Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Kfz-Steuer: Zwangsstilllegung eines Kraftfahrzeugs wegen nicht gezahlter Kraftfahrzeugsteuer rechtens

Das Verwaltungsgericht Koblenz hat die Klage eines Kraftfahrzeughalters gegen eine von der beklagten Stadt Koblenz angeordnete Abmeldung seines Kraftfahrzeuges abgewiesen. Im Juni 2016 erhielt die Beklagte vom Hauptzollamt die Mitteilung, der Kläger habe die Kraftfahrzeugsteuer für das Jahr 2016 nicht gezahlt. Die Vollstreckung sei erfolglos geblieben bzw. lasse keinen Erfolg erwarten. Daraufhin forderte die Beklagte den Kläger mit dem angefochtenen Bescheid auf, innerhalb einer Woche nach Bestandskraft des Bescheides die Zulassungsbescheinigung Teil I und die Kennzeichenschilder seines Fahrzeugs zur Entstempelung vorzulegen. Dies sei nur dann entbehrlich, wenn er binnen der genannten Frist die Zahlung der offenen Steuer belege.

Nach erfolglosem Widerspruch hat der Kläger dagegen Klage erhoben. Er macht geltend, die Zwangsstilllegung seines Kraftfahrzeugs sei schon deshalb rechtswidrig, weil die behaupteten Steuerschulden nicht bestünden. Das Hauptzollamt habe von ihm geleistete Zahlungen nicht ordnungsgemäß verbucht.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Zwangsstilllegung des Kraftfahrzeugs des Klägers sei rechtlich nicht zu beanstanden, urteilte das Koblenzer Gericht. Nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen habe die Zulassungsbehörde bei Nichtentrichtung der Kraftfahrzeugsteuer auf Antrag des Hauptzollamtes das betroffene Fahrzeug von Amts wegen abzumelden. Dabei obliege es der Beklagten nicht, die vom Hauptzollamt angegebenen Steuerschulden dem Grunde und der Höhe nach zu überprüfen. Streitigkeiten bezüglich der Steuerschuld seien ausschließlich zwischen dem Steuerschuldner und dem Hauptzollamt zu klären.

Gegen diese Entscheidung könnten die Beteiligten die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz beantragen.

Quelle: VG Koblenz, Pressemitteilung vom 22.11.2017 zum Urteil 5 K 344/17 vom 03.11.2017

 

Elterngeld: Keine Partnerschaftsbonusmonate beim ElterngeldPlus, wenn die Erwerbstätigkeit nicht in rechtlich zulässiger Weise reduziert wird

Eltern, die beim Bezug von ElterngeldPlus gemeinsam den viermonatigen Partnerschaftsbonus in Anspruch nehmen wollen, müssen beide gleichzeitig die Erwerbstätigkeit in zulässiger Weise auf 25-30 Wochenstunden reduzieren. Wer durchgehend unverändert „offiziell“ voll arbeitet und volles Gehalt bezieht, kann nicht durch eine unzulässige Reduzierung der Arbeits- oder Ausbildungszeit die Voraussetzungen des Partnerschaftsbonus herbeiführen. Dies hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg in einem am 07.11.2017 veröffentlichten Urteil entschieden.

Die klagenden Eheleute wurden im Januar 2016 Eltern einer Tochter. Sie beantragten bei der zuständigen Elterngeldstelle (Landeskreditbank Baden-Württemberg) Elterngeld, u. a. in Form des viermonatigen Partnerschaftsbonus für den 9. bis 12. Lebensmonat der Tochter. Die Ehefrau reduzierte ihre Erwerbstätigkeit in diesem Zeitraum von 40 auf 30h/Woche. Der Ehemann befand sich in Ausbildung (Studium für den gehobenen Verwaltungsdienst), deren Umfang nach der Arbeitgeberbescheinigung des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg durchgehend und unverändert 41 Wochenstunden betrug. Die beklagte Landeskreditbank lehnte den Partnerschaftsbonus ab. Der Ehemann machte geltend, als Auszubildender könne er nicht als voll beschäftigt angesehen werden.

Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Auch die Richterinnen und Richter des Landessozialgerichts folgten der Argumentation der Eheleute nicht und gaben der Landeskreditbank Recht. Die neue Regelung im Elterngeldrecht soll die Förderung von Eltern verbessern, die sich nach der Geburt gemeinsam um das Kind kümmern und dafür zeitweise die Berufstätigkeit reduzieren und in Teilzeit erwerbstätig sind. Auch der zur Berufsausbildung beschäftigte Ehemann ist zwar als Arbeitnehmer im Sinne des Elterngeldrechts anzusehen. Entscheidend ist aber nach Ansicht der Richterinnen und Richter, dass die Berufstätigkeit tatsächlich und auch in einer rechtlich zulässigen Weise reduziert werden muss. Damit ließ das Gericht das Argument des Ehemannes nicht gelten, sein Stundenplan an der Hochschule umfasse nur 26 Wochenstunden und mehr mache er nicht. Da er offiziell 41 Wochenstunden in Ausbildung ist und nicht zeitlich reduziert und auch durchgehend das volle Gehalt bekommen hat, besteht kein Anspruch auf die Partnerschaftsbonusmonate für die Eheleute.

