Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Kein Vertrauensschutz bei RETT-Blocker-Gestaltungen nach BFH-Rechtsprechungsänderung

FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 03.06.2025 – 3 K 47/23 (Revision anhängig: BFH II R 32/25)
Mitteilung des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 06.10.2025


🔍 Hintergrund

Das Finanzgericht Schleswig-Holstein hatte über zwei zentrale Fragen im Zusammenhang mit sogenannten RETT-Blocker-Gestaltungen (Real Estate Transfer Tax Blocker) zu entscheiden:

  1. Besteht Vertrauensschutz nach einer Rechtsprechungsänderung des Bundesfinanzhofs zur grunderwerbsteuerlichen Behandlung solcher Gestaltungen?
  2. War das Finanzamt befugt, die Anwendbarkeit des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO (Schutz des Vertrauens in die Rechtsprechung) isoliert per Verwaltungsakt festzustellen?

⚖️ Sachverhalt

Die Klägerin hielt Beteiligungen an mehreren grundstückshaltenden Gesellschaften.
Im Zuge einer Umstrukturierung 2012 ergab sich folgende Struktur:

  • Die Klägerin hielt mittelbar 93,34 % an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft.
  • Die restlichen 6,66 % hielt eine X-GmbH & Co. KG, deren alleinige Kommanditistin wiederum die Klägerin war.
  • Die Komplementär-GmbH der X-KG stand nicht im Eigentum der Klägerin – ein klassischer RETT-Blocker also.

Zunächst erfolgte keine Grunderwerbsteuerfestsetzung. Nach einer Betriebsprüfung im Jahr 2019 stellte das Finanzamt jedoch fest, dass der Klägerin auch die über die X-KG gehaltenen Anteile grunderwerbsteuerlich zuzurechnen seien – eine Anteilsvereinigung i. S. d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sei somit bereits 2012 eingetreten.

Die Klägerin beantragte daraufhin:

  • eine Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO,
  • sowie die Gewährung von Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO.

Beide Anträge lehnte das Finanzamt ab – letzteres sogar durch einen gesonderten „Bescheid“.


🧾 Entscheidung des Finanzgerichts

Der 3. Senat des FG Schleswig-Holstein hat:

  1. Den sogenannten Bescheid über die Nichtanwendung des § 176 AO aufgehoben,
  2. Den Vertrauensschutzantrag in der Sache abgewiesen.

👉 Begründung

  • Der „Bescheid“ des Finanzamts über die Nichtanwendung des § 176 AO sei kein Verwaltungsakt im materiellen Sinne, sondern lediglich ein bloß formeller Verwaltungsakt.
    → Ein solcher sei rechtswidrig und vom Finanzgericht ohne weitere Sachprüfung aufzuheben.
  • In der Sache selbst bestehe kein Anspruch auf Vertrauensschutz:
    Der Umstand, dass der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechung zu RETT-Blocker-Gestaltungen nachträglich geändert habe, begründe keine Unbilligkeit im Rechtssinne.
  • Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) liege nicht vor.
    Der Rechtsgedanke des § 176 AO könne nicht dazu herangezogen werden, eine „Unbilligkeit“ zu konstruieren, wo die gesetzliche Regelung selbst nicht greift.

🧩 Praktische Bedeutung

Das Urteil stellt klar:

  • Kein allgemeiner Vertrauensschutz besteht, wenn der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechung zur Grunderwerbsteuer ändert – selbst bei bereits vollzogenen Umstrukturierungen.
  • Unternehmen und Berater können sich nicht auf frühere Verwaltungsauffassungen oder Rechtsprechungslinien berufen, wenn die aktuelle BFH-Rechtsprechung abweicht.
  • Ein „Verwaltungsakt über Vertrauensschutz“ ohne gesetzliche Grundlage ist formell rechtswidrig und aufzuheben.

Das Verfahren hat erhebliche Relevanz für die Gestaltungspraxis bei Anteilsübertragungen und Konzernumstrukturierungen, insbesondere bei grundstückshaltenden Gesellschaften.


⚠️ Ausblick

Die Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az. II R 32/25 anhängig.
Der BFH wird damit Gelegenheit haben, die Grenzen des Vertrauensschutzes bei Rechtsprechungsänderungen sowie die formelle Befugnis der Finanzverwaltung in solchen Fällen abschließend zu klären.


