Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Steuernummer statt Buchungsnummer im Verwendungszweck – keine Reisepreisrückzahlung

Bei fälschlicher Angabe der Steuernummer statt der Buchungsnummer im Verwendungszweck besteht hier kein Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises.

Das Amtsgericht München wies am 07.02.2019 die Klage eines Wuppertaler Ehepaares gegen die Münchner Reiseveranstalterin auf Rückzahlung des noch nicht erstatteten Reisepreises von noch 1.420,46 Euro und Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreuden von mindestens 1.990 Euro, also insgesamt 3.410,46 Euro ab.

Die Kläger hatten für sich selbst sowie für ihre fünf Kinder Mitte März 2017 bei der Beklagten für den Zeitraum vom 16.08.2017 bis zum 26.08.2017 eine Pauschalreise nach Antalya zu einem Gesamtpreis in Höhe von 3.980 Euro gebucht. Die Familienreise wurde auf zwei Buchungsvorgänge, einmal auf den Namen des Vaters und einmal auf den Namen eines der Kinder, aufgeteilt.

Die Kläger nannten bei den Überweisungen des Reisepreises im Verwendungszweck statt der Buchungsnummer die Steuernummer und die Umsatzsteueridentifikationsnummer der Beklagten. Die Buchung der Eltern wurde durch die Beklagte am 03.08.2017 wegen rückständiger Zahlungen storniert. Am 04.08.2017 wurden der Beklagten die Überweisungsbelege vorgelegt. Da so kurzfristig für die Eltern kein Ersatzflug mehr gefunden werden konnte, wurde die Buchung für die fünf Kinder auf Wunsch der Kläger am 14.08.2017 ebenfalls storniert. Die Reise fand nicht statt. Von den Anzahlungen hat die Beklagte aus Kulanz insgesamt einen Betrag in Höhe von 2.559,54 Euro zurückbezahlt. Nicht an die Kläger zurückbezahlt wurde ein Betrag in Höhe von insgesamt 1.420,46 Euro, den die Beklagte an Flugunternehmen, Hotel und Reisebüro zahlen musste.

Die Kläger behaupten, dass sie keinerlei Mahnungen von der Beklagten erhalten hätten. Außerdem hätte der Beklagten eine Zuordnung der Zahlungen, trotz der falschen Angaben im Verwendungszweck möglich sein müssen.

Die Beklagte hingegen behauptet, dass die Zahlungen für die Buchungen aufgrund der Vielzahl von eingehenden Zahlungen so nicht zugeordnet werden konnten. Die Kläger seien auch wiederholt gemahnt worden. Die Mahnungen seien an das Reisebüro geleitet worden. Dieses habe bestätigt, dass die Mahnungen an die Kläger weitergegeben wurden. Die Stornierung sei erst erfolgt, nachdem die Kläger auch auf die Mahnungen nicht reagiert hätten.

Das Gericht vernahm in zwei Beweisterminen drei Mitarbeiter der Beklagten und einen Mitarbeiter des Wuppertaler Reisebüros als Zeugen.

Der zuständige Richter am Amtsgericht München gab schließlich der Beklagten Recht.

„Die Beklagte hat diese Summe zu Recht einbehalten, weil die Reisen aufgrund eines Verschuldens der Kläger nicht durchgeführt werden konnten. Nach der Durchführung einer umfangreichen und relativ zeitintensiven Beweisaufnahme hat das Gericht keinerlei Zweifel daran, dass die Kläger verantwortlich dafür sind, dass die Zahlungen nicht zugeordnet werden konnten. Zunächst haben die Kläger aus nicht nachvollziehbaren Gründen im Verwendungszweck der Überweisung entgegen dem eindeutigen Hinweis auf der Rechnung und der Buchungsbestätigung die Steuernummern der Beklagten angegeben. Die Zuordnung der Zahlungen war hierdurch bereits deutlich erschwert. (…)

Das Gericht ist jedoch auch davon überzeugt, dass die Kläger entgegen dem Vortrag in der Klageschrift (…) von der Beklagten angemahnt wurden. Der auch von der Beklagtenseite benannte und aus Wuppertal angereiste Zeuge (Inhaber des Reisebüros) hat ausgesagt, dass er nach dem Erhalt der Mahnungen per E-Mail von der Beklagten den Kläger (…) sofort angerufen habe. Der Zeuge hat ausgesagt, dass er den Kläger gefragt habe, ob er bezahlt habe. Weiterhin habe er dem Kläger einen Screenshot der Mahnung über den Dienst WhatsApp zukommen lassen. Er habe den Kläger gebeten, dass die Reise unmittelbar bezahlt werde. Der Zeuge hat auch ausgesagt, dass die Mahnungen zunächst nur deswegen an das Reisebüro (…) geleitet wurden, weil die Kläger keine eigene E-Mail-Adresse hatten. An der Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen für das Gericht keine Zweifel. Die Aussage des Zeugen war neutral, strukturiert und ohne Belastungseifer. (…) Nach der Aussage des Zeugen konnte eine Zuordnung der Zahlungen auch deswegen nicht erfolgen, weil die Überweisungen vom Konto der Klägerin (…) vorgenommen wurden, während die Buchungen auf die Namen (des Vaters und des Kindes) liefen. (…) Die Beklagte hat somit berechtigterweise einen Betrag in Höhe von 1.420,46 Euro nicht an die Kläger zurückbezahlt, weil sie in dieser Höhe mit eigenen Aufwendungen belastet wurde.“

