Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Elternzeit – Kürzung von Urlaubsansprüchen

Der gesetzliche Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG besteht auch für den Zeitraum der Elternzeit, er kann jedoch vom Arbeitgeber nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG gekürzt werden. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG steht im Einklang mit dem Unionsrecht.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 1. Juni 2001 als Assistentin der Geschäftsleitung beschäftigt. Sie befand sich u. a. vom 1. Januar 2013 bis zum 15. Dezember 2015 durchgehend in Elternzeit. Mit Schreiben vom 23. März 2016 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 30. Juni 2016 und beantragte unter Einbeziehung der während der Elternzeit entstandenen Urlaubsansprüche, ihr für den Zeitraum der Kündigungsfrist Urlaub zu gewähren. Mit Schreiben vom 4. April 2016 erteilte die Beklagte der Klägerin vom 4. April bis zum 2. Mai 2016 Urlaub, die Gewährung des auf die Elternzeit entfallenden Urlaubs lehnte sie ab. Die Klägerin hat mit ihrer Klage zuletzt noch die Abgeltung von 89,5 Arbeitstagen Urlaub aus dem Zeitraum ihrer Elternzeit geltend gemacht.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Beklagte hat die Urlaubsansprüche der Klägerin aus den Jahren 2013 bis 2015 mit Schreiben vom 4. April 2016 wirksam gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel gekürzt.

Möchte der Arbeitgeber von seiner ihm durch § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG eingeräumten Befugnis Gebrauch machen, den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen, muss er eine darauf gerichtete empfangsbedürftige rechtsgeschäftliche Erklärung abgeben. Dazu ist es ausreichend, dass für den Arbeitnehmer erkennbar ist, dass der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen will. Das Kürzungsrecht des Arbeitgebers erfasst auch den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien für diesen keine von § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG abweichende Regelung vereinbart haben.

Die Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs verstößt weder gegen Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) noch gegen § 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 2010/18/EU. Das Unionsrecht verlangt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht, Arbeitnehmer, die wegen Elternzeit im Bezugszeitraum nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet waren, Arbeitnehmern gleichzustellen, die in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet haben (EuGH 4. Oktober 2018 – C-12/17 – [Dicu] Rn. 29 ff.).

Quelle: BAG, Pressemitteilung vom 19.03.2019 zum Urteil 9 AZR 362/18 vom 19.03.2019

BFH: Spendenabzug bei Schenkung unter Ehegatten mit Spendenauflage

Ein Ehegatte kann eine Spende auch dann einkommensteuerlich abziehen, wenn ihm der Geldbetrag zunächst von dem anderen Ehegatten geschenkt wird. Voraussetzung ist hierfür nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. Januar 2019 X R 6/17, dass die Ehegatten zusammenveranlagt werden und dass aufgrund einer Auflage im Schenkungsvertrag die Verpflichtung besteht, den Geldbetrag an einen gemeinnützigen Verein weiterzuleiten.

Im entschiedenen Fall hatte der – kurz darauf verstorbene – Ehemann (E) seiner Ehefrau einen Geldbetrag von 400.000 Euro geschenkt. Die Ehefrau (Klägerin) gab Teilbeträge von insgesamt 130.000 Euro an zwei gemeinnützige Vereine weiter. Hierzu war sie möglicherweise aufgrund einer Auflage des Schenkers verpflichtet. Die Vereine stellten Zuwendungsbestätigungen auf den Namen der Klägerin aus.

Das Finanzamt versagte den Spendenabzug mit der Begründung, die Ehefrau habe nicht freiwillig gehandelt, sondern aufgrund einer Verpflichtung, die der E ihr auferlegt habe. Dem schloss sich das Finanzgericht (FG) an.

Auf die Revision der Klägerin hob der BFH dieses Urteil auf und verwies die Sache an die Vorinstanz zurück. Das FG muss aufklären, ob der E der Klägerin den Geldbetrag mit der Auflage geschenkt hat, einen Teilbetrag an die Vereine weiterzugeben. Dann wäre ihr der Spendenabzug zu gewähren. Die erforderliche Freiwilligkeit sei auch dann zu bejahen, wenn die Klägerin als Spenderin zu der Zuwendung zwar rechtlich verpflichtet gewesen sei, diese Verpflichtung – wie hier im Schenkungsvertrag – aber ihrerseits freiwillig eingegangen sei. Auch komme es bei zusammenveranlagten Eheleuten nicht darauf an, welcher der Eheleute mit einer Zuwendung wirtschaftlich belastet sei. Dies folge bereits aus dem Wortlaut des § 26b EStG.

