steuerpflichtige seinen Einspruch fristgerecht per E-Mail an das Finanzamt übermittelt. Diese E-Mail war im Postausgang dokumentiert, jedoch beim Finanzamt nicht auffindbar. Der Steuerpflichtige beantragte daraufhin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) und trug vor, er habe alles Zumutbare getan, um die fristgerechte Übermittlung sicherzustellen.

Das Finanzamt lehnte den Antrag mit der Begründung ab, der Einspruchsführer habe keine Lesebestätigung angefordert und damit seine Sorgfaltspflicht verletzt.


Die Entscheidung des BFH

Der Bundesfinanzhof stellte klar, dass das Unterlassen der Anforderung einer Empfangs- oder Lesebestätigung bei einer E-Mail-Übermittlung kein schuldhaftes Verhalten darstellt.

BFH-Leitsatz:
Wird ein Einspruch per E-Mail eingelegt, so ist das Unterlassen der Anforderung einer Empfangs- oder Lesebestätigung ohne Einfluss auf das Verschulden der Fristversäumnis im Rahmen eines Wiedereinsetzungsantrags.
(BFH, Urteil vom 29.04.2025 – VI R 2/23, LEXinform 0954638)

Der BFH betont, dass der Absender grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass eine ordnungsgemäß abgesendete E-Mail den Empfänger erreicht, sofern keine Hinweise auf Übermittlungsprobleme vorliegen.
Eine zusätzliche Kontrolle durch Anforderung einer Empfangsbestätigung oder Lesebestätigung ist nicht erforderlich, um die Sorgfaltspflichten zu erfüllen.


Begründung des Gerichts

Der BFH führt aus:

  • Eine E-Mail gilt als versendet, wenn sie den Herrschaftsbereich des Absenders verlassen hat.
  • Der Absender darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass der elektronische Kommunikationsweg – wie andere Übermittlungsformen (Post, Fax) – ordnungsgemäß funktioniert, solange keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen.
  • Eine Pflicht zur Einholung einer Empfangs- oder Lesebestätigung würde die Anforderungen an den E-Mail-Verkehr übermäßig verschärfen und wäre mit dem Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht vereinbar.

Damit grenzt sich der BFH klar von überzogenen Anforderungen an die elektronische Kommunikation ab.


Praktische Bedeutung

Das Urteil schafft Rechtssicherheit für Steuerpflichtige und Berater, die Einsprüche oder andere fristgebundene Schriftsätze elektronisch übermitteln.

Wesentliche Konsequenzen:

  • Die Anforderung einer Lesebestätigung ist nicht erforderlich.
  • Eine Wiedereinsetzung bleibt möglich, wenn der Absender nachweisen kann, dass die E-Mail rechtzeitig abgesendet wurde (z. B. Versandprotokoll, Screenshot, Ausgangsordner).
  • Es gilt derselbe Maßstab wie bei Briefpost oder Fax: Der Absender muss eine ordnungsgemäße Absendung, nicht aber den tatsächlichen Empfang beweisen.

Praxishinweis

  • Nachweis sichern:
    Bewahren Sie Sendeprotokolle oder Versandnachweise sorgfältig auf, um im Zweifelsfall belegen zu können, dass die E-Mail fristgerecht abgesendet wurde.
  • Automatische Eingangsbestätigungen nutzen:
    Zwar nicht rechtlich erforderlich, aber in der Praxis sinnvoll – viele Finanzämter senden automatische Eingangsbestätigungen. Diese können im Streitfall hilfreich sein.
  • Alternative Übermittlungswege:
    Für besonders fristkritische Vorgänge empfiehlt sich zusätzlich die Nutzung des ELSTER-Portals oder die qualifizierte elektronische Signatur (qeS), um Zustellungszweifel zu vermeiden.

