Bundesrat fordert längere Verjährungsfrist bei Steuerhinterziehung

elektronische Vorab-Fassung*
Deutscher Bundestag Drucksache 17/13664
17. Wahlperiode 29. 05. 2013
Gesetzentwurf
des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung von
Steuerstraftaten
A. Problem und Ziel
Angleichung der Verjährungsfrist für die strafrechtliche Verfolgung von Steuerhinterziehung an die
Festsetzungsfrist bei hinterzogenen Steuern.
B. Lösung
Für alle Fälle einer Steuerhinterziehung wird die Verjährungsfrist für die Strafverfolgung auf zehn
Jahre festgelegt.
C. Alternativen
Keine.
D. Kosten der öffentlichen Hand
Von der Umsetzung des Gesetzentwurfs sind Steuermehreinnahmen in nicht bezifferbarer Höhe zu
erwarten.
Der Vollzug ist mit den vorhandenen Ressourcen zu bewältigen.
E. Sonstige Kosten
Kosten für die Wirtschaft: Keine.
Kosten für soziale Sicherungssysteme: Keine.
* Wird nach Vorliegen der lektorierten Druckfassung durch diese ersetzt.elektronische Vorab-Fassungelektronische Vorab-Fassung
Anlage 1
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung von
Steuerstraftaten
Vom …
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung der Abgabenordnung
§ 376 Absatz 1 der Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002
(BGBl. I S. 3866; 2003 I S. 61), die zuletzt durch … geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:
„(1) Die Verjährungsfrist für Fälle der Steuerhinterziehung (§ 370) beträgt zehn Jahre.“
Artikel 2
Änderung des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung
In Artikel 97 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976 (BGBl. I S.
3341, 1977 S. 667), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 1. November 2011 (BGBl. I S.
2131) geändert worden ist, wird in § 23 folgender Satz angefügt:
㤠376 der Abgabenordnung in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes zur Verbesserung der
Bekämpfung von Steuerstraftaten vom … (BGBl. I S. … [Einsetzen: Ausfertigungsdatum und
Seitenzahl der Verkündung des vorliegenden Änderungsgesetzes]) gilt für alle bei Inkrafttreten
dieses Gesetzes noch nicht abgelaufenen Verjährungsfristen.“
Artikel 3
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. elektronische Vorab-Fassung
– 2 –
Begründung
A. Allgemeiner Teil
Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Sie schädigt das Steueraufkommen und damit das
Gemeinwesen. Es ist deshalb Aufgabe des Staates, für eine wirksame Bekämpfung von
Steuerhinterziehung Sorge zu tragen. Dies erfordert auch eine Angleichung der Fristen, innerhalb
derer eine strafrechtliche Verfolgung von Steuerhinterziehung und der Festsetzung der verkürzten
Steuern möglich ist.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung der Abgabenordnung)
Nach § 169 Absatz 2 Satz 2 AO beträgt die steuerliche Festsetzungsfrist zehn Jahre, soweit eine
Steuer hinterzogen wurde. Unter Berücksichtigung der An- und Ablaufhemmungen nach §§ 170
und 171 AO können hinterzogene Steuern im Einzelfall auch noch nach mehr als zehn Jahren
festgesetzt und erhoben werden.
Bis zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2009 enthielt die Abgabenordnung für die
Steuerhinterziehung nach § 370 AO keine eigenständige Regelung zur Verfolgungsverjährung. Es
galten die allgemeinen Regelungen des Strafgesetzbuches mit der Folge einer grundsätzlich
fünfjährigen Verfolgungsverjährungsfrist nach § 78 Absatz 3 Nummer 4 StGB.