In seinem Urteil äußert sich der BFH in grundsätzlicher Weise zu den Merkmalen des Spendenbegriffs wie etwa der Unentgeltlichkeit, der Freiwilligkeit und der wirtschaftlichen Belastung. Die Entscheidung wird daher die weitere Rechtsprechung maßgeblich beeinflussen.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 15/19 vom 20.03.2019 zum Urteil X R 6/17 vom 15.01.2019

Renten steigen zum 1. Juli 2019 im Westen um 3,18 Prozent und im Osten um 3,91 Prozent

Nach den nun vorliegenden Daten des Statistischen Bundesamtes und der Deutschen Rentenversicherung Bund steht die Rentenanpassung zum 1. Juli 2019 fest: In Westdeutschland steigt die Rente um 3,18 Prozent, in den neuen Ländern um 3,91 Prozent. Der aktuelle Rentenwert (Ost) steigt damit auf 96,5 Prozent des aktuellen Rentenwerts West (bisher: 95,8 Prozent). Das Rentenniveau steigt damit sogar leicht auf 48,16 Prozent an.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil:

„Auch in diesem Jahr profitieren die Rentnerinnen und Rentner von der guten Lage am Arbeitsmarkt und den Lohnsteigerungen der Vergangenheit in Form von besseren Renten. Auf dem Weg zu gleichen Rentenwerten in Ost und West kommen wir mit der Rentenanpassung 2019 ebenfalls weiter gut voran. Der Rentenwert (Ost) erreicht 96,5 Prozent des Westwerts. Bis spätestens zur Rentenanpassung 2024 wird der aktuelle Rentenwert (Ost) auf 100 Prozent des Westwerts ansteigen.

Insgesamt zeigt sich: Die gesetzliche Rente bleibt die zentrale Säule der Alterssicherung in Deutschland. Um sie weiter zu stärken werden wir eine Grundrente einführen, die ihren Namen auch verdient. Die Grundrente soll Lebensarbeitszeit anerkennen und einen wirksamen Beitrag gegen Altersarmut leisten. Es geht um mehr Respekt vor der Leistung von Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben und aufgrund zu niedriger Löhne keine angemessene Rente bekommen. Diese Menschen sollen im Alter ordentlich abgesichert sein.“

Einzelheiten

Grundlage für die Rentenanpassung ist die Lohnentwicklung. Die für die Rentenanpassung relevante Lohnsteigerung beträgt 2,39 Prozent in den alten Ländern und 2,99 Prozent in den neuen Ländern. Sie basiert auf der vom Statistischen Bundesamt gemeldeten Lohnentwicklung nach den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR), wobei der Einfluss der Arbeitsgelegenheiten mit Entschädigungen für Mehraufwendungen („Ein-Euro-Jobs“) außer Acht bleibt. Darüber hinaus wird die beitragspflichtige Entgeltentwicklung der Versicherten berücksichtigt, die für die Einnahmensituation der gesetzlichen Rentenversicherung entscheidend ist.

Neben der Lohnentwicklung wird durch den Nachhaltigkeitsfaktor die Entwicklung des zahlenmäßigen Verhältnisses von Rentenbeziehenden zu Beitragszahlenden bei der Anpassung der Renten berücksichtigt. In diesem Jahr wirkt sich der Nachhaltigkeitsfaktor mit +0,64 Prozentpunkten positiv auf die Rentenanpassung aus. Außerdem wird durch den so genannten Faktor Altersvorsorgeaufwendungen die Veränderung der Aufwendungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beim Aufbau ihrer Altersvorsorge auf die Anpassung der Renten übertragen. Da der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung des Jahres 2017 (18,7 Prozent) gegenüber dem Jahr 2018 (18,6 Prozent) um 0,1 Prozentpunkte gesunken ist und die sogenannte „Riester-Treppe“ bereits 2013 letztmals zur Anwendung kam, wirkt der Faktor Altersvorsorgeaufwendungen in diesem Jahr rechnerisch mit 0,13 Prozentpunkten anpassungssteigernd.

Bei der diesjährigen Rentenanpassung wird erstmals die Niveauschutzklausel des RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungsgesetzes geprüft. So wird sichergestellt, dass in der Zeit bis zum 1. Juli 2025 das Rentenniveau von 48 Prozent nicht unterschritten wird. Das Rentenniveau (im Gesetz als Sicherungsniveau vor Steuern bezeichnet) beschreibt den Verhältniswert aus einer verfügbaren Standardrente und dem verfügbaren Durchschnittsentgelt, beides ohne Berücksichtigung der darauf entfallenden Steuern. Das Rentenniveau beträgt für das Jahr 2019 mit dem nach der bisherigen Rentenanpassungsformel errechneten aktuellen Rentenwert 48,16 Prozent. Damit wird das Mindestsicherungsniveau von 48 Prozent eingehalten. Die Niveauschutzklausel kommt somit nicht zur Anwendung.

