Die Bewertung von Immobilien für die Erbschaftsteuer erfolgt durch die Ermittlung des sogenannten gemeinen Werts, der dem Verkehrswert entspricht. Dieser Wert wird gemäß §§ 179–198 des Bewertungsgesetzes (BewG) ermittelt und kann auf drei verschiedene Weisen berechnet werden: Vergleichswertverfahren, Sachwertverfahren und Ertragswertverfahren. Hier ist eine detaillierte Übersicht der Verfahren und ihre Anwendung:
Allgemeine Bewertungsverfahren
1. Vergleichswertverfahren
Im Vergleichswertverfahren werden Immobilienrichtwerte als Vergleichsfaktoren für bebaute Grundstücke herangezogen. Dieses Verfahren wird angewendet, wenn in der Region Vergleichswerte vorliegen, die vom Gutachterausschuss bereitgestellt werden.
- Vorgehen:
- Immobilien in der Region werden verglichen.
- Vergleichswerte basieren auf tatsächlichen Verkaufspreisen ähnlicher Objekte.
- Für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser besonders geeignet.
- Beispiel: Ein Einfamilienhaus wird mit ähnlichen, kürzlich verkauften Häusern in der gleichen Region verglichen, um den Verkehrswert zu bestimmen.
2. Sachwertverfahren
Das Sachwertverfahren kommt zur Anwendung, wenn keine Vergleichswerte vorliegen oder wenn die Immobilie eine besondere Nutzung hat, für die keine Vergleichswerte existieren.
- Vorgehen:
- Ermittlung der Herstellungskosten des Gebäudes.
- Berücksichtigung der Abnutzung und Alterswertminderung.
- Addition des Bodenwerts.
- Besonderheiten:
- Wird oft bei speziellen Gebäuden oder solchen ohne vergleichbare Verkäufe genutzt.
- Auch angewendet, wenn auf einem Grundstück mehrere selbstständige Gebäude oder Gebäudeteile existieren, für die keine übliche Miete ermittelt werden kann.
3. Ertragswertverfahren
Das Ertragswertverfahren wird angewendet, wenn die Immobilie zur Erzielung von Erträgen (z.B. Mieteinnahmen) genutzt wird. Es ist insbesondere für Mietwohngrundstücke und Geschäftsgrundstücke relevant.
- Vorgehen:
- Ermittlung des Reinertrags der Immobilie.
- Kapitalisierung dieses Ertrags unter Berücksichtigung des Bodenwerts.
- Schritte:
- Feststellung der Jahresrohmiete.
- Abzug der Bewirtschaftungskosten zur Ermittlung der Jahresnettomiete.
- Multiplikation der Jahresnettomiete mit einem Kapitalisierungsfaktor, der sich aus der Restnutzungsdauer der Immobilie und einem Liegenschaftszinssatz ergibt.
Nutzung von Gutachterausschüssen
Für die Bewertung von Eigentumswohnungen können auch örtliche Gutachterausschüsse herangezogen werden. Diese bieten teilweise auf ihren Internetseiten Immobilienpreiskalkulatoren an, die bei der Wertermittlung hilfreich sind.
- Funktion der Gutachterausschüsse:
- Bereitstellung von Vergleichswerten.
- Unterstützung bei der Ermittlung des gemeinen Werts durch Online-Kalkulatoren.
Bewertungsabschläge für Mietwohngrundstücke
§ 13d ErbStG
- 90%-Bewertung: Mietwohngrundstücke, die zu Wohnzwecken vermietet werden, im Inland belegen sind und zu keinem begünstigten Betriebsvermögen gehören, werden für Zwecke der Erbschaftsteuer nur mit 90% ihres Verkehrswerts angesetzt.
- Schuldenkürzung: Die mit diesen Grundstücken zusammenhängenden Schulden sind gemäß § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG entsprechend um 10% zu kürzen.
Bedingungen für den Bewertungsabschlag
- Inländische Vermietung: Die Immobilie muss zu Wohnzwecken vermietet und im Inland gelegen sein.
- Kein begünstigtes Betriebsvermögen: Der Bewertungsabschlag nach § 13d ErbStG wird nicht gewährt, wenn die Immobilie Teil eines begünstigten Betriebsvermögens ist, das bereits nach §§ 13a, b ErbStG steuerliche Vergünstigungen erhält.
Verwaltungsvermögensquote
- Kein begünstigtes Betriebsvermögen: Wenn die Verwaltungsvermögensquote 90% oder mehr beträgt, wird kein begünstigtes Betriebsvermögen vererbt, und der zehnprozentige Bewertungsabschlag nach § 13d ErbStG kann gewährt werden.
- Begünstigtes Betriebsvermögen: Ist die Verwaltungsvermögensquote weniger als 90%, liegt begünstigtes Betriebsvermögen vor, und der Bewertungsabschlag nach § 13d ErbStG wird nicht zusätzlich zu den Vergünstigungen nach §§ 13a, b ErbStG gewährt.
Praktische Hinweise
- Kombination der Vergünstigungen: Es ist wichtig zu beachten, dass die verschiedenen Vergünstigungen nicht kumulativ gewährt werden können. Wenn eine Immobilie sowohl unter die Vergünstigungen für begünstigtes Betriebsvermögen als auch unter die Regelung des § 13d ErbStG fällt, ist sorgfältig zu prüfen, welche Regelung anzuwenden ist.
- Berücksichtigung von Schulden: Die entsprechenden Schulden, die mit der Immobilie zusammenhängen, müssen ebenfalls anteilig gekürzt werden, um eine doppelte Begünstigung zu vermeiden.
Fazit
Die Ermittlung des Verkehrswerts einer Immobilie im Kontext der Erbschaftsteuer erfolgt nach klar definierten Verfahren, die je nach Verfügbarkeit von Vergleichswerten und Art der Immobilie variieren. Während das Vergleichswertverfahren bei Standardimmobilien in Regionen mit ausreichenden Vergleichsdaten bevorzugt wird, kommen das Sachwert- und Ertragswertverfahren bei speziellen oder ertragsorientierten Immobilien zum Einsatz. Gutachterausschüsse spielen dabei eine wichtige Rolle und unterstützen die Bewertung durch die Bereitstellung von Vergleichswerten und Nutzungshilfen.
Die Bewertung von Immobilien für die Erbschaftsteuer ist komplex und erfordert eine sorgfältige Analyse der verschiedenen Regelungen und deren Anwendung auf den individuellen Fall. Aufgrund der Vielzahl an Faktoren, die berücksichtigt werden müssen, ist es ratsam, professionelle Unterstützung durch einen Steuerberater in Anspruch zu nehmen, um die steuerlichen Vorteile optimal zu nutzen und rechtliche Risiken zu minimieren.