Mit dem Jahressteuergesetz 2009 wurde für Taten im Sinne des § 370 Absatz 3 AO
(Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall) eine von § 78 StGB abweichende
Sonderregelung in § 376 Absatz 1 AO geschaffen. In diesen Fällen besteht eine grundsätzliche
Parallelität zwischen Steuerfestsetzungsverjährung und steuerstrafrechtlicher
Verfolgungsverjährung. Die strafrechtliche Ahndung bei Steuerhinterziehung in besonders
schweren Fällen kann sich so auf einen längeren Zeitraum erstrecken, das Strafrisiko für den
Hinterzieher steigt. Dadurch kann Steuerhinterziehung wirkungsvoller bekämpft werden.
Handelt es sich hingegen nicht um eine Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall,
besteht nach wie vor eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Steuerfestsetzungsverjährung, die in
der Regel zehn Jahre beträgt, und der Strafverfolgungsverjährung, die bei einer
Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Absatz 1 AO fünf Jahre beträgt.
Nicht zuletzt im Hinblick auf die Fülle der seit dem Jahre 2010 aufgedeckten
Steuerhinterziehungsfälle im Zusammenhang mit ausländischen Vermögensanlagen sollten alle
Steuerstraftaten möglichst (gleich) lang strafrechtlich geahndet werden können. Denn besonders in
diesen Fällen ist die Diskrepanz zwischen der regulären Steuerfestsetzungsfrist von zehn Jahren
und der Strafverfolgungsverjährung von fünf Jahren bei Steuerhinterziehungen im Sinne des § 370
Absatz 1 AO – wenn keines der in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis Nummer 5 AO
ausdrücklich aufgeführten Regelbeispiele erfüllt ist – mit Blick auf den Unrechtsgehalt
unsachgemäß und erschwert die strafrechtliche Ahndung.
Überdies führt das Auseinanderfallen der Steuerfestsetzungsverjährung und der
Strafverfolgungsverjährung auch in Selbstanzeigefällen zu Verwerfungen, da sich eine wirksame
Berichtigungserklärung nach § 371 Absatz 1 AO zwar auf alle strafrechtlich nicht verjährten
Zeiträume beziehen muss, die Steuern aber für alle nicht festsetzungsverjährten
Besteuerungszeiträume nachträglich festgesetzt werden müssen und ohne entsprechende
Berichtigungserklärung für diese Jahre häufig nicht mehr sachgerecht ermittelt werden können. Das elektronische Vorab-Fassung
– 3 –
läuft im Ergebnis auch der Intention des § 371 AO in der Fassung durch das
Schwarzgeldbekämpfungsgesetz 2011 zuwider: Die Straffreiheit sollte ausdrücklich daran geknüpft
werden, dass ein Steuerhinterzieher jedenfalls bezogen auf eine Steuerart „reinen Tisch macht“. De
facto ist das in Fällen der Steuerhinterziehung nach § 370 Absatz 1 AO dann nicht der Fall, wenn
die Berichtigungserklärung im Sinne des § 371 Absatz 1 AO für die nicht
strafverfolgungsverjährten (fünf) Besteuerungszeiträume abgegeben wird und damit wirksam ist, in
Ansehung der steuerrechtlich zusätzlich relevanten weiteren fünf Veranlagungszeiträume aber
keine Offenlegung erfolgt und unter Umständen ganz bewusst eine möglicherweise zu niedrige
Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch die Finanzbehörden in Kauf genommen wird.
Die Änderung tritt am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft. Sie gilt dabei nur für Fälle
von Steuerhinterziehung, die bei Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht verjährt sind.
Zu Artikel 2 (Änderung des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung)
§ 23 Absatz 2 EGAO stellt klar, dass die Neuregelung der Verfolgungsverjährungsfrist für alle
noch nicht verjährten Sachverhalte gilt. Die Regelung dient der Rechtssicherheit.
Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)
Die Änderungen durch das vorliegende Änderungsgesetz treten am Tag nach der Verkündung in
Kraft. elektronische Vorab-Fassung
– 4 –
Anlage 2
Stellungnahme der Bundesregierung
Die Bundesregierung nimmt zum Entwurf des Bundesrates für ein Gesetz zur Verbesserung der
Bekämpfung von Steuerstraftaten (BR-Drs. 339/13 – Beschluss) wie folgt Stellung:
Die Bundesregierung hält den Vorschlag des Bundesrates, für alle Fälle einer Steuerhinterziehung
die Verjährungsfrist für die Strafverfolgung auf zehn Jahre festzulegen, nicht für überzeugend.
