Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Grenzgängerregelung bei sog. geringfügigen Arbeitsverhältnissen

  1. Das in Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz für Grenzgänger formulierte Erfordernis, dass ein Grenzgänger „regelmäßig“ von seinem Arbeitsort an seinen Wohnsitz zurückkehrt, bedeutet lediglich „jeweils nach Arbeitsende“.
  2. Bei einem Teilzeitbeschäftigten, der nur tageweise in der Schweiz beschäftigt ist, ist die Anzahl von 60 unschädlichen Nichtrückkkehrtagen in § 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz durch proportionale Kürzung im Verhältnis der Arbeitstage herabzusetzten.
  3. Der generelle Ausschluss sog. geringfügiger Arbeitsverhältnisse im Sinne von § 7 KonsVerCHEV aus der Grenzgängerregelung, d. h. von Arbeitsverhältnissen für einen in der Schweiz ansässigen Arbeitgeber mit einer vereinbarten Arbeitszeit von weniger als einem Tag pro Woche bzw. fünf Tagen pro Monat, steht im Widerspruch zu Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz. Die Befugnis zur Verwerfung derartiger abkommensändernder Rechtsverordnungen liegt bei den Gerichten.

Sachverhalt

Der Kläger hatte im Streitjahr 2013 seinen alleinigen Wohnsitz in Deutschland und wurde hier zur Einkommensteuer veranlagt. Seit Oktober 2002 ist er als Vertriebsleiter der B Inc. (USA) angestellt. Daneben bezog er Arbeitslohn als Prokurist der von ihm gegründeten C AG (Schweiz) in N. In dem Arbeitsvertrag mit der C AG wurde eine Arbeitszeit von „3 Arbeitstagen (24 Stunden) pro Monat, je nach Bedarf nicht an feste Tage gebunden“ vereinbart. In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger geltend, dass der von der C AG bezogene Arbeitslohn von der deutschen Besteuerung unter Progressionsvorbehalt freizustellen sei. Er sei leitender Angestellter im Sinne von Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz und kein Grenzgänger im Sinne von Art. 15a DBA-Schweiz. Die in Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz festgelegte Grenze von 60 Nichtrückkehrtagen/Jahr sei aufgrund seiner Teilzeitbeschäftigung durch proportionale Kürzung im Verhältnis der Arbeitstage zu kürzen. Er habe anlässlich von Geschäftsreisen im Streitjahr 20 Nichtrückkehrtage gehabt. Das beklagte Finanzamt (FA) unterwarf den Arbeitslohn des Klägers für die C AG in voller Höhe der Besteuerung in Deutschland. Der Kläger sei als Grenzgänger im Sinne von Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz anzusehen. Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz finde daher keine Anwendung. Einen Nachweis über die Nichtrückkehrtage habe der Kläger unter Berücksichtigung der ihm obliegenden Mitwirkungspflichten nicht erbracht.

Aus den Gründen

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Die Einkünfte des Klägers aus der Tätigkeit für die C AG seien in die Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer einzubeziehen, da er im Streitjahr als Grenzgänger im Sinne des Art. 15a DBA-Schweiz anzusehen sei.

Unbeschränkte Einkommensteuerpflicht des Klägers

Der Kläger sei wegen seines alleinigen Wohnsitzes im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Er habe daher mit sämtlichen im Streitjahr erzielten Einkünften der deutschen Einkommensteuer unterlegen. Aus abkommensrechtlicher Sicht sei er in Deutschland ansässig gewesen (Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz).

Keine Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechts für die in der Schweiz erzielten Lohneinkünfte

Die Ausübung des deutschen Besteuerungsrechts auf die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit für die C AG sei nicht durch Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz eingeschränkt. Zwar sehe diese Vorschrift bei einer in Deutschland ansässigen Person unter bestimmten Voraussetzungen vor, die aus der Schweiz stammenden Gehälter, Löhne und ähnlichen Vergütungen im Sinne des Art. 15 DBA-Schweiz von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen seien. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall jedoch nicht erfüllt.

Der Kläger sei zwar Prokurist der C-AG gewesen, …

Nach Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz könnten vorbehaltlich des Art. 15a DBA-Schweiz die Einkünfte einer in Deutschland ansässigen Person aus einer Tätigkeit als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft in der Schweiz besteuert werden, sofern die Tätigkeit nicht so abgegrenzt ist, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz umfasst.

Der Kläger gehöre als Prokurist zu dem in Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz genannten Personenkreis. Die C AG sei auch eine nach Schweizer Recht errichtete Kapitalgesellschaft mit Sitz in der Schweiz. Des Weiteren gehe der Senat davon aus, dass die C AG im Streitjahr in der Schweiz auch ansässig im Sinne von Art. 4 Abs. 8 DBA-Schweiz gewesen sei. Der Mittelpunkt der tatsächlichen Geschäftsleitung habe sich in N/Schweiz befunden, wo die die C AG einen für ihren Geschäftsbetrieb ausgestatteten Raum angemietet und der Kläger sich regelmäßig aufgehalten habe.

… das Schweizer Besteuerungsrecht sei aber wegen der Grenzgängereigenschaft des Klägers ausgeschlossen.

Die Anwendung von Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz sei im Streitfall jedoch durch Art. 15a DBA-Schweiz, der Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz vorgehe, ausgeschlossen, da der Kläger als Grenzgänger im Sinne Art. 15a DBA-Schweiz anzusehen ist.

Grenzgänger sei jede in einem Vertragsstaat ansässige Person, die in dem anderen Vertragsstaat ihren Arbeitsort habe und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehre. Arbeitstage im Sinne dieser Regelung seien die in dem Arbeitsvertrag vereinbarten Tage. Das ergebe sich aus Nr. II.2. des Verhandlungsprotokolls zum Änderungsprotokoll vom 18. Dezember 1991 (Verhandlungsprotokoll), das eine verbindliche Vorgabe für die Auslegung des Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz enthalte.

Regelmäßige Rückkehr des Klägers auch bei einer geringen Anzahl von Grenzübertritten (hier 1 bis 2 Mal im Monat)

„Regelmäßig“ bedeute lediglich „jeweils nach Arbeitsende“. Das heiße, dass eine Rückkehr aus dem Tätigkeitsstaat an den Tagen nicht verlangt wird, an denen sich der Grenzgänger aus beruflichen oder privaten Gründen nicht in den Tätigkeitsstaat begeben habe. Am Arbeitsort arbeitsfreie Tage (insbes. Urlaubs- und Krankheitstage; arbeitsfreie Samstage, Sonntage und Feiertage; Arbeitstage im Wohnsitztag oder einem Drittstaat) seien in diese Beurteilung nicht einzubeziehen.

Die für die ganzjährige Grenzgängereigenschaft erforderliche Voraussetzung des regelmäßigen Pendelns über die Grenze an Arbeitstagen im Sinne von Nr. II.2 des Verhandlungsprotokolls könne auch unter Berücksichtigung von Arbeitstagen im Ansässigkeitsstaat oder Drittstaaten vorliegen. Ein tägliches Überqueren der Grenze zur Schweiz sei für die Begründung der Grenzgängereigenschaft nicht erforderlich, ein gelegentliches Überqueren jedoch nicht ausreichend. Die hierfür erforderliche Anzahl an Grenzüberschreitungen bestimmt sich nach den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalles.

Nach dieser Maßgabe sehe der Senat die Voraussetzung einer regelmäßigen Rückkehr des Klägers im Sinne von Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz auch dann als erfüllt an, wenn der Kläger das Büro in N nur 1 bis 2 Mal im Monat aufgesucht haben sollte.

Proportionale Kürzung der schädlichen Nichtrückkehrtage im Verhältnis der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit

Zu der zu leistenden Arbeitszeit sei in Art. 9 des im Streitjahr maßgeblichen Arbeitsvertrag vereinbart, dass diese „3 Arbeitstage (24 Stunden) pro Monat, je nach Bedarf beträgt und nicht an feste Tage gebunden ist“. Unklar sei, wie diese Arbeitszeitvereinbarung tatsächlich umgesetzt wurde, d. h. ob der Kläger die geschuldete Arbeitsleistung von 24 Stunden an 3 Arbeitstagen oder – je nach Bedarf – stundenweise erbrachte. Aber auch wenn der Kläger nur an 1 bis 2 Arbeitstagen im Monat die Grenze zur Ausübung seiner Arbeit für die C AG überquert haben sollte, seien diese Rückkehren im Verhältnis zu maßgeblichen 3 Arbeitstagen im Monat nicht als gelegentlich, sondern als regelmäßig im Sinne von Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz anzusehen. Denn eine Rückkehr finde mindestens an einem Drittel der vereinbarten Arbeitstage statt und damit – im Verhältnis zur vereinbarten Arbeitszeit – häufiger als bei Vorliegen von 61 Nichtrückkehrtagen, die bei einer Fünf-Tage-Woche (250 Arbeitstagen/Jahr) nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz zum Wegfall der Grenzgängereigenschaft führen.