Fazit

Mit dem Urteil VI R 2/23 stellt der BFH klar: Die Einlegung eines Einspruchs per E-Mail bleibt ein rechtssicherer Übermittlungsweg, sofern die E-Mail ordnungsgemäß versandt wurde. Eine Lesebestätigung ist nicht erforderlich und ihr Fehlen begründet kein Verschulden bei Fristversäumnis.

Damit stärkt der BFH den digitalen Rechtsverkehr zwischen Bürgern, Steuerberatern und Finanzverwaltung – und setzt ein deutliches Signal für mehr Praxistauglichkeit im Steuerverfahrensrecht.


Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.04.2025 – VI R 2/23

BFH zur Unkenntnis der Finanzbehörde bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO)

BFH, Urteil vom 14.05.2025 – VI R 14/22
Zur Abgrenzung zwischen Kenntnis und bloßer Abrufbarkeit elektronischer Daten bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen


Leitsätze des Urteils

  1. Für die Beurteilung, ob die Finanzbehörde Kenntnis von den für die Steuerfestsetzung wesentlichen tatsächlichen Umständen hat, ist auf diejenigen Personen abzustellen, die innerhalb der zuständigen Finanzbehörde organisatorisch für den Steuerfall zuständig sind – also insbesondere auf die Sachbearbeiter, die den (zu ändernden) Steuerbescheid erlassen haben.
  2. Elektronisch gespeicherte Daten, die zwar mit der Steuernummer des Steuerpflichtigen verknüpft, aber nicht automatisch in die Papierakte oder elektronische Steuerakte aufgenommen werden, gelten nicht allein deshalb als „bekannt“ im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, nur weil sie technisch abrufbar wären.

Hintergrund der Entscheidung

Im Streitfall hatte die Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen vorgeworfen, durch Unterlassen einer Anzeige steuerlich relevanter Tatsachen eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO begangen zu haben.

Der Steuerpflichtige verteidigte sich mit dem Argument, dass der Finanzverwaltung die maßgeblichen Umstände bereits bekannt gewesen seien, da entsprechende Informationen elektronisch gespeichert und mit seiner Steuernummer verknüpft waren.

Der BFH musste klären, ob das bloße Vorhandensein elektronischer Daten in den Systemen der Finanzverwaltung bereits ausreicht, um von einer „Kenntnis“ der Finanzbehörde auszugehen – und damit eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen ausschließt.


Entscheidung des BFH

Der BFH stellte klar, dass eine Kenntnis der Finanzbehörde im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht bereits dann vorliegt, wenn die entsprechenden Daten theoretisch abrufbar oder elektronisch gespeichert sind.

Maßgeblich ist vielmehr,

  • ob die zuständige Organisationseinheit oder Sachbearbeitung tatsächlich Einblick in die Daten hatte oder
  • diese im normalen Arbeitsablauf automatisch in die Steuerakte aufgenommen wurden.

Bloße technische Verfügbarkeit von Daten – etwa in zentralen Datenbanken oder IT-Systemen der Verwaltung – genügt nicht, um eine tatsächliche Kenntnis anzunehmen.

Damit grenzt der BFH die Kenntnis der Behörde ausdrücklich von der Kenntnis einzelner IT-Systeme oder Datenbanken ab.


Bedeutung für die Praxis

Das Urteil hat erhebliche praktische Relevanz für Steuerstrafverfahren und die Verjährungsprüfung bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen:

  • Für die Strafbarkeit:
    Eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen setzt voraus, dass die Finanzbehörde keine Kenntnis von den steuerlich relevanten Tatsachen hatte. Das Urteil präzisiert, dass diese Kenntnis organisatorisch-personenbezogen zu prüfen ist, nicht systembezogen.
  • Für die Verjährung:
    Die Frage, wann die Finanzbehörde Kenntnis erlangt hat, ist auch für den Beginn der Festsetzungsverjährung (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) relevant. Das Urteil stellt klar: Die bloße elektronische Speicherung von Daten löst die Kenntnis und damit den Verjährungsbeginn nicht automatisch aus.
  • Für die Verwaltungsorganisation:
    Finanzbehörden müssen sicherstellen, dass relevante Informationen tatsächlich aktenkundig werden, wenn sie für die Steuerfestsetzung bedeutsam sind. Eine bloße Datenhaltung genügt nicht.