Hinweis zur Rechtslage:

Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz – BEEG)

§ 1 Absatz 1 Satz 1 BEEG:

Anspruch auf Elterngeld hat, wer

  1. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
  2. mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,
  3. dieses Kind selbst betreut und erzieht und
  4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.

§ 4 Absatz 3 Satz 4 BEEG:

Wenn beide Elternteile in vier aufeinander folgenden Lebensmonaten gleichzeitig

  1. nicht weniger als 25 und nicht mehr als 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats erwerbstätig sind und
  2. die Voraussetzungen des § 1 erfüllen,

hat jeder Elternteil für diese Monate Anspruch auf vier weitere Monatsbeträge ElterngeldPlus (Partnerschaftsbonus).

Quelle: LSG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 22.11.2017 zum Urteil L 11 EG 2662/17 vom 07.11.2017

 

Einkommensteuer: Straßensanierung von der Steuer absetzen

Musterklage liegt dem BFH vor – Finanzämter müssen Fälle ruhen lassen

Wenn die Kommunen die Straße sanieren, wird es für die Anlieger oft teuer. Ob diese Kosten dann zumindest bei der Steuer abgesetzt werden können, wird mit Unterstützung des Bundes der Steuerzahler gerichtlich überprüft – und zwar jetzt beim Bundesfinanzhof! Dort ist die von uns unterstützte Musterklage seit Mitte November anhängig (Az. VI R 50/17). Der Vorteil: Ebenfalls betroffene Steuerzahler können sich auf dieses Verfahren berufen – und das Finanzamt muss den Steuerbescheid dann in diesem Punkt offenlassen. Bisher wiesen die Finanzämter entsprechende Einsprüche zurück.

Der Bund der Steuerzahler erklärt den Streitpunkt: Ob die Kosten für Baumaßnahmen vor dem Haus als Handwerkerleistungen bei der Einkommensteuer abgesetzt werden dürfen, wird unterschiedlich beurteilt. Das Finanzgericht Nürnberg hatte die Kosten für eine Straßensanierung in einem Parallelfall bereits als Handwerkerleistung (Az. 7 K 1356/14) bewertet. Die Finanzverwaltung hingegen berücksichtigt die Arbeitskosten für solche Baumaßnahmen nicht bei der Steuer. Deshalb lässt der Verband die Rechtsfrage jetzt vom Bundesfinanzhof klären.

In unserem konkreten Musterfall (Az. 3 K 3130/17) ließ die Gemeinde Schönwalde-Glien (Land Brandenburg) eine Sandstraße ausbauen und beteiligte die Anwohner an den Erschließungskosten. Aufgrund des Vorauszahlungsbescheids mussten die Kläger mehrere tausend Euro für den Ausbau der Straße zahlen. In ihren jeweiligen Einkommensteuererklärungen für das Jahr 2015 machte das Ehepaar die Kosten als Handwerkerleistung geltend. Da nur die Arbeitskosten, nicht aber Materialkosten bei der Steuer abgezogen werden dürfen, im Vorauszahlungsbescheid der Gemeinde jedoch nur eine Gesamtsumme ausgewiesen war, schätzte die Steuerberaterin die Arbeitskosten auf 50 Prozent. Das Finanzamt erkannte die Erschließungsbeiträge nicht an und verwies auf das BMF-Schreiben vom 9. November 2016, wonach Maßnahmen der öffentlichen Hand nicht nach § 35a EStG begünstigt sind. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg wies die Musterklage in erster Instanz ab, da den Richtern der räumliche Zusammenhang zum Haushalt fehlte. Dieser sei aber Voraussetzung für den Handwerkerbonus, so das Gericht. Im zweiten Punkt gaben die Richter den Musterklägern jedoch Recht: Es ist egal, ob die Baumaßnahme von einer privaten Firma oder der öffentlichen Hand abgerechnet wird. Zur abschließenden Klärung ließ das Finanzgericht die Revision zum Bundesfinanzhof zu, die dort unter dem Aktenzeichen VI R 50/17 geführt wird.

Darum ist dieses Verfahren wichtig

Betroffene Steuerzahler können sich auf dieses Verfahren beziehen und gegen ihren Steuerbescheid Einspruch einlegen sowie das Ruhen des Verfahrens beantragen, wenn das Finanzamt die Kosten für die Straßensanierung nicht anerkennt. Da das Verfahren nun dem Bundesfinanzhof vorliegt, sind die Finanzämter verpflichtet, das Ruhen des Verfahrens zu gewähren. Entscheidet das Gericht zugunsten der Anlieger, kann der Steuerbescheid geändert werden und es gibt die ggf. zu viel gezahlten Steuern zurück.