Das Urteil ist nach Verwerfung der Berufung rechtskräftig.

Quelle: AG München, Pressemitteilung vom 20.12.2019 zum Urteil 161 C 22009/17 vom 07.02.2019 (rkr)

Bundestag beschließt Verlängerung des Betrachtungszeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete

Am 19.12.2019 hat der Deutsche Bundestag den Gesetzesentwurf zur Verlängerung des Betrachtungszeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete beschlossen.

Die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Christine Lambrecht hierzu:

„Wir wollen Mieterinnen und Mieter wirksam vor Verdrängung schützen. Es ist ein wichtiger Schritt, dass der Deutsche Bundestag am 19.12.2019 die Verlängerung des Betrachtungszeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete von vier auf sechs Jahre beschlossen hat. Damit haben kurzfristige Schwankungen der Mieten geringere Auswirkungen auf die ortsübliche Vergleichsmiete. Dies sorgt dafür, dass Wohnen bezahlbar bleibt und hohe Mieten wirksam bekämpft werden. Zugleich wird durch diese Änderung sichergestellt, dass die Mietpreisbremse effektiv wirkt.“

Die ortsübliche Vergleichsmiete ist Bezugspunkt für Mieterhöhungen im Rahmen bestehender Mietverhältnisse und für die zulässige Neuvertragsmiete im Geltungsbereich der „Mietpreisbremse“. Sie wurde bislang aus den üblichen Entgelten, die in einer Gemeinde für vergleichbaren Wohnraum in den letzten vier Jahren vereinbart oder geändert worden sind, gebildet. Durch die Verlängerung des Betrachtungszeitraums auf nunmehr sechs Jahre werden Schwankungen auf dem Markt für Mietwohnungen besser aufgefangen und der Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmiete in dynamischen Wohnungsmärkten gedämpft. Durch die weiterhin zeitliche Begrenzung des Betrachtungszeitraums wird dafür gesorgt, dass die Vergleichsmiete einen Marktbezug behält.

Das Gesetz ist Teil des Wohn- und Mietenpakets der Bundesregierung.

Quelle: BMJV, Pressemitteilung vom 19.12.2019

Rechtskraft eines eine Kündigungsschutzklage abweisenden Urteils – Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung

Die Rechtskraft einer Entscheidung, mit der eine Kündigungsschutzklage abgewiesen wurde, schließt grundsätzlich etwaige Ansprüche des Arbeitnehmers auf Ersatz entgangenen Verdienstes sowie entgangener Rentenansprüche aus. Etwas anderes kann ausnahmsweise bei einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung i. S. v. § 826 BGB durch den Kündigenden in Betracht kommen.

Der katholische Kläger war langjährig bei der beklagten Kirchengemeinde (Beklagte zu 1.) als Organist, Chorleiter und Dekanatskantor beschäftigt. Im Jahr 1994 trennte er sich von seiner Ehefrau und ging eine neue Partnerschaft ein, aus der ein Kind hervorging. Nachdem die Beklagte zu 1. hiervon erfahren hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. März 1998 mit der Begründung, der Kläger habe gegen den Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe verstoßen und seine Loyalitätsobliegenheiten ihr gegenüber grob verletzt. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. In diesem Verfahren trat das beklagte Bistum (Beklagter zu 2.) auf Seiten der Beklagten zu 1. als Streithelfer bei. Das durch mehrere Instanzen geführte Verfahren endete im Jahr 2000 mit einer Klageabweisung. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde des Klägers nahm das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an.

Im Jahr 2003 erhob der Kläger beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Individualbeschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland. Mit Urteil vom 23. September 2010 stellte der EGMR einen Verstoß gegen Art. 8 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) fest und sprach dem Kläger mit Urteil vom 28. Juni 2012 gemäß Art. 41 EMRK eine Entschädigung i. H. v. 40.000 Euro zu. Eine von diesem im Jahr 2010 erhobene Restitutionsklage gegen die Entscheidung im Kündigungsschutzprozess blieb sowohl vor dem Landesarbeitsgericht als auch vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos. Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde des Klägers nahm das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an. Eine vom Kläger im Jahr 2013 erhobene Klage auf Wiedereinstellung blieb ebenfalls in allen Instanzen erfolglos.

Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger von den Beklagten die Zahlung der Vergütung, die ihm aufgrund der Kündigung zum 31. März 1998 entgangen ist, sowie einen Ausgleich entgangener Rentenansprüche als Schadenersatz. Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht, im Kündigungsschutzprozess sei ein klares Fehlurteil gefällt worden, weil der geltend gemachte Kündigungsgrund von der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (GrO), die hier allein maßgeblich sei, offensichtlich nicht umfasst sei. Dies sei seit deren Inkrafttreten für jedermann offensichtlich gewesen. Die Beklagten hätten durch ihr Verhalten und Vorbringen im Kündigungsschutzprozess in sittenwidriger Weise bewirkt, dass die Kündigungsschutzklage abgewiesen worden sei.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Steht eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtskräftig fest, können Schadensersatzansprüche, die auf den Ersatz entgangenen Entgelts sowie entgangener Rentenansprüche gerichtet sind, allenfalls bei einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung i. S. v. § 826 BGB durch den Kündigenden in Betracht kommen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass die Voraussetzungen des § 826 BGB nicht vorliegen, war revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Quelle: BAG, Pressemitteilung vom 19.12.2019 zum Urteil 8 AZR 511/18 vom 19.12.2019

Verkauf „gebrauchter“ E-Books über Website bedarf der Erlaubnis des Urhebers

Der Verkauf „gebrauchter“ E-Books über eine Website stellt eine öffentliche Wiedergabe dar, die der Erlaubnis des Urhebers bedarf.

Mit Urteil vom 19.12.2019 hat der Gerichtshof entschieden, dass die Überlassung eines E-Books zur dauerhaften Nutzung an die Öffentlichkeit durch Herunterladen unter den Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne der Richtlinie 2001/291 fällt.

Nederlands Uitgeversverbond (NUV) und Groep Algemene Uitgevers (GAU), zwei Verbände, deren Ziel die Vertretung der Interessen der niederländischen Verleger ist, erhoben bei der Rechtbank Den Haag (Gericht Den Haag, Niederlande) Klage und beantragten unter anderem, dem Unternehmen Tom Kabinet zu untersagen, Mitgliedern des von ihm gegründeten „Leseklubs“ auf seiner Website E-Books zugänglich zu machen oder diese Bücher zu vervielfältigen. NUV und GAU machen geltend, dass diese Tätigkeiten Urheberrechte ihrer Mitglieder an diesen E-Books verletzten. Dadurch, dass im Rahmen dieses Leseklubs „gebrauchte“ E-Books zum Verkauf angeboten würden, nehme Tom Kabinet eine unbefugte öffentliche Wiedergabe dieser Bücher vor. Tom Kabinet macht hingegen geltend, dass auf diese Tätigkeiten das Verbreitungsrecht anwendbar sei, das in der genannten Richtlinie einer Erschöpfungsregel unterliege, wenn der betreffende Gegenstand – im vorliegenden Fall die E-Books – vom Rechtsinhaber oder mit dessen Zustimmung in der Union verkauft worden seien. Diese Regel würde bedeuten, dass NUV und GAU nach dem Verkauf der in Rede stehenden E-Books nicht mehr das ausschließliche Recht hätten, ihre Verbreitung an die Öffentlichkeit zu erlauben oder zu verbieten.

Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die Überlassung eines E-Books zur dauerhaften Nutzung durch Herunterladen nicht unter das Recht der „Verbreitung an die Öffentlichkeit“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29, sondern vielmehr unter das in Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehene Recht der „öffentlichen Wiedergabe“ fällt, für das die Erschöpfung gemäß Art. 3 Abs. 3 ausgeschlossen ist.

Der Gerichtshof hat diese Feststellung insbesondere darauf gestützt, dass er aus dem Urheberrechtsvertrag der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO), der dieser Richtlinie zugrunde lag, und den Vorarbeiten zu dieser Richtlinie abgeleitet hat, dass der Unionsgesetzgeber beabsichtigte, die Erschöpfungsregel der Verbreitung von körperlichen Gegenständen, wie Büchern auf einem materiellen Träger, vorzubehalten. Die Anwendung der Erschöpfungsregel auf E-Books könnte die Interessen der Rechtsinhaber, für ihre Werke eine angemessene Vergütung zu erhalten, hingegen weitaus stärker beeinträchtigen als im Fall von Büchern auf einem materiellen Träger, da sich die nicht körperlichen digitalen Kopien von E-Books durch den Gebrauch nicht verschlechtern, und somit auf einem möglichen Second-Hand-Markt einen perfekten Ersatz für neue Kopien darstellen.