Fazit

Mit dem Urteil VI R 14/22 konkretisiert der BFH die Anforderungen an die „Kenntnis“ der Finanzbehörde bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen.

Die Entscheidung schafft Rechtssicherheit, indem sie eine klare Abgrenzung zwischen theoretischer Datenverfügbarkeit und tatsächlicher Kenntnis zieht.
Für Steuerpflichtige bedeutet dies: Eine unterlassene Mitwirkung kann weiterhin strafbar sein, selbst wenn die Finanzverwaltung die relevanten Informationen irgendwo im System gespeichert, aber nicht aktiv zur Kenntnis genommen hat.


Quelle:
Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.05.2025 – VI R 14/22

Rechengrößen in der Sozialversicherung 2026: Beitragsbemessungsgrenzen steigen deutlich

Bundesregierung, Mitteilung vom 08.10.2025
Neue Sozialversicherungsrechengrößen-Verordnung 2026 beschlossen – höhere Grenzwerte ab 1. Januar 2026


Hintergrund: Warum die Anpassung notwendig ist

Die Bundesregierung hat die Sozialversicherungsrechengrößen-Verordnung 2026 beschlossen. Damit steigen zum 1. Januar 2026 die maßgeblichen Grenzwerte in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung.
Grund für die Anpassung ist die allgemeine Lohn- und Gehaltsentwicklung des Vorjahres.

Für den Großteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bleibt die Beitragsbelastung unverändert – betroffen sind vor allem Besserverdienende, deren Einkommen oberhalb der bisherigen Bemessungsgrenzen liegt.


Neue Grenzwerte in der gesetzlichen Krankenversicherung

Rechengröße20262025
Beitragsbemessungsgrenze (KV/PV)69.750 € / Jahr (5.812,50 € / Monat)66.150 € / Jahr (5.512,50 € / Monat)
Versicherungspflichtgrenze (KV)77.400 € / Jahr (6.450 € / Monat)73.800 € / Jahr (6.150 € / Monat)

Erläuterung:

  • Die Beitragsbemessungsgrenze legt fest, bis zu welchem Bruttoeinkommen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erhoben werden. Einkommensteile oberhalb dieser Grenze sind beitragsfrei.
  • Die Versicherungspflichtgrenze entscheidet darüber, ob ein Arbeitnehmer gesetzlich oder privat krankenversichert sein muss. Wer über dieser Grenze liegt, kann in die private Krankenversicherung (PKV) wechseln.

Neue Grenzwerte in der Rentenversicherung

Rechengröße20262025
Beitragsbemessungsgrenze (allgemeine RV)8.450 € / Monat (101.400 € / Jahr)8.050 € / Monat (96.600 € / Jahr)
Beitragsbemessungsgrenze (knappschaftliche RV)10.400 € / Monat (124.800 € / Jahr)9.900 € / Monat (118.800 € / Jahr)
Vorläufiges Durchschnittsentgelt (RV)51.944 € / Jahr50.493 € / Jahr

Das Durchschnittsentgelt dient der Berechnung der Entgeltpunkte in der Rentenversicherung und spiegelt die allgemeine Lohnentwicklung wider.
Mit der Anpassung wird gewährleistet, dass die Rentenleistungen an das aktuelle Einkommensniveau gekoppelt bleiben.


Soziale Bedeutung der Anpassung

Ohne die jährliche Fortschreibung würden Spitzenverdiener im Verhältnis geringere Beiträge leisten, was langfristig die Finanzierungsbasis der Sozialversicherungssysteme schwächen würde.

Zudem würden sich die Rentenansprüche für Gutverdienende schleichend verringern, da auf Einkommen oberhalb der alten Bemessungsgrenzen keine Beiträge (und somit keine Entgeltpunkte) mehr anfallen.
Die jährliche Anpassung stellt also sicher, dass sowohl Finanzierung als auch Leistungsansprüche stabil bleiben.