Keine Bindung an die Bestimmung der Grenzgängereigenschaft in den Konsultationsvereinbarungen für geringfügige Arbeitsverhältnisse

Die Regelung in § 7 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (KonsVerCHEV) vom 20. Dezember 2010 führe zu keinem anderen Ergebnis.

Nach § 7 KonsVerCHEV liege eine regelmäßige Rückkehr auch noch vor, wenn sich der Arbeitnehmer auf Grund eines Arbeitsvertrags oder mehrerer Arbeitsverträge mindestens an einem Tag pro Woche oder mindestens an fünf Tagen pro Monat von seinem Wohnsitz an seinen Arbeitsort und zurück begebe. Seien die genannten Voraussetzungen bei geringfügigen Arbeitsverhältnissen nicht erfüllt, werde eine regelmäßige Rückkehr nicht angenommen.

Ermächtigungsgrundlage für die KonsVerCHEV sei § 2 Abs. 2 Satz 1 AO. Mit dieser durch das Jahressteuergesetz 2010 eingefügten Regelung habe der Gesetzgeber zwischenstaatlichen Konsultationsvereinbarungen im Sinne des Art. 25 Abs. 3 des OECD-Musterabkommens den Rang einer Rechtsverordnung verleihen wollen.

Verstoß der Konsultationsvereinbarung gegen höherrangiges Recht und Verwerfungskompetenz des Finanzgerichts

Zwischenstaatliche Konsultationsvereinbarungen, die aufgrund der Ermächtigungsgrundlage des § 2 Abs. 2 AO als Rechtsverordnung erlassen wurden, könnten eine Abkommensregelung spezifizieren und umsetzen. Es sei wegen des Vorranges des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes – GG -) aber ausgeschlossen, dass eine auf Grundlage des § 2 Abs. 2 AO erlassene Rechtsverordnung den Abkommenstext der höherrangigen Rechtsnorm (hier des Doppelbesteuerungsabkommens in der Umsetzung des „einfachen“ Zustimmungsgesetzes) und damit die Besteuerungszuordnung der Einkünfte verändere. Durch die im Rang einer Rechtsverordnung stehende KonsVerCHEV könne keine Regelung getroffen werden, die dem im Rang eines Gesetzes stehenden DBA-Schweiz widerspreche oder dessen Lücken ergänze. Vielmehr sei die „Grenzmarke“ des Wortlauts des Art. 15a DBA-Schweiz zu beachten. Die Befugnis zur Verwerfung derartiger abkommensändernder Rechtsverordnungen liegt bei den Gerichten.

Soweit § 7 KonsVerCHEV dahin zu verstehen sei, dass das Tatbestandsmerkmal der „regelmäßigen Rückkehr“ eine Mindesteinsatzzeit im anderen Vertragsstaat von 1 Tag pro Woche oder 5 Tagen pro Monat voraussetze, lasse sich dieses Erfordernis aus dem Wortlaut von Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz unter Berücksichtigung der im Verhandlungsprotokoll von den Vertragsparteien getroffenen verbindlichen Festlegungen für die Anwendung und Auslegung von Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz nicht ableiten. Der generelle Ausschluss sog. geringfügiger Arbeitsverhältnisse im Sinne von § 7 KonsVerCHEV aus der Grenzgängerregelung, d. h. von Arbeitsverhältnissen für einen in der Schweiz ansässigen Arbeitgeber mit einer vereinbarten Arbeitszeit von weniger als einem Tag pro Woche bzw. fünf Tagen pro Monat, stehe im Widerspruch zu Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz. Denn auch in diesen Fällen findet – bezogen auf den tatsächlichen Arbeitseinsatz an den im Arbeitsvertrag vereinbarten Tagen – eine regelmäßige Rückkehr an den Wohnort statt.

Kein Entfall der Grenzgängereigenschaft wegen Nichtrückkehrtagen

Nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz entfalle die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn die Person bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt. Bei einem Teilzeitbeschäftigten sei die Anzahl von 60 unschädlichen Tagen durch proportionale Kürzung im Verhältnis der Arbeitstage herabzusetzen.

Feststellungslast des Klägers für den Nachweis der Nichtrückkehrtage

Der Kläger habe zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen, dass er im Streitjahr an einer ausreichenden Anzahl von Tagen aufgrund einer seinem Beschäftigungsverhältnis zur C AG zuzuordnenden Geschäftsreise nicht an seinen Wohnsitz zurückgekehrt sei. Der Kläger trage sowohl für die objektive Zahl der Übernachtungen als auch für deren jeweilige berufliche Veranlassung die objektive Beweislast (Feststellungslast), da er die inländische Steuerpflicht seiner Einkünfte unter Hinweis auf Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz bestreite. Die Zahl der Nichtrückkehrtage sei bezogen auf jeden einzelnen der geltend gemachten Nichtrückkehrtage festzustellen. Eine Schätzung der Anzahl der Nichtrückkehrtage sei nicht zulässig.

Ausgehend hiervon habe der Kläger lediglich für eine Geschäftsreise (1 Nichtrückkehrtag) durch Vorlage einer Bestätigung des besuchten Geschäftspartners, bei dem es sich um einen (künftigen) Kunden der C AG gehandelt habe, zur Überzeugung des Senats nachweisen, dass die Nichtrückkehr durch sein Beschäftigungsverhältnis zur C AG veranlasst gewesen sei.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 12.07.2021 zum Urteil 3 K 2357/19 vom 22.04.2021 (nrkr – BFH-Az.: I R 24/21)

Zum Sonderausgabenabzug für ein unter Denkmalschutz stehendes Wohneigentum

Kein Sonderausgabenabzug für ein zum deutschen kulturgeschichtlichen Erbe gehörendes, in Frankreich gelegenes und unter Denkmalschutz stehendes Wohneigentum mangels Abstimmung mit den französischen Denkmalbehörden

  1. Die Steuerbegünstigung nach § 10f Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) kann für nachträgliche Herstellungskosten für ein Baudenkmal i. S. d. § 7i Abs. 1 Satz 1 EStG nur gewährt werden, wenn die Baumaßnahmen mit der zuständigen Denkmalschutzbehörde vor Beginn der Baumaßnahmen abgestimmt waren (§ 7i Abs. 1 Satz 6 EStG).
  2. Ist das Baudenkmal, für welches die Steuerbegünstigung nach § 10f Abs. 1 EStG beantragt wird, in Frankreich belegen, muss eine Abstimmung i. S. d. § 7i Abs. 1 Satz 6 EStG von nach französischem Recht grundsätzlich genehmigungspflichtigen Arbeiten an einem eingetragenen historischen Gebäude mit der zuständigen französischen Denkmalbehörde erfolgen.

Sachverhalt

Der Kläger ist deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz und Praxis in Deutschland. Mit seiner Lebensgefährtin hat er eine gemeinsame Tochter. Der Familienwohnsitz befand sich in den Streitjahren 2010 bis 2014 im Elsass (Frankreich). Der Kläger hatte 2008 das Alleineigentum an 47 % eines nach französischem und deutschem Recht denkmalgeschützten Gebäudes für einen Kaufpreis von 950.000 Euro erworben. Sein Eigentumsanteil umfasst eine Wohnung im Unter- und Erdgeschoss nebst Garten.

In den Jahren 2008 bis 2010 wurden im Auftrag des Klägers und seiner Lebensgefährtin in dem im Eigentum des Klägers stehenden Gebäudeteil umfangreiche Bau- und Restaurierungsmaßnahmen durchgeführt. Hierdurch entstanden insgesamt Aufwendungen in Höhe von 370.112,39 Euro (brutto). Eine (vorherige) Abstimmung der Baumaßnahmen mit den Denkmalbehörden in Deutschland oder in Frankreich hat nach den Angaben des Klägers nicht stattgefunden. Der Kläger beantragte für die Baumaßnamen einen Sonderausgabenabzug nach § 10f EStG. Einen solchen lehnte das beklagte Finanzamt (FA) ab.

Aus den Gründen

Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht ab. Das FA habe den Sonderausgabenabzug nach § 10f Abs. 1 i. V. m. § 7i EStG für die Baumaßnahmen an dem im Eigentum des Klägers stehenden Teil des im Elsass gelegenen Baudenkmals zu Recht versagt.

Ansässigkeit des Klägers in Deutschland

Der Kläger sei in Deutschland ansässig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen (DBA-FRA). Da der Kläger zwar die engeren persönlichen Beziehungen in Frankreich, die engeren wirtschaftlichen Beziehungen jedoch in Deutschland habe und sich in der Folge regelmäßig und gleichermaßen häufig in beiden Vertragsstaaten aufhalte, könne weder ein Lebensmittelpunkt des Klägers, noch sein gewöhnlicher Aufenthalt einem der beiden Vertragsstaaten zugeordnet werden. Aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit gelte der Kläger daher nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 b) (cc) DBA-FRA als in Deutschland ansässig.