Bei der Rentenanpassung für die neuen Bundesländer sind die im Rentenüberleitungsabschlussgesetzes festgelegten Angleichungsschritte relevant. In diesem Jahr ist der aktuelle Rentenwert (Ost) mindestens so anzupassen, dass er 96,5 Prozent des Westwerts erreicht. Mit dieser Angleichungsstufe fällt die Rentenanpassung Ost höher aus, als nach der tatsächlichen Lohnentwicklung Ost.

Auf Basis der vorliegenden Daten ergibt sich damit ab dem 1. Juli 2019 eine Anhebung des aktuellen Rentenwerts von gegenwärtig 32,03 Euro auf 33,05 Euro und eine Anhebung des aktuellen Rentenwerts (Ost) von gegenwärtig 30,69 Euro auf 31,89 Euro. Dies entspricht einer Rentenanpassung von 3,18 Prozent in den alten Ländern und von 3,91 Prozent in den neuen Ländern.

Quelle: BMAS, Pressemitteilung vom 20.03.2019

Regeln zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit werden modernisiert

Damit Leben und Arbeiten in der EU für alle EU-Bürger künftig einfacher wird, werden die europäischen Regeln zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit überarbeitet. Darauf haben sich das Europäische Parlament, der Rat und die Europäische Kommission geeinigt. Mit der Einigung werden die Rechte der Bürgerinnen und Bürger, die in ein anderes EU-Land umziehen, aktualisiert und geschützt. Außerdem sieht sie eine Erleichterung der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden vor.

Die Überarbeitung der geltenden Regeln soll sicherstellen, dass die Vorschriften fair und klar bleiben und leichter durchgesetzt werden können. Zu den Neuerungen zählt, dass Arbeitsuchende mehr Zeit für die Arbeitsuche im Ausland erhalten, und dass der Bedarf an Langzeitpflege für im Ausland lebende ältere Menschen thematisiert wird. Für Dienstreisen ins EU-Ausland muss kein A1-Entsendeformular beantragt werden. Darüber hinaus bekommen nationale Behörden bessere Instrumente an die Hand, um Missbrauch oder Betrug zu bekämpfen und den Sozialversicherungsstatus von ins Ausland entsandten Arbeitnehmern zu überprüfen.

Die für Beschäftigung, Soziales, Qualifikationen und Arbeitskräftemobilität zuständige Kommissarin Marianne Thyssen begrüßte die Einigung und erklärte: „Das Recht, überall in der Union zu leben, zu arbeiten oder zu studieren, zählt seit 60 Jahren zu den am meisten geschätzten Freiheiten des EU-Binnenmarkts. Es ist gut, dass das Europäische Parlament und der Rat heute eine vorläufige Einigung über den Kommissionsvorschlag erzielt haben, durch den die betreffenden Vorschriften fair und klar bleiben und leichter durchsetzbar werden sollen. Besonders freue ich mich für unsere vielen mobilen Bürgerinnen und Bürger und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für deren Sozialschutz die modernisierten Vorschriften einen großen Fortschritt bedeuten.

In den vergangenen Jahren hat die Europäische Kommission große Anstrengungen unternommen, um Einzelpersonen sowie Unternehmen eine faire Mobilität zu erleichtern und gleichzeitig die Betrugsbekämpfung zu verstärken. Wir haben die Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern überarbeitet und damit den Grundsatz der gleichen Entlohnung für gleiche Arbeit am gleichen Ort umgesetzt. Unlängst haben wir auch eine Einigung über die Einrichtung einer Europäischen Arbeitsbehörde erzielt, die die wirksame Durchsetzung der Vorschriften sicherstellen soll. Mit der heutigen vorläufigen Einigung über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit runden wir das Gesamtpaket für eine faire Arbeitskräftemobilität in Europa ab. Mein Dank gilt dem Berichterstatter Balas, der für das Europäische Parlament an den Verhandlungen teilnahm, sowie dem rumänischen Ratsvorsitz.“

Hintergrund

Jeder Mitgliedstaat legt die Merkmale seines eigenen Systems der sozialen Sicherheit fest, einschließlich der vorgesehenen Leistungen, der Bedingungen für die Inanspruchnahme, der Berechnung und der zu entrichtenden Beiträge, und zwar für alle Zweige der sozialen Sicherheit wie Leistungen bei Alter, Arbeitslosigkeit und für Familien.