Praxishinweis für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

  • Arbeitgeber sollten ab Januar 2026 die neuen Grenzwerte in der Lohnabrechnung berücksichtigen.
  • Arbeitnehmer mit hohem Einkommen müssen ab 2026 mit leicht höheren Beiträgen zur Renten- und Krankenversicherung rechnen.
  • Für die private Krankenversicherung ist die neue Versicherungspflichtgrenze entscheidend: Wer 2026 in die PKV wechseln möchte, muss dauerhaft über der Grenze von 6.450 € monatlich liegen.
  • Selbstständige, die freiwillig gesetzlich versichert sind, sollten ihre Beitragsbasis ebenfalls prüfen und anpassen lassen.

Rechengrößen ab 1. Januar 2026 im Überblick

RechengrößeWert 2026
Beitragsbemessungsgrenze (allgemeine Rentenversicherung)8.450 € / Monat – 101.400 € / Jahr
Beitragsbemessungsgrenze (knappschaftliche Rentenversicherung)10.400 € / Monat – 124.800 € / Jahr
Versicherungspflichtgrenze (gesetzliche Krankenversicherung)77.400 € / Jahr – 6.450 € / Monat
Beitragsbemessungsgrenze (gesetzliche Krankenversicherung)69.750 € / Jahr – 5.812,50 € / Monat
Vorläufiges Durchschnittsentgelt (Rentenversicherung)51.944 € / Jahr

Quelle:
Bundesregierung, Mitteilung vom 08.10.2025 – Sozialversicherungsrechengrößen-Verordnung 2026

Verfassungsrechtliche Konsequenzen aus der Herabsenkung der Wesentlichkeitsgrenze und die Behandlung von Rechtsverfolgungskosten nach § 17 EStG

FG Niedersachsen, Urteil vom 26.08.2025 – 12 K 250/11 (Mitteilung vom 08.10.2025)
Revision zugelassen – Grundsatzentscheidung zur zeitlichen Anwendung und zu den Veräußerungskosten nach § 17 EStG erwartet.


Hintergrund: Herabsenkung der Wesentlichkeitsgrenze

Mit dem Steuersenkungsgesetz vom 26. Oktober 2000 wurde die sogenannte Wesentlichkeitsgrenze des § 17 EStG – also die Beteiligungsschwelle, ab der Veräußerungsgewinne aus Anteilen an Kapitalgesellschaften steuerpflichtig sind – von 10 % auf 1 % gesenkt.
Die Neuregelung gilt seit dem 1. Januar 2002.

Diese Absenkung hatte erhebliche verfassungsrechtliche und praktische Folgen: Sie führte dazu, dass bereits geringe Beteiligungen steuerlich erfasst werden konnten – auch dann, wenn der Wertzuwachs der Anteile bereits vor der Gesetzesverkündung entstanden war.


Der Streitfall

Im nun entschiedenen Fall hatte der Rechtsvorgänger der Kläger im Jahr 2002 Anteile von über 1 % an einer GmbH gewinnbringend veräußert. Das Finanzamt behandelte den Gewinn als steuerpflichtig nach § 17 EStG.

Zur Ermittlung des steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns stellte es – in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 07.07.2010 – 2 BvR 748/05) – auf den gemeinen Wert der Anteile zum 26.10.2000 (Tag der Gesetzesverkündung) ab. Damit sollten Wertzuwächse, die vor diesem Stichtag entstanden waren, von der Besteuerung ausgenommen werden.

Die Kläger argumentierten dagegen, der maßgebliche Zeitpunkt müsse der 1. Januar 2002 – also der Inkrafttretenszeitpunkt der Neuregelung – sein.


Die Entscheidung des FG Niedersachsen (12. Senat)

Der 12. Senat bestätigte die Sichtweise des Finanzamts:
👉 Maßgeblich sei der gemeine Wert zum 26. Oktober 2000, dem Tag der Verkündung des Steuersenkungsgesetzes.

