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EuGH-Vorlage zur Kindergeldberechtigung in Fällen mit EU-Auslandsbezug

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat durch Beschluss vom 8. Mai 2014 III R 17/13 den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) im Wege des Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union um die Beantwortung von Rechtsfragen gebeten, die sich in Fällen mit Bezug zum EU-Ausland bei der Bestimmung des Kindergeldberechtigten ergeben können.

Der in Deutschland wohnende Kläger ist von seiner früheren Ehefrau, die zusammen mit dem gemeinsamen Kind in Polen lebt, geschieden. Er war zeitweise nichtselbständig beschäftigt und zu anderen Zeiten arbeitslos. Seine Ehefrau war in Polen erwerbstätig, hatte jedoch wegen der nach polnischem Recht bestehenden Einkommensgrenze keinen Anspruch auf polnische Familienleistungen. Der Kläger beantragte in Deutschland Kindergeld für das in Polen lebende Kind. Die Familienkasse lehnte den Antrag ab, weil sie der Ansicht war, dass die Kindsmutter anspruchsberechtigt sei.

Das Finanzgericht (FG) gab dem Kläger Recht und verpflichtete die Familienkasse zur Kindergeldzahlung. Es war der Ansicht, die Kindergeldberechtigung des Klägers ergebe sich aus deutschem Recht. Die ab Mai 2010 geltende EU-Verordnung Nr. 883/2004, durch welche die Systeme der sozialen Sicherheit koordiniert werden sollen, sowie die dazu ergangene Durchführungsverordnung Nr. 987/2009 begründen nach Ansicht des FG keinen Kindergeldanspruch der in Polen lebenden Mutter. Das FG setzte sich in seiner Entscheidung mit Art. 60 Abs. 1 der VO Nr. 987/2009 auseinander. Die Vorschrift fingiert, dass „alle beteiligten Personen“ in dem Land leben, in dem der Anspruch auf Kindergeld erhoben wird. Wäre zu unterstellen, dass die vom Kläger geschiedene Kindsmutter mit dem gemeinsamen Kind in einer eigenen Wohnung in Deutschland lebt, so stünde ihr das Kindergeld zu, weil nach deutschem Recht bei getrennt lebenden Eltern derjenige Elternteil kindergeldberechtigt ist, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Das FG war jedoch der Ansicht, Art. 60 Abs. 1 der VO Nr. 987/2009 lasse den Anspruch des Klägers auf Kindergeld nach deutschem Recht nicht entfallen. Es vertrat damit die gleiche Rechtsmeinung wie die überwiegende Mehrzahl der deutschen Finanzgerichte, die sich bereits mit dieser Streitfrage befasst hatten.

Im anschließenden Revisionsverfahren, das von der Familienkasse angestrengt wurde, hat der III. Senat des BFH das Verfahren ausgesetzt und den EuGH um Beantwortung der Frage gebeten, ob die in Art. 60 Abs. 1 der VO Nr. 987/2009 enthaltene Fiktion des gemeinsamen Wohnlandes dazu führt, dass das in Deutschland vorgesehene Kindergeld an den im Ausland getrennt lebenden Elternteil, bei dem das gemeinsame Kind wohnt, zu zahlen ist. Weiterhin hat er angefragt, ob für den Fall, dass der im Ausland lebende Elternteil nach Art. 60 Abs. 1 der VO Nr. 987/2009 kindergeldberechtigt sein sollte, der im Inland lebende Elternteil dann doch anspruchsberechtigt ist, wenn der andere Elternteil keinen Antrag auf Kindergeld gestellt hat, und nach welchem Zeitraum von einer unterbliebenen Antragstellung auszugehen wäre.

BFH, Pressemitteilung Nr. 55/14 vom 06.08.2014 zum Beschluss III R 17/13 vom 08.05.2014

 

BUNDESFINANZHOF Entscheidung vom 8.5.2014, III R 17/13

EuGH-Vorlage zur VO Nr. 883/2004 und zur VO Nr. 987/2009 – Anspruch auf Kindergeld für im EU-Ausland beim getrennt lebenden Ehegatten wohnende Kinder

Leitsätze

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist in einem Fall, in dem eine in einem Mitgliedstaat (Inland) lebende Person Anspruch auf Kindergeld für Kinder hat, die in einem anderen Mitgliedstaat (Ausland) beim anderen, von ihm getrennt lebenden Ehegatten wohnen, Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 anzuwenden mit der Folge, dass die Fiktion, wonach bei der Anwendung von Art. 67 und 68 der VO Nr. 883/2004 die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen ist, als würden alle Beteiligten –insbesondere was das Recht zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt– unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen, dazu führt, dass der Anspruch auf Kindergeld ausschließlich dem im anderen Mitgliedstaat (Ausland) lebenden Elternteil zusteht, weil das nationale Recht des ersten Mitgliedstaats (Inland) vorsieht, dass bei mehreren Kindergeldberechtigten der Elternteil anspruchsberechtigt ist, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat?

2. Für den Fall, dass die erste Frage zu bejahen sein sollte:

Ist bei dem unter 1. dargelegten Sachverhalt Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der VO Nr. 987/2009 dahin auszulegen, dass dem in einem Mitgliedstaat (Inland) lebenden Elternteil der Anspruch auf Kindergeld nach inländischem Recht zusteht, weil der im anderen Mitgliedstaat (Ausland) lebende andere Elternteil keinen Antrag auf Kindergeld gestellt hat?

3. Für den Fall, dass die zweite Frage bei dem unter 1. dargelegten Sachverhalt dahin zu beantworten sein sollte, dass die unterbliebene Antragstellung des im EU-Ausland lebenden Elternteils zum Übergang des Anspruchs auf Kindergeld auf den im Inland lebenden Elternteil führt:

Nach welchem Zeitraum ist davon auszugehen, dass ein im EU-Ausland lebender Elternteil das Recht auf Kindergeld nicht i.S. von Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der VO Nr. 987/2009 „wahrnimmt“ mit der Folge, dass es dem im Inland lebenden Elternteil zusteht?