Der Vorschlag zielt auf eine Verlängerung der Verfolgungsverjährung bei Steuerhinterziehung
(§ 370 Abgabenordnung – AO) in allen Fällen und nicht nur in besonders schweren Fällen auf zehn
Jahre. Eine derartige Verlängerung begegnet Bedenken im Vergleich zu anderen Straftatbeständen
sowie im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Mit dem Jahressteuergesetz 2009 wurde bereits als Ausnahme zu den geltenden Regeln über die
Verjährung in §§ 78 ff. Strafgesetzbuch (StGB) für Fälle der besonders schweren
Steuerhinterziehung, die durch Regelbeispiel konkretisiert sind, eine zehnjährige
Verfolgungsverjährung geschaffen (§ 376 Abs. 1 AO). Die Verfolgungsverjährung betrug bis dahin
– wie bei mit vergleichbarer Strafandrohung bedrohten Delikten – fünf Jahre. Bereits diese
Verlängerung der Strafverfolgungsverjährung war rechtssystematisch umstritten.
Eine weitere Ausdehnung der Verjährungsverlängerung auch auf Fälle einfacher Steuerhinterziehung würde der Systematik des Strafrechts, die auch für das Nebenstrafrecht gilt, deutlich
widersprechen. Denn schon gegen die geltende Regelung des § 376 Abs. 1 AO wurde eingewandt,
dass diese Norm gegen den Gleichheitsgrundsatz (Artikel 3 Grundgesetz) verstoße, weil die
Verjährungsregelung von der vergleichbarer Delikte (Diebstahl, §242 StGB, Betrug, § 263 StGB
und Untreue, § 266 StGB) abweiche. Selbst für Subventionsbetrug (§ 264 StGB), der sich auch
gegen den Staat richten kann, beträgt die Verjährungsfrist nur fünf Jahre.
Infolge einer Verlängerung der strafrechtlichen Verfolgbarkeit der einfachen Steuerhinterziehung
auf zehn Jahre würde ein Betrug zu Lasten des Staates länger verfolgbar sein als ein Betrug zu
Lasten einer privaten Person. Dogmatisch würde dies auch der Wertung der neueren
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs widersprechen, der gerade seine Rechtsprechung zur
Steuerhinterziehung seiner Rechtsprechung zum Betrug angenähert hat.
Neben den rechtssystematischen Bedenken droht aus Sicht der Bundesregierung auch ein Verstoß
gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Die vom Bundesrat vorgeschlagene Verlängerung der Strafverfolgungsverjährung hätte zur Folge,
dass jede in der Praxis noch so geringfügige Falschangabe in einer Steuererklärung wie z. B. die
wahrheitswidrige Angaben eines zu langen Fahrweges zwischen Wohnung und Arbeitsstätte oder
die falsche Behauptung, man nutze den eigenen PKW zwischen Wohnung und Arbeit, obwohl
tatsächlich die Fahrgemeinschaft genutzt wird, zu einer strafrechtlichen Verfolgbarkeit von zehn
Jahren führen würde. Dies begegnet Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit.
Nach Auffassung der Bundesregierung ist der Vorschlag des Bundesrates vor dem Hintergrund der
seit dem Jahre 2010 aufgedeckten Steuerhinterziehungsfälle im Zusammenhang mit dem Ausland
zu sehen. Gerade in diesen Fällen dürfte bereits das geltende Recht dem Ziel des Bundesrates
gerecht werden. In diesen Fällen handelt es sich in der Regel gerade nicht um die Fälle, die von der
jetzt geforderten Verlängerung erfasst würden, sondern regelmäßig ohnehin der zehnjährigen
Verlängerungsfrist unterliegen.