Zur Begründung verwies das Gericht auf die ständige verfassungsgerichtliche Rechtsprechung, nach der der Gesetzgeber mit der Verkündung den Vertrauenstatbestand beendet. Damit ist ein Schutz von Wertzuwächsen, die nach der Verkündung eintreten, verfassungsrechtlich nicht mehr geboten.

Interessant ist, dass der Senat Zweifel daran äußerte, ob überhaupt eine Freistellung der vor der Verkündung entstandenen Wertzuwächse verfassungsrechtlich zwingend erforderlich sei.
Da eine Verböserung (also eine für die Kläger nachteiligere Entscheidung) gemäß § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO unzulässig war, blieb diese Frage jedoch nicht entscheidungserheblich.


Rechtsverfolgungskosten – keine Veräußerungskosten i.S.d. § 17 EStG

Ebenfalls von großer praktischer Bedeutung ist die zweite Aussage des Urteils:
Steuerberatungskosten, die im Zusammenhang mit einem Rechtsbehelfsverfahren über die Steuerpflicht eines Veräußerungsgewinns entstehen, stellen keine Veräußerungskosten i.S.d. § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG dar.

Begründung: Diese Kosten werden nicht durch den Veräußerungsvorgang selbst, sondern durch den nachgelagerten Streit über dessen steuerliche Behandlung veranlasst. Sie sind daher nicht einkünftemindernd im Rahmen der Gewinnermittlung zu berücksichtigen.


Revision zugelassen – Grundsatzfragen offen

Das FG Niedersachsen hat die Revision zum BFH zugelassen.
Es ist daher zu erwarten, dass der Bundesfinanzhof die verfassungsrechtliche Relevanz des Stichtags 26.10.2000 sowie die Abgrenzung von Rechtsverfolgungskosten und Veräußerungskosten in einem Grundsatzurteil klären wird.


Praxishinweis

  • Bei der Veräußerung von GmbH-Anteilen sollte sorgfältig geprüft werden, welche Wertzuwächse steuerpflichtig sind und welche aufgrund verfassungsrechtlicher Schutzwirkungen außer Ansatz bleiben.
  • Steuerberatungskosten im Rahmen von Einsprüchen oder Klagen gegen die Steuerfestsetzung sind nicht als Veräußerungskosten abziehbar, können aber ggf. als Werbungskosten oder außergewöhnliche Belastung geprüft werden.
  • Bis zur Entscheidung des BFH empfiehlt sich, entsprechende Fälle offen zu halten (§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO).

Quelle:
Niedersächsisches Finanzgericht, Mitteilung vom 08.10.2025 zum Urteil vom 26.08.2025 – 12 K 250/11, Newsletter 11/2025

Kassengesetz: DIHK fordert grundlegende Reform – Bürokratie statt Betrugsprävention?

DIHK-Mitteilung vom 7. Oktober 2025

Das Kassengesetz und die damit verbundenen Pflichten wie Technische Sicherheitseinrichtung (TSE), Belegausgabepflicht und Kassenregistrierung sollten laut Koalitionsvertrag auf den Prüfstand.
Eine aktuelle bundesweite IHK-Befragung bestätigt nun den dringenden Handlungsbedarf: Die Umsetzung des Kassengesetzes verursacht hohe Kosten, bringt erhebliche Bürokratielasten – und zeigt in der Praxis zweifelhafte Wirksamkeit bei der Betrugsbekämpfung.