Um sicherzustellen, dass die betreffenden grundlegenden Rechte bei Reisen und Aufenthalten im Ausland nicht verloren gehen, wurden auf EU-Ebene in den letzten 60 Jahren Vorschriften zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit erlassen. Diese Vorschriften gelten für die EU-28 sowie für Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz. Sie helfen bei der Bestimmung des Systems der sozialen Sicherheit, dem eine mobile Person unterliegt. Dadurch wird verhindert, dass eine Person in einer Situation mit grenzüberschreitendem Bezug ganz ohne Sozialschutz ist bzw. doppelt versichert ist.

Heute leben bzw. arbeiten etwa 17 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger in einem anderen Mitgliedstaat – doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. Und Millionen reisen regelmäßig in andere europäische Länder, um dort Urlaub zu machen, zu arbeiten oder Familie zu besuchen.

Die Kommission hat ihren Vorschlag zur Aktualisierung und Ergänzung der bestehenden EU-Rechtsvorschriften im Dezember 2016 im Rahmen ihrer Bemühungen vorgelegt, faire Bedingungen für diejenigen zu gewährleisten, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, sowie für die Steuerzahler. Außerdem sollen mit dem Vorschlag bessere Instrumente für die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Stellen in der EU bereitgestellt werden. Durch die neuen Vorschriften wird das bestehende Recht insbesondere in drei Hauptbereichen modernisiert: Leistungen bei Arbeitslosigkeit, Leistungen bei Pflegebedürftigkeit und Koordinierung der sozialen Sicherheit für entsandte Arbeitskräfte.

Nächste Schritte

Diese vorläufige Einigung muss nun sowohl vom Europäischen Parlament als auch vom Rat förmlich angenommen werden.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 20.03.2019

Grünes Licht für Starke-Familien-Gesetz

Berlin: (hib/AW) Der Familienausschuss hat den Weg frei gemacht für das sogenannte Starke-Familien-Gesetz zur Neugestaltung des Kinderzuschlags und des Bildungs- und Teilhabepakets. Mit den Stimmen der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion nahm der Ausschuss am Mittwoch die Gesetzesvorlage (19/7504) von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) in einer durch den Ausschuss geänderten Fassung gegen das Votum der FDP- und der Linksfraktion an. Die Fraktionen der AfD und von Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich der Stimme. Den von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Änderungsantrag zum Gesetzesentwurf nahm der Ausschuss ohne Gegenstimmen bei Enthaltung der AfD und der FDP an. Die Anträge der Grünen zur automatischen Auszahlung des Kinderzuschlags (19/1854) und zur Teilhabe von Kindern (19/7451) lehnte der Ausschuss mit der Stimmenmehrheit der Koalitionsfraktionen ab.

Die Oppositionsfraktionen begrüßten übereinstimmend zwar einerseits die Erhöhung des Kinderzuschlags und der Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket, bezeichneten diese jedoch insgesamt als nicht ausreichend. Zudem werde der zu hohe bürokratische Aufwand bei der Beantragung der Leistungen dazu führen, dass weiterhin der Großteil der anspruchsberechtigten Familien nicht in deren Genuss kommen werde. Die Koalitionsfraktionen wiesen diese Kritik zurück. In ihrem Änderungsantrag hätten sie verschiedene Kritikpunkte und Anregungen des Bundesrates und aus der öffentlichen Anhörung des Ausschusses über die Gesetzesvorlage aufgenommen. Die Beantragung und Bewilligung der Leistungen werde dadurch entbürokratisiert.

Das Starke-Familien-Gesetz sieht eine Erhöhung des Kinderzuschlags zum 1. Juli 2019 von derzeit maximal 170 pro Monat und Kind auf 185 Euro vor. Zudem wird das Einkommen der Kinder – wie zum Beispiel Unterhaltszahlungen oder Ferien- und Aushilfsjobs – den Kinderzuschlag nur noch zu 45 Prozent statt wie bisher zu 100 Prozent mindern. Die ursprünglich im Gesetzesentwurf vorgesehene 100-Euro-Grenze für diese Regelung strich der Ausschuss durch den angenommen Änderungsantrag. Zum 1. Januar 2020 soll dann die sogenannte Abbruchkante, an der der Kinderzuschlag bislang schlagartig entfällt, wegfallen. Zusätzliches Einkommen der Eltern soll den Kinderzuschlag zudem nur noch zu 45 statt 50 Prozent mindern. Ebenso sollen zukünftig Familien den Kinderzuschlag auch dann erhalten,wenn sie kein Arbeitslosengeld II beziehen und ihnen mit ihrem Erwerbseinkommen, dem Kinderzuschlag und dem Wohngeld höchstens 100 Euro fehlen, um die Hilfsbedürftigkeit nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) zu vermeiden.