Tatbestand

1
I. Der in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) wohnende Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist von seiner früheren Ehefrau, die zusammen mit dem im April 2000 geborenen gemeinsamen Sohn in Polen lebt, geschieden. Er bezog im streitigen Zeitraum (Januar 2011 bis Oktober 2012) zunächst Arbeitslosengeld. Von November 2011 bis zum 11. Januar 2012 sowie vom 1. bis zum 22. Februar 2012 war er in Deutschland nichtselbständig beschäftigt, danach bezog er Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch. Die frühere Ehefrau ging in Polen einer Erwerbstätigkeit nach. Sie hatte wegen der nach polnischem Recht bestehenden Einkommensgrenze keinen Anspruch auf polnische Familienleistungen für den hier streitigen Zeitraum. Einen Antrag auf Familienleistungen nach deutschem oder polnischen Recht hat sie nicht gestellt.
2
Im August 2012 beantragte der Kläger Kindergeld für seinen Sohn. Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 3. September 2012 ab, da die Kindsmutter vorrangig zum Bezug von Kindergeld nach deutschem Recht berechtigt sei. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2012).
3
Das Finanzgericht (FG) gab der anschließend erhobenen Klage statt. Es verpflichtete die Familienkasse, Kindergeld für den Sohn ab Januar 2011 zu gewähren. Es war der Ansicht, der Kläger habe einen Kindergeldanspruch nach deutschem Recht. Er habe seinen Wohnsitz in Deutschland, sein Kind lebe in einem Land der Europäischen Union. Für den Zeitraum seiner nichtselbständigen Beschäftigung (November 2011 bis Februar 2012) ergebe sich die Anwendbarkeit deutschen Rechts aus Art. 11 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit –VO Nr. 883/2004– (Amtsblatt der Europäischen Union –ABlEU– 2004 Nr. L 166, S. 1), für die übrige Zeit aus Art. 11 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. e der VO Nr. 883/2004. Dem stehe nicht entgegen, dass der Sohn in den Haushalt der Kindsmutter aufgenommen sei. Eine Anspruchskonkurrenz nach Art. 68 der VO Nr. 883/2004 bestehe nicht, da die Kindsmutter wegen des Überschreitens der nach polnischem Recht maßgeblichen Einkunftsgrenze keinen Anspruch auf polnische Familienleistungen habe. Die Vorschrift des § 64 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei nicht einschlägig, weil die Kindsmutter selbst nicht die Anspruchsvoraussetzungen nach §§ 62 ff. EStG erfülle. Aus Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit –VO Nr. 987/2009– (ABlEU 2009 Nr. L 284, S. 1) ergebe sich keine andere Beurteilung. Nach der darin enthaltenen Fiktion sei die Familie so zu behandeln, als habe sie ihren Wohnsitz in Deutschland. Dadurch könnten jedoch keine Rechte Dritter begründet werden, durch die Rechte des Klägers geschmälert oder ausgeschlossen würden. Die Vorschrift des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 solle nur den Rechtsverlust einer aus dem Ausland zugewanderten Person verhindern. Der Anspruch der im Inland lebenden Person könne dadurch jedoch nicht begrenzt oder ausgeschlossen werden.
4
Zur Begründung der Revision trägt die Familienkasse vor, Art. 11 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 bestimme, dass Personen, für die die Verordnung gelte, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats unterlägen. Nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG werde Kindergeld bei mehreren Berechtigten demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen habe. Gemäß Art. 67 Satz 1 der VO Nr. 883/2004 habe eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnten. Ergänzend bestimme Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009, dass bei der Anwendung von Art. 67 und Art. 68 der VO Nr. 883/2004, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelange, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen sei, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen. Damit sei nicht nur geregelt, dass Familienleistungen auch für Familienangehörige zu zahlen seien, die in anderen Mitgliedstaaten lebten (Ausschluss von Wohnsitzklauseln), sondern auch, dass die in anderen Mitgliedstaaten vorliegenden Tatbestände so zu behandeln seien, als lägen sie im zuständigen Mitgliedstaat vor (Sachverhaltsgleichstellung, vgl. Art. 5 der VO Nr. 883/2004). Kindergeld könne somit nur demjenigen gewährt werden, der nach den nationalen Vorschriften vorrangig Berechtigter wäre, wenn sich alle Beteiligten im Inland aufhielten. Im vorliegenden Fall sei deshalb gemäß Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 zu unterstellen, dass auch die Kindsmutter mit dem Kind in Deutschland lebe. Dann wäre sie jedoch gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG vorrangig kindergeldberechtigt, da sie das Kind in ihren Haushalt aufgenommen habe. Ein gemeinsamer Familienhaushalt mit dem Kläger bestehe nicht, so dass für eine Berechtigtenbestimmung nach § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG kein Raum bleibe. Das Kindergeld könne daher gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 EStG nicht an den Kindsvater ausgezahlt werden.
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Auch entspreche es der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), dem Elternteil das Kindergeld zu zahlen, der nach den nationalen Vorschriften der Kindergeldberechtigte sei, auch wenn dieser selbst nicht den deutschen Rechtsvorschriften unterliege. So habe der EuGH in der Rechtssache Hoever und Zachow mit Urteil vom 10. Oktober 1996 C-245/94 und C-312/94 (Slg. 1996, I-4895) entschieden, dass der Ehegatte eines Arbeitnehmers, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats (des Beschäftigungsstaates) unterliege und mit seiner Familie in einem anderen Mitgliedstaat lebe, im Beschäftigungsstaat Anspruch auf Familienleistungen geltend machen könne. Ansonsten wäre der Anspruch auf Erziehungsgeld daran gescheitert, dass keiner der Ehegatten sämtliche Anspruchsvoraussetzungen in seiner Person erfüllt habe. In der Entscheidung in der Rechtssache Dodl und Oberhollenzer vom 7. Juni 2005 C-543/03 (Slg. 2005, I-5049, Rdnr. 61 und 62) habe der EuGH hervorgehoben, dass der Umstand, dass der Vater eines Kindes nicht die nach den deutschen Rechtsvorschriften vorgesehenen Anspruchsvoraussetzungen erfüllte, für die Anwendung des Art. 10 Abs. 1 Buchst. b lit. i der Verordnung Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der VO Nr. 1408/71 irrelevant sei. Es sei nicht erforderlich, dass die Erwerbstätigkeit von der Person ausgeübt werde, die persönlich Anspruch auf Familienleistungen habe. Es genüge, dass der Anspruch auf Leistungen in diesem Staat für einen Elternteil, hier die Mutter, erworben werde. Unter Berufung auf diese Entscheidung habe der EuGH in der Rechtssache Weide vom 7. Juli 2005 C-153/03 (Slg. 2005, I-6017, Rdnr. 32 f.) entschieden, dass eine in Luxemburg vorgesehene Erziehungszulage auch dann bis zur Höhe des im Wohnmitgliedstaat (Deutschland) vorgesehenen Erziehungsgelds ausgesetzt werde, wenn dieses dem zum Bezug der luxemburgischen Erziehungszulage Berechtigten und nicht dessen Ehegatten geschuldet werde. Augenscheinlich gehe der EuGH davon aus, dass nicht nur zwischen der vorrangigen oder nachrangigen Zuständigkeit der beteiligten Mitgliedstaaten zu unterscheiden sei, sondern auch danach, welcher Elternteil tatsächlich Anspruch auf die jeweilige Familienleistung habe. In Fortführung dieser Rechtsprechung habe der EuGH in der Rechtssache Slanina durch Urteil vom 26. November 2009 C-363/08 (Slg. 2009, I-11111) entschieden, dass grundsätzlich auch der im Ausland lebende Elternteil die Ansprüche auf Familienleistungen im Inland geltend machen könne. Aus dieser Entscheidung folge, übertragen auf § 64 EStG, dass derjenige Elternteil, der der vorrangig Kindergeldberechtigte wäre, wenn er in Deutschland leben würde, diesen Anspruch auch dann geltend machen könne, wenn er in einem anderen Mitgliedstaat lebe. Hierbei könne es nicht darauf ankommen, ob zuvor bereits ein Anspruch in Deutschland bestanden habe und nun nur wegen eines Umzugs in einen anderen Mitgliedstaat in Frage stehe. Vielmehr sei die Situation der Familie für die Festsetzung von Kindergeld von Anfang an unter Einbeziehung des in einem anderen Mitgliedstaat zusammen mit dem Kind lebenden Elternteils zu beurteilen. Grund für die Regelung des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG sei, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung derjenige, der das Kind in seiner Obhut habe, es betreue und erziehe, die höchste Unterhaltslast trage. Dem sei auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten Rechnung zu tragen. Zudem könnten dem Kind erhebliche Nachteile entstehen, wenn das Kindergeld grundsätzlich an den in Deutschland wohnhaften Elternteil ausgezahlt werde. Zwar bestehe die Möglichkeit einer Abzweigung, diese sei jedoch nach Art. 68a der VO Nr. 883/2004 mit einem zusätzlichen und in der Regel aufwendigen Verwaltungsverfahren verbunden. Diese Nachteile könnten vermieden werden, wenn das Kindergeld an die vorrangig berechtigte Person nach Art. 64 Abs. 2 Satz 1 EStG gezahlt werde.
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Die Familienkasse beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die Entscheidung des FG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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II. Der Senat setzt das Revisionsverfahren gemäß § 121 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung aus und legt dem EuGH gemäß Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union die im Leitsatz bezeichneten Fragen zur Vorabentscheidung vor. Die Entscheidung über den Streitfall hängt von der Beantwortung der vorgelegten Fragen ab.
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1. Zur ersten Vorlagefrage:
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a) Nach deutscher Rechtslage haben freizügigkeitsberechtigte Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG Anspruch auf Kindergeld für Kinder, die in Deutschland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem EWR-Staat ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 63 Abs. 1 Satz 3 EStG). Dieser Kindergeldanspruch steht in erster Linie den Eltern für Kinder zu, die mit ihnen im ersten Grad verwandt sind (§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Darüber hinaus können auch Pflegeelternteile, der Ehegatte oder gleichgeschlechtliche Lebenspartner des Elternteils oder Großelternteile anspruchsberechtigt sein. Nach § 64 Abs. 1 EStG wird das Kindergeld nur einem Berechtigten gezahlt, d.h. in der Regel einem der beiden Elternteile. Bei einem gemeinsamen Haushalt bestimmen die Eltern untereinander den Berechtigten (§ 64 Abs. 2 Satz 2 EStG). Leben die Eltern in verschiedenen Haushalten, dann wird das Kindergeld an den Elternteil gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Eine Aufteilung des in einem Betrag auszuzahlenden Kindergelds auf mehrere Berechtigte ist im deutschen Recht nicht vorgesehen. Aus deutscher Sicht muss der Kindergeldberechtigte eindeutig bestimmbar sein, weil die Zahlung an einen nicht Berechtigten die Familienkassen nicht von ihrer Zahlungsverpflichtung befreit. Die Frage, wer Kindergeldberechtigter ist, darf daher nicht offenbleiben. Bei ausschließlicher Anwendbarkeit deutschen Rechts wäre das Kindergeld im Streitfall an den Kläger zu zahlen.
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b) Der nach deutschem Recht zunächst begründete Kindergeldanspruch des Klägers könnte wegen der Anwendbarkeit von Unionsrecht entfallen. Nach Art. 2 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 gilt die Verordnung für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.
