BGH: Elternunterhalt auch bei Kontaktabbruch

BGH: Elternunterhalt auch bei Kontaktabbruch

Kernaussage
In gerader Linie verwandte Personen schulden einander gesetzlich Unterhalt. Der klassische Fall ist der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen die Eltern. Aber auch die Eltern haben einen Anspruch auf Unterhalt, der in Zeiten längerer Lebenserwartung und steigender Pflegekosten zunehmend an Bedeutung erlangt. Denn, wenn die Eltern die Kosten ihrer Pflege nicht mehr selber aufbringen können und der Sozialleistungsträger einspringen muss, kann dieser einen Anspruch auf Elternunterhalt auf sich überleiten und gegenüber dem Kind in Abhängigkeit von dessen Leistungsfähigkeit geltend machen. Bisher verhielt es sich dabei so, dass die Instanzgerichte den Unterhaltsanspruch aber verwarfen, wenn das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern durch das Verhalten der Eltern zerrüttet war. Dieser Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt einen Riegel vorgeschoben.

Sachverhalt
Der Sozialleistungsträger des Landes Bremen hatte einen Elternunterhaltsanspruch auf sich übergeleitet und gegenüber dem Kind geltend gemacht. Das Kind hatte gegen den Anspruch eingewendet, dass der Vater den Kontakt zum damals 17jährigen Kind vor 43 Jahren abgebrochen, das Kind enterbt und nur noch abfällig über das Kind geredet habe.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof ließ dieses Verhalten des Vaters nicht mehr ausreichen, um den Elternunterhaltsanspruch als verwirkt anzusehen. Maßgeblich sei nicht, dass der Vater durch sein jahrzehntelanges Verhalten für die Zerrüttung der Familie gesorgt habe. Jedenfalls in der Lebensphase bis zum 18. Lebensjahr, die eine besonders intensive, elterliche Betreuung erfordere, habe der Vater im Wesentlichen seinen Elternpflichten genügt. Daher könne der Elternunterhaltsanspruch nicht verwirkt sein.

Konsequenz
Die Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen. Im Ergebnis wird man davon ausgehen müssen, dass der Elternunterhalt – abgesehen von ganz krassen Ausnahmefällen – unabhängig von den familiären Verhältnissen nicht verwirkt wird. Dies kann gegebenenfalls sogar solche Fälle betreffen, in denen sich in der Vergangenheit auf die bisherige Rechtsprechung zurückbezogen werden konnte.