Im Bereich des Bildungs- und Teilhabepakets sieht das Gesetz eine Erhöhung des „Schulstarterpakets“ von 100 auf 150 Euro pro Monat vor. Zudem entfallen die Eigenanteile der Eltern für das Mittagessen in Kindertagesstätten und Schulen sowie für die Schülerbeförderung. Darüber hinaus sollen die Mittel für Lernförderung zukünftig auch dann bewilligt werden, wenn die Versetzung eines Schülers nicht unmittelbar gefährdet ist. Durch den angenommen Änderungsantrag wird zudem der Betrag für Vereinsmitgliedschaften der Kinder von zehn auf 15 Euro pro Monat erhöht und pauschal ausgezahlt.

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Ausschuss – 20.03.2019 (hib 298/2019)

Fahrgastbegleiter mit Ein-Euro-Job will Tariflohn

Ein-Euro-Jobs dürfen nur für gemeinnützige Zusatzarbeiten eingerichtet werden, die keine reguläre Arbeit verdrängen. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat entschieden, dass der Fahrgastbegleitservice der ÜSTRA in Hannover diesen Anforderungen genügt.

Geklagt hatte ein ehemaliger Hartz-IV-Empfänger aus Hannover, der vom Jobcenter in eine Eingliederungsmaßnahme als Fahrgastbegleiter der Verkehrsbetriebe vermittelt wurde. Drei Jahre lang half er Senioren und Rollstuhlfahrern beim Einsteigen, unterstützte Eltern mit Kinderwagen und begleitete Patienten zum Arzt. Als er in einer Praxis den Werbeflyer eines Begleitdienstes fand, kamen ihm Zweifel, ob er wirklich eine Zusatzarbeit ausübt.

Vom Jobcenter verlangte der Mann nun Tariflohn als Wertersatz für seine Arbeit. Nach seiner Ansicht erbringe die ÜSTRA eine kostenlose Leistung, die bei anderen Anbietern im Rahmen von Betreuungen oder Eingliederungsleistungen Geld koste. Hierdurch entstehe eine wettbewerbsverzerrende Konkurrenz, die auch noch intensiv beworben werde.

Das LSG hat die Rechtsauffassung des Jobcenters bestätigt. Ein kostenloser Fahrgastbegleitservice für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste im ÖPNV sei eine Zusatzarbeit im Sinne des SGB II, soweit er nicht zum eigentlichen Leistungsspektrum des Personentransportes gehöre. Dem stehe nicht entgegen, dass es bei der ÜSTRA etwa 70 Fahrgastbegleiter gebe, für die Werbung gemacht werde. Das Gericht hat die Unternehmensstatistiken der ÜSTRA ausgewertet und sich entscheidend darauf gestützt, dass dem Unternehmen durch den kostenlosen Service keine Zusatzeinnahmen entstünden. Gemessen an 176 Mio. Fahrgästen pro Jahr könne aus mehreren Hundert Personenbegleitungen pro Monat kein ernsthaftes wirtschaftliches Interesse am Ticketverkauf folgen. Ebenso wenig bestehe ein Verdrängungspotenzial anderer Anbieter, die zumeist auch ganz andere Leistungen wie Individualbetreuung erbringen würden.

Quelle: LSG Niedersachsen-Bremen, Pressemitteilung vom 21.03.2019 zum Urteil L 11 AS 109/16 vom 18.12.2018

Reallohnindex im Jahr 2018 um 1,3 % gestiegen

Höchster Anstieg der Nominallöhne seit 2011

Der Reallohnindex in Deutschland ist im Jahr 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 1,3 % gestiegen. Wie das Statistische Bundesamt nach endgültigen Ergebnissen der Vierteljährlichen Verdiensterhebung weiter mitteilt, lagen die Nominallöhne im Jahr 2018 um rund 3,1 % über dem Vorjahreswert. Das ist der höchste Anstieg seit 2011. Die Verbraucherpreise erhöhten sich im selben Zeitraum um 1,8 %.

Im 4. Quartal 2018 ergab sich im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal für den Reallohnindex ein Wachstum von 1,4 % bei einem Nominallohnzuwachs von 3,3 % und einem Anstieg der Verbraucherpreise um 2,0 %. Für die Berechnung des Reallohnindex wurden die neu auf Basis 2015 = 100 publizierten Werte des Verbraucherpreisindex verwendet. Daher kommt es zu Revisionen in der Zeitreihe.