 Quelle: Bund der Steuerzahler, Pressemitteilung vom 22.11.2017
 

 

Sozialversicherungsrecht: Rentenversicherung: Beitragssatz sinkt auf 18,6 Prozent

Gute Nachrichten für Arbeitnehmer: Der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung sinkt zum 1. Januar 2018 von 18,7 auf 18,6 Prozent. Das hat das Kabinett beschlossen. Auch bis 2030 ist die Rentenversicherung gut aufgestellt. Das zeigt der Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung.

Rund um die Rente hat das Kabinett mehrere Beschlüsse gefasst. Sie zeigen, dass es der gesetzlichen Rentenversicherung gut geht. Sie profitiert von der weiterhin erfreulichen Lage am Arbeitsmarkt und ist bis zum Jahr 2030 gut aufgestellt.

Zum 1. Januar 2018 sinkt der Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung auf 18,6 Prozent. Möglich wird das durch die hohe Nachhaltigkeitsrücklage von geschätzt 32,9 Milliarden Euro zum Jahresende 2017.

Der Beitragssatz zur Rente muss nach den gesetzlichen Vorgaben gesenkt werden. Und zwar dann, wenn die Nachhaltigkeitsrücklage zum Ende des Folgejahres das 1,5-fache der Monatsausgaben der Rentenkasse voraussichtlich übersteigt. Derzeit liegt sie bei 1,59 Monatsausgaben.

Beschäftigte werden finanziell entlastet

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden durch die Absenkung um insgesamt rund 600 Millionen Euro pro Jahr entlastet. Die Arbeitskosten der Wirtschaft sinken ebenfalls um rund 600 Millionen Euro.

In der knappschaftlichen Rentenversicherung sinkt der Beitragssatz ebenfalls zum 1. Januar 2018: von 24,8 auf 24,7 Prozent.

Kaum Steigerungen bei den Beitragssätzen

Turnusmäßig wird im November jeden Jahres der gesetzlich geforderte Rentenversicherungsbericht vorgelegt. Er gibt Auskunft darüber, wie sich die Rentenfinanzen in den kommenden 15 Kalenderjahren voraussichtlich entwickeln werden. Grundlage dafür sind Modellrechnungen.

Der aktuelle Bericht zeigt, dass der Rentenbeitragssatz bis 2022 unverändert bei 18,6 Prozent bleibt. Anschließend steigt er schrittweise wieder an: über 20,0 Prozent im Jahr 2025 bis auf 21,6 Prozent im Jahr 2030. Im Jahr 2031 beträgt der Beitragssatz 21,8 Prozent. Er bewegt sich damit innerhalb der gesetzlichen Vorgaben. Diese sehen vor, dass er bis zum Jahr 2020 nicht über 20 Prozent und bis zum Jahr 2030 nicht über 22 Prozent steigen darf.

Höhere Renten, stabiles Sicherungsniveau

Nach den Vorausberechnungen des Rentenversicherungsberichts steigen die Renten bis zum Jahr 2031 um insgesamt 36 Prozent an. Das entspricht einer durchschnittlichen Steigerungsrate von 2,2 Prozent pro Jahr.

Das sog. Sicherungsniveau vor Steuern, also die Standardrente gemessen am Durchschnittsentgelt, bleibt in den kommenden Jahren weitgehend stabil bei rund 48,2 Prozent. Ab der Mitte des kommenden Jahrzehnts sinkt es allmählich ab und wird für das Jahr 2030 auf 45 Prozent vorausberechnet. Im Jahr 2031 beträgt das Sicherungsniveau voraussichtlich 44,6 Prozent.

Laut Gesetz darf das Sicherungsniveau bis zum Jahr 2020 46 Prozent und bis zum Jahr 2030 43 Prozent nicht unterschreiten.

Quelle: Bundesregierung, Pressemitteilung vom 22.11.2017

 

Einkommensteuer: BFH zur Abzugsfähigkeit von Schulgeld bei Privatschulen

Der Sonderausgabenabzug für Schulgeld beim Besuch von Privatschulen setzt nicht voraus, dass die zuständige Schulbehörde in einem Grundlagenbescheid bescheinigt, die Privatschule bereite ordnungsgemäß auf einen anerkannten Schul- oder Berufsabschluss vor. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 20. Juni 2017 X R 26/15 zu § 10 Abs. 1 Nr. 9 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung entschieden hat, muss daher die Finanzbehörde die ordnungsgemäße Vorbereitung auf einen anerkannten Abschluss prüfen.

Führt eine Privatschule nicht zu einem anerkannten Schul- oder Berufsabschluss, sondern bereitet sie lediglich auf einen solchen vor, muss nachgewiesen werden, dass sie eine ordnungsgemäße Vorbereitung gewährleistet. Ansonsten ist das Schulgeld nicht in den Grenzen des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG als Sonderausgabe abziehbar.

Der BFH hatte jetzt zu entscheiden, wer in welcher Form die Erfüllung dieser Voraussetