Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH)
Mit Urteil vom 20. November 2024 (Az. VI R 21/22) hat der Bundesfinanzhof (BFH) klargestellt, dass die schenkweise Übertragung von Gesellschaftsanteilen an leitende Mitarbeiter zur Sicherung der Unternehmensnachfolge nicht automatisch als steuerpflichtiger Arbeitslohn gewertet werden kann.
Hintergrund des Falls
In dem verhandelten Fall war die Klägerin seit vielen Jahren in der Führungsebene eines kleineren Unternehmens tätig. Nachdem der Sohn der Gründungsgesellschafter als Nachfolger ausschied, entschieden sich die Gesellschafter, die Leitung des Unternehmens an die Klägerin und weitere Führungskräfte zu übertragen. Um die Unternehmensnachfolge zu sichern, erhielten die Klägerin und vier weitere Personen jeweils 5,08 % der Gesellschaftsanteile als Schenkung.
Das Finanzamt (FA) behandelte den schenkweisen Vorteil als Arbeitslohn, da er im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stand, und unterwarf ihn der Einkommensteuer. Das Finanzgericht entschied jedoch, dass der Vorteil aus der Anteilsübertragung nicht als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zu werten sei.
Entscheidung des BFH
Der BFH bestätigte das Urteil des Finanzgerichts und entschied zugunsten der Klägerin.
Wesentliche Argumente des BFH:
- Kein Zusammenhang mit der Arbeitsleistung:
- Ein geldwerter Vorteil ist nur dann als Arbeitslohn steuerpflichtig, wenn er dem Arbeitnehmer „für“ seine Arbeitsleistung gewährt wird.
- Im vorliegenden Fall war die Übertragung der Anteile nicht maßgeblich durch das Arbeitsverhältnis veranlasst, sondern diente vorrangig der Sicherung der Unternehmensnachfolge.
- Motiv der Unternehmensnachfolge:
- Die Übertragung der Anteile erfolgte aus gesellschaftsrechtlichen Gründen, um die Fortführung des Unternehmens zu sichern.
- Der BFH erkannte, dass dies das entscheidende Motiv der Gesellschafter war.
- Indizien gegen Arbeitslohn:
- Die Übertragung der Anteile war nicht an den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geknüpft.
- Der angenommene geldwerte Vorteil fiel im Vergleich zu den Bruttoarbeitslöhnen der Beschenkten erheblich aus dem Rahmen, was gegen eine Entlohnungsabsicht sprach.
Bedeutung für die Praxis
- Klarheit bei Unternehmensnachfolgen:
- Unternehmen können Gesellschaftsanteile zur Sicherung der Nachfolge schenkweise an leitende Mitarbeiter übertragen, ohne dass dies zwangsläufig als steuerpflichtiger Arbeitslohn angesehen wird.
- Entscheidend ist die Motivation für die Übertragung und der Zusammenhang mit gesellschaftsrechtlichen Erwägungen.
- Voraussetzungen für keine Arbeitslohnbesteuerung:
- Die Übertragung darf nicht ausschließlich oder überwiegend mit der Arbeitsleistung des Mitarbeiters verknüpft sein.
- Die Anteilsübertragung sollte klar auf die Sicherung der Unternehmensnachfolge abzielen und nicht an Bedingungen wie den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geknüpft sein.
- Prüfung durch die Finanzverwaltung:
- Die Finanzverwaltung sollte sorgfältig prüfen, ob ein Vorteil als Arbeitslohn zu werten ist, und den Kontext der Übertragung umfassend berücksichtigen.
Fazit
Das Urteil des BFH schafft wichtige Rechtssicherheit für Unternehmen, die im Rahmen der Unternehmensnachfolge Anteile an leitende Mitarbeiter übertragen möchten. Es zeigt, dass nicht jeder geldwerte Vorteil aus einem Arbeitsverhältnis als steuerpflichtiger Arbeitslohn gilt. Entscheidend sind die Motivation der Übertragung und die Umstände des Einzelfalls.
Quelle: Bundesfinanzhof, Pressemitteilung Nr. 4/25 vom 16.01.2025