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c) Der Umstand, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers keinen Anspruch auf Familienleistungen nach polnischem Recht hat, steht nach Ansicht des Senats der Anwendung der VO Nr. 883/2004 nicht entgegen, obwohl im Streitfall nicht die Familienleistungen verschiedener Mitgliedstaaten zu koordinieren sind. So hat der EuGH in der Rechtssache Schwemmer Koordinierungsrecht angewandt, obwohl wegen der im Ausland (Schweiz) fehlenden Antragstellung dort kein Anspruch auf Familienleistungen bestand und somit nicht die Familienleistungen verschiedener Staaten zu koordinieren waren (EuGH-Urteil vom 14. Oktober 2010 C-16/09, Slg. 2010, I-9717).
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d) Zum sachlichen Geltungsbereich der Verordnung gehören unter anderem Familienleistungen (Art. 3 Abs. 1 Buchst. j der VO Nr. 883/2004), somit auch das nach den Vorschriften der §§ 62 ff. EStG zu gewährende deutsche Kindergeld.
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e) Zuständig für die Erbringung von Familienleistungen gegenüber dem Kläger ist nach Art. 11 Abs. 3 der VO Nr. 883/2004 Deutschland, ohne dass zwischen den Zeiten zu unterscheiden wäre, in denen der Kläger nichtselbständig beschäftigt und in denen er arbeitslos war.
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f) Nach Art. 7 der VO Nr. 883/2004 dürfen, sofern in der Verordnung nichts anderes bestimmt ist, Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder nach dieser Verordnung zu zahlen sind, nicht aufgrund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt bzw. wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat. Von dieser sog. Exportpflicht sind Familienleistungen nicht ausgenommen, da sie nicht in Anhang X zur VO Nr. 883/2004 aufgeführt sind (s. Art. 70 Abs. 2 Buchst. c, Abs. 4 der VO Nr. 883/2004).
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g) In Art. 67 Satz 1 der VO Nr. 883/2004 ist vorgesehen, dass eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats hat, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden.
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aa) Nach Art. 1 Buchst. i Nr. 1 lit. i der VO Nr. 883/2004 ist Familienangehöriger jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird. Es obliegt somit dem zuständigen Mitgliedstaat, die Eigenschaft als Familienangehöriger zu bestimmen.
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bb) Die Vorschriften der §§ 62 ff. EStG enthalten keine ausdrückliche Bestimmung darüber, wer Familienangehöriger ist. Sie regeln, für welche Kinder Kindergeld gewährt wird und welche Person anspruchsberechtigt ist. Darauf, ob die Eltern verheiratet sind oder nicht, kommt es nach deutschem Recht nicht an. Wegen dieser eigenen Anspruchsberechtigung sind die Eltern eines Kindes im Hinblick auf das nach §§ 62 ff. EStG zu gewährende Kindergeld auch dann Familienangehörige, wenn sie nicht (mehr) verheiratet sind.
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cc) In der Rechtssache Slanina (EuGH-Urteil in Slg. 2009, I-11111), in der es darum ging, ob eine zusammen mit dem Kind in das EU-Ausland ausgewanderte Person einen Anspruch auf Familienleistungen geltend machen kann, der nach dem Recht des früheren Wohnstaats an den dortigen Mittelpunkt der Lebensinteressen anknüpft, hat der EuGH darauf abgestellt, ob das Kind in den persönlichen Anwendungsbereich der damals einschlägigen VO (EG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, fällt. Warum es darauf ankommen soll, geht aus der Entscheidung des EuGH nicht hervor. Im Streitfall ist der in Polen lebende Sohn des Klägers nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG dessen Familienangehöriger. Möglicherweise genügt dies dem EuGH, um den persönlichen Anwendungsbereich der VO Nr. 883/2004 auf die geschiedene Ehefrau des Klägers zu erstrecken.
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h) Nach Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 ist bei der Anwendung von Art. 67 und Art. 68 der VO Nr. 883/2004, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen. Die genannte Vorschrift gilt somit auch dann, wenn nur Art. 67 der VO Nr. 883/2004 zur Anwendung kommt. Die letztgenannte Vorschrift ist nach ihrem Wortlaut anwendbar, und zwar in Bezug auf den Kläger. Allerdings wird zu Art. 67 der VO Nr. 883/2004 auch die Auffassung vertreten, dass die Regelung nicht die Funktion habe, dem Familienangehörigen einer im Inland (Deutschland) lebenden Person einen eigenen Anspruch auf Kindergeld nach deutschem Recht einzuräumen (Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 23. März 2011  2 K 2248/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1323).
22
aa) Da die geschiedene Ehefrau als Familienangehörige anzusehen ist, muss –bei Anwendbarkeit des Art. 67 der VO Nr. 883/2004– unterstellt werden, dass alle beteiligten Personen in Deutschland wohnen (Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009). Wegen der Ehescheidung kann im Streitfall allerdings nicht fingiert werden, dass beide Elternteile und der Sohn in einem gemeinsamen Haushalt leben. Vielmehr ist zu unterstellen, dass die frühere Ehefrau des Klägers zusammen mit dem Sohn in einem eigenen Haushalt lebt, so wie dies in Polen der Fall ist. Bei dieser Sichtweise könnte § 64 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG zur Anwendung kommen mit der Folge, dass das Kindergeld dem Elternteil gezahlt wird, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Bei einem fingierten Wohnsitz der geschiedenen Ehefrau in Deutschland würde der Anspruch auf Kindergeld somit ihr zustehen.
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bb) Sollte die Fiktion des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 einschlägig sein, so wäre möglicherweise danach zu unterscheiden, ob Eltern eines Kindes, für das Kindergeld begehrt wird, trotz der –insbesondere durch eine Erwerbstätigkeit bedingten– räumlichen Trennung eine Gemeinschaft bilden. Ist dies der Fall, so ist zu fingieren, dass bei einem unterstellten Wohnsitz des anderen Elternteils und des Kindes ein gemeinsamer Haushalt in Deutschland besteht, was zur Folge hätte, dass die Elternteile den Kindergeldberechtigten untereinander bestimmen könnten. Stellt in einem derartigen Fall der im Inland lebende Elternteil einen Antrag auf Kindergeld nach deutschem Recht, erhält er nur dann Kindergeld, wenn der andere Elternteil seiner vorrangigen Berechtigung zustimmt. Bei Eltern, die keine Gemeinschaft bilden, wäre dagegen –wie ausgeführt– zu fingieren, dass der im Ausland lebende Elternteil in Deutschland zusammen mit dem Kind in einer eigenen Wohnung lebt, was zur Folge hätte, dass nach deutschem Recht nur dieser Elternteil das Kindergeld beanspruchen könnte.
24
i) Eine Auslegung der Art. 7 und 67 der VO Nr. 883/2004 und des Art. 60 der VO Nr. 987/2009 dahingehend, dass dem im Ausland mit dem Kind lebenden Elternteil der Anspruch auf Kindergeld nach deutschem Recht zusteht, scheint in Einklang zu stehen mit dem EuGH-Urteil in der Rechtssache Slanina in Slg. 2009, I-11111. Zwar ist in dieser Entscheidung die Rede davon, dass die in das Ausland verzogene Person den Anspruch auf Familienleistungen nach dem Recht des Herkunftslands „beibehält“. Allerdings hat der EuGH in dieser Rechtssache einen Anspruch auf Familienleistungen nach österreichischem Recht auch für Zeiträume bejaht, die dem Wegzug der Anspruchsinhaberin nachfolgten. Es kann somit nicht entscheidungserheblich sein, ob der zusammen mit dem Kind im Ausland lebende Elternteil schon immer dort gewohnt hat oder erst später dorthin verzogen ist, nachdem er sich von dem im Inland lebenden anderen Elternteil getrennt hatte.
25
j) Gegen eine Auslegung des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 dahingehend, dass der nach deutschem Recht begründete Anspruch des Klägers durch die Anwendung von Unionsrecht entfällt, könnte allerdings sprechen, dass Art. 68a der VO Nr. 883/2004 die Möglichkeit vorsieht, die Familienleistungen mit befreiender Wirkung an diejenige Person zu zahlen, welche tatsächlich für das Kind sorgt. Durch eine derartige Abzweigung wäre sichergestellt, dass die Familienleistungen bei der Person ankommen, die durch Unterhaltsaufwendungen belastet ist. Allerdings hat die Familienkasse auf den erheblichen Verwaltungsaufwand hingewiesen, der nach ihrer Ansicht mit einem Abzweigungsverfahren verbunden ist.
26
2. Zur zweiten Vorlagefrage:
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Sollte die Fiktion des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 anwendbar sein und die geschiedene Ehefrau deshalb so zu behandeln sein, als würde sie mit dem Sohn in einem gemeinsamen Haushalt in Deutschland leben, so stellt sich die weitere Frage, ob die Vorschrift des Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der VO Nr. 987/2009 anzuwenden ist. Hiernach hat der Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind (hier: Deutschland), den vom anderen Elternteil gestellten Kindergeldantrag „zu berücksichtigen“, wenn die Person, die berechtigt ist, den Anspruch auf die Familienleistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahrnimmt. Die Vorschrift geht offensichtlich von einem Verhältnis von Vor- und Nachrangigkeit aus. Ein nachrangig Anspruchsberechtigter soll berechtigt sein, Familienleistungen zu beantragen, wenn der vorrangig Berechtigte dieses Recht nicht wahrnimmt. Nach deutschem Recht hat jedoch bei getrennt lebenden Eltern nur derjenige Elternteil, in dessen Haushalt das Kind lebt, Anspruch auf Kindergeld. Der Elternteil, in dessen Haushalt das Kind nicht aufgenommen ist, hat auch dann keinen Anspruch auf Kindergeld, wenn der andere Elternteil, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat, das Kindergeld nicht beantragt. Es stellt sich somit die Frage, ob Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der VO Nr. 987/2009 insoweit zur Unanwendbarkeit des nationalen Rechts führt, das die Anspruchsberechtigung von im Inland lebenden Kindergeldberechtigten an die Haushaltsaufnahme des Kindes knüpft. Möglicherweise lässt jedoch Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der VO Nr. 987/2009 die ursprüngliche Anspruchsberechtigung unberührt und führt lediglich zu einem Wechsel der Antragsberechtigung. Dies hätte im Streitfall zur Folge, dass der Antrag des Klägers auf Kindergeld nach deutschem Recht bewirkt, dass das Kindergeld nicht ihm, sondern der Ehefrau zu gewähren ist.
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3. Zur dritten Vorlagefrage:
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Sollte Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der VO Nr. 987/2009 dahin auszulegen sein, dass bei einer unterbliebenen Antragstellung des mit dem Kind im EU-Ausland lebenden Elternteils sowohl die Anspruchs- als auch die Antragsberechtigung auf den im Inland lebenden Elternteil übergehen, so stellt sich die Frage, nach welchem Zeitraum dies der Fall ist. Nach deutschem Recht verjährt der Anspruch auf Kindergeld in vier Jahren. Beantragt der im EU-Ausland lebende Elternteil das Kindergeld zunächst nicht und wird dieses deshalb in Anwendung des Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der VO Nr. 987/2009 dem im Inland lebenden Elternteil ausgezahlt, so hätte dies wegen des Grundsatzes, dass Kindergeld nur an einen (einzigen) Elternteil zu zahlen ist, aus der Sicht der Familienkasse befreiende Wirkung gegenüber dem im EU-Ausland lebenden Elternteil, dessen Anspruch auf Kindergeld durch die Zahlung des Kindergeldes an den im Inland lebenden Elternteil erloschen wäre.

Übersendung eines Steuerbescheids per Telefax

Übersendung eines Steuerbescheids per Telefax

Die gesetzlich gebotene Schriftform für behördliche und gerichtliche Entscheidungen wird auch durch Übersendung per Telefax gewahrt.

Hintergrund
Der Streit ging um die Frage, ob die Übersendung eines Einkommensteuerbescheids per Telefax die Festsetzungsverjährung unterbricht.

Die 4-jährige Festsetzungsfrist für die Veranlagung der Steuerpflichtigen X zur Einkommensteuer 2003 lief regulär mit Ablauf des Kalenderjahrs 2008 ab, da sie ihre Einkommensteuererklärung 2003 in 2004 eingereicht hatte. Das Finanzamt übersandte den aufgrund der Erklärung ergangenen Einkommensteuerbescheid vom 30.12.2008 ausweislich des Telefaxjournals am 30.12.2008 per Telefax an das Büro der Steuerberaterin der X. Dagegen legte X Einspruch ein mit der Begründung, wegen nicht rechtzeitiger Bekanntgabe des Bescheids sei zum 31.12.2008 Festsetzungsverjährung eingetreten. Denn nach der 3-Tages-Fiktion gelte ein elektronisch übermittelter Bescheid erst 3 Tage nach der Absendung als bekannt gegeben.

Das Finanzamt entgegnete, die Festsetzungsfrist sei gewahrt, da der Bescheid noch vor Fristablauf den Bereich des Finanzamts verlassen habe und der X tatsächlich zugegangen sei. Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht als unbegründet ab.

Entscheidung
Ebenso wie das Finanzgericht hält auch der Bundesfinanzhof den Verjährungseinwand für unbegründet und wies die Revision zurück.

Der Bescheid ist formwirksam und ordnungsgemäß bekannt gegeben worden. Der Bundesfinanzhof verweist dazu auf die ständige Rechtsprechung, nach der die Schriftform auch durch Übersendung per Telefax gewahrt ist. Denn ein Telefax gewährleistet gleichermaßen den mit dem Gebot der Schriftlichkeit verfolgten Zweck, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können.

Wichtig ist der Hinweis des Bundesfinanzhofs, dass die Übersendung per Telefax nicht als Übersendung eines elektronischen Verwaltungsakts anzusehen ist, für den eine qualifizierte elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz erforderlich wäre. Denn der Bundesfinanzhof vertritt die Auffassung, dass die Neuregelungen über den elektronischen Rechtsverkehr die Wirksamkeit der Bekanntgabe behördlicher oder gerichtlicher Entscheidungen per Telefax nicht berühren. Die Bekanntgabe des Bescheids am 30.12.2008 per Telefax war somit ohne qualifizierte Signatur wirksam.

Mit dem gefaxten Einkommensteuerbescheid hat das Finanzamt daher den Ablauf der Festsetzungsfrist gehemmt. Denn die Frist ist immer gewahrt, wenn der Bescheid vor Fristablauf den Bereich des Finanzamts – mit seinem Wissen und Wollen – verlassen hat und dem Adressaten tatsächlich (wenn auch erst nach Ablauf der Frist) zugegangen ist. Auf die mit der Revision aufgeworfene Frage, ob die 3-Tage-Fiktion im Telefax-Verfahren anwendbar ist, kam es im Streitfall nicht an, da für die Fristhemmung der Zeitpunkt, zu dem der Bescheid das Finanzamt verlassen hat, entscheidend ist, nicht der Zeitpunkt des Zugangs.

Kirchlicher Arbeitgeber darf konfessionslose Bewerberin ablehnen

Kirchlicher Arbeitgeber darf konfessionslose Bewerberin ablehnen

Ein kirchlicher Arbeitgeber darf die Besetzung einer Referentenstelle von der Mitgliedschaft in der christlichen Kirche abhängig machen. Er ist nicht verpflichtet, an eine unberücksichtigte konfessionslose Bewerberin eine Entschädigung zu zahlen, hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden.

Hintergrund
Der Beklagte – ein Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) – schrieb eine Stelle für einen Referenten/eine Referentin aus, um einen unabhängigen Bericht zur Umsetzung der Antirassismus-Konvention der Vereinten Nationen durch Deutschland erstellen zu lassen.

In der Stellenausschreibung wurden entsprechend den kirchlichen Bestimmungen die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen angehörenden Kirche sowie die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag vorausgesetzt.

Die Klägerin, die nicht Mitglied einer Kirche ist, bewarb sich erfolglos um die Stelle; sie wurde zu einem Vorstellungsgespräch nicht eingeladen. Mit ihrer Klage hat sie den Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung wegen einer Benachteiligung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Anspruch genommen.

Beschränkung auf konfessionsgebundene Mitarbeiter erlaubt
Die Klägerin wurde nicht zu Unrecht wegen ihrer Religion benachteiligt, ihr steht daher keine Entschädigung zu, urteilte das Landesarbeitsgericht. Eine Ungleichbehandlung der Klägerin ist im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Selbstbestimmungsrecht der Kirchen gerechtfertigt.

Dem stehen europarechtliche Bestimmungen nicht entgegen; vielmehr wird der Status, den Kirchen in den Mitgliedsstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, durch die Union geachtet. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte für die ausgeschriebene Referententätigkeit eine Identifikation mit ihm fordert, die nach außen durch die Kirchenmitgliedschaft dokumentiert wird; deshalb darf er konfessionslose Bewerber unberücksichtigt lassen. Ob die Klägerin die weiteren Anforderungen der Stellenausschreibung erfüllte, kann dahinstehen.

Fahrtkosten bei Azubis: Keine Reisekosten für Fahrten zum Ausbildungsbetrieb

Fahrtkosten bei Azubis: Keine Reisekosten für Fahrten zum Ausbildungsbetrieb

Fahrtkosten zum Ausbildungsbetrieb können nur steuerfrei erstattet werden, wenn es sich dabei um eine Auswärtstätigkeit handelt.

Auch bei Auszubildenden stellt sich die Frage, ob der Ausbildungsbetrieb ein fester Arbeitsplatz und damit eine sog. erste Tätigkeitsstätte ist (früher: regelmäßige Arbeitsstätte). Wenn ja kann für die Fahrten zum Betrieb nur die Entfernungspauschale angesetzt werden, Arbeitgebererstattungen sind steuerpflichtig. Handelt es sich hingegen um eine Auswärtstätigkeit kann die Kilometerpauschale von 0,30 EUR für die Hin- und nochmals für die Rückfahrt als Werbungskosten angesetzt bzw. vom Arbeitgeber steuerfrei erstattet werden.

Ausbildungsbetrieb als regelmäßige Tätigkeitsstätte
In einem aktuellen Urteilsfall hat sich der Bundesfinanzhof (unter Berücksichtigung der Rechtslage bis 2013) mit dieser Thematik beschäftigt.

Nach seinem Urteil stellte der Ausbildungsbetrieb eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers dar, der der Azubi durch seinen Ausbildungsvertrag zugeordnet ist und in der er über einen längeren Zeitraum – jedenfalls für die gesamte Dauer seines Ausbildungsverhältnisses – fortdauernd und immer wieder seine durch den Ausbildungscharakter geprägte berufliche Leistung gegenüber seinem Arbeitgeber zu erbringen hatte. Die Ausbildung im Ausbildungsbetrieb bildete auch den Kern des gesamten Ausbildungsverhältnisses, sodass sich der Ausbildungsbetrieb als ortsgebundener Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit darstellte.

Steuerliches Reisekostenrecht 2014
Eine solche dauerhafte Zuordnung zum Ausbildungsbetrieb, wie sie im Urteilsfall und wohl auch in den meisten anderen Ausbildungsverhältnissen vorgenommen wird, führt im ab 2014 geltenden Recht ebenfalls zu einer ersten Tätigkeitsstätte im Betrieb. Fahrtkostenerstattungen sind damit steuerpflichtig.

Praxistipp
Will der Arbeitgeber den Auszubildenden trotzdem eine Vergünstigung zukommen lassen, kommt eine Lohnsteuerpauschalierung mit 15 % bis zur Höhe der Entfernungspauschale und eine eventuelle Übernahme der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber in Betracht.

Das geht zwar auch für Zuschüsse zu öffentlichen Verkehrsmitteln, hier könnte aber die steuerfreie Gewährung eines Jobtickets im Rahmen der 44 EUR-Freigrenze für Sachbezüge die günstigere Alternative sein.

Nicht immer darf das Finanzamt Steuerbescheide nachträglich ändern

Nicht immer darf das Finanzamt Steuerbescheide nachträglich ändern

Das Finanzamt darf einen bestandskräftigen Steuerbescheid nicht zu Ungunsten des Klägers unter Berücksichtigung höherer Betriebseinnahmen ändern, wenn bereits der Steuererklärung Unterlagen beigefügt waren, aus denen die Höhe der Betriebseinnahmen ersichtlich war.

Hintergrund
Der Kläger ist Landwirt und nebenberuflich Aufsichtsratsmitglied einer Volksbank. In seiner Einkommensteuererklärung gab er die Höhe seines Gewinns aus der Aufsichtsratstätigkeit mit 3.035 EUR an und fügte eine Bescheinigung der Volksbank über die Höhe der Einnahmen von 6.071 EUR bei. Er fertigte aber weder eine Gewinnermittlung noch eine Anlage EÜR. Das Finanzamt setzte im Steuerbescheid den erklärten Gewinn an. Nach Eintritt der Bestandskraft wurde dem Finanzamt mittels einer Kontrollmitteilung die exakte Höhe der Aufsichtsratsvergütung des Klägers mitgeteilt, das daraufhin einen geänderten Bescheid erließ und nunmehr einen Gewinn von 5.065 EUR berücksichtigte. Der Kläger erhob nach erfolglosem Einspruch Klage beim Finanzgericht und begehrte die Aufhebung des Änderungsbescheids.

Entscheidung
Das Finanzgericht Baden-Württemberg gab der Klage mit der Begründung statt, dass dem Finanzamt die Höhe der Betriebseinnahmen nicht nachträglich bekannt geworden ist. Aufgrund der zusammen mit der Steuererklärung vorgelegten Bankbescheinigung kannte das Finanzamt die Höhe der Einnahmen aus der Aufsichtsratstätigkeit. Wenn demgegenüber ein deutlich niedrigerer Gewinn erklärt wird, ohne dass eine Gewinnermittlung vorgelegt wird, hätte das Finanzamt Anlass zu weiteren Ermittlungen gehabt. Wenn es zum Zeitpunkt des ersten Steuerbescheids diese Ermittlungen nicht anstellt, so ist es nicht berechtigt, diesen Bescheid nach Eintritt der Bestandskraft zu Ungunsten des Klägers zu ändern. Das Gericht hielt es für unbeachtlich, dass die Höhe der Betriebseinnahmen dem Finanzamt nicht auf einem amtlichen Vordruck, sondern lediglich formlos durch Vorlage einer Bescheinigung der Volksbank mitgeteilt worden ist.