Kein Sonderausgabenabzug für nicht mit der zuständigen Denkmalschutzbehörde abgestimmte Baumaßnahmen

Der Kläger habe für die in den Jahren 2008 bis 2010 an der Wohnung im Gebäude durchgeführten Baumaßnahmen keinen Anspruch auf die Steuerbegünstigung für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Baudenkmale, da die (einfach-rechtlichen) Voraussetzungen des § 10f Abs. 1 i. V. m. § 7i EStG nicht erfüllt seien. Die Baumaßnahmen seien nicht mit der zuständigen Denkmalschutzbehörde abgestimmt gewesen (§ 7i Abs. 1 Satz 6 EStG).

Aufwendungen für die Baumaßnahmen waren anschaffungsnahe Herstellungskosten nach § 10f Abs.1 EStG

Der Begriff der Aufwendungen in § 10f Abs. 1 EStG könne nur als Anschaffungs- und Herstellungskosten verstanden werden, da Erhaltungsaufwand in § 10f Abs. 2 EStG nach dessen eindeutigem Wortlaut eine eigenständige Regelung erhalten habe. Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 Prozent der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten).

Die in den auf die Anschaffung der Wohnung im Gebäude in 2008 folgenden rund zweieinhalb Jahren angefallenen Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen von 370.112,39 Euro (brutto) bzw. 350.276,15 Euro (netto) seien sog. anschaffungsnahe Herstellungskosten. Da sich der Kaufpreis für den Eigentumsanteil am Gebäude nach den Angaben des Klägers auf 950.000 Euro belaufen habe, überstiegen die Aufwendungen die 15 Prozent-Grenze selbst dann noch deutlich, wenn ein Teil davon auf üblicherweise jährlich anfallende Erhaltungsaufwendungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG) entfallen sollte.

Eigentumswohnung des Klägers war ein steuerbegünstigtes Objekt

Bei der dem Kläger gehörenden Wohnung im Gebäude handele es sich um ein einem Gebäude gleichgestelltes Objekt gemäß § 10f Abs. 5 EStG, das vom Kläger und seiner Familie seit dem Abschluss der Bauarbeiten in 2010 zu eigenen Wohnzwecken genutzt werde. Das Gebäude sei ein Baudenkmal im Sinne des § 7i Abs. 1 Satz 1 EStG. Dies sei durch die Bescheinigung nach § 7i, § 10f EStG des Landesamts für Denkmalpflege mit Bindungswirkung für die Einkommensteuerfestsetzung festgestellt.

Fehlende Abstimmung der Baumaßnahmen mit der nach Landesrecht zuständigen oder von der Landesregierung bestimmten Stelle

„Abstimmen“ bedeute dabei eine einverständliche, bei Bedarf hinsichtlich Art, Umfang und fachgerechter Ausführung ins Detail gehende Festlegung der durchzuführenden Baumaßnahmen. Die beabsichtigten Maßnahmen müssten folglich mit den Vorstellungen der zuständigen Behörde in Einklang gebracht werden; es bedürfe eines beiderseitigen Einverständnisses hinsichtlich aller Ausführungsdetails der geplanten Maßnahme zwischen zuständiger Behörde und Steuerpflichtigem/Bauherrn. Zweck der Abstimmung sei es, sicherzustellen, dass die Interessen des Denkmalschutzes bei der Durchführung der Baumaßnahmen gewahrt werden. Diese Fördervoraussetzung könne zwar nicht nur durch die Bescheinigung im Sinne von § 7i Abs. 2 Satz 1 EStG, sondern auch durch Schriftverkehr mit der zuständigen Behörde oder in sonstiger Weise belegt werden. Die Abstimmung müsse aber vor dem Beginn der Baumaßnahmen oder eventueller Änderung der Planung vorgenommen werden und könne nicht im Nachhinein getroffen.

Im Streitfall sei eine Abstimmung weder mit einer deutschen noch mit einer französischen Denkmalbehörde erfolgt. Die Abstimmung der Baumaßnahmen mit einer deutschen Denkmalbehörde wäre – worauf der Kläger zu Recht hinweist – schwerlich möglich gewesen, da die deutschen Denkmalbehörden für außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets gelegene Baudenkmale nicht zuständig sind. Eine Abstimmung mit der zuständigen französischen Denkmalbehörde sei allerdings ebenfalls nicht erfolgt. Dabei sei dies nach französischem Recht möglicherweise zwingend vorgesehen, zumindest aber möglich gewesen.

Keine Entbehrlichkeit des Abstimmungserfordernisses in Auslandsfällen

Das Abstimmungserfordernis sei auch bei im Ausland gelegenen Baudenkmalen jedenfalls dann nicht entbehrlich, wenn – wie im Streitfall – das nationale Denkmalschutzrecht des anderen EU-Mitgliedstaates eine Abstimmung der Baumaßnahmen mit der zuständigen Denkmalschutzbehörde vorsehe. Im Hinblick auf den damit vom Gesetzgeber verfolgten Zweck könne die Abstimmung nicht im Rahmen einer über den Wortlaut der Norm hinausgehenden europarechtskonformen Rechtsfortbildung durch eine nachträgliche Begutachtung ersetzt werden.

Kein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH

Die beantragte Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO im Hinblick auf ein Vorabentscheidungsersuchen komme vorliegend nicht in Betracht, da aufgrund der fehlenden Abstimmung der Sanierungsmaßnahmen mit der zuständigen (französischen) Denkmalschutzbehörde die Frage, ob die Beschränkung der Steuerbegünstigung gemäß § 10f i. V. m. § 7i Abs. 1 Satz 1 EStG auf im Inland belegene Baudenkmäler gegen Europarecht verstößt, nicht entscheidungserheblich sei.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 12.07.2021 zum Urteil 3 K 1948/18 vom 14.01.2021 (nrkr – BFH-Az.: X R 4/21)

Keine verfassungswidrige Doppelbesteuerung von Altersrenten

  1. Eine doppelte Besteuerung von Altersrenten liegt vor, wenn die einem Steuerpflichtigen voraussichtlich steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge geringer sind als die von ihm aus versteuertem Einkommen entrichteten Altersvorsorgeaufwendungen.
  2. Mangels einer im Streitfall vorliegenden Doppelbesteuerung kann offenbleiben, ob die Doppelbesteuerung bereits im Verfahren der Steuerfestsetzung geprüft oder nur in einem gesonderten Billigkeitsverfahren auf der Grundlage von § 163 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) berücksichtigt werden kann.

Sachverhalt

Die Kläger sind zusammenveranlagte Eheleute. Sie erhalten seit dem Jahr 2014 jeweils eine Regelaltersrente der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV). Im Streitjahr 2017 erklärte der Kläger neben Versorgungsbezügen aus einem früheren Beamtenverhältnis in Höhe von 24.560 Euro Einnahmen aus Leibrenten von 5.785 Euro und die Klägerin von 18.975 Euro. Das beklagte Finanzamt (FA) unterwarf die Altersrenten der Einkommensteuer. Im Einspruchsverfahren rügten die Kläger eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung. Das zu versteuernde Einkommen sei um die – vermeintlich – steuerpflichtigen Teile der Renten zu kürzen, so dass sich richtigerweise ein zu versteuerndes Einkommen i. H. von 15.232 Euro ergebe (32.335 Euro ./. 17.103 Euro). Nach der Splittingtabelle betrage die Einkommensteuer daher 0 Euro und nicht 3.054 Euro. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück, weil die Kläger keine Nachweise über die von ihnen behauptete Doppelbesteuerung vorgelegt hätten. Im Klageverfahren legten die Kläger Aufstellungen über die von ihnen aufgewandten Altersvorsorgeaufwendungen und über die steuerfreigestellten Rententeilbeträge vor.

Aus den Gründen

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Die steuerpflichtigen Teile der Leibrenten der Kläger seien gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 2 ff. des Einkommensteuergesetzes (EStG) in zutreffender Höhe zugrunde gelegt worden. Dabei könne offen bleiben, ob die Einwände der Kläger bereits im Verfahren der Steuerfestsetzung geprüft oder nur in einem gesondert – vorliegend noch nicht durchgeführten – Billigkeitsverfahren auf der Grundlage von § 163 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) gehört werden könnten, denn eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung der Rentenbezüge der Kläger sei nicht gegeben.

Voraussetzung einer doppelten Besteuerung von Altersrenten

Eine doppelte Besteuerung liege vor, wenn die einem Steuerpflichtigen voraussichtlich steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge geringer seien als die von ihm aus versteuertem Einkommen entrichteten Altersvorsorgeaufwendungen. Diese Voraussetzung sei weder beim Kläger noch bei der Klägerin erfüllt. Die voraussichtlich steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge des Klägers summierten sich auf 31.752,19 Euro und die der Klägerin auf 121.346 Euro. Sie seien damit höher als die aus ihrem versteuertem Einkommen geleisteten Teile ihrer Altersvorsorgeaufwendungen, nämlich die des Klägers von 4.000,76 Euro und der Klägerin von 54.682,63 Euro.