Zum Begriff „öffentliche Wiedergabe“ hat der Gerichtshof genauer ausgeführt, dass dieser in weitem Sinne verstanden werden muss, nämlich dahingehend, dass er jegliche Wiedergabe an die Öffentlichkeit umfasst, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist, und somit jegliche entsprechende drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Übertragung oder Weiterverbreitung eines Werks umfasst. Dieser Begriff vereint zwei kumulative Tatbestandsmerkmale, nämlich eine Handlung der Wiedergabe eines Werkes und seine öffentliche Wiedergabe.

Was das erste Merkmal anbelangt, geht aus der Begründung des Vorschlags für die Richtlinie 2001/29 hervor, dass „die kritische Handlung die Zugänglichmachung des Werkes für die Öffentlichkeit [ist], also das Angebot eines Werkes an einem öffentlich zugänglichen Ort, das dem Stadium seiner eigentlichen ‚Übertragung auf Abruf‘ vorangeht“, und dass es „unerheblich [ist], ob eine Person es tatsächlich abgerufen hat oder nicht“. Daher ist nach der Ansicht des Gerichtshofs die Zugänglichmachung der betreffenden Werke für jede Person, die sich auf der Website des Leseklubs registriert, als „Wiedergabe“ eines Werks anzusehen, ohne dass es hierfür erforderlich wäre, dass die betreffende Person diese Möglichkeit wahrnimmt, indem sie das E-Book tatsächlich von dieser Website abruft.

Was das zweite Merkmal anbelangt, ist nicht nur zu berücksichtigen, wie viele Personen gleichzeitig Zugang zu demselben Werk haben können, sondern auch, wie viele von ihnen nacheinander Zugang zu diesem Werk haben können. Im vorliegenden Fall ist nach Ansicht des Gerichtshofs die Anzahl der Personen, die über die Plattform des Leseklubs parallel oder nacheinander Zugang zu demselben Werk haben können, erheblich. Somit ist vorbehaltlich einer Nachprüfung durch das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände das in Rede stehende Werk als öffentlich wiedergegeben anzusehen.

Im Übrigen hat der Gerichtshof entschieden, dass es für eine Einstufung als öffentliche Wiedergabe erforderlich ist, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von den bisher verwendeten unterscheidet, oder ansonsten für ein neues Publikum wiedergegeben wird, d. h. für ein Publikum, an das die Inhaber des Urheberrechts nicht bereits gedacht hatten, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten. Da im vorliegenden Fall die Zugänglichmachung eines E-Books im Allgemeinen mit einer Nutzungslizenz einhergeht, die nur das Lesen des E-Books durch den Benutzer, der das betreffende E-Book mit seinem eigenen Gerät heruntergeladen hat, gestattet, ist davon auszugehen, dass eine Wiedergabe, wie sie von dem Unternehmen Tom Kabinet vorgenommen wird, für ein Publikum, an das die Inhaber des Urheberrechts nicht bereits gedacht hatten, mithin für ein neues Publikum, vorgenommen wird.

Fußnote

1 Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10).

Quelle: EuGH, Pressemitteilung vom 19.12.2019 zum Urteil C-263/18 vom 19.12.2019

Bußgeldverfahren: (Zu viel) Alkohol nicht nur im Bart: Führerschein weg

Bei einer Trunkenheitsfahrt des Antragstellers aus dem Kreis Düren mit einem E-Bike im September 2018 mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 2,2 Promille kam es zu einem Unfall. Eine daraufhin veranlasste Begutachtung ergab, es sei zu erwarten, dass der Antragsteller künftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Dem Antragsteller wurde daraufhin im September 2019 die Fahrerlaubnis entzogen. Der Eilantrag dagegen blieb ohne Erfolg.

Zur Begründung heißt es in dem Beschluss der 3. Kammer vom 12. Dezember 2019:

Der Antragsteller sei ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Werte ab 1,6 Promille deuten nach dem aktuellen Stand der Alkoholforschung auf deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit hin. Die Gutachter hätten aufgrund der Angaben des Antragstellers zum früheren Alkoholkonsum nachvollziehbar dargetan, dass er über einen gewissen Zeitraum einen missbräuchlichen Umgang mit Alkohol betrieben hat. Seine Angaben zu dem nach dem Vorfall geänderten kontrollierten Alkoholkonsum (zwei Bier etwa zweimal pro Monat) seien nachvollziehbar als bagatellisierend eingestuft. Mit dem Ergebnis der Haarprobe, die eine Konzentration von 59 pg/mg Ethylglucuronid (ETG) ergeben habe, seien diese Angaben nicht vereinbar.