30 %ige Pauschsteuer für Geschenke ist keine Betriebsausgabe

30 %ige Pauschsteuer für Geschenke ist keine Betriebsausgabe

Die 30 %ige Pauschsteuer, die für Geschenke an Nicht-Arbeitnehmer mit einem Wert über 35 EUR entrichtet wird, ist nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig. Das hat das Niedersächsische Finanzgericht entschieden. Die Steuer ist vielmehr Teil des Geschenks und unterfällt ebenfalls dem Abzugsverbot.

Hintergrund
Ein Konzertveranstalter verschenkte über mehrere Jahre Freikarten an nicht benannte Empfänger. Im Rahmen einer Außenprüfung behandelte das Finanzamt einen Teil dieser Aufwendungen als nicht abzugsfähige Betriebsausgabe (Geschenke an Nicht-Arbeitnehmer über 35 EUR). Der Veranstalter entrichtete auf diese nachträglich erfassten Zuwendungen die 30 %ige Pauschsteuer gemäß Einkommensteuergesetz. Strittig war nun, ob der Unternehmer diese Steuer als Betriebsausgaben abziehen darf.

Entscheidung
Das Finanzgericht entschied, dass das Finanzamt die entrichtete Pauschsteuer zu Recht nicht als Betriebsausgaben anerkannt hatte, da die Steuer – ebenso wie das Geschenk – unter das Betriebsausgabenabzugsverbot fällt. Die Pauschsteuer ist ein Teil des (nicht abziehbaren) Geschenks, da dem Beschenkten durch die Übernahme der Steuer ein weiterer Vorteil zugewandt wird.

Umsatzsteuersatz für eBooks und Online-Bibliotheken

Umsatzsteuersatz für eBooks und Online-Bibliotheken

Nur die Lieferung gedruckter Bücher unterliegt dem ermäßigten Umsatzsteuersatz. Die Darauf weist die Oberfinanzdirektion Frankfurt hin.

Die Überlassung von eBooks stellt in der Regel überhaupt keine Lieferung dar, wenn diese, wie üblich, aus dem Internet heruntergeladen werden. In diesem Fall handelt es sich um eine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung, die per se nicht begünstigt ist. Soweit die Überlassung allerdings zwischen Unternehmen erfolgt, z. B. zwischen Verlag und Buchhändler, kann der Umsatz gegebenenfalls auch eine begünstigte Übertragung eines Urheberrechtes darstellen. Nur wenn eBooks ausnahmsweise auf Datenträgern (z. B. CD-ROM) bereitgestellt werden, kann dies als Lieferung angesehen werden. Ob hier, entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung, der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist, wird demnächst der Europäische Gerichtshof entscheiden.

Die Nutzung von eLibrarys (elektronische Bibliotheken) unterliegt dem Regelsteuersatz. Wenn Urheberrechte übertragen werden, vertritt die Oberfinanzdirektion die Ansicht, dass es sich um unbeachtliche Nebenleistungen handelt. Allerdings ist hierzu ebenfalls ein Verfahren anhängig, diesmal beim Bundesfinanzhof.

Ohne Leistungserbringung kein Vorsteuerabzug aus Anzahlungen

Ohne Leistungserbringung kein Vorsteuerabzug aus Anzahlungen

Wer Anzahlungen leistet, kann hieraus grundsätzlich die Vorsteuer ziehen, wenn ihm eine ordnungsgemäße Anzahlungsrechnung vorliegt. Nach Erbringung der Leistung wird die Anzahlung im Rahmen der Schlussrechnung berücksichtigt. Der Europäische Gerichtshof hat nun zu der Frage Stellung bezogen, was passiert, wenn die angezahlte Leistung niemals erbracht wird.

Hintergrund
Ein bulgarisches Unternehmen leistete eine Anzahlung für eine Lieferung, die tatsächlich aber nie erbracht wurde. Die zuständige Finanzverwaltung versagte den Vorsteuerabzug. Zur Begründung verwies sie auf die Nicht-Erbringung der Leistung, aber auch darauf, dass der Umsatz der Steuerhinterziehung gedient habe. Letztendlich landete der Fall beim Europäischen Gerichtshof. Dieser sollte über den Vorsteuerabzug entscheiden, wobei er berücksichtigen musste, dass die Anzahlung nicht zurückgezahlt wurde und der vermeintliche Lieferant unverändert zur Abführung der Umsatzsteuer verpflichtet war.

Entscheidung
Der Europäische Gerichtshof verweist zunächst darauf, dass dem Unternehmen der Vorsteuerabzug zum Zeitpunkt der Zahlung nur dann verweigert werden könnte, wenn objektiv bewiesen wäre, dass das Unternehmen hätte wissen müssen, dass der Umsatz Bestandteil eines Steuerbetrugs ist. Allerdings verweist der Europäische Gerichtshof auch darauf, dass unabhängig von der Klärung der vorigen Frage durch das nationale Gericht, der Vorsteuerabzug spätestens nach Ausbleiben der Leistung zu korrigieren ist. Dabei sei es unerheblich, ob die Anzahlung zurückgezahlt wird oder ob der Lieferant unverändert zur Abführung der Umsatzsteuer verpflichtet ist.

Muster der Vordrucke im Umsatzsteuer-Voranmeldungs- und -Vorauszahlungsverfahren für das Kalenderjahr 2014

 Bezug: BMF-Schreiben vom 25. September 2013 – IV D 3 – S 7344/13/10003 (2013/0893340) –

Mit BMF-Schreiben vom 25. September 2013 – IV D 3 – S 7344/13/10003 (2013/0893340) – , BStBl 2013 I S. 1235 , wurden im Umsatzsteuer-Voranmeldungs- und -Vorauszahlungsverfahren für die Voranmeldungszeiträume ab Januar 2014 die Vordruckmuster USt 1 A (Umsatzsteuer-Voranmeldung 2014), USt 1 H (Antrag auf Dauerfristverlängerung und Anmeldung der Sondervorauszahlung 2014) und USt 1 E (Anleitung zur Umsatzsteuer-Voranmeldung 2014) eingeführt.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt Folgendes:

(1) Im Umsatzsteuer-Voranmeldungs- und -Vorauszahlungsverfahren werden für die Voranmeldungszeiträume ab Oktober 2014 die beiliegenden Vordruckmuster eingeführt:

 

   – USt 1 A    Umsatzsteuer-Voranmeldung 2014
   – USt 1 E    Anleitung zur Umsatzsteuer-Voranmeldung 2014

(2) Durch Artikel 8 Nr. 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa i. V. m. Artikel 28 Abs. 4 des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25. Juli 2014 ( BGBl. 2014 I S. 1266 ) wird mit Wirkung vom 1. Oktober 2014 der Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für Lieferungen von Mobilfunkgeräten sowie von integrierten Schaltkreisen (§ 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG ) auf Lieferungen von Tablet-Computern und Spielekonsolen ergänzt. Derartige Umsätze sind im  Vordruckmuster USt 1 A  ab 1. Oktober 2014 vom leistenden Unternehmer in der Zeile 39 (Kennzahl – Kz – 68) und vom Leistungsempfänger nebst Steuer in der Zeile 51 (Kz 78/79) gesondert anzugeben.

(3) Durch Artikel 8 Nr. 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb i. V. m. Artikel 28 Abs. 4 des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25. Juli 2014 ( BGBl. 2014 I S. 1266 ) wird mit Wirkung vom 1. Oktober 2014 der Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf Lieferungen von Edelmetallen und unedlen Metallen erweitert (§ 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG ). Derartige Umsätze sind im  Vordruckmuster USt 1 A  ab 1. Oktober 2014 vom leistenden Unternehmer in der Zeile 40 (Kz 60) und vom Leistungsempfänger nebst Steuer in der Zeile 52 (Kz  84/85) gesondert anzugeben.

(4) Die anderen Änderungen in den beiliegenden Vordruckmustern gegenüber den bisherigen Mustern sind lediglich redaktioneller Art.

(5) Das Vordruckmuster USt 1 A ist im Aufbau und insbesondere im Kopf- und Verfügungsteil – soweit sachlich möglich – mit dem Vordruckmuster der Lohnsteuer-Anmeldung abgestimmt. Steueranmeldungsvordrucke sollen einheitlich sein, deshalb ist der Vordruck auf der Grundlage des unveränderten Vordruckmusters (Absatz 1) herzustellen.

(6) Folgende Abweichungen sind zulässig:

1.           Die im Kopfteil des Vordruckmusters USt 1 A eingedruckte Schlüsselzeile für die Bearbeitung im automatisierten Steuerfestsetzungsverfahren (RPFEST) kann geändert werden, wenn dies aus organisatorischen Gründen unvermeidbar ist.

2.           Soweit die in dem Vordruckmuster USt 1 A enthaltenen Kennzahlen (z. B. im Verfügungsteil) und die im Ankreuzschema enthaltene Jahreszahl „14” für die Datenerfassung nicht benötigt werden, können sie mit Rasterungen versehen werden.

 

In den Fällen der Abweichung soll auf der Vorderseite des Vordruckmusters USt 1 A unten rechts das jeweilige Bundesland angegeben werden. Anderenfalls soll diese Angabe unterbleiben.

(7) Die Umsatzsteuer-Voranmeldung 2014 ist nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung zu übermitteln (§ 18 Abs. 1 Satz 1 UStG ). Informationen hierzu sind unter der Internet-Adresse www.elster.de erhältlich.