💡 Fazit

Das FG Schleswig-Holstein bestätigt:

Ein Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO greift nicht allgemein, wenn sich die höchstrichterliche Rechtsprechung ändert.

Unternehmen sollten daher bei RETT-Blocker- und ähnlichen Gestaltungen stets aktuelle Entwicklungen in der BFH-Rechtsprechung im Blick behalten und bei Umstrukturierungen steuerliche Rückstellungen für mögliche Nachforderungen bilden.


📚 Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 03.06.2025 – 3 K 47/23
(Pressemitteilung vom 06.10.2025; Revision anhängig: BFH II R 32/25)


1️⃣ Gestaltungs- und Handlungshinweise:

  • Frühzeitige Prüfung: Vor jeder Umstrukturierung mit Immobilienbezug sollte geprüft werden, ob eine Anteilsvereinigung i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG vorliegt.
  • Dokumentation: Sanierungs- oder Restrukturierungsschritte detailliert dokumentieren, insbesondere Beteiligungsquoten und wirtschaftliche Eigentümerstellung.
  • Vermeidung formeller Fehler: Ein Antrag nach § 176 AO sollte nicht isoliert gestellt werden, sondern stets im Rahmen eines Einspruchs- oder Billigkeitsverfahrens.
  • Alternativen zur RETT-Blocker-Struktur: Prüfen Sie alternative Holdingmodelle oder Zwischengesellschaften ohne RETT-Risiko.

2️⃣ Risikomanagement:

  • Vertrauensschutz begrenzt: Nachträgliche Änderungen der BFH-Rechtsprechung bieten keinen Bestandsschutz.
  • Nachforderungen möglich: Alte Gestaltungen können durch neue Rechtsprechung nachträglich steuerpflichtig werden.
  • Rückstellungspflicht: Bei laufenden Betriebsprüfungen oder offenen Verfahren sollten Rückstellungen für Grunderwerbsteuer erwogen werden.

3️⃣ Prüfung von Altfällen

„Die Finanzverwaltung und die Gerichte wenden neue BFH-Entscheidungen regelmäßig auch auf Altfälle an. Ein Vertrauensschutz besteht nur in eng begrenzten Ausnahmefällen. Daher sollten bestehende Strukturen regelmäßig überprüft werden.“

Steuerliche Folgen der Ausbuchung von Verbindlichkeiten

Die Ausbuchung von Verbindlichkeiten ist ein zentraler Bestandteil vieler Sanierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen. Ob Forderungsverzicht, Debt-Equity-Swap oder Liquidation – jede Form der Schuldenbereinigung kann erhebliche steuerliche Konsequenzen haben.
Nachfolgend finden Sie einen kompakten Überblick über die behandelten Themen.


🔹 Möglichkeiten der Schuldenbereinigung

1. Forderungsverzicht

Ein unbedingter Forderungsverzicht führt in der Handelsbilanz zu einem Wegfallgewinn, der als Ertrag oder Kapitalrücklage zu erfassen ist.
Steuerlich wird differenziert:

  • Der werthaltige Teil der Forderung gilt als verdeckte Einlage (§ 8 Abs. 3 KStG),
  • der nicht werthaltige Teil führt zu einem steuerpflichtigen Ertrag.

Eine sorgfältige Wertermittlung der Forderung ist daher entscheidend, um spätere steuerliche Risiken zu vermeiden.


2. Modifizierter Forderungsverzicht (mit Besserungsabrede)

Beim Forderungsverzicht mit Besserungsschein wird die Forderung nur auflösend bedingt erlassen.
Tritt der Besserungsfall ein, lebt die Forderung wieder auf – die Verbindlichkeit ist dann steuerlich erneut einzubuchen. Diese Wiedereinbuchung gilt als negative Einlage, wodurch sich das steuerliche Einlagekonto mindert.


3. Debt-Equity-Swap

Beim Debt-Equity-Swap wird eine Verbindlichkeit in Eigenkapital umgewandelt – beispielsweise in Stammkapital oder Gesellschaftereinlage. Dadurch erhöht sich das steuerliche Einlagekonto, und die Transaktion kann – bei richtiger Gestaltung – steuerneutral verlaufen. Diese Maßnahme wird häufig in Sanierungskonzepten eingesetzt, um die Eigenkapitalbasis zu stärken.


