Anhängige Verfahren beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
Das Bundesverfassungsgericht befasst sich aktuell mit mehreren Verfahren zur Erbschaftsteuer (ErbSt), die potenziell weitreichende Auswirkungen auf die Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen haben könnten.
Verfassungsmäßigkeit der erweiterten unbeschränkten Schenkungsteuerpflicht (Az. 1 BvR 325/23)
Unter dem Aktenzeichen 1 BvR 325/23 prüft das BVerfG, ob die erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht verfassungsgemäß ist. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte in einem Urteil vom 12.10.2022 entschieden, dass diese Regelung weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit verstößt.
Verfassungswidrigkeit der Erbschaftsteuer (Az. 1 BvR 804/22)
Ein weiteres Verfahren (Az. 1 BvR 804/22) beschäftigt sich mit der Frage, ob die Erbschaftsteuer verfassungswidrig ist, weil Betriebsvermögen im Vergleich zu Privatvermögen übermäßig begünstigt wird. Diese Frage zielt darauf ab, die unterschiedliche Behandlung von Betriebsvermögen und Privatvermögen hinsichtlich der Steuerbefreiungen zu hinterfragen.
Begünstigung von Grundstücken im Betriebsvermögen (Az. 1 BvR 1493/21)
Im Verfahren mit dem Az. 1 BvR 1493/21 steht die Frage im Mittelpunkt, ob die Begünstigung von Grundstücken im Betriebsvermögen bei Nutzungsüberlassung an Dritte verfassungswidrig ist. Der BFH hatte hierzu am 02.12.2020 entschieden, dass die Tatbestandsmerkmale der §§ 13a, 13b ErbStG nicht erweitert oder reduziert werden dürfen, nur um verfassungsrechtliche Bedenken auszuräumen.
Verfassungsbeschwerde des Bundeslands Bayern
Das Bundesland Bayern hat ebenfalls eine Verfassungsbeschwerde gegen die Erbschaftsteuer eingelegt. Ein Hauptgrund ist, dass der Gesetzgeber trotz steigender Immobilienpreise die Freibeträge nach § 16 ErbStG nicht angepasst hat. Bayern fordert daher eine Anpassung der Freibeträge, um der gestiegenen wirtschaftlichen Realität gerecht zu werden.
Reformbestrebungen und Parteiprogramme
Die Erbschaftsteuer und insbesondere die Steuerbefreiungen für betriebliches Vermögen werden regelmäßig kritisiert und diskutiert. Reformbestrebungen entstehen aus verschiedenen Gründen, wobei die öffentliche Wahrnehmung und die politische Agenda eine wichtige Rolle spielen. Erste Programme und Vorstellungen zur Fortentwicklung und Änderung der Erbschaftsteuer wurden bereits veröffentlicht.
SPD
Die SPD plant eine Reform, um „Multimillionäre und Milliardäre mehr zum Gemeinwohl beitragen“ zu lassen. Dies soll durch eine effektive Mindestbesteuerung für große Betriebsvermögen und den Ausbau der Stundung der Erbschaftsteuer in diesen Fällen erreicht werden. Für kleine Unternehmen sollen Begünstigungen bestehen bleiben, die mit ansteigendem Wert abschmelzen.
Grüne
Die Grünen haben am 14.10.2023 ein Konzept zur Reform der Erbschaftsteuer vorgelegt, das die vollständige Abschaffung der Steuerbegünstigungen für Betriebsvermögen (§§ 13a bis 13c und 28a ErbStG) vorsieht. Der Erbschaftsteuerfreibetrag soll einmal im Leben genutzt werden dürfen, jedoch auf einen Betrag von 1.000.000 € steigen. Die 10-Jahres-Frist zur Berücksichtigung von Vorschenkungen soll entfallen. Zudem soll die Möglichkeit zur (verzinsten) Stundung der Erbschaftsteuerschuld über einen Zeitraum von 15 Jahren geschaffen werden. Ein Tilgungsaufschub soll möglich sein, wenn das erhaltene Vermögen vorübergehend keine Erträge erzielt, um die Erbschaftsteuerschuld zu begleichen. Der Steuersatz der Erbschaftsteuer soll einheitlich 25% betragen.
Fazit
Die anhängigen Verfahren beim Bundesverfassungsgericht und die politischen Reformbestrebungen zeigen, dass die Erbschaftsteuer weiterhin ein hochaktuelles und kontrovers diskutiertes Thema bleibt. Die Ergebnisse dieser Verfahren und die geplanten Reformen könnten erhebliche Auswirkungen auf die Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen in Deutschland haben.