Ermittlung der künftig (voraussichtlich) steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge nach dem Nominalwertprinzip

Die den Klägern künftig (voraussichtlich) steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge ermittelten sich dergestalt, dass der jeweilige steuerfreie Jahresbetrag der Rente i. S. v. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG mit der im Zeitpunkt des Renteneintritts gegebenen durchschnittlichen weiteren statistischen Lebenserwartung zu multiplizieren sei, wobei die Berechnung auf der Grundlage des Nominalwertprinzips vorzunehmen sei.

Steuerfreier Jahresbetrag der Rente

Der steuerfreie Jahresbetrag der Rente betrage für den Kläger 1.740,80 Euro und für die Klägerin 5.710,40 Euro. Der Kläger beziehe seit 1. Juli 2014 und die Klägerin seit 1. Dezember 2014 jeweils eine Regelaltersrente der DRV. Damit betrage der Besteuerungsanteil ihrer Renten 68%. Für die erforderliche Berechnung des steuerfreien Teils der Rente sei sodann – anders als bei der Festlegung des Besteuerungsanteils – das dem Rentenbeginn folgende Jahr – vorliegend also 2015 – zugrunde zu legen.

Ausweislich des Steuerbescheides für das Jahr 2015 habe der Jahresbetrag der Rente des Klägers 5.440 Euro und der Klägerin 17.845 Euro betragen, so dass sich für den Kläger ein steuerfreier Teil der Rente i. H. von 1.740,80 Euro (5.440 Euro x 32 %) und für die Klägerin i. H. von 5.710,40 Euro (17.845 Euro x 32 %) errechne. Dieser bleibe für die gesamte Laufzeit der jeweiligen Rente unverändert. Rentenerhöhungen seien daher vollständig steuerpflichtig.

Lebenserwartung der Kläger als voraussichtliche Rentenbezugsdauer

Die im Zeitpunkt des Renteneintritts gegebene durchschnittliche weitere statistische Lebenserwartung des Klägers betrage 18,24 Jahre und die der Klägerin 21,25 Jahre. Maßgebend für deren Ermittlung sei die im Zeitpunkt des Renteneintritts letztverfügbare Sterbetafel. Da die Kläger bei Renteneintritt aber bereits 65 Jahre und 3 Monate alt gewesen seien, sei die statistische Lebenserwartung, die nach der Sterbetafel auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abstelle, um jeweils 3 Monate zu mindern, d.h. für den Kläger auf 18,24 Jahre und für die Klägerin auf 21,25 Jahre. Dies führe zu voraussichtlich steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge für den Kläger in Höhe von insgesamt 31.752,19 Euro (1.740,80 Euro x 18,24) und für die Klägerin in Höhe von 121.346 Euro (5.710,40 Euro x 21,25).

Diese den Klägern voraussichtlich steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge seien höher als die von ihnen aus ihrem versteuertem Einkommen geleisteten Teile ihrer Altersvorsorgeaufwendungen.

Ermittlung der aus versteuertem Einkommen der Kläger geleisteten Teile der Altersvorsorgeaufwendungen

Die Kläger hätten aus ihrem versteuerten Einkommen Altersvorsorgeaufwendungen von 4.000,76 Euro (der Kläger) und von 54.682,63 Euro (die Klägerin) geleistet. Bei der Berechnung sei zwischen der Rechtslage bis 2004 und nach 2005 zu differenzieren.

Veranlagungszeiträume bis 2004

Die Berechnung der aus versteuertem Einkommen geleisteten Teilbeträge für Altersvorsorgeaufwendungen für die Veranlagungszeiträume bis 2004 sei in der Weise durchzuführen, dass die Beiträge zu den verschiedenen Sparten der Sozialversicherung gleichrangig am beschränkten Sonderausgabenabzug teilnehmen. Dasselbe gelte nach Auffassung des Senats auch für Beiträge zu privaten Kranken- und Pflegeversicherungen, soweit sie der Erlangung eines mit dem Niveau der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen vergleichbaren Schutz dienten.

Bei zusammenveranlagten Ehegatten sei der gewährte (begrenzte) Sonderausgabenabzug anders als bei der Einkünfteermittlung einheitlich zu betrachten und im Verhältnis der vorrangig zu berücksichtigenden Versicherungsbeiträge beider Ehegatten aufzuteilen und der entsprechende Anteil am Sonderausgabenabzug den jeweiligen Rentenversicherungsbeiträgen zuzuordnen.

Veranlagungszeiträume ab 2005

In den Veranlagungszeiträumen ab 2005 sei – soweit nicht aufgrund der Günstigerprüfung nach § 10 Abs. 4a EStG noch die Rechtslage bis 2004 bei der Veranlagung angewendet worden sei – aufgrund der veränderten Rechtslage der aus versteuertem Einkommen geleistete Teilbetrag der Altersvorsorgeaufwendungen in der Weise zu ermitteln, dass der prozentuale Anteil der vom Kläger geleisteten Rentenversicherungsbeiträge an der Summe der von beiden Ehegatten geleisteten Rentenversicherungsbeiträge ermittelt werde. Dieser prozentuale Anteil am Sonderausgabenabzug entfalle auf die Rentenversicherungsbeiträge. Ab 2005 werde nämlich der Sonderausgabenabzug für Vorsorgeaufwendungen aufgeteilt. Während Altersvorsorgeaufwendungen i. S. v. § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG nach § 10 Abs. 3 EStG abhängig von einer jährlich ansteigenden Prozentzahl bis zu einem Höchstbetrag als Sonderausgaben abgezogen werden könnten, könnten die weiteren Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 3a EStG nur im Rahmen von § 10 Abs. 4 EStG geltend gemacht werden. Die nicht durch den anteiligen Sonderausgabenabzug berücksichtigten Rentenversicherungsbeiträge seien die aus versteuertem Einkommen geleisteten Teilbeträge der Altersvorsorgeaufwendungen.

Berechnung der Altersvorsorge- und weiteren Vorsorgeaufwendungen im Einzelfall

Nach den Angaben im Klageverfahren habe der Kläger (bis zu seiner Verbeamtung) Altersvorsorgeaufwendungen von 8.986,46 Euro und die Klägerin von 94.146,99 Euro geleistet. Daneben seien die Beiträge zu den verschiedenen Sparten der Sozialversicherung gleichrangig in die Berechnung des abziehbaren Teils der Altersvorsorgeaufwendungen einzustellen. Im Streitfall seien dies die Beiträge der Kläger zur gesetzlichen Renten- (RV), Kranken- (KV), Pflege- (PV) und Arbeitslosenversicherung (AV). Dasselbe gilt nach Auffassung des Senats auch für Beiträge des Klägers zur privaten KV/PV ab dem Zeitpunkt seiner Verbeamtung zum 1. Juli 1991, soweit sie der Erlangung eines mit dem Niveau der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung vergleichbaren Schutzes dienten.

Anteil der Rentenversicherungsbeiträge der Kläger an ihren jeweiligen vorrangigen Vorsorgeaufwendungen

Im Weiteren seien für die Jahre bis einschließlich 2004 der prozentuale Anteil der RV-Beiträge der Kläger an ihren jeweiligen vorrangigen Vorsorgeaufwendungen (RV, KV [Basis], PV, AV) zu ermitteln. Bei den Klägern sei allerdings auch für das Jahr 2005 aufgrund der Günstigerprüfung nach § 10 Abs. 4a EStG noch die Rechtslage bis 2004 angewandt worden, so dass sich die nachfolgende Berechnung auch noch auf dieses weitere Jahr erstrecke.

Aufteilung des gewährten Sonderausgabenzugs bei zusammenveranlagten Ehegatten

Von dem gewährten Sonderausgabenabzug – laut den vorgelegten Steuerbescheiden – entfalle dann grundsätzlich der (vorstehend ermittelte) prozentuale Anteil auf die RV-Beiträge. Bei zusammenveranlagten Ehegatten sei aber zuvor noch der gewährte Sonderausgabenabzug im Verhältnis der von ihnen geleisteten und geltend gemachten vorrangig zu berücksichtigenden Vorsorgeaufwendungen aufzuteilen. Erst dann sei der anteilig auf die Rentenversicherungsbeiträge des betroffenen Ehegatten entfallende Anteil am Sonderausgabenabzug zu ermitteln. Hieraus ergebe sich, dass der Kläger im Zeitraum 1998 bis 2005 einen Betrag von 4.000,76 Euro aus seinem versteuerten Einkommen für Altersvorsorgeaufwendungen geleistet habe; bei der Klägerin sei dies ein Betrag von 30.372,36 Euro gewesen.