Vollzeitbeschäftigte verdienen durchschnittlich 51.331 Euro brutto im Jahr

Während die Verdienste im früheren Bundesgebiet im Jahr 2018 nominal um 3,0 % stiegen, hatten Beschäftigte in den neuen Ländern einen nominalen Lohnzuwachs von 3,6 %. Der durchschnittliche Bruttojahresverdienst einschließlich Sonderzahlungen lag bei vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im früheren Bundesgebiet im Jahr 2018 bei 53.054 Euro, Vollzeitbeschäftigte in den neuen Bundesländern verdienten im Durchschnitt 40.334 Euro. Für Deutschland lag der entsprechende Wert bei 51.331 Euro.

Entwicklung der Reallöhne, der Nominallöhne und der Verbraucherpreise
Berichtszeitraum Reallohnindex 12 Nominallohnindex 1 Verbraucherpreisindex
Veränderung gegenüber dem Vorjahreszeitraum in %
1 Vollzeit-, teilzeit- und geringfügig beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich.
2 Die revidierten Werte sind auf die Umbasierung des Verbraucherpreisindex auf das Basisjahr 2015 = 100 zurückzuführen.
Jahr 2012 0,5 2,5 2,0
Jahr 2013 -0,1 1,4 1,4
Jahr 2014 1,8r 2,7 1,0
Jahr 2015 2,1r 2,7 0,5
Jahr 2016 1,8 2,3 0,5
Jahr 2017 1,0r 2,5 1,5
Jahr 2018 1,3 3,1 1,8
1. Quartal 2012 0,0r 2,1 2,1
2. Quartal 2012 0,6 2,5 1,8
3. Quartal 2012 1,0r 3,0 2,0
4. Quartal 2012 0,8r 2,7 2,0
1. Quartal 2013 0,0r 1,5 1,5
2. Quartal 2013 -0,1 1,4 1,5
3. Quartal 2013 -0,3r 1,3 1,6
4. Quartal 2013 -0,1r 1,3 1,3
1. Quartal 2014 1,3r 2,7 1,3
2. Quartal 2014 1,4r 2,6 1,1
3. Quartal 2014 1,7r 2,7 0,9
4. Quartal 2014 2,2 2,7 0,5
1. Quartal 2015 2,8r 2,6 -0,1
2. Quartal 2015 2,3r 3,2 0,9
3. Quartal 2015 1,7r 2,5 0,7
4. Quartal 2015 2,1r 2,5 0,4
1. Quartal 2016 2,5r 2,9 0,3
2. Quartal 2016 1,8r 2,0 0,2
3. Quartal 2016 1,8 2,3 0,5
4. Quartal 2016 1,2r 2,3 1,1
1. Quartal 2017 0,9r 2,7 1,7
2. Quartal 2017 1,4r 2,9 1,4
3. Quartal 2017 0,9r 2,5 1,6
4. Quartal 2017 0,7r 2,2 1,4
1. Quartal 2018 1,4r 2,7 1,3
2. Quartal 2018 0,8r 2,5 1,8
3. Quartal 2018 1,6r 3,6 1,9
4. Quartal 2018 1,4 3,3 2,0

 

Entwicklung der Nominallöhne nach verschiedenen Gliederungsarten
Gliederungsart Veränderung 2018
gegenüber 2007
Veränderung 2018
gegenüber dem Vorjahr
in %
1 Ohne geringfügig Beschäftigte.
Insgesamt 29,6 3,1
Nach Gebietsstand
Früheres Bundesgebiet (einschließlich Berlin) 28,9 3,0
Neue Länder 36,1 3,6
Nach Beschäftigungsart
Vollzeitbeschäftigte 28,9 3,0
Teilzeitbeschäftigte 34,1 3,3
Geringfügig Beschäftigte 33,7 1,4
Nach Geschlecht
Männer 28,5 3,1
Frauen 32,0 3,0
Nach Leistungsgruppen 1
Arbeitnehmer in leitender Stellung 37,1 3,1
Herausgehobene Fachkräfte 29,2 2,8
Fachkräfte 26,6 3,1
Angelernte Arbeitnehmer 25,7 3,1
Ungelernte Arbeitnehmer 30,8 3,8
nachrichtlich:
Verbraucherpreisindex 15,8 1,8

„Lange Reihen“ zu den Real- und Nominallöhnen stehen auf den Internetseiten des Statistischen Bundesamtes zur Verfügung.

Detaillierte Daten und lange Zeitreihen zu den Bruttoverdiensten in Deutschland können über die Tabelle Bruttoverdienste, Wochenarbeitszeit (62321-0001) in der Datenbank GENESISOnline abgerufen werden. In der Datenbank lassen sich auch Zeitreihen zum monatlichen Index der Tarifverdienste (62231-0001) abrufen.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 22.03.2019

Keine Versicherungspflicht für selbständigen Personal Trainer

Ein selbständig tätiger Personal Trainer, der ausschließlich Einzelkunden betreut, übt eine im Wesentlichen beratende und keine lehrende Tätigkeit aus. Er ist damit nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung. Dies hat das Sozialgericht Osnabrück in einem Urteil vom 30.01.2019 (Az. S 1 R 132/17) entschieden.