Die Erklärung des Antragstellers, die bei der Haarprobe entnommenen Barthaare würden regelmäßig kosmetisch mit Haarwassern behandelt (sein Barbier pflege den Bart regelmäßig alle zwei Wochen mit einem alkoholhaltigen Mittel), hat die Kammer nicht überzeugt. Nach einer Auskunft des Instituts für Rechtsmedizin Köln werde ETG als Stoffwechselprodukt in der Leber gebildet. Dazu müsse Ethanol im Körper zu ETG verstoffwechselt worden sein. Dies setze voraus, dass Ethanol einmal im menschlichen Körper gewesen sein müsse. Ethanol lagere sich aber nicht einfach als ETG im Haar an, sondern müsse in Form von alkoholischen Getränken aufgenommen worden sein.

Gegen den Beschluss kann der Antragsteller Beschwerde einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheidet.

Quelle: VG Aachen, Pressemitteilung vom 17.12.2019 zum Beschluss 3 L 1216/19 vom 12.12.2019

Bußgeldverfahren: Strenge Anforderungen an Fahrtenbuchauflage

Teilt ein Fahrzeughalter mit, dass nicht er, sondern einer seiner beiden Zwillingssöhne einen Geschwindigkeitsverstoß mit seinem Fahrzeug begangen habe, und macht er im Übrigen von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, darf die Bußgeldbehörde das Verfahren nicht vorschnell einstellen und dem Halter die Führung eines Fahrtenbuchs auferlegt werden. Vielmehr habe die Behörde zunächst die Söhne des Halters zu befragen. Dies entschied das Verwaltungsgericht Koblenz und gab einer entsprechenden Klage statt.

Mit dem Kraftrad des Klägers wurde am 13. Juli 2018 innerorts die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 33 km/h überschritten. Auf den in der Verwaltungsakte befindlichen Radarfotos ist das Gesicht des Fahrers aufgrund des Motorradhelms nicht zu erkennen. In dem sich anschließenden Bußgeldverfahren teilte der Kläger der Bußgeldstelle mit, er sei nicht der verantwortliche Fahrzeugführer, vielmehr habe einer seiner beiden Söhne das Motorrad zum fraglichen Zeitpunkt gefahren; im Übrigen mache er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Die Bußgeldstelle stellte daraufhin das Verfahren ein. Gegenüber dem Kläger wurde für die Dauer von 15 Monaten die Führung eines Fahrtenbuchs angeordnet.

Hiergegen erhob der Kläger nach erfolglosem Widerspruch Klage und trug im Wesentlichen vor, der Beklagte habe nicht alle angemessenen und zumutbaren Aufklärungsmaßnahmen ergriffen. Er habe sich nicht lediglich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen, sondern den Kreis der möglichen Fahrer auf zwei Personen – seine beiden Söhne – eingegrenzt. Der Beklagte hätte problemlos durch deren Anhörung versuchen können, den tatsächlichen Fahrer festzustellen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass einer seiner Söhne bei einer solchen Befragung den Verkehrsverstoß eingeräumt hätte. Dem trat der Beklagte insbesondere mit dem Einwand entgegen, die Bußgeldstelle sei nicht verpflichtet gewesen, die beiden Zwillingssöhne des Klägers parallel anzuhören. Denn die Mitarbeiter der Bußgeldstelle sähen sich in diesem Fall einer strafrechtlichen Verfolgung wegen des Vorwurfs der Verfolgung Unschuldiger ausgesetzt.

Dem folgte das Verwaltungsgericht nicht und gab der Klage statt.

Zwar könne eine Fahrtenbuchauflage verhängt werden, wenn die Ermittlung des Fahrzeugführers, der den in Rede stehenden Verkehrsverstoß begangen hatte, nicht möglich gewesen sei. Hierfür komme es im Wesentlichen darauf an, ob die Ermittlungsbehörde unter sachgerechtem und rationalem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen diejenigen Maßnahmen getroffen habe, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht würden und erfahrungsgemäß Erfolg haben könnten. Benenne der Fahrzeughalter einen überschaubaren Kreis von Angehörigen, die als Verantwortliche für den Verkehrsverstoß in Betracht kämen, müsse die Behörde diese Personen in der Regel befragen, da eine solche Befragung nicht von vorneherein aussichtslos erscheine. Dies gelte auch dann, wenn – wie hier der Fall – die beiden Zwillingssöhne des Fahrzeughalters als Fahrer in Betracht kämen. Angesichts der Tatsache, dass die beiden Zwillingssöhne des Klägers deutlich unterschiedliche Körpergrößen aufwiesen, sei es der Bußgeldstelle auch zumutbar gewesen, anhand der Radarfotos und der dort abgebildeten Kleidung sowie des Helms des Fahrers weitere Ermittlungen anzustellen. Diesem Ergebnis stehe nach Auffassung der Richter nicht entgegen, dass – wie der Beklagte meine – eine Befragung der Zwillingssöhne des Klägers zu einer Strafbarkeit der Mitarbeiter der Bußgeldstelle wegen der Verfolgung Unschuldiger führen würde. Diese seien in Fällen wie dem vorliegenden nicht gehalten, die vom Fahrzeughalter benannten Personen unmittelbar als Betroffene anzuhören. Vielmehr seien zunächst – gegebenenfalls unter Einschaltung der Polizei – weitere Befragungen und Ermittlungen anzustellen. Ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen eine bestimmte Person sei hingegen erst dann einzuleiten, wenn sich ein konkreter Verdacht gegen diese ergebe.