Dasselbe gelte im Grundsatz auch für die Zusammenveranlagung der Ehegatten in den Veranlagungszeiträumen ab dem Jahr 2005. Auch hier sei zur Gewährleistung eines einheitlichen, beide Ehegatten gleich behandelnden Aufteilungsmaßstabs von einem einheitlichen Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 3 EStG für beide Ehegatten auszugehen. Dieser Sonderausgabenabzug sei im prozentualen Verhältnis der von ihnen jeweils getragenen Rentenversicherungsbeiträge aufzuteilen. Vorliegend entfalle der Sonderausgabenabzug für die Altersvorsorgeaufwendungen aber vollständig auf die Klägerin, da der Kläger als Beamter von der Versicherungspflicht befreit gewesen sei.

Diese Betrachtung gelte allerdings erst ab dem Jahr 2006, da für 2005 aufgrund der Günstigerprüfung noch die alte Rechtslage bis 2004 angewandt worden sei. Hieraus ergebe sich, dass die Klägerin im Zeitraum 2006 bis 2014 einen Betrag von 24.310 Euro aus ihrem versteuerten Einkommen für Altersvorsorgeaufwendungen geleistet habe.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 12.07.2021 zum Gerichtsbescheid 1 K 937/19 vom 08.03.2021 (nrkr – BFH-Az.: X R 6/21)

G20: Kommission begrüßt historische Einigung auf gerechtere Besteuerung von multinationalen Unternehmen

Die Europäische Kommission hat die am 10.07.2021 erzielte Einigung der G20 auf einen weltweiten Mindeststeuersatz begrüßt. Die Finanzministerinnen und -minister der G20 und die Zentralbanken wollen den internationalen Rahmen für die Unternehmensbesteuerung fairer und stabiler gestalten. Mit diesem beispiellosen Konsens wird eine grundlegende Reform des internationalen Körperschaftsteuersystems in Gang gebracht. EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni, der an den Gesprächen in Venedig teilnahm, erklärte: „Die G20 haben heute der historischen globalen Einigung über die Unternehmenssteuerreform zugestimmt, die vergangene Woche erzielt wurde und nun von 132 Ländern unterstützt wird. Damit wurde ein mutiger Schritt unternommen, der noch vor wenigen Monaten unmöglich schien. Dies ist ein großer Erfolg für die Steuerfairness, die soziale Gerechtigkeit und das multilaterale System.“

Die Arbeiten der Kommission an einem Vorschlag für eine Digitalsteuer als eine neue Eigenmittelabgabe ruhen nun zunächst bis zum Herbst. Bis dahin soll es auf OECD/G20-Ebene eine endgültige Einigung zu den Beschlüssen der G20 geben. Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten der EU-Kommission im Juli 2020 ursprünglich das Mandat erteilt, bis Juni 2021 einen Vorschlag für eine solche neue Eigenmittelabgabe vorzulegen.

Die G20 haben sich darauf geeinigt, dass Besteuerungsrechte neu verteilt werden, was bedeutet, dass die weltweit größten Unternehmen künftig überall dort Steuern zahlen müssen, wo sie Umsätze erwirtschaften. Gleichzeitig soll ein weltweiter effektiver Mindeststeuersatz von nicht weniger als 15 Prozent dazu beitragen, aggressive Steuerplanung einzudämmen und dem Wettbewerb um die niedrigsten Körperschaftsteuersätze ein Ende zu setzen. „Aber es bleibt noch viel zu tun. Wir haben bis Oktober Zeit, zu einer endgültigen Einigung zu gelangen“, so Gentiloni weiter: „Ich bin optimistisch, dass wir bis dahin auch einen Konsens zwischen allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu diesem wichtigen Thema erzielen können.“

Im Mittelpunkt der Arbeit unter der Schirmherrschaft des inklusiven Rahmens der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stehen zwei zentrale Aspekte:

  • Die internationalen Regeln für die Verteilung von Besteuerungsrechten an Unternehmensgewinnen zwischen den Ländern sollen angepasst werden, um den sich wandelnden Geschäftsmodellen – beispielsweise der Tatsache, dass Unternehmen an einem Ort tätig sein können, ohne dort auch physisch präsent zu sein – Rechnung zu tragen. Nach den neuen Regeln würde ein Anteil an den überschüssigen Gewinnen der größten und rentabelsten multinationalen Unternehmen an die Marktstaaten umverteilt, in denen die Verbraucher oder Nutzer ansässig sind.
  • Es soll sichergestellt werden, dass multinationale Unternehmen ihren gesamten Gewinn jedes Jahr zu einem effektiven Mindeststeuersatz versteuern. Dieser soll mindestens 15 Prozent betragen und würde für alle multinationalen Konzerne gelten, die einen weltweiten Umsatz von mehr als 750 Mio. Euro erwirtschaften.

Die technischen Einzelheiten werden in den kommenden Monaten ausgehandelt, um im Oktober schließlich zu einer endgültigen Einigung zwischen allen 139 Mitgliedern des inklusiven Rahmens zu gelangen. Sobald weltweit eine einvernehmliche Einigung über beide Säulen erzielt ist, wird die Kommission – im Einklang mit der Steueragenda der EU und den Erfordernissen des Binnenmarkts – rasch Maßnahmen für ihre Umsetzung in der EU vorschlagen.

Quelle: EU-Kommission

Betriebsschließungsversicherungen greifen bei einer Schließung aufgrund Corona-Pandemie nicht immer ein

Oberlandesgericht Celle: Maßgeblich ist die genaue Formulierung der Versicherungsbedingungen

Unternehmer können sich mit sog. Betriebsschießungsversicherungen gegen Schäden absichern, die ihnen bei einer behördlich angeordneten Schließung ihres Betriebes aus Gründen des Infektionsschutzes drohen. Aber greifen diese Versicherungen auch in Fällen ein, in denen die Schließung wegen eines Krankheitserregers wie dem Corona-Virus erfolgt, der bei Abschluss des Versicherungsvertrages noch unbekannt war? Das hängt von der konkreten Formulierung der Versicherungsbedingungen ab, wie der für Rechtsstreitigkeiten über Versicherungsverhältnisse zuständige 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle jetzt mit Urteil vom 1. Juli 2021 entschieden hat (Az.: 8 U 5/21).

In diesem Fall betreibt der Kläger ein Restaurant in Schwanewede. Er hatte im Jahr 2018 eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen, die nach den Versicherungsbedingungen u.a. dann eine Entschädigung leistet, wenn der versicherte Betrieb beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger aufgrund des Infektionsschutzgesetzes geschlossen wird. Nach der sich anschließenden Klausel sind „meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen […] die folgenden im Infektionsschutzgesetz […] namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger: […]“ Im Anschluss sind verschiedene Krankheiten und Krankheitserreger ausdrücklich aufgelistet, nicht aber das – damals noch unbekannte – Coronavirus.

Nachdem der Landkreis Osterholz im März 2020 aufgrund der Corona-Epidemie u.a. Restaurants geschlossen hatte, möchte der Kläger von seiner Versicherung ihm hierdurch entstandene Schäden ersetzt haben. Die Versicherung verweigerte eine Zahlung, weil eine Schließung nur aufgrund derjenigen Krankheiten und Krankheitserreger versichert sei, die in den Versicherungsbedingungen abschließend aufgezählt seien.

Während das Landgericht Verden noch dem Kläger Recht gegeben hatte, wies der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts die Klage auf die Berufung der Versicherung hin ab. Die Aufzählung der Krankheiten und Krankheitserreger in den Versicherungsbedingungen erfolgte abschließend. Sollte der Versicherungsfall – wie der Kläger meint – bei jeder Schließung aufgrund irgendeiner nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtigen Krankheit eintreten, wäre diese Aufzählung sinnlos. Einem verständigen Versicherungsnehmer sei deshalb klar, dass die Versicherung nur das Risiko der ausdrücklich bezeichneten Krankheiten und Erreger übernehme.

Der Senat hat weiter insbesondere geprüft, ob diese Einschränkung des Versicherungsschutzes auf ausdrücklich benannte Krankheiten und Erreger deshalb unwirksam sein könnte, weil sie im Gesamtkontext nicht ausreichend verständlich wäre, den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligte oder typischen Erwartungen an eine Betriebsschließungsversicherung zuwiderliefe. Er hat dies jeweils verneint. Die abschließende Aufzählung bestimmter Krankheiten und Erreger sei vielmehr eine typische Ausprägung einer solchen Versicherung.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.

Quelle: OLG Celle, Pressemitteilung vom 09.07.2021 zum Urteil 8 U 5/21 vom 01.07.2021 (nrkr)

Niedersachsen hat als zweites Bundesland ein eigenes Grundsteuergesetz

Der Niedersächsische Landtag hat in der Plenarsitzung am 07.07.2021 das vom Land selbst entwickelte Grundsteuergesetz verabschiedet.