Der klagende Personal Trainer hat inzwischen zusätzlich ein eigenes Fitnessstudio eröffnet. Zuvor hatte er als selbständiger Personal Trainer – überwiegend in kooperierenden Fitnessstudios – ausschließlich Einzelkunden betreut. Die beklagte Rentenversicherung ging davon aus, dass der Kläger hiermit eine lehrende Tätigkeit ausgeübt habe und deshalb versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen sei. Umstritten war im Klageverfahren schließlich nur noch die Versicherungspflicht des Klägers im ersten Halbjahr 2015.

Das Sozialgericht Osnabrück hat nun entschieden, dass der Kläger in diesem Zeitraum nicht rentenversicherungspflichtig war. Gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sind selbständig tätige Lehrer und Erzieher, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung. Das Bundessozialgericht (Urteil vom 23.04.2015, Az. B 5 RE 23/14 R) verweist zur Abgrenzung darauf, dass eine Lehrtätigkeit wesentlich durch eine Wissensvermittlung für eine unbestimmte Vielzahl unbestimmter Anwendungssituationen geprägt ist, während der Schwerpunkt der Beratung auf der Eröffnung konkreter Handlungsmöglichkeiten zu einem bestimmten Anwendungszweck liegt. Während Lehrer eher generelles Wissen vermitteln, das die Lernenden aufnehmen und rezipieren sollen, gehen Berater regelmäßig auf individuelle Probleme des jeweils Ratsuchenden konkret helfend ein.

Im entschiedenen Klageverfahren hatte sich der Kläger im ersten Halbjahr 2015 als selbständiger Personal Trainer ausschließlich mit der Betreuung von Einzelpersonen befasst, deren Ziele z. B. die Vorbereitung auf einen Marathon, die Reduktion des eigenen Gewichts oder auch allgemein die Steigerung der persönlichen Fitness waren. Der Kläger stellte sein Wissen als Krankengymnast, Masseur und Laufinstructor zur Verfügung und gab seinen jeweiligen Kunden in helfender Absicht spezifische, individuelle Ratschläge, indem er sie kontinuierlich im Rahmen einer 1:1-Betreuung bei ihren Fitnessübungen begleitete und ständig korrigierte. Er erstellte jeweils einen individuellen Trainingsplan entsprechend dem Problem bzw. Ziel des Klienten, den er auch fortlaufend aktualisierte. Bei dieser Tätigkeit als Personal Trainer stand zur Überzeugung des Sozialgerichts ein Wissenstransfer für den Kunden nicht im Vordergrund. Aus gerichtlicher Sicht entspricht diese Situation weniger einem Einzelunterricht als vielmehr einer Einzelberatung, die keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI auslöst.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Quelle: SG Osnabrück, Pressemitteilung vom 05.03.2019 zum Urteil S 1 R 132/17 vom 30.01.2019 (nrkr)

Witwenrente: Vermutung einer Versorgungsehe erfolgreich widerlegt

Auch wenn eine Ehe erst nach Feststellung einer Berufskrankheit geschlossen wird und der betroffene Ehemann innerhalb des erstes Ehejahres stirbt, kann ein Anspruch auf Witwenrente bestehen. Dies hat das Sozialgericht Osnabrück in einem Urteil vom 28.02.2019 (Az. S 8 U 90/16) entschieden.

Die klagende Witwe lernte den im August 2015 verstorbenen Versicherten im Jahr 2005 kennen. Im Jahr 2010 zogen sie in eine gemeinsame Wohnung. Beide bezogen zunächst Erwerbsunfähigkeitsrenten und seit 2014 jeweils eine eigene Altersrente.

Im Dezember 2013 erkannte die beklagte Berufsgenossenschaft (BG) bei dem Versicherten das Bestehen einer Berufskrankheit nach der Nr. 4104 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (Lungenkrebs in Verbindung mit Asbestose) seit Dezember 2012 mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 100 vom Hundert an. Am 04.05.2015 heirateten die Klägerin und der Versicherte, am 30.08.2015 verstarb der Ehemann an einer Lungenembolie.

Den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Witwenrente lehnte die BG unter Hinweis auf die Regelung des § 65 Abs. 6 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ab, da die Ehe erst nach dem sog. Versicherungsfall (Dezember 2012) geschlossen worden war und der Tod innerhalb des ersten Jahres dieser Ehe eingetreten ist. Die BG hielt die gesetzliche Vermutung, dass alleiniger Zweck der Heirat ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung gewesen sei, für nicht widerlegt.