Gegen diese Entscheidung können die Beteiligten die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz beantragen.

Quelle: VG Koblenz, Pressemitteilung vom 17.12.2019 zum Urteil 4 K 773/19 vom 10.12.2019

Neue „Düsseldorfer Tabelle“ ab dem 1. Januar 2020

Die von dem Oberlandesgericht Düsseldorf herausgegebene „Düsseldorfer Tabelle“ wird zum 1. Januar 2020 geändert. Die Änderungen betreffen im Wesentlichen (1) die Bedarfssätze minderjähriger und volljähriger Kinder, (2) den Bedarf eines Studierenden, der nicht mehr bei seinen Eltern oder einem Elternteil wohnt, sowie (3) die sog. Selbstbehalte. Am Ende dieser Mitteilung wird (4) kurz die Bedeutung der „Düsseldorfer Tabelle“ erklärt und (5) eine Perspektive für das Jahr 2021 gegeben.

1. Bedarfssätze für Kinder

Die Anhebung der Bedarfssätze minderjähriger Kinder beruht auf der Erhöhung des Mindestbedarfs gemäß der „Zweiten Verordnung zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung vom 12.09.2019“. Der Mindestunterhalt beträgt danach ab dem 1. Januar 2020:

  • für Kinder der 1. Altersstufe (bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres) 369 Euro (Anhebung um 15 Euro),
  • für Kinder der 2. Altersstufe (bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres) 424 Euro (Anhebung um 18 Euro) und
  • für Kinder der 3. Altersstufe (vom 13. Lebensjahr bis zur Volljährigkeit) 497 Euro (Anhebung um 21 Euro).

Diese der Entscheidung des Gesetzgebers folgende Erhöhung des Mindestunterhalts führt zugleich zu einer Änderung der Bedarfssätze der 2. bis 10. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle. Sie werden wie in der Vergangenheit ab der 2. bis 5. Gruppe um jeweils 5 Prozent und in den folgenden Gruppen um jeweils 8 Prozent des Mindestunterhalts angehoben.

Auch die Bedarfssätze volljähriger Kinder, die in 2018 und in 2019 unverändert blieben, werden zum 01.01.2020 angehoben. Sie betragen 125 Prozent des Bedarfs der 2. Altersstufe.

Die Einkommensgruppen, die zuletzt zum 01.01.2018 erhöht wurden, bleiben unverändert.

2. Bedarf von Studierenden

In Anlehnung an den zum 01.08.2019 gestiegenen Höchstsatz nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz steigt der Bedarf eines Studierenden, der nicht bei seinen Eltern oder einem Elternteil wohnt, von bisher 735 Euro auf 860 Euro (einschließlich 375 Euro an Warmmiete).

Auf den Bedarf des Kindes ist nach § 1612b BGB das Kindergeld anzurechnen. Dieses beträgt seit dem 1. Juli 2019:

  • für ein erstes und zweites Kind 204 Euro,
  • für ein drittes Kind 210 Euro und
  • ab dem vierten Kind 235 Euro.

Das Kindergeld ist bei minderjährigen Kindern in der Regel zur Hälfte und bei volljährigen Kindern in vollem Umfang auf den Barunterhaltsbedarf anzurechnen. Die sich nach Abzug des Kindergeldanteils ergebenden Beträge sind in den im Anhang der Tabelle beigefügten „Zahlbetragstabellen“ aufgelistet.

3. Selbstbehalte

Erstmals seit 2015 ändern sich die sogenannten Selbstbehalte. Diese Selbstbehalte bilden den dem Unterhaltspflichtigen mindestens zu belassenden Betrag ab. Gegenüber den Ansprüchen minderjähriger Kinder und volljähriger unverheirateter Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden, beträgt der notwendige Selbstbehalt des nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen 960 Euro und des erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen 1.160 Euro statt bislang 880 Euro bzw. 1.080 Euro. Der notwendige Selbstbehalt beinhaltet Wohnkosten (Warmmiete) von 430 Euro. Der Selbstbehalt kann erhöht werden, wenn die Wohnkosten diesen Betrag überschreiten und nicht unangemessen sind. Sofern nicht der Mindestbedarf des unterhaltsberechtigten Kindes betroffen ist, beträgt der dem Unterhaltspflichtigen zu belassende Eigenbedarf mindestens 1.400 Euro statt bisher 1.300 Euro.