4. Debt-Mezzanine-Swap

Bei einem Debt-Mezzanine-Swap wird eine Verbindlichkeit in nachrangiges Mezzanine-Kapital (z. B. stille Beteiligung oder partiarisches Darlehen) umgewandelt. Steuerlich kann dies ähnlich wie ein Debt-Equity-Swap behandelt werden, wobei die konkrete Ausgestaltung – insbesondere das Risikoprofil und die Nachrangigkeit – entscheidend ist.


5. Schuldmitübernahme und befreiende Schuldübernahme

  • Bei der Schuldmitübernahme bleibt die ursprüngliche Verbindlichkeit bestehen.
  • Bei der befreienden Schuldübernahme geht die Verbindlichkeit auf einen Dritten über.

Da in beiden Fällen keine Vermögensmehrung beim Schuldner eintritt, entstehen keine Sanierungsgewinne im steuerlichen Sinne.


6. Einlage und anschließende Aufrechnung oder Bezahlung

Erfolgt eine Einlage durch Gesellschafter, kann diese steuerneutral bleiben, sofern sie nicht den ausschüttbaren Gewinn übersteigt. Wird die Verbindlichkeit anschließend aufgerechnet oder beglichen, kann jedoch eine steuerliche Belastung entstehen. Hier ist die Abfolge der Transaktionen entscheidend.


7. Cash-Zirkel

Ein sogenannter Cash-Zirkel – also ein Umlauf von Mitteln innerhalb einer Unternehmensgruppe mit dem Ziel der Schuldentilgung – ist steuerlich riskant. Solche Gestaltungen können als Scheingeschäfte oder verdeckte Gewinnausschüttungen gewertet werden und sollten daher sorgfältig dokumentiert und geprüft werden.


8. Zwangsausbuchung von Verbindlichkeiten bei Liquidation

Bei einer Liquidation kann es zur zwangsweisen Ausbuchung von Verbindlichkeiten kommen, wenn Gläubigerforderungen nicht mehr bedient werden. Dies führt grundsätzlich zu einem steuerpflichtigen Ertrag, sofern kein steuerfreier Sanierungsgewinn nach § 3a EStG vorliegt.


🟩 Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne

Nach § 3a EStG und § 7b GewStG können Sanierungsgewinne steuerfrei bleiben, wenn:

  • die Maßnahme der Sanierung des Unternehmens dient,
  • das Unternehmen sanierungsbedürftig und sanierungsfähig ist, und
  • der Forderungsverzicht zur Beseitigung der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit beiträgt.

Eine sorgfältige Dokumentation der Sanierungsabsicht und -wirkung ist hierfür zwingend erforderlich.


🟨 Schenkungsteuerliche Folgen

Ein Forderungsverzicht durch Gesellschafter kann zusätzlich schenkungsteuerliche Auswirkungen haben. Erhöht sich dadurch der Wert der Anteile anderer Gesellschafter, greift § 7 Abs. 8 ErbStG – es liegt eine fiktive Schenkung vor. In der Praxis ist daher eine Gesellschafteranalyse und Wertermittlung empfehlenswert, um unerwartete Schenkungsteuerfolgen zu vermeiden.


🧭 Fazit und Empfehlung

Die Ausbuchung von Verbindlichkeiten bietet zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten, birgt aber auch erhebliche steuerliche Risiken. Ob Forderungsverzicht, Debt-Equity-Swap oder Liquidation – jede Variante muss bilanz- und steuerrechtlich abgestimmt erfolgen.

Unsere Empfehlung:
Ziehen Sie frühzeitig steuerlichen Rat hinzu, bevor Sie Schulden bereinigen oder Forderungen umwandeln. Nur so lassen sich Sanierungsgewinne optimal nutzen und ungewollte Steuerbelastungen vermeiden.

Einkünfte aus Kapitalvermögen: BFH zu den Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG

BFH, Urteile VIII R 9/22, VIII R 18/23 und VIII R 35/23 vom 03.06.2025 (Pressemitteilung Nr. 61/25 vom 02.10.2025)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in drei Verfahren entschieden, dass § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG nur dann anwendbar ist, wenn nach den Anleihebedingungen entweder der Emittent oder der Inhaber das Recht auf Lieferung von Wertpapieren anstelle einer Geldzahlung hat.