Der Niedersächsische Finanzminister Reinhold Hilbers erklärte dazu: „Dieser Beschluss ist der Schlussstein eines sorgfältigen Abwägungs- und Entscheidungsprozesses. Ich habe lange dafür geworben, eine Alternative zum Modell des Bundes zu finden. Niedersachsen hat nun ein eigenes Gesetz, das einfach und gerecht ist und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gerecht wird.“

Niedersachsen ist damit das zweite Bundesland nach Baden-Württemberg, das vom Modell des Bundes abweicht und ein eigenes Grundsteuergesetz hat.

Das Flächen-Lage-Modell ist leicht umsetzbar und enthält keine streitanfälligen Determinanten. Gegenüber dem verkehrswertorientierten Bundesmodell bietet das Flächen-Lage-Modell insbesondere den Vorteil, dass es mit nur noch einer einmaligen Hauptfeststellung für die ca. 3,6 Millionen zu bewertenden Grundstücke in Niedersachsen leichter zu verwalten ist als das Bundesmodell, das regelmäßig weitere Hauptfeststellungen im 7-Jahre-Rhythmus benötigt. Nur bei gravierenden Änderungen der Lageverhältnisse, die automatisiert von der Verwaltung überprüft werden, kommt es im Flächen-Lage-Modell zu neuen Steuerbescheiden in den betroffenen Gebieten. Insgesamt bedeutet dies also erhebliche Einsparung von Personal- und Verwaltungskosten.

Für die Bürgerinnen und Bürger hat dieses Modell – anders als das Gesetz des Bundes – den Vorteil, dass sie nur eine Erklärung abgeben müssen. Diese Erklärung besteht aus wenigen Angaben zu den Flächengrößen und der Nutzung. Den Rest übernimmt die Verwaltung.

Anders als bei der reinen Orientierung an der Fläche bezieht dieses Modell auch die Lage des Grundstücks mit ein. Dieser Faktor muss angemessen berücksichtigt werden, denn die Gemeinde bietet dem Grundbesitzer typischerweise in guter Lage mehr und in mäßiger Lage weniger Nutzen, z. B. in Gestalt unterschiedlich langer oder kurzer Wege, der Erreichbarkeit kommunaler Dienste und der Nutzungs- und Lebensqualität. Als Indikator für die Lage werden die flächendeckend für Bauflächen vorhandenen Bodenrichtwerte für das jeweilige Grundstück genutzt. Der Bodenrichtwert des Grundstücks wird mit dem Gemeindedurchschnitt verglichen. Mit dieser Relation wird das „Besser“ oder „weniger gut“ der Lagen messbar gemacht. Die Lage-Faktoren sorgen dafür, dass der Gedanke der Nutzen-Äquivalenz zum Tragen kommt. Sie spiegeln nicht den Wert der Bebauung wider, sondern die Teilhabe an der Kommune und deren Nutzungsangebot vermittelt durch den Grundbesitz in der jeweiligen Lage.

Da es im Gegensatz zum Verkehrswert-Modell also nicht auf die absolute Höhe der Werte ankommt, sondern auf das Verhältnis, wird der Faktor angemessen gedämpft. Im Ergebnis entsteht ein moderater Zu- oder Abschlag. Beispiel: Der doppelt so hohe Bodenrichtwert im Vergleich zum Durchschnitt führt zu einem Zuschlag von 20 Prozent. Das ergibt einen Lage-Faktor von 1,2.

Der jeweilige Lage-Faktor ergibt sich zukünftig direkt aus den Regelungen im Niedersächsischen Grundsteuergesetz. Die niedersächsische Finanzverwaltung wird lediglich die – einfache – Berechnung dieser Lage-Faktoren durchführen; das Ergebnis fließt automatisch in die Steuerberechnung ein. Für die Bürgerinnen und Bürger wird ein „Grundsteuer-Viewer“ zur Verfügung gestellt werden. Dabei handelt es sich um eine Kartendarstellung im Internet, aus der die Flächen und Faktoren ersichtlich sein werden. Er macht das Verfahren transparent und ist eine Ausfüllhilfe für die Flächenangaben.

Mit dem neuen Gesetz wird es nicht zu einer strukturellen Erhöhung des Aufkommens der Grundsteuer kommen. Dem dient die sog. Transparenzregelung, die auf Wunsch von Finanzminister Hilbers in das Gesetz aufgenommen wurde. Diese Regelung verpflichtet die Gemeinde, das Grundsteueraufkommen nach altem und neuem Recht gegenüberzustellen und einen aufkommensneutralen Hebesatz darzulegen. Die Abweichung von diesem Hebesatz muss die Gemeinde in geeigneter Weise veröffentlichen.

„Es ist der Koalition gelungen, die Interessen aller Beteiligten angemessen zu berücksichtigen. Die Bürgerinnen und Bürger haben wenig Aufwand, die Steuer ist einfach und gerecht, den Kommunen geben wir Planungssicherheit in finanzieller Hinsicht und der Verwaltungsaufwand hält sich im Vergleich zum Gesetz des Bundes in einem vernünftigen Rahmen.“ erklärte Finanzminister Hilbers abschließend.

Neben Niedersachsen planen weitere Bundesländer die Öffnungsklausel zu nutzen: Bayern bevorzugt ein reines Flächen-Modell, Hamburg und Hessen haben sich wie Niedersachsen für ein Flächen-Modell entschieden, das um eine Lage-Komponente erweitert wird.

Zum Hintergrund

Die Grundsteuer hat für die kommunalen Haushalte eine enorme Bedeutung. Nach der Gewerbesteuer und dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer stellt die Grundsteuer die drittgrößte Einnahmequelle der Kommunen dar. Allein in Niedersachsen belief sich das Grundsteueraufkommen im Jahr 2020 auf insgesamt rund 1,4 Milliarden Euro, bundesweit auf rund 14 Milliarden Euro.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht die gesetzlichen Regelungen zur Grundsteuer für unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz der Verfassung erklärt hat, musste der Gesetzgeber die Grundsteuer reformieren, um das Aufkommen für die Kommunen zu sichern und die Neuregelungsfrist des Bundesverfassungsgerichts einzuhalten. Ab dem 01.01.2025 kann die Grundsteuer nur noch nach neuem Recht erhoben werden. Dafür hat der Bund ein komplexes Modell entwickelt, das dem alten Recht ähnlich ist. Er hat zugleich den Ländern die Möglichkeit gegeben, eigenes Landesrecht für die Grundsteuer zu schaffen.

Das Bundesgesetz knüpft wie das bisherige Recht weiterhin am Verkehrswert der Grundstücke an. Dadurch, dass dieser Wert für jedes einzelne Grundstück erst ermittelt werden muss, ist das Gesetz notwendigerweise sehr aufwändig, kleinteilig, intransparent und kompliziert ausgestaltet. Um dies abzumildern, wurden umfangreiche Typisierungen und Vergröberungen vorgenommen, was wiederum das Risiko in sich birgt, vom Bundesverfassungsgericht erneut als verfassungswidrig verworfen zu werden. Nicht zuletzt werden die Bürgerinnen und Bürger die einzelnen, komplexen Berechnungsschritte nur schwer nachvollziehen können.

Um diesen Erschwernissen auszuweichen, sind alternative Modelle entwickelt worden. Sie sind möglich und zulässig, denn nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil ist der Gesetzgeber nicht gezwungen, die Bemessung der Grundsteuer wertabhängig auszugestalten.

Möglich ist – und so hat sich Bayern entschieden – z. B. ein reines Flächen-Modell. Die Belastung mit Grundsteuer wird hier nicht nach dem Wert des Grundstücks verteilt, sondern nach dem Nutzen, den die Grundstücksbesitzer daraus ziehen können, dass sie in der jeweiligen Gemeinde ihr Objekt innehaben. Dieser Nutzen (das Äquivalent) wird in Bayern künftig allein nach der Fläche bemessen.

Das Flächen-Modell nimmt die Größe des Grundstücks und des Gebäudes – also die Fläche – zum Maßstab. Das Modell ist sehr einfach und gut nachvollziehbar. Seine Schwäche liegt darin, dass für Grundstücke derselben Größe in derselben Gemeinde dieselbe Grundsteuer erhoben wird – egal, ob sich das Objekt in allerbester oder in mäßiger Lage befindet. Deshalb hat das Niedersächsische Finanzministerium das reine Flächen-Modell zu einem verfeinerten Flächen-Lage-Modell weiterentwickelt.