Gegenüber Ansprüchen auf Ehegattenunterhalt bzw. Unterhaltsansprüchen der Mutter oder des Vaters eines nicht ehelichen Kindes beträgt der Eigenbedarf des erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen ab dem 01.01.2020 1.280 Euro und des nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen 1.180 Euro. Die Unterscheidung zwischen erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen erfolgt in Anlehnung an den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16. Oktober 2019 (Aktenzeichen XII ZB 341/17).

Der Selbstbehalt gegenüber Unterhaltsansprüchen von Eltern steigt zum 01.01.2020 von bisher 1.800 Euro auf 2.000 Euro. Auswirkungen des sog. Angehörigenentlastungsgesetzes sind noch nicht berücksichtigt.

4. Hintergrund der „Düsseldorfer Tabelle“

Die seit dem 1. Januar 1979 von dem Oberlandesgericht Düsseldorf herausgegebene „Düsseldorfer Tabelle“ beruht auf Koordinierungsgesprächen aller Oberlandesgerichte und der Unterhaltskommission des Familiengerichtstages e.V. Sie ist eine Richtlinie und Hilfsmittel für die Bemessung des angemessenen Unterhalts im Sinne des § 1610 BGB und wird von allen Oberlandesgerichten zur Bestimmung des Kindesunterhalts verwandt.

5. Perspektiven für 2021

Die nächste Änderung der Düsseldorfer Tabelle wird voraussichtlich zum 1. Januar 2021 erfolgen. Nach der Mindestunterhaltsverordnung vom 12. September 2019 wird dann der Mindestunterhalt

  • für ein Kind der 1. Altersstufe auf 378 Euro,
  • für ein Kind der 2. Altersstufe auf 434 Euro und
  • für ein Kind der 3. Altersstufe auf 508 Euro steigen.

Quelle: OLG Düsseldorf, Pressemitteilung vom 16.12.2019

Gemeinnützigkeit eines Vereins zur Förderung des IPSC-Schießens

Urteil des BFH vom 27. September 2018 (V R 48/16)

Der BFH hat mit o. g. Urteil entschieden, dass ein Verein, dessen Zweck in der Förderung des Schießsportes besteht – insbesondere des IPSC-Schießens (International Practical Shooting Confederation – IPSC) – im konkreten Einzelfall auch die satzungsmäßigen Anforderungen an die Feststellungen der Gemeinnützigkeit erfüllen kann. Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Anwendung des Urteils Folgendes:

Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob nach dem konkret vorliegenden Sachverhalt bei Veranstaltungen des betreffenden IPSC-Vereins oder bei Wettkämpfen, zu denen der Verein seine Mitglieder entsendet, das Schießen auf Menschen simuliert wird bzw. die beim IPSCSchießen aufgebauten Szenarien als Häuserkampf mit der Imitation eines Schusses auf Menschen interpretiert werden müssen. Liegt ein derartiger Sachverhalt vor, ist dem betreffenden IPSC-Verein der Status der Gemeinnützigkeit zu versagen bzw. abzuerkennen.

Der BFH begründet seine Entscheidung maßgeblich damit, dass die vom Finanzgericht vorgenommene „tatsächliche Würdigung“ einer revisionsrechtlichen Prüfung standhalte (Rn. 35 ff. und Rn. 41 ff. des Urteils). Das Urteil enthält jedoch keine Bemerkung dazu, dass diese getroffene „tatsächliche Würdigung“ die einzig Mögliche ist.

Vielmehr führt der BFH in Rn. 40 seines Urteils aus:

„Bei hoher Abstraktion könnte zwar eine Ähnlichkeit der Ziele zu Teilen einer menschlichen Silhouette angenommen werden, ebenso ist es jedoch möglich, im Hinblick auf die wesentlichen Unterschiede und das Fehlen von Gesicht und Gliedmaßen mit dem FG davon auszugehen, dass keinerlei Ähnlichkeit mit einer menschlichen Gestalt besteht.“

In einem anderen finanzgerichtlichen Verfahren könnte daher ein anderes oder dasselbe Finanzgericht zu einer anderen „tatsächlichen Würdigung“ mit einer anderen rechtlichen Konsequenz gelangen.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 4 – S-0171 / 19 / 10021 :002 vom 12.12.2019

Änderung der Finanzgerichtsordnung

Einsatz von Richtern anderer Gerichtsbarkeiten u. a. auch bei finanzgerichtlichen Prozessen

Der Bundesrat hat den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung (FGOÄndG) vorgelegt ( 19/15826 ). Danach soll die Finanzgerichtsordnung um eine Regelung ergänzt werden, die es erlaubt, Richterinnen und Richter anderer Gerichtsbarkeiten sowie Rechtslehrerinnen und Rechtslehrer an Universitäten zu Richterinnen und Richtern im Nebenamt zu ernennen.