Hintergrund

Den Verfahren lagen strukturierte Wertpapiergeschäfte zugrunde, die gezielt steuerliche Vorteile schaffen sollten:

  • Ziel war es, tariflich zu besteuernde hohe Gewinne durch die Generierung voll ausgleichsfähiger Verluste zu neutralisieren.
  • Die Gestaltung nutzte Teilschuldverschreibungen, die teils in Geld, teils durch Lieferung anderer Wertpapiere erfüllt werden sollten.
  • Dadurch sollte ein steuerlicher Effekt entstehen: 25 % Abgeltungsteuer auf Erträge, kombiniert mit voll abziehbaren Verlusten zum Ausgleich anderer Einkünfte.

Entscheidung des BFH

Der BFH stellte klar:

  • § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG greift nicht, wenn die Bedingungen der Anleihe keine einseitige Option für Emittent oder Inhaber vorsehen, statt Geld Wertpapiere liefern oder verlangen zu können.
  • In den vorliegenden Fällen war dies nicht gegeben, weshalb das Gestaltungsziel nicht erreicht werden konnte.

Bedeutung

Die Urteile unterbinden eine häufig geplante Steuerstrategie, mit der durch komplexe Finanzprodukte steuerliche Verluste ohne wirtschaftliche Einbußen erzeugt werden sollten.

Praxishinweis

  • Für Privatanleger und Gestaltungsmodelle mit strukturierten Wertpapieren sind die Hürden für die Anwendung von § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG hoch.
  • Steuerlich begünstigte Verlustverrechnungen lassen sich nur dort nutzen, wo die Anleihebedingungen tatsächlich eine Wahlmöglichkeit zwischen Geld- und Wertpapierlieferung vorsehen.
  • Anleger und Berater sollten die Vertragsbedingungen solcher Produkte genau prüfen.

Quelle: Bundesfinanzhof, Pressemitteilung Nr. 61/25 vom 02.10.2025

BFH: Besteuerung der Einlösung eines Gold-Warrants als sonstige Kapitalforderung

BFH, Urteil VIII R 5/24 vom 03.06.2025 (Pressemitteilung Nr. 62/25 vom 02.10.2025)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass die Einlösung von Gold-Warrants als sonstige Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig ist – auch dann, wenn der Inhaber anstelle einer Geldzahlung eine Sachleistung (z. B. Gold) wählt.

Sachverhalt

  • Der Kläger hatte sog. BEAR EUR Convertible Certificates on Gold erworben.
  • Diese verbrieften das Recht, bei Fälligkeit wahlweise Geld oder einen Gold-Warrant zu erhalten.
  • Der Kläger entschied sich für den Erhalt von Gold-Warrants, die wiederum in eine Gutschrift von Gold auf seinem Metallkonto eingelöst wurden.
  • Das Finanzamt erfasste einen steuerpflichtigen Gewinn, das Finanzgericht gab der Klage nur teilweise statt.

Entscheidung des BFH

  • Die Einbuchung der Warrants bei Fälligkeit der Zertifikate war steuerneutral.
  • Bei der späteren Einlösung der Warrants durch Gutschrift von Gold auf dem Metallkonto lag jedoch eine steuerbare Einlösung i. S. v. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG vor.
  • Maßgeblich war die Differenz zwischen dem Kurswert des gutgeschriebenen Goldes und den Anschaffungskosten der Warrants.
  • Der Begriff der Einlösung umfasst nach Auffassung des BFH auch die Sachleistung (hier: Gold), soweit damit die Kapitalforderung erfüllt wird.

Weitere Verfahren

In gleicher Weise entschied der BFH am 03.06.2025 (Az. VIII R 23/24) und am 01.07.2025 (Az. VIII R 33/23).

Praxishinweis

Für Anleger bedeutet das:

  • Auch die Erfüllung von Kapitalforderungen durch Sachleistungen (wie Edelmetalle) ist steuerlich als Einlösung zu behandeln.
  • Gewinne aus solchen Vorgängen sind grundsätzlich steuerpflichtig.
  • Lediglich die Zwischenschritte – etwa die Einbuchung von Warrants – können steuerneutral bleiben.

Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil VIII R 5/24 vom 03.06.2025

BFH: Kein Anspruch auf Günstigerprüfung nach Ablauf der Festsetzungsfrist

BFH, Urteil VI R 17/23 vom 14.05.2025

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass ein Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG keine anlaufhemmende Wirkung auf die Festsetzungsfrist entfaltet, wenn er erst nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist gestellt wird.

Kernaussagen des Urteils

  • Wird der Antrag auf Günstigerprüfung zusammen mit der Steuererklärung erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 AO) eingereicht, kann er nicht mehr berücksichtigt werden.
  • Eine Pflichtveranlagung nach § 46 EStG entsteht dadurch nicht.
  • Kapitalerträge, die nicht der Kapitalertragsteuer unterliegen, sind dennoch in die „positive Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte“ nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG einzubeziehen.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung stellt klar:

  • Steuerpflichtige müssen den Antrag auf Günstigerprüfung innerhalb der regulären Fristen stellen.
  • Ein verspäteter Antrag kann nicht dazu führen, dass die Festsetzungsfrist neu zu laufen beginnt.
  • Wer Kapitaleinkünfte nicht der Abgeltungsteuer, sondern dem regulären Tarif unterwerfen möchte, muss dies also rechtzeitig beantragen.

Praxishinweis

Betroffene sollten frühzeitig prüfen, ob sich ein Antrag auf Günstigerprüfung lohnt und die Festsetzungsfristen im Blick behalten. Besonders relevant ist dies für Steuerpflichtige mit Kapitaleinkünften, die nicht automatisch der Kapitalertragsteuer unterliegen (z. B. bestimmte Auslandszinsen oder Darlehenszinsen).

Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil VI R 17/23 vom 14.05.2025

BFH: Keine erste Tätigkeitsstätte eines Leiharbeitnehmers beim Entleiher

BFH, Urteil VI R 22/23 vom 17.06.2025

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass Leiharbeitnehmer im Rahmen eines unbefristeten Leiharbeitsverhältnisses beim Entleiher regelmäßig keine erste Tätigkeitsstätte im steuerlichen Sinne haben (§ 9 Abs. 4 EStG).

Kernaussage des Urteils

  • Eine dauerhafte Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte beim Entleiher liegt in der Regel nicht vor.
  • Der Arbeitsplatz des Leiharbeitnehmers beim Entleiher gilt daher steuerlich nicht als „erste Tätigkeitsstätte“.
  • Damit können die Fahrten zum Einsatzort beim Entleiher in der Regel als Reisekosten (0,30 € je gefahrenem Kilometer oder tatsächliche Kosten) und nicht nur mit der Entfernungspauschale geltend gemacht werden.

Bedeutung für die Praxis

  • Leiharbeitnehmer können dadurch höhere Werbungskosten für ihre Fahrtkosten absetzen.
  • Auch Verpflegungsmehraufwendungen können steuerlich berücksichtigt werden, wenn die Voraussetzungen für eine Auswärtstätigkeit vorliegen.
  • Für Arbeitgeber bedeutet dies: Die steuerfreie Erstattung von Reisekosten an Leiharbeitnehmer ist grundsätzlich möglich.

Praxishinweis

Das Urteil bringt für Leiharbeitnehmer mehr steuerliche Vorteile, da die steuerlich nachteilige „erste Tätigkeitsstätte“ beim Entleiher entfällt. Betroffene sollten prüfen, ob sie ihre Steuererklärungen der letzten Jahre noch ändern können (Stichwort: offene Veranlagungen).

Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil VI R 22/23 vom 17.06.2025

BFH zur Gewinnerzielungsabsicht bei langjährigen gewerblichen Verlusten

BFH, Urteil III R 45/22 vom 21.05.2025

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat klargestellt, dass bei der Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht auch ein möglicher zukünftiger Betriebsaufgabe- oder Betriebsveräußerungsgewinn zu berücksichtigen ist – selbst dann, wenn die betreffenden stillen Reserven nicht bereits zu Beginn im Betriebskonzept erfasst wurden.

Kernaussage des Urteils

  • Eine Totalgewinnprognose darf nicht nur auf die laufenden Betriebsergebnisse abstellen.
  • Auch stille Reserven, die sich erst im Laufe der Zeit bilden und bei einer späteren Veräußerung oder Aufgabe realisiert werden können, sind einzubeziehen.
  • Dies gilt sowohl für Einkünfte aus Gewerbebetrieb als auch aus Land- und Forstwirtschaft.