Quelle: FinMin Niedersachsen, Pressemitteilung vom 07.07.2021

Dieselskandal: vzbv verklagt Daimler AG

Verfahren schützt viele Verbraucher vor der Verjährung ihrer Ansprüche im Dieselskandal

  • vzbv erhebt Musterfeststellungsklage gegen die Daimler AG vor dem OLG Stuttgart wegen unzulässigen Abschalteinrichtungen.
  • Gericht soll Voraussetzungen für Schadensersatz bei Mercedes GLC- und GLK-Fahrzeugmodellen mit dem Motortyp OM 651 prüfen.
  • vzbv wirft der Daimler AG bewusste Manipulation der Grenzwerte für Abgase vor.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat am 07.07.2021 eine Musterfeststellungsklage gegen die Daimler AG vor dem OLG Stuttgart eingereicht. Damit erleichtert der vzbv Betroffenen den Weg zum Schadensersatz. Anlass sind zahlreiche Rückrufe des Kraftfahrtbundesamtes von Mercedes GLC- und GLK-Fahrzeugmodellen mit dem Motortyp OM651 aufgrund unzulässiger Abschalteinrichtungen. Mit dem Einbau solcher Vorrichtungen können Hersteller dafür sorgen, dass Fahrzeuge während der Typengenehmigung die zulässigen Grenzwerte für Abgase einhalten. Im Straßenverkehr überschreiten sie diese Werte dann aber deutlich.

„Der vzbv geht davon aus, dass mit der Musterfeststellungsklage gegen die Daimler AG Verbraucherinnen und Verbraucher Schadensersatz verlangen können. Mögliche Betroffene erhalten die Gewissheit darüber, ob die Daimler AG in mehreren Fahrzeugmodellen absichtlich unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut hat.“ sagt Klaus Müller, Vorstand des vzbv. „Trotz behördlicher Rückrufe bestreitet die Daimler AG bis heute, gezielt die Abgaswerte ihrer Fahrzeuge manipuliert zu haben. Das Oberlandesgericht Stuttgart soll dies nun feststellen. Für viele betroffene Verbraucher herrscht dann endlich Rechtsklarheit.“

Musterfeststellungsklage deckt bis zu 50.000 zurückgerufene Fahrzeuge ab

Die Zahl der von behördlichen Rückrufen betroffenen Daimler-Fahrzeuge liegt in Deutschland insgesamt bei ca. 254.000. In seiner Musterfeststellungsklage fokussiert sich der vzbv auf den Motortyp OM651. Dieser betrifft unter anderem nahezu 50.000 Mercedes GLC- und GLK-Fahrzeugmodelle in Deutschland. Ohne Aufspielen eines behördlich angeordneten Software-Updates droht den Fahrzeugen die Stilllegung. Viele Verbraucher erhielten die Rückrufe für die vom vzbv avisierten Fahrzeuge schon im Jahr 2018, sodass zum Ablauf des Jahres 2021 die Verjährung der Ansprüche droht. Durch eine Beteiligung an der Klage haben sie die Möglichkeit, die Verjährung ihrer Ansprüche zu verhindern.

Gemeinsam gegen Daimler

Bislang fehlt eine einheitliche Linie zu den Schadensersatzansprüchen gegen Daimler. Bisher gab es nur Einzelklagen gegen den Hersteller. Ihr Erfolg hängt stark davon ab, wie die Betroffenen ihren Fall vor Gericht schildern. Daimler verneint stets, vorsätzlich oder sittenwidrig gehandelt zu haben und hat damit je nach Fallkonstellation vor Gericht häufig auch Erfolg. Deswegen lässt der vzbv mit seiner Musterfeststellungsklage feststellen, welche Abschalteinrichtungen in welchen Fahrzeugen verbaut wurden. „Wir wollen, dass die Daimler AG die Verantwortung für ihre Abgas-Manipulationen übernimmt und betroffene Verbraucher schneller Entschädigungen erhalten“, erklären Dr. Ralf Stoll und Ralph Sauer von der Dr. Stoll & Sauer Litigation Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.

Ab Registeröffnung Anschluss an Musterfeststellungsklage möglich

Einige Wochen nach der Klageerhebung wird das Klageregister beim Bundesamt für Justiz eröffnet. Erst dann ist die Anmeldung zum Register möglich, sodass Verbraucher sich der Musterfeststellungsklage anschließen können. Über Aktuelles auf www.musterfeststellungsklagen.de und den dort bereitgestellten News-Alert erfahren Interessierte und Betroffene mehr.

Quelle: vzbv, Pressemitteilung vom 07.07.2021

Umsatzsteueraufkommen im Jahr 2020

Die für das vergangene Jahr prognostizierten Umsatzsteuereinnahmen und das tatsächliche Umsatzsteueraufkommen in 2020 sind ein Thema der Antwort der Bundesregierung (19/30847) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/30313). Danach waren für die gesamte Wirtschaft bei der letzten Steuerschätzung des Arbeitskreises Steuerschätzungen vor der Pandemie im November 2019 für das Jahr 2020 Umsatzsteuereinnahmen von 253,8 Milliarden Euro prognostiziert worden. Tatsächlich betrug den Angaben zufolge das Aufkommen 219,5 Milliarden Euro. Ursächlich für den Unterschied sind laut Bundesregierung neben den Umsatzrückgängen als Folge der Pandemie „vor allem die Maßnahmen zur Stützung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wie die allgemeine Senkung der Umsatzsteuersätze in der zweiten Jahreshälfte 2020 sowie zusätzlich für den Gastronomiebereich die gezielte Absenkung der Umsatzsteuer auf den ermäßigten Satz für erbrachte Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen mit Ausnahme der Abgabe von Getränken“.

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 06.07.2021

EU-Kommission legt Vorschläge für nachhaltiges Finanzsystem vor

Die EU-Kommission will das Finanzsystem der EU nachhaltiger gestalten und hat dazu am 6. Juli 2021 eine neue Strategie mit sechs umfassenden Vorschlägen vorgelegt. Die Strategie sei entscheidend für die Mobilisierung von Finanzmitteln aus privaten Quellen, sagte Exekutiv-Vizepräsident Valdis Dombrovskis. „Mit ihnen wollen wir unsere Klimaziele erreichen und andere ökologische Herausforderungen meistern. Wir wollen auch nachhaltige Finanzierungsmöglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen schaffen. Wir werden dabei mit unseren internationalen Partnern zusammenarbeiten, um die Zusammenarbeit im Bereich des nachhaltigen Finanzwesens zu vertiefen, da globale Herausforderungen globales Handeln erfordern.“ Außerdem hat die EU-Kommission heute einen Vorschlag für einen EU-Standard für grüne Anleihen unterbreitet sowie neue Vorschriften zu klaren und vergleichbaren Nachhaltigkeitsinformationen für Anleger, um Grünfärberei („greenwashing“) zu verhindern.

„Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, müssen wir uns kontinuierlich bemühen, mehr Geld in die nachhaltige Wirtschaft zu lenken. Es sind erhebliche Investitionen erforderlich, um die Wirtschaft umweltfreundlich zu gestalten und eine integrativere Gesellschaft zu schaffen, in der jeder seinen Beitrag leisten kann. Wir müssen die weltweite Zusammenarbeit in Klima- und Umweltfragen intensivieren, da die EU den Klimawandel nicht allein bekämpfen kann – globale Koordinierung und globales Handeln sind von entscheidender Bedeutung“, ergänzte Mairead McGuinness, die für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion zuständige Kommissarin.

Neue Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen – Sechs Maßnahmenpakete:

  1. Erweiterung des bestehenden Instrumentariums für ein nachhaltiges Finanzwesen, um den Zugang zu Finanzmitteln für den Übergang zu erleichtern
  2. Bessere Einbeziehung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie Verbrauchern mithilfe der richtigen Instrumente und Anreize für den Zugang zu Finanzmitteln für den Übergang
  3. Erhöhung der Widerstandsfähigkeit des Wirtschafts- und Finanzsystems gegenüber Tragfähigkeitsrisiken
  4. Steigerung des Beitrags des Finanzsektors zur Nachhaltigkeit
  5. Gewährleistung der Integrität des Finanzsystems der EU und Überwachung seines geordneten Übergangs zur Nachhaltigkeit
  6. Entwicklung internationaler Initiativen und Standards für ein nachhaltiges Finanzwesen und Unterstützung für die Partnerländer der EU

Die Kommission wird bis Ende 2023 über die Durchführung der Strategie Bericht erstatten und die Mitgliedstaaten bei ihren Bemühungen um ein nachhaltiges Finanzwesen aktiv unterstützen.

Ein EU-Standard für grüne Anleihen

Die Kommission hat heute außerdem eine Verordnung über einen freiwilligen EU-Standard für grüne Anleihen vorgeschlagen. Durch diesen Vorschlag wird ein qualitativ hochwertiger freiwilliger Standard geschaffen, der allen (privaten und staatlichen) Emittenten zur Verfügung steht und zur Finanzierung nachhaltiger Investitionen beitragen kann.

Grüne Anleihen werden bereits zur Beschaffung von Finanzmitteln in Sektoren wie der Energieerzeugung und -verteilung, des ressourceneffizienten Wohnens und der Infrastruktur für CO2-armen Verkehr eingesetzt.