Diese Einschätzung hat sich das Sozialgericht Osnabrück nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Zeugenvernehmung nicht angeschlossen. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass der Versorgungsgedanke nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war. Die klagende Witwe konnte eine feste Heiratsabsicht zwischen den späteren Eheleuten bereits vor dem Eintritt des Versicherungsfalls im Dezember 2012 nachweisen. Zur Umsetzung der Heiratsabsicht ist es dann vorerst durch äußere Umstände, insbesondere den Tod der Schwester der Klägerin, nicht gekommen. Außerdem war die Ausstellung der erforderlichen Unterlagen für die Eheschließung beim zuständigen Standesamt bereits im März 2014 veranlasst worden. Ferner bauten die Klägerin und der Versicherte die Mietwohnung gemeinsam behindertengerecht um, was aus gerichtlicher Sicht für die Planung einer längeren gemeinsamen Zukunft spricht. Schließlich hat die Kammer gewürdigt, dass die Klägerin selbst über eine ausreichende Versorgung aus ihrer Altersrente und einer zusätzlichen Betriebsrente verfügt, sodass als zumindest gleichwertiges Motiv für die Eheschließung das Motiv der Klägerin festzustellen ist, den Versicherten als Ehefrau verantwortlich versorgen zu können.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung zum Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen angefochten werden.

Hinweis zur Rechtslage

§ 65 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch

(1) Witwen oder Witwer von Versicherten erhalten eine Witwen- oder Witwerrente, solange sie nicht wieder geheiratet haben.

[…]

(6) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch, wenn die Ehe erst nach dem Versicherungsfall geschlossen worden ist und der Tod innerhalb des ersten Jahres dieser Ehe eingetreten ist, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Einzelfalls die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

Quelle: SG Osnabrück, Pressemitteilung vom 19.03.2019 zum Urteil S 8 U 90/16 vom 28.02.2019 (nrkr)

Insolvenzrechtlicher Rang eines Abfindungsanspruchs nach §§ 9, 10 KSchG

Macht erst der Insolvenzverwalter einen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG rechtshängig und löst das Gericht das Arbeitsverhältnis daraufhin auf, ist der Anspruch auf Abfindung nach § 10 KSchG eine Masseverbindlichkeit, die nach § 53 InsO vorweg zu berichtigen, also wie geschuldet in voller Höhe zu erfüllen ist. Das gilt auch dann, wenn die der Auflösung zugrunde liegende Kündigung noch vom späteren Insolvenzschuldner erklärt worden ist.

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2014 kündigte die spätere Insolvenzschuldnerin das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 15. Januar 2015. Während des erstinstanzlichen Kündigungsschutzverfahrens kündigte sie in einem an den Klägeranwalt vom Arbeitsgericht formlos übersandten Anwaltsschriftsatz vom 26. Januar 2015 den Hilfsantrag an, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. April 2015 hat der Kläger das unterbrochene Verfahren gegen den zum Insolvenzverwalter bestellten Beklagten aufgenommen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 9. Juni 2016 hat der Beklagte auch den Auflösungsantrag „vom 26.01.2015″ gestellt. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben und das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 1.558,75 Euro aufgelöst, die „zur Insolvenztabelle festgestellt wird“. Das Landesarbeitsgericht hat die auf die insolvenzrechtliche Einordnung des Abfindungsanspruchs beschränkte Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger weiterhin die Zahlung des Abfindungsanspruchs als Masseverbindlichkeit. Die Antragstellung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung stelle die maßgebliche Handlung dar, auf der die Auflösung des Arbeitsverhältnisses und damit der Abfindungsanspruch beruhten. Demgegenüber hat der Beklagte den Standpunkt vertreten, sowohl die Kündigungserklärung als auch die erstmalige Einführung des Auflösungsantrags in den Prozess als maßgebliche Handlungen seien durch die Insolvenzschuldnerin erfolgt.

Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Mangels Zustellung hat nicht schon der Schriftsatz der späteren Insolvenzschuldnerin vom 26. Januar 2015, in dem der Auflösungsantrag angekündigt war, zu dessen Rechtshängigkeit geführt. Diesbezüglich war auch keine Heilung eingetreten. Den Auflösungsantrag als die für die insolvenzrechtliche Einordnung maßgebliche Handlung hat erstmals der beklagte Insolvenzverwalter in der mündlichen Verhandlung des Arbeitsgerichts vom 9. Juni 2016 rechtshängig gemacht (§ 261 Abs. 2 1. Alt. ZPO).

Quelle: BAG, Pressemitteilung vom 13.04.2019 zum Urteil 6 AZR 4/18 vom 14.03.2019