Der BFH schließt sich damit seiner bisherigen Rechtsprechung an (vgl. Urteil vom 13.12.2023 – VI R 3/22).

Bedeutung für die Praxis

Gerade bei Betrieben, die über Jahre hinweg Verluste erwirtschaften, stellt sich häufig die Frage, ob überhaupt eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt oder ob das Finanzamt von einer Liebhaberei ausgeht. Das Urteil macht deutlich:

  • Verluste allein schließen die Gewinnerzielungsabsicht nicht aus.
  • Potenzielle Gewinne aus der Verwertung von Betriebsvermögen (z. B. Grundstücke, Maschinen, stille Beteiligungen) sind in die Prognose einzubeziehen.

Praxishinweis

Unternehmer, die über längere Zeit Verluste erwirtschaften, können sich auf dieses Urteil berufen: Solange in Zukunft ein positiver Totalgewinn möglich ist – etwa durch eine spätere Betriebsveräußerung –, kann die steuerliche Anerkennung von Verlusten weiterhin gerechtfertigt sein.

Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil III R 45/22 vom 21.05.2025

BFH: Zweimalige Festsetzung von Grunderwerbsteuer bei Anteilserwerb (Signing & Closing)

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BFH, Beschluss II B 23/25 (AdV) vom 16.09.2025

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem aktuellen Beschluss klargestellt, dass beim Erwerb von GmbH-Anteilen, wenn Signing (schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft) und Closing (tatsächliche Übertragung der Anteile) zeitlich auseinanderfallen, eine Festsetzung von Grunderwerbsteuer für das Closing rechtmäßig ist (§ 1 Abs. 2b GrEStG).

Hintergrund

  • Beim Signing schließen die Parteien den Kaufvertrag über die Anteile.
  • Beim Closing erfolgt die dingliche Übertragung der Anteile, oft erst nach Erfüllung von Bedingungen (z. B. Zustimmung Dritter, Kartellfreigaben).

Der BFH sieht es nicht als rechtlich zweifelhaft an, dass das Closing grunderwerbsteuerpflichtig ist, wenn dadurch mittelbar Grundstücke den Eigentümer wechseln.

Streitfrage: Doppelbelastung

Ob zusätzlich auch das Signing nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt, ist hingegen umstritten. In einem früheren Beschluss (BFH vom 09.07.2025 – II B 13/25 (AdV)) wurden insoweit rechtliche Zweifel bejaht. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Steuerfestsetzung für das Closing ausgesetzt werden müsste.

Kernaussage des BFH

  • Festsetzung nach § 1 Abs. 2b GrEStG für das Closing ist unzweifelhaft zulässig.
  • Zusätzliche Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG für das Signing bleibt umstritten, aber dieser Streit rechtfertigt keine Aussetzung der Vollziehung für die Steuer des Closings.

Praxishinweis

Für Unternehmenstransaktionen mit Immobilienbezug bedeutet dies ein erhöhtes Risiko einer doppelten Grunderwerbsteuerbelastung, wenn Signing und Closing auseinanderfallen. Käufer und Verkäufer sollten bei der Vertragsgestaltung die möglichen Steuerfolgen prüfen und ggf. steuerliche Beratung frühzeitig einbeziehen, um wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden.

Quelle: Bundesfinanzhof, Beschluss II B 23/25 (AdV) vom 16.09.2025

Land- und forstwirtschaftliche Dienstleistungen: Umsatzsteuerliche Behandlung von Ersatzaufforstung und tiergerechter Fleischerzeugung

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BMF, Schreiben vom 30.09.2025 (III C 2 – S 7410/00029/042/052)

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat in einem koordinierten Ländererlass zur Umsatzbesteuerung land- und forstwirtschaftlicher Dienstleistungen Stellung genommen. Anlass sind zwei aktuelle BFH-Urteile mit unterschiedlicher Bewertung der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Abs. 1 UStG.

1. Tiergerechte und nachhaltige Fleischerzeugung

Mit Urteil vom 29. August 2024 (V R 15/23) hat der BFH entschieden:
Wenn ein Tierzuchtbetrieb gegen Entgelt über gesetzliche Anforderungen hinausgehende Bedingungen für eine tiergerechte und nachhaltige Fleischerzeugung einhält, unterliegt diese Leistung der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Abs. 1 UStG.