📊 Bürokratische Belastung überwiegt den Nutzen

Ziel der DIHK-Befragung war es, die praktischen Auswirkungen der Kassenpflichten zu untersuchen. Das Ergebnis fällt deutlich aus:

  • Über 50 % der Unternehmen konnten ihre alten Kassensysteme nicht nachrüsten und mussten komplett neue Geräte anschaffen.
    ➜ Durchschnittliche Kosten: bis zu 1.000 Euro pro System (statt der vom Gesetzgeber erwarteten 39 Euro).
  • Rund 300 Euro jährlich entstehen zusätzlich durch die Belegausgabepflicht – obwohl nur ein Drittel der Kunden den Bon tatsächlich mitnimmt.
    ➜ Über 80 % der Belege landen sofort im Müll.
  • 20 % der Unternehmen berichten von technischen Problemen bei der seit 1. Januar 2025 verpflichtenden elektronischen Kassenanmeldung.
  • Unangekündigte Kassen-Nachschauen führten in über einem Drittel der Fälle zu Betriebsstörungen.

Der DIHK resümiert:

„Die Maßnahmen des Kassengesetzes haben zu einer flächendeckenden Belastung geführt, ohne dass nachweislich Steuerbetrug reduziert wurde.“


⚠️ Neuausrichtung dringend erforderlich

Die Wirtschaft fordert eine zielgerichtete Betrugsbekämpfung statt flächendeckender Kontrollen und Pflichten.
Die DIHK schlägt mehrere Reformansätze vor:

1️⃣ TSE-Pflicht differenzieren

Die TSE sollte nicht pauschal für alle Betriebe gelten, sondern risikoorientiert – etwa bei Bargeschäften mit hohem Umsatzvolumen oder Manipulationsrisiko.

2️⃣ Belegausgabepflicht flexibilisieren

Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Abschaffung der Belegpflicht sollte rasch umgesetzt werden.
Künftig sollen Belege nur auf Kundenwunsch ausgegeben werden. Stichproben und Testkäufe bleiben als Kontrollinstrument ausreichend.

3️⃣ Elektronisches Meldeverfahren vereinfachen

Das neue elektronische Verfahren zur Kassenanmeldung ist in der Praxis fehleranfällig.
Hier fordert die Wirtschaft klare Rechtsgrundlagen und technisch stabile Prozesse.

4️⃣ Offene Ladenkasse erhalten

Kleinbetriebe und Selbstständige mit geringen Umsätzen sollten weiterhin manuelle Kassen ohne TSE führen dürfen.
Eine Pflicht zur Digitalisierung sei unverhältnismäßig und nicht durch Betrugsrisiken gerechtfertigt.

5️⃣ Prüfungsmethoden modernisieren

Statt aufwendiger Einzelfallprüfungen sollte die Finanzverwaltung systemorientiert prüfen – also die internen Prozesse und Compliance-Strukturen eines Unternehmens.
Ziel: Ressourcen schonen und zeitnahe Prüfungen zur schnellen Rechtssicherheit ermöglichen.


💬 Kommentar aus Beratungssicht

Das Kassengesetz hat sich zu einem Paradebeispiel für gut gemeinte, aber praxisferne Regulierung entwickelt.
Für viele kleine und mittlere Unternehmen steht der Verwaltungsaufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen.
Die vorgeschlagene Differenzierung nach Risiko und Betriebsgröße wäre ein sinnvoller Schritt, um die Digitalisierung im Bereich der Kassenführung zielgerichtet und verhältnismäßig fortzuführen.

Steuerberater sollten Mandanten weiterhin auf die aktuellen Pflichten nach KassenSichV und § 146a AO hinweisen, zugleich aber die politische Entwicklung im Blick behalten – insbesondere mit Blick auf mögliche Erleichterungen bei der Belegpflicht und TSE-Nutzung.


📌 Fazit

Die DIHK-Befragung zeigt deutlich:

Bürokratieabbau ist beim Kassengesetz überfällig.

Eine Reform sollte das Ziel haben,

  • ehrliche Unternehmen zu entlasten,
  • digitale Lösungen praktikabel zu gestalten und
  • die Finanzverwaltung auf risikoorientierte Prüfungen auszurichten.

Damit ließe sich Steuerbetrug effektiver bekämpfen – ohne die Wirtschaft übermäßig zu belasten.


📚 Quelle:
Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Mitteilung vom 7. Oktober 2025