BFH: „Finanzielle Eingliederung“ bei unterjährigem qualifizierten Anteilstausch

Im Urteil vom 11. Juli 2023 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die finanzielle Eingliederung bei einem unterjährigen qualifizierten Anteilstausch auch dann erfüllt sein kann, wenn der übernehmende Rechtsträger (Organträger) den Antrag stellt, die Anteile unter dem gemeinen Wert anzusetzen.

Im Streitfall wurde eine GmbH (A-GmbH) durch eine andere GmbH (B-GmbH) übernommen. Die A-GmbH war Organgesellschaft einer Aktiengesellschaft (C-AG). Die Übernahme erfolgte im Wege eines qualifizierten Anteilstauschs im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006. Die B-GmbH stellte den Antrag, die Anteile an der A-GmbH unter dem gemeinen Wert anzusetzen.

Das Finanzamt ging davon aus, dass die finanzielle Eingliederung der A-GmbH in die C-AG nicht erfüllt sei, da die B-GmbH die Anteile an der A-GmbH nicht zu mehr als 50 % des gemeinen Werts erworben habe.

Der BFH hat die Auffassung des Finanzamts nicht bestätigt. Er hat entschieden, dass die finanzielle Eingliederung der A-GmbH in die C-AG auch dann erfüllt ist, wenn der übernehmende Rechtsträger den Antrag stellt, die Anteile unter dem gemeinen Wert anzusetzen.

Zur Begründung hat der BFH ausgeführt, dass die finanzielle Eingliederung eine zeitraumbezogene Betrachtung erfordert. Entscheidend ist, ob die Beteiligung der Organgesellschaft an der Obergesellschaft während des gesamten Wirtschaftsjahres, in dem der Anteilstausch stattfindet, mindestens 50 % beträgt.

Im Streitfall war die Beteiligung der A-GmbH an der C-AG bis zum Zeitpunkt des Anteilstauschs am 31. Dezember 2020 mindestens 50 %. Daher war die finanzielle Eingliederung der A-GmbH in die C-AG erfüllt.

Der BFH hat außerdem entschieden, dass die umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge in die finanzielle Eingliederung nicht voraussetzt, dass beim übertragenden Rechtsträger sämtliche Voraussetzungen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft erfüllt waren.

Zur Begründung hat der BFH ausgeführt, dass die umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge in die finanzielle Eingliederung eine rein zivilrechtliche Folge der Verschmelzung oder des Anteilstauschs ist. Sie ist nicht davon abhängig, ob die Voraussetzungen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft erfüllt waren.

Das Urteil des BFH ist für die Praxis von Bedeutung. Es stellt klar, dass die finanzielle Eingliederung auch bei einem unterjährigen qualifizierten Anteilstausch erfüllt sein kann, wenn der übernehmende Rechtsträger den Antrag stellt, die Anteile unter dem gemeinen Wert anzusetzen.

BFH, Urteil I R 40/20 vom 11.07.2023