(8) Die diesem Schreiben beigefügten Vordruckmuster ersetzen mit Wirkung vom 1. Oktober 2014 die mit o. a. BMF-Schreiben vom 25. September 2013 eingeführten Vordruckmuster USt 1 A (Umsatzsteuer-Voranmeldung 2014) und USt 1 E (Anleitung zur Umsatzsteuer-Voranmeldung 2014). Das Vordruckmuster USt 1 H (Antrag auf Dauerfristverlängerung und Anmeldung der Sondervorauszahlung 2014) bleibt unverändert bestehen.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt I veröffentlicht.

-> Anlage öffnen

 Anleitung zur Umsatzsteuer-Voranmeldung 2014

 Abkürzungen:  AO  =  Abgabenordnung  UStAE  =  Umsatzsteuer-Anwendungserlass
 BZSt  =  Bundeszentralamt für Steuern  UStDV  =  Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung
 GrEStG  =  Grunderwerbsteuergesetz  UStG  =  Umsatzsteuergesetz
 Kj  =  Kalenderjahr  USt-IdNr.  =  Umsatzsteuer-Identifikationsnummer

 Diese Anleitung soll Sie informieren, wie Sie die Vordrucke richtig ausfüllen.

Die Anleitung kann allerdings nicht auf alle Fragen eingehen.

Wesentliche Änderungen gegenüber der Anleitung zur Umsatzsteuer-Voranmeldung des Vorjahres sind durch Randstriche gekennzeichnet.

 Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung auf elektronischem Weg

Die Umsatzsteuer-Voranmeldung ist nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung authentifiziert zu übermitteln (§ 18 Abs. 1 Satz 1 UStG ). Für die elektronische authentifizierte Übermittlung benötigen Sie ein Zertifikat. Dieses erhalten Sie nach kostenloser Registrierung auf der Internetseite www.elsteronline.de/eportal/. Bitte beachten Sie, dass die Registrierung bis zu zwei Wochen dauern kann. Unter www.elster.de/elster_soft_nw.php finden Sie Programme zur elektronischen Übermittlung. Auf Antrag kann das Finanzamt zur Vermeidung von unbilligen Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten.

 So werden die Vordrucke ausgefüllt:

Bitte tragen Sie aus erfassungstechnischen Gründen die Steuernummer auf jeder Vordruckseite (oben) ein.

Füllen Sie bitte nur die weißen Felder der Vordrucke deutlich und vollständig aus, bei denen Sie Angaben zu erklären haben; nicht benötigte Felder lassen Sie bitte frei und sehen von Streichungen ab. Bitte berücksichtigen Sie  Entgeltserhöhungen  und  Entgeltsminderungen  bei den Bemessungsgrundlagen.  Negative Beträge  sind durch ein Minuszeichen zu kennzeichnen.

Werden Belege (Verträge, Rechnungen, Erläuterungen auf gesonderten Anlagen usw.) eingereicht, tragen Sie bitte in Zeile 15 eine „1” ein.

Tragen Sie bei den Bemessungsgrundlagen bitte nur Beträge in vollen Euro ein; bei den Umsatzsteuer- und Vorsteuerbeträgen ist dagegen stets auch die Eintragung von Centbeträgen erforderlich. Rechnen Sie Werte in fremder Währung in Euro um.

Die Umsatzsteuer-Voranmeldung ist vom Unternehmer oder dessen Bevollmächtigten zu unterschreiben, sofern sie nicht elektronisch übermittelt wird.

 Umsatzsteuer-Voranmeldung

 Steuerfreie Lieferungen und sonstige Leistungen

 Zeilen 20 bis 22

Innergemeinschaftliche Lieferungen  (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 UStG ) sind in dem Voranmeldungszeitraum zu erklären, in dem die Rechnung ausgestellt wird, spätestens jedoch in dem Voranmeldungszeitraum, in dem der Monat endet, der auf die Lieferung folgt.

Über die in Zeile 20 einzutragenden Umsätze sind  Zusammenfassende Meldungen  an das Bundeszentralamt für Steuern auf elektronischem Weg zu übermitteln. Außerdem sind diese Umsätze grundsätzlich dem Statistischen Bundesamt monatlich für die  Intrahandelsstatistik  zu melden. Nähere Informationen zur Intrahandelsstatistik erhalten Sie beim Statistischen Bundesamt, 65180 Wiesbaden, Telefon (0611) 75–1, Telefax (0611) 75–724000 sowie unter der Internet-Adresse www.destatis.de.

Über die in den Zeilen 21 und 22 einzutragenden Umsätze ist für jede innergemeinschaftliche Lieferung eines neuen Fahrzeugs eine  Meldung nach der Fahrzeuglieferungs-Meldepflichtverordnung  an das BZSt zu übermitteln.

Nähere Informationen zu den vorgenannten Verfahren erhalten Sie beim BZSt (Dienstsitz Saarlouis, Ahornweg 1 – 3, 66740 Saarlouis, www.bzst.de , Telefon 0228/406–0).

 Zeile 23

In Zeile 23 sind neben steuerfreien  Ausfuhrlieferungen  (§ 4 Nr. 1 Buchst. a, § 6 UStG ) weitere steuerfreie Umsätze mit Vorsteuerabzug einzutragen, z. B.:

  • Lohnveredelungen an Gegenständen der Ausfuhr (§ 4 Nr. 1 Buchst. a, § 7 UStG );
  • Umsätze für die Seeschifffahrt und für die Luftfahrt (§ 4 Nr. 2, § 8 UStG );
  • grenzüberschreitende  Güter beförderungen und andere sonstige Leistungen nach § 4 Nr. 3 UStG ;

 

USt 1 E  – Anleitung zur Umsatzsteuer-Voranmeldung 2014 – (07.14)

  • Vermittlungsleistungen nach § 4 Nr. 5 UStG (z. B. Provisionen im Zusammenhang mit Ausfuhrlieferungen);
  • Umsätze im Sinne des Offshore-Steuerabkommens, des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut, des Ergänzungsabkommens zum Protokoll über die NATO-Hauptquartiere;
  • Reiseleistungen, soweit die Reisevorleistungen im Drittlandsgebiet bewirkt werden (§ 25 Abs. 2 UStG ).

 Zeile 24

Steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug sind z. B. Grundstücksvermietungen (§ 4 Nr. 12 UStG ), Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt oder aus ähnlicher heilberuflicher Tätigkeit (§ 4 Nr. 14 UStG ).

 Steuerpflichtige Lieferungen und sonstige

 Leistungen

 Zeilen 26 bis 28

Als Bemessungsgrundlagen sind die Umsätze und Anzahlungen einzutragen, für die die Umsatzsteuer entstanden ist. Bemessungsgrundlagen sind stets Nettobeträge (ohne Umsatzsteuer), die in vollen Euro (ohne Centbeträge) anzugeben sind. Es sind auch Umsätze einzutragen, bei denen die sog. Mindestbemessungsgrundlage (§ 10 Abs. 5 UStG ) anzuwenden ist. Dagegen sind Umsätze, für die der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nach § 13b Abs. 5 UStG schuldet, nicht hier einzutragen, sondern in Zeile 39 bzw. 40 (vgl. Erläuterungen zu den Zeilen 39, 40 und 48 bis 52).

Unentgeltliche Wertabgaben aus dem Unternehmen sind, soweit sie in der Abgabe von Gegenständen bestehen, regelmäßig den entgeltlichen Lieferungen und, soweit sie in der Abgabe oder Ausführung von sonstigen Leistungen bestehen, regelmäßig den entgeltlichen sonstigen Leistungen gleichgestellt. Sie umfassen auch unentgeltliche Sachzuwendungen und sonstige Leistungen an Arbeitnehmer.

Es sind auch die Umsätze bei der Lieferung von Gegenständen aus einem Umsatzsteuerlager einzutragen, wenn dem liefernden Unternehmer die Auslagerung zuzurechnen ist. In allen anderen Fällen der Auslagerung – insbesondere wenn dem Abnehmer die Auslagerung zuzurechnen ist – sind die Umsätze in Zeile 65 einzutragen (vgl. Erläuterungen zu Zeile 65).

 Zeilen 29 bis 30

Land- und forstwirtschaftliche Betriebe , die ihre Umsätze nach den Durchschnittssätzen des § 24 Abs. 1 UStG versteuern, müssen Lieferungen in das übrige Gemeinschaftsgebiet an Abnehmer mit USt-IdNr. in Zeile 29 eintragen. Diese Lieferungen sind im Rahmen Zusammenfassender Meldungen anzugeben sowie zur Intrahandelsstatistik zu melden (vgl. Erläuterungen zu den Zeilen 20 bis 22).

Bei den in Zeile 30 bezeichneten Umsätzen, für die eine Steuer zu entrichten ist, sind die anzuwendenden Durchschnittssätze um die Sätze für pauschalierte Vorsteuerbeträge zu vermindern.

Land- und Forstwirte, die ihre Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften des UStG versteuern, tragen ihre Umsätze in den Zeilen 20 bis 28 ein.

 Innergemeinschaftliche Erwerbe

 Zeilen 32 bis 36

Innergemeinschaftliche Erwerbe sind in dem Voranmeldungszeitraum zu erklären, in dem die Rechnung ausgestellt wird, spätestens jedoch in dem Voranmeldungszeitraum, in dem der Monat endet, der auf den Erwerb folgt.

Bei  neuen Fahrzeugen  liegt ein innergemeinschaftlicher Erwerb selbst dann vor, wenn das Fahrzeug nicht von einem Unternehmer geliefert wurde. Werden neue Fahrzeuge von Lieferern ohne USt-IdNr. erworben – insbesondere von „Privatpersonen” –, sind die Erwerbe in der Zeile 36 zu erklären. Wird das neue Fahrzeug von einer „Privatperson” oder von einem Unternehmer für seinen privaten Bereich erworben, ist der innergemeinschaftliche Erwerb nur mit Vordruck USt 1 B anzumelden (Fahrzeugeinzelbesteuerung).