Hintergrund ist dem Entwurf zufolge, dass nach derzeitiger Rechtslage bei den Finanzgerichten keine Richterinnen und Richter auf Zeit (im Nebenamt) beschäftigt werden können, da dies einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung bedürfe. Zwar könnten auch nach aktueller Rechtslage Richterinnen und Richter anderer Gerichtsbarkeiten und Universitätsprofessorinnen und -professoren als Richterinnen und Richter in finanzgerichtlichen Prozessen eingesetzt werden. Hierfür müssten die betreffenden Personen allerdings zu Richterinnen und Richtern auf Lebenszeit ernannt werden. Diese Möglichkeit erweise sich bei schwankendem Geschäftsanfall als unflexibel. Demgegenüber könnte die Bestellung einer Richterin oder eines Richters auf Zeit bei rückläufigen Fallzahlen ausgesetzt werden.

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 12.12.2019

Kirchensteuerpflicht von im Kindesalter getauften und nicht aus der Kirche wieder ausgetretenen Erwachsenen bestätigt

Die Heranziehung der als Säugling getauften Klägerin zur Entrichtung der Kirchensteuer im Erwachsenenalter war mangels ausdrücklichen Kirchenaustritts rechtens. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden.

Die Klägerin wendet sich zwei Bescheide, mit denen sie zur Entrichtung der Kirchensteuer verpflichtet wird. Nach einem Auszug aus dem Taufregister der Evangelischen Kirchengemeinde Bitterfeld wurde sie dort zwei Monate nach ihrer Geburt im Jahr 1953 im evangelischen Glauben getauft. Ihre Eltern traten 1956 und 1958 aus der Kirche aus. Die Klägerin gab in einem ihr von der Kirchensteuerstelle beim Finanzamt Prenzlauer Berg im September 2011 zugesandten Fragebogen an, nicht getauft zu sein. Als die Kirchensteuerstelle im Oktober 2011 von der Kirchengemeinde auf Anfrage jedoch erfuhr, dass die Klägerin 1953 getauft worden sei, zog diese die Klägerin mit zwei Bescheiden für 2012 und 2013 zur Kirchensteuerentrichtung mit der Begründung heran, dass sie infolge ihrer Taufe und mangels Kirchenaustritts Kirchenmitglied und damit kirchensteuerpflichtig sei. Hiergegen setzt sich die Klägerin gerichtlich zur Wehr. Sie macht unter anderem geltend, ihre Eltern hätten seinerzeit auch den Austritt der Klägerin miterklärt. Eine Kirchenmitgliedschaft sei ihr aufgrund ihrer atheistischen Erziehung auch nicht bewusst gewesen. Davon abgesehen sei die Anbindung der Kirchensteuerpflicht an die Kirchenmitgliedschaft und dieser wiederum an die Säuglingstaufe verfassungswidrig, weil das Freiwilligkeitsprinzip verletzt werde. Ferner rügt die Klägerin Verstöße der Kirchensteuerstelle gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen anlässlich deren Informationserhebung bei ihr und der genannten Kirchengemeinde.

Die 27. Kammer des Verwaltungsgerichts hat die Klage abgewiesen. Die Bescheide seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie sei in den betreffenden Veranlagungszeiträumen, den Jahren 2012 und 2013, Mitglied der Beklagten gewesen. Sie sei durch ihre Taufe im Juni 1953 Mitglied der Evangelischen Kirche geworden. Es lasse sich nicht feststellen, dass die Klägerin vor dem Jahr 2014 aus dieser Kirche ausgetreten sei. Insbesondere ergebe sich ihr Kirchenaustritt nicht aus den Austrittserklärungen ihrer Eltern. Die Heranziehung der Klägerin zur Zahlung von Kirchensteuer verstoße auch nicht gegen Art. 29 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung von Berlin; vor allem sei das Freiwilligkeitsprinzip nicht verletzt. Die Klägerin hätte mit ihrer Kirchenmitgliedschaft rechnen müssen und daher austreten können, dies aber nicht getan. Die für die Erhebung der Kirchensteuer erlangten Informationen seien auch nicht, insbesondere nicht aus datenschutzrechtlichen Gründen, unverwertbar. Infolgedessen stehe der Klägerin auch kein Anspruch auf Erstattung der als Kirchensteuer einbehaltenen Beträge zu.

Gegen das Urteil kann Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gestellt werden.

Quelle: VG Berlin, Pressemitteilung vom 12.12.2019 zum Urteil 27 K 292.15 vom 12.12.2019