Der BFH stellt klar, dass es nicht zwingend auf eine unmittelbare Verwendung der Leistung durch den Empfänger für land- und forstwirtschaftliche Zwecke ankommt. Maßgeblich ist, dass der Empfänger lediglich die Produktionsweise des Landwirts beeinflussen möchte.

2. Ersatzaufforstung

Demgegenüber hat der BFH mit Urteil vom 19. Dezember 2024 (V R 18/22) entschieden:
Eine vom Forstwirt auf eigenen Flächen erbrachte Aufforstungsleistung, die der Empfänger bezahlt, um gegenüber einer Behörde eine Ersatzaufforstung nachweisen zu können, unterliegt nicht der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG.

3. Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE)

Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass (Abschnitt 24.3) wird entsprechend angepasst.

  • Für Umsätze bis zum 30. September 2025 gilt eine Nichtbeanstandungsregelung: Leistender und Leistungsempfänger können einvernehmlich die allgemeinen USt-Regelungen anwenden.
  • Abweichende Steuerbeträge nach § 14c Abs. 1 UStG müssen berichtigt werden, ebenso ein ggf. fehlerhaft in Anspruch genommener Vorsteuerabzug.

4. Anwendung

Die Grundsätze gelten für alle offenen Fälle.

👉 Das vollständige Schreiben ist auf der Homepage des Bundesministeriums der Finanzen abrufbar.

Quelle: Bundesministerium der Finanzen


Praxishinweis

Für Tierzuchtbetriebe kann die Durchschnittssatzbesteuerung vorteilhaft sein, wenn sie Entgelte für nachhaltigere Produktionsbedingungen erhalten. Forstwirte hingegen müssen beachten, dass Aufforstungsleistungen zur Erfüllung behördlicher Auflagen nicht unter § 24 UStG fallen. Unternehmer sollten ihre Abrechnungspraxis rechtzeitig anpassen und für Umsätze bis zum 30.09.2025 die Übergangsregelung nutzen.

Gesetzentwurf zur betrieblichen Altersversorgung

Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 30.09.2025

Die Bundesregierung hat den Entwurf eines „Zweiten Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze“ in den Bundestag eingebracht (BT-Drucksache 21/1859).

Ziel des Gesetzentwurfs

Die betriebliche Altersversorgung (bAV) soll als Ergänzung zur gesetzlichen Rentenversicherung quantitativ und qualitativ weiter ausgebaut werden. Im Fokus stehen dabei insbesondere:

  • Kleinere Unternehmen ohne Tarifbindung,
  • Beschäftigte mit geringen Einkommen,
  • eine Flexibilisierung des Abfindungsrechts.

Die Bundesregierung verspricht durch die Reform vereinfachte, effizientere und sicherere Betriebsrenten sowie eine deutliche Entbürokratisierung.

Kritik des Normenkontrollrats

Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) begrüßt die Ausweitung, kritisiert jedoch, dass der Entwurf hinter den Möglichkeiten für eine echte Bürokratieentlastung zurückbleibe. Konkret empfiehlt der NKR, den Schwellenwert für die zustimmungsfreie Abfindung von Kleinstanwartschaften von derzeit 1 % auf 2 % der monatlichen Bezugsgröße anzuheben.

Gesetzgebungsverfahren

Der Gesetzentwurf wurde dem Bundesrat am 5. September 2025 als „besonders eilbedürftig“ zugeleitet. Die Stellungnahme des Bundesrats sowie die Erwiderung der Bundesregierung stehen noch aus.

Praxishinweis

Für Arbeitgeber, insbesondere im Mittelstand und bei nichttarifgebundenen Betrieben, könnten die geplanten Änderungen den Zugang zu bAV-Modellen vereinfachen. Arbeitnehmer mit geringeren Einkommen könnten stärker von einer betrieblichen Altersvorsorge profitieren. Es empfiehlt sich, die weitere Gesetzesentwicklung im Blick zu behalten, um neue Fördermöglichkeiten oder Vereinfachungen frühzeitig nutzen zu können.

Quelle: Deutscher Bundestag, hib-Nr. 2025