Die in den Zeilen 33 bis 35 einzutragenden innergemeinschaftlichen Erwerbe sind grundsätzlich im Rahmen der Intrahandelsstatistik zu melden (vgl. Erläuterungen zu den Zeilen 20 bis 22).

 Ergänzende Angaben zu Umsätzen

 Zeile 38

Bei  innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften  (§ 25b UStG ) hat der erste Abnehmer Zeile 38 auszufüllen, wenn für diese Lieferungen der letzte Abnehmer die Steuer schuldet. Einzutragen ist die Bemessungsgrundlage (§ 25b Abs. 4 UStG ) seiner Lieferungen an den letzten Abnehmer.

Die Steuer, die der letzte Abnehmer nach § 25b Abs. 2 UStG für die Lieferung des ersten Abnehmers schuldet, ist in Zeile 65 einzutragen (vgl. Erläuterungen zu Zeile 65). Zum Vorsteuerabzug für diese Lieferung vgl. Erläuterungen zu den Zeilen 56 bis 60.

 Zeile 39

Einzutragen sind die im Inland ausgeführten steuerpflichtigen   Lieferungen von Mobilfunkgeräten. Tablet-Computern, Spielekonsolen sowie intergrierten Schaltkreisen   im Sinne von § 13b Abs. 2  Nr. 10 UStG des leistenden Unternehmers, für die der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nach § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG schuldet (vgl. Erläuterungen zu den Zeilen 48 bis 52, letzter Spiegelstrich).

 Zeile 40

Einzutragen sind die übrigen im Inland ausgeführten steuerpflich-   tigen Umsätze  nach § 13b Abs. 1 und 2 UStG des leistenden Unternehmers, für die der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nach § 13b Abs. 5 UStG schuldet.

 Zeile 41

Einzutragen sind die nach § 3a Abs. 2 UStG  im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeführten sonstigen Leistungen , für die die Steuer in einem anderen Mitgliedstaat von einem dort ansässigen Leistungsempfänger geschuldet wird. Über die in Zeile 41 einzutragenden sonstigen Leistungen sind Zusammenfassende Meldungen an das BZSt auf elektronischem Weg zu übermitteln (vgl. Erläuterungen zu den Zeilen 20 bis 22).

 Zeile 42

Einzutragen sind die  übrigen nicht steuerbaren Umsätze , deren Leistungsort nicht im Inland liegt und die der Umsatzsteuer unterlägen, wenn sie im Inland ausgeführt worden wären. Im Inland ausgeführte nicht steuerbare Umsätze (z. B. Geschäftsveräußerungen im Ganzen, Innenumsätze zwischen Unternehmensteilen) sind nicht anzugeben. Dies gilt auch für die Umsätze, die in den Zeilen 38 bis 41 einzutragen sind.

 Leistungsempfänger als Steuerschuldner (§ 13b UStG )

 Zeilen 48 bis 52

Vorbehaltlich der Ausnahmeregelungen des § 13b Abs. 6 UStG sind folgende Umsätze einzutragen, für die Unternehmer oder juristische Personen die Steuer als Leistungsempfänger schulden:

  • Sonstige Leistungen nach § 3a Abs. 2 UStG eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers (Zeile 48);
  • Werklieferungen und die nicht in Zeile 48 einzutragenden sonstigen Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers (Zeile 49);
  • Lieferungen von Gas oder Elektrizität sowie von Wärme oder Kälte eines im Ausland ansässigen Unternehmers unter den Bedingungen des § 3g UStG (Zeile 49);
  • Lieferungen sicherungsübereigneter Gegenstände durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahrens (Zeile 50);
  • unter das GrEStG fallende Umsätze, insbesondere Lieferungen von Grundstücken, für die der leistende Unternehmer nach § 9 Abs. 3 UStG zur Steuerpflicht optiert hat (Zeile 50);
  •   Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern und Spiele konsolen sowie von integrierten Schaltkreisen vor Einbau in einen  zur Lieferung auf der Einzelhandelsstufe geeigneten Gegenstand, wenn der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist und die Summe der für sie in Rechnung zu stellenden Entgelte im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens 5 000 € beträgt; nachträgliche Minderungen des Entgelts bleiben unberücksichtigt (Zeile 51);
  • Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen (ohne Planungs- und Überwachungsleistungen), wenn der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist, der selbst solche Bauleistungen erbringt (Zeile 52);
  • Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz durch einen im Inland ansässigen Unternehmers, wenn der Leistungsempfänger Wiederverkäufer von Gas im Sinne des § 3g UStG ist (Zeile 52);
  • Lieferungen von Elektrizität eines im Inland ansässigen Unternehmers, wenn der liefernde Unternehmer und der Leistungsempfänger Wiederverkäufer von Elektrizität im Sinne des § 3g UStG sind; nicht hierunter fallen Betreiber von Photovoltaikanlagen (Zeile 52);
  • Übertragung der in § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG bezeichneten sog. CO -Emissionszertifikate (Zeile 52);
  •   Lieferungen der in den Anlagen 3 und 4 zum UStG aufgeführten Gegenstände, insbesondere Metalle, Altmetalle und Schrott (Zeile 52);
  • Reinigen von Gebäuden und Gebäudeteilen, wenn der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist, der selbst solche Leistungen erbringt (Zeile 52);
  • Lieferungen von Gold in der in § 13b Abs. 2 Nr. 9 UStG bezeichneten Art (Zeile 52).

 

Für die in Zeile 48 einzutragenden Umsätze entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Die Steuer für die übrigen Umsätze entsteht mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des Kalendermonats, der auf die Ausführung der Leistung folgt. Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, entsteht insoweit die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder Teilentgelt vereinnahmt worden ist. Abweichend von diesen Grundsätzen entsteht die Steuer bei so genannten Dauerleistungen für die unter den ersten beiden Spiegelstrichen aufgeführten sonstigen Leistungen spätestens mit Ablauf eines jeden Kalenderjahres, in dem sie tatsächlich erbracht werden.

Zum Vorsteuerabzug für die vom Leistungsempfänger geschuldete Steuer vgl. Erläuterungen zu den Zeilen 56 bis 60.

 Abziehbare Vorsteuerbeträge

 Zeilen 56 bis 60

Abziehbar sind nur die nach dem deutschen Umsatzsteuergesetz geschuldeten Steuerbeträge. Zur Vergütung von ausländischen Vorsteuerbeträgen erhalten Sie Informationen beim BZSt (Dienstsitz Schwedt, Passower Chaussee 3b, 16303 Schwedt/Oder, www.bzst.de , Tel. 0228/406–0).

Es können insbesondere folgende Vorsteuerbeträge berücksichtigt werden:

  • die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, sofern eine Rechnung nach den §§ 14, 14a UStG vorliegt (Zeile 56);
  • die in einer Kleinbetragsrechnung (Rechnung, deren Gesamtbetrag 150 € nicht übersteigt) enthaltene Umsatzsteuer, sofern eine Rechnung nach § 33 UStDV vorliegt (Zeile 56);
  • bei innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften (vgl. Erläuterungen zu Zeile 38) die vom letzten Abnehmer nach § 25b Abs. 2 UStG geschuldete Umsatzsteuer (Zeile 56);
  • die Umsatzsteuer, die der Unternehmer schuldet, dem die Auslagerung aus einem Umsatzsteuerlager zuzurechnen ist; vgl. Erläuterungen zu Zeile 65 (Zeile 56);
  • die Umsatzsteuer für im Inland nach § 3d Satz 1 UStG bewirkte innergemeinschaftliche Erwerbe (Zeile 57);
  • die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für das Unternehmen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG eingeführt worden sind (Zeile 58);
  • die Umsatzsteuer aus Leistungen im Sinne des § 13b Abs. 1 und 2 UStG , die der Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 5 UStG schuldet (vgl. Erläuterungen zu den Zeilen 48 bis 52), wenn die Leistungen für sein Unternehmen ausgeführt worden sind (Zeile 59);
  • nach Durchschnittssätzen (§ 23 UStG ) ermittelte Beträge bei Unternehmern, deren  Umsatz  i. S. des § 69 Abs. 2 UStDV in den einzelnen in der Anlage der UStDV bezeichneten Berufs- und Gewerbezweigen im vorangegangenen Kj. 61 356 € nicht überstiegen hat, und die nicht verpflichtet sind, Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen (Zeile 60);
  • nach einem Durchschnittssatz (§ 23a UStG ) ermittelte Beträge bei Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz , deren  steuerpflichtiger Umsatz , mit Ausnahme der Einfuhr und des innergemeinschaftlichen Erwerbs, im vorangegangenen Kj. 35 000 € nicht überstiegen hat und die nicht verpflichtet sind, Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen (Zeile 60).

 

Vorsteuerbeträge, die auf Entgeltserhöhungen und Entgeltsminderungen entfallen, sowie herabgesetzte, erlassene oder erstattete Einfuhrumsatzsteuer sind zu berücksichtigen.

Ein Vorsteuerabzug für Wirtschaftsgüter, die der Unternehmer zu weniger als 10 % für sein Unternehmen nutzt, ist generell nicht möglich (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG ).

Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung eines einheitlichen Gegenstands, der teilweise unternehmerisch und teilweise nicht unternehmerisch genutzt wird, vgl. Abschn. 15.2c Abs. 2 und Abschn. 15.6a UStAE .

 Zeile 61

Der Vorsteuerabzug ist nach Maßgabe des § 15a UStG i. V. m. § 44 UStDV zu berichtigen.

Handelt es sich bei den Berichtigungsbeträgen um zurückzuzahlende Vorsteuerbeträge, ist dem Betrag ein Minuszeichen voranzustellen.

 Beispiel

Der Unternehmer hat im Kj. 2011 ein Bürogebäude errichtet, das er ab 1.12.2011 zur Hälfte steuerpflichtig und zur Hälfte steuerfrei vermietet. Die auf die Herstellungskosten entfallende Vorsteuer von 60 000 € hat er in Höhe von 30 000 € abgezogen. Am 2.7.2014 wird das gesamte Gebäude steuerfrei veräußert. Die steuerfreie Veräußerung führt zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs in Höhe von 22 250 €. Dieser Betrag ist mit einem Minuszeichen versehen in Zeile 61 einzutragen.