Auch seitens der Investoren besteht hohe Nachfrage nach solchen Anleihen. Der Markt für grüne Anleihen birgt jedoch noch Potenzial für die Verfolgung ehrgeizigerer Umweltziele in noch größerem Maßstab.

Mit dem EU-Standard für grüne Anleihen wird ein „Goldstandard“ dafür festgelegt, wie Unternehmen und Behörden grüne Anleihen für die Beschaffung von Finanzmitteln auf den Kapitalmärkten einsetzen können, um ambitionierte Investitionen zu finanzieren. Dabei sind strenge Nachhaltigkeitsanforderungen zu erfüllen, und die Investoren müssen vor sogenannter Grünfärberei (Greenwashing) geschützt werden.

Im Einzelnen:

Den Emittenten grüner Anleihen wird ein robustes Instrument zur Verfügung stehen, mit dem sie nachweisen können, dass sie grüne Projekte im Einklang mit der EU-Taxonomie finanzieren.
Investoren, die die Anleihen kaufen, können leichter erkennen, ob ihre Investitionen nachhaltig sind, wodurch das Risiko der Grünfärberei reduziert wird.

Der neue EU-Standard für grüne Anleihen wird jedem Emittenten grüner Anleihen offen stehen, auch solchen, die außerhalb der EU ansässig sind. Der vorgeschlagene Rahmen umfasst vier Schlüsselanforderungen:

  • Die durch die Anleihe mobilisierten Mittel sollten vollständig für Projekte eingesetzt werden, die der EU-Taxonomie entsprechen.
  • Durch detaillierte Berichtspflichten muss vollständige Transparenz darüber herrschen, wie die Erlöse aus der Anleihe verwendet werden.
  • Alle grünen Anleihen nach dem EU-Standard müssen extern geprüft werden, um sicherzustellen, dass die Verordnung eingehalten wird und die finanzierten Projekte der Taxonomie entsprechen. Für staatliche Emittenten ist hier eine spezifische, begrenzte Flexibilitätsregelung vorgesehen.
  • Externe Prüfer, die Dienstleistungen für Emittenten von grünen Anleihen nach dem EU-Standard erbringen, müssen bei der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde registriert sein und von ihr beaufsichtigt werden. Dadurch wird die Qualität und Verlässlichkeit ihrer Dienstleistungen und Prüfungen zum Schutz der Investoren und zur Wahrung der Marktintegrität gewährleistet. Für staatliche Emittenten ist hier eine spezifische, begrenzte Flexibilitätsregelung vorgesehen.

Kernziel ist es, einen neuen „Goldstandard“ für grüne Anleihen zu schaffen, mit dem andere Standards verglichen werden können und an den diese möglicherweise angeglichen werden. Mit diesem Standard sollen Bedenken in Bezug auf Grünfärberei und den Schutz der Marktintegrität ausgeräumt werden, damit die Finanzierung legitimer Umweltprojekte gesichert ist. Nach der heutigen Verabschiedung des Kommissionsvorschlags wird dieser im Rahmen des Mitgesetzgebungsverfahrens dem Europäischen Parlament und dem Rat vorgelegt.

Nachhaltiges Finanzwesen und EU-Taxonomie

Die Europäische Kommission hat heute überdies den delegierten Rechtsakt zur Ergänzung von Artikel 8 der Taxonomieverordnung angenommen, wonach Finanz- und Nicht-Finanzunternehmen Anlegern Informationen über die Umweltfreundlichkeit ihrer Vermögenswerte und wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Verfügung stellen müssen. Märkte und Investoren benötigen klare und vergleichbare Nachhaltigkeitsinformationen, um Grünfärberei zu verhindern.

Im nun delegierten Rechtsakt ist festgelegt, welche Informationen über den der EU-Taxonomie entsprechenden Anteil ihrer Geschäfts-, Investitions- oder Anleihetätigkeit große Finanz- und Nicht-Finanzunternehmen nach welcher Methodik in welcher Form offenzulegen haben.

Nicht-Finanzunternehmen werden den Anteil ihres Umsatzes sowie ihrer Investitions- und Betriebsausgaben im Zusammenhang mit ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten gemäß der Definition in der Taxonomie-Verordnung und dem am 4. Juni 2021 förmlich verabschiedeten delegierten Rechtsakt zur EU-Klimataxonomie sowie künftigen delegierten Rechtsakten zu anderen Umweltzielen offenlegen müssen. Finanzinstitute, insbesondere große Banken, Vermögensverwalter, Wertpapierfirmen und Versicherungs-/Rückversicherungsunternehmen, müssen den Anteil ökologisch nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten an den gesamten Vermögenswerten, die sie finanzieren oder in die sie investieren, angeben.

Der delegierte Rechtsakt wird dem Europäischen Parlament und dem Rat für einen viermonatigen Zeitraum, der einmal um zwei Monate verlängert werden kann, zur Prüfung vorgelegt.

Hintergrund

Der Europäische Grüne Deal zeigt auf, dass für den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft und zum Erreichen der ökologischen Nachhaltigkeitsziele der Union erhebliche Investitionen in allen Wirtschaftssektoren notwendig sind. Ein großer Teil dieser Finanzströme wird vom privaten Sektor kommen müssen.

Um diese Investitionslücke zu schließen, müssen private Kapitalflüsse in ökologisch nachhaltigere Investitionen umgelenkt und der europäische Finanzrahmen völlig neu durchdacht werden. Insbesondere wurde durch den europäischen Grünen Deal deutlich, dass ökologisch nachhaltige Investitionen für Investoren und Unternehmen leichter erkennbar sein sollten und ihre Glaubwürdigkeit gewährleistet sein sollte.

Mit den Vorschlägen unternimmt die EU einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung der Ziele des Grünen Deals, indem sie für einen umfassenden Ansatz bei der Finanzierung des grünen Wandels sorgt.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 06.07.2021

Kreditinstitut wendet Privatkunden Sachleistungen zu Werbezwecken zu – Keine pauschale Einkommensteuer an Finanzamt abzuführen

Wendet ein Kreditinstitut Privatkunden Sachleistungen zu Werbezwecken zu, hat es keine pauschale Einkommensteuer an das Finanzamt abzuführen. So entschied das Finanzgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 19. April 2021 (Az. 10 K 577/21). Die Revision ist beim Bundesfinanzhof anhängig (Az. VI R 10/21).

Die Klägerin betreibt ein Kreditinstitut. Sie lud in den Streitjahren 2012 und 2015 Privatkunden zu einer Weinprobe und einem Golfturnier ein. In ihrer Einladung wies sie weder auf eine bestimmte Geldanlage oder mögliche Beratungsgespräche noch auf die Übernahme der pauschalen Einkommensteuer hin. Zu den eingeladenen Gästen unterhielt sie Geschäftsbeziehungen. Diese betrafen z. B. Giro- oder Sparkonten, Festgelder, Wertpapierdepots und Darlehen. Die Klägerin unterwarf die Sachzuwendungen der Pauschalbesteuerung. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung machte sie geltend, für „reine Werbemaßnahmen ohne konkrete Produktwerbung“ an Privatkunden sei keine Steuer abzuführen. Nach Auffassung des beklagten Finanzamts unterliegen die Sachzuwendungen als Entgelt für die Kapitalüberlassung der Pauschalsteuer.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg gab der Klage statt. Die Pauschalierung der Einkommensteuer erfasse nicht alle Zuwendungen. Sie beschränke sich auf Zuwendungen, die bei den Zuwendungsempfängern einkommensteuerpflichtige Einkünfte seien.

§ 37b des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermögliche eine besondere pauschalierende Erhebungsform der Einkommensteuer, begründe jedoch keine weitere eigenständige Einkunftsart. § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG setze außerdem voraus, dass die jeweilige Zuwendung zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung des Steuerpflichtigen erbracht wird. Die von der Klägerin gewährten Sachzuwendungen in Form einer Weinprobe und eines Golfturniers seien jedoch nicht durch die Einkunftsart Einkünfte aus Kapitalvermögen veranlasst. Die Klägerin habe im überwiegenden betrieblichen Eigeninteresse Werbemaßnahmen ergriffen. Ihren Kundenberatern sollte „Gelegenheit gegeben werden, die Kunden bei den Veranstaltungen persönlich näher kennenzulernen“. Die Veranstaltungen „dienten als „Türöffner“ für spätere Beratungsgespräche. Beim Golfturnier sei auch für Produkte (z. B. Investmentfonds) einer anderen Bank geworben worden. Gewänne sie einen Kunden, erhielte die Klägerin von der Bank eine Provision. Die Zuwendungen an die Kunden unterlägen als Geschenke zur „betrieblichen Klimapflege“ auch nicht der Pauschalierung nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Der Beschenkte erziele mangels Bezug zu einer konkreten Kapitalanlage keine Einkünfte im Sinne des EStG.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 06.07.2021 zum Urteil 10 K 577/21 vom 19.04.2021 (nrkr – BFH-Az.: VI R 10/21)