Berechnung : 30 000 € Vorsteuer: 120 Monate Berichtigungszeitraum = 250 € monatliche Berichtigung × 89 Monate restlicher Berichtigungszeitraum (Juli 2014 bis November 2021) = 22 250 €.

 Zeile 62

Die auf die Anschaffung (Lieferung, Einfuhr oder innergemeinschaftlicher Erwerb) eines neuen Fahrzeugs entfallende Umsatzsteuer von Fahrzeuglieferern im Sinne des § 2a UStG und Kleinunternehmern im Sinne des § 19 Abs. 1 UStG kann unter den sonstigen Voraussetzungen des § 15 UStG berücksichtigt werden. Der Vorsteuerabzug ist nur bis zu dem Betrag zulässig, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre. Der Abzug ist erst mit der Ausführung der innergemeinschaftlichen Lieferung des neuen Fahrzeugs (Eintragung in die Zeile 22 bzw. bei Kleinunternehmern in Zeile 20 oder 21) zulässig (§ 15 Abs. 4a UStG ).

 Zeile 65

Einzutragen sind

  • in Rechnungen unrichtig ausgewiesene Steuerbeträge, die der Unternehmer schuldet (§ 14c Abs. 1 UStG );
  • in Rechnungen unberechtigt ausgewiesene Steuerbeträge, die der Rechnungsaussteller schuldet (§ 14c Abs. 2 UStG );
  • Steuerbeträge für Umsätze, die Auslagerungen von Gegenständen aus einem Umsatzsteuerlager vorangegangen sind (§ 4 Nr. 4a Satz 1 Buchst. a Satz 2 UStG ) und die der Unternehmer schuldet, dem die Auslagerung zuzurechnen ist (Auslagerer). Nicht einzutragen sind hier Lieferungen, die dem liefernden Unternehmer zuzurechnen sind, wenn die Auslagerung im Zusammenhang mit diesen Lieferungen steht. Diese Umsätze sind in den Zeilen 26 bis 28 einzutragen (vgl. Erläuterungen zu den Zeilen 26 bis 28);
  • Steuerbeträge, die der Lagerhalter eines Umsatzsteuerlagers als Gesamtschuldner schuldet (§ 13a Abs. 1 Nr. 6 UStG );
  • Steuerbeträge, die der Abnehmer bei einer als steuerfrei behandelten innergemeinschaftlichen Lieferung in den Fällen des § 6a Abs. 4 UStG schuldet;
  • Steuerbeträge, die ein dritter Unternehmer (insbesondere Zentralregulierer) schuldet (§ 17 Abs. 1 Satz 6 UStG );
  • Steuerbeträge, die der letzte Abnehmer im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts für die Lieferung des ersten Abnehmers schuldet (§ 25b Abs. 2 UStG ).

 Sonstiges

 Zeile 67

Wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Laufe eines Kj. eingestellt oder wird im Laufe des Kj. auf die Dauerfristverlängerung verzichtet, ist die Sondervorauszahlung im letzten Voranmeldungszeitraum des Besteuerungszeitraums anzurechnen (vgl. auch Erläuterungen zu den Zeilen 68, 71 bis 75).

 Zeilen 68, 71 bis 75

Die Vorauszahlung ist am 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig und an das Finanzamt zu entrichten. Wird eine  Einzugsermächtigung  wegen Verrechnungswünschen ausnahmsweise widerrufen, ist ein durch die Verrechnung nicht gedeckter Restbetrag zu entrichten.

Ein Überschuss wird nach Zustimmung (§ 168 AO ) ohne besonderen Antrag ausgezahlt, soweit der Betrag nicht mit Steuerschulden verrechnet wird. Wünscht der Unternehmer eine  Verrechnung  oder liegt eine  Abtretung  vor, ist in Zeile 73 eine „1” einzutragen. Liegt dem Finanzamt bei Abtretungen die Abtretungsanzeige nach amtlichem Muster noch nicht vor, ist sie beizufügen oder gesondert einzureichen.

Umsatzsteuer: Belegnachweis bei Ausfuhrlieferungen von Kraftfahrzeugen

 Umsatzsteuer; Belegnachweis bei Ausfuhrlieferungen von Kraftfahrzeugen – Änderung von § 9 Absatz 2 und § 10 Absatz 2 UStDV durch die Verordnung zum Erlass und zur Änderung steuerlicher Verordnungen vom 11. Dezember 2012 (BGBl 2012 I S. 2637 )

 Bezug: BMF v. 21.03.2013 – IV D 3 – S 7134/12/10002 (2013/0274265) –

Durch Artikel 4 Nummer 1 und 2 der Verordnung zum Erlass und zur Änderung steuerlicher Verordnungen vom 11. Dezember 2012 (BGBl 2012 I S. 2637 ) wurden die Regelungen zum Belegnachweis bei Ausfuhrlieferungen von Kraftfahrzeugen geändert. Die Änderungen sind mit Wirkung vom 20. Dezember 2012 in Kraft getreten. Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass ist an diese Änderungen anzupassen.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder werden deshalb die Abschnitte 6.6, 6.7 und 6.9 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses vom 1. Oktober 2010, BStBl 2010 I S. 864 , der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 12. April 2013 – IV D 2 – S 7330/09/10001:001 (2013/0336253) – , BStBl 2013 I S. 518, geändert worden ist, wie folgt geändert:

1.           Abschnitt 6.6 wird wie folgt geändert:

a)           Nach Absatz 4 wird folgender neuer Absatz 4a eingefügt:

(4a)   1  Bei der Ausfuhr von Fahrzeugen im Sinne des § 1b Abs. 2 Nr. 1 UStG (vgl. Abschnitt 1b.1), die zum bestimmungsmäßigen Gebrauch im Straßenverkehr einer Zulassung bedürfen, muss der Beleg nach § 9 Abs. 1 UStDV (vgl. Absätze 1 bis 3) immer auch die Fahrzeug-Identifikationsnummer im Sinne des § 6 Abs. 5 Nr. 5 FZV enthalten (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStDV ), unabhängig davon, ob das Fahrzeug mit Hilfe eines Beförderungsmittels oder auf eigener Achse ausgeführt wird.   2  Ob das ausgeführte Fahrzeug zum bestimmungsmäßigen Gebrauch im Straßenverkehr einer Zulassung bedarf, richtet sich dabei nach § 3 Abs. 1 und 2 Nr. 1 FZV.   3  Außerdem muss der Unternehmer bei der Ausfuhr eines solchen Fahrzeugs nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStDV grundsätzlich zusätzlich über eine Bescheinigung über die Zulassung, die Verzollung oder die Einfuhrbesteuerung im Drittland verfügen; Absatz 6 Sätze 4 und 5 gilt entsprechend.   4  Dies gilt gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 UStDV jedoch nicht in den Fällen, in denen das Fahrzeug

1.             mit einem Ausfuhrkennzeichen ausgeführt wird, das im Beleg nach § 9 Abs. 1 UStDV aufgeführt ist, oder

2.             nicht im Sinne der FZV auf öffentlichen Straßen in Betrieb gesetzt worden ist (vgl. § 3 und §§ 16 bis 19 FZV) und nicht auf eigener Achse in das Drittlandsgebiet ausgeführt wird.

b)           Absatz 6 Satz 2 wird wie folgt gefasst:

„Als Ersatzbelege können insbesondere Bescheinigungen amtlicher Stellen der Bundesrepublik Deutschland anerkannt werden;  amtliche Stellen der Bundesrepublik Deutschland im Bestimmungsland können aber keine Ausfuhrbescheinigungen für Kraftfahrzeuge erteilen .”

2.           In Abschnitt 6.7 wird folgender neuer Absatz 4 angefügt:

„(4)   1  Bei der Ausfuhr von Fahrzeugen im Sinne des § 1b Abs. 2 Nr. 1 UStG (vgl. Abschnitt 1b.1), die zum bestimmungsmäßigen Gebrauch im Straßenverkehr einer Zulassung bedürfen, muss der Beleg nach § 10 Abs. 1 UStDV (vgl. Absätze 1 und 2) immer auch die Fahrzeug-Identifikationsnummer im Sinne des § 6 Abs. 5 Nr. 5 FZV enthalten (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStDV ), unabhängig davon, ob das Fahrzeug mit Hilfe eines Beförderungsmittels oder auf eigener Achse ausgeführt wird.   2  Ob das ausgeführte Fahrzeug zum bestimmungsmäßigen Gebrauch im Straßenverkehr einer Zulassung bedarf, richtet sich dabei nach § 3 Abs. 1 und 2 Nr. 1 FZV.   3  Außerdem muss der Unternehmer bei der Ausfuhr eines solchen Fahrzeugs nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStDV grundsätzlich zusätzlich über eine Bescheinigung über die Zulassung, die Verzollung oder die Einfuhrbesteuerung im Drittland verfügen; Abschnitt 6.6 Abs. 6 Sätze 4 und 5 gilt entsprechend.   4  Dies gilt gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 UStDV jedoch nicht in den Fällen, in denen das Fahrzeug

1.             mit einem Ausfuhrkennzeichen ausgeführt wird, das im Beleg nach § 10 Abs. 1 UStDV aufgeführt ist, oder

2.             nicht im Sinne der FZV auf öffentlichen Straßen in Betrieb gesetzt worden ist (vgl. § 3 und §§ 16 bis 19 FZV) und nicht auf eigener Achse in das Drittlandsgebiet ausgeführt wird.”

3.           In Abschnitt 6.9 werden die bisherige Zwischenüberschrift vor Absatz 11 sowie die Absätze 11 und 13 gestrichen.

Diese Regelungen sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 19. Dezember 2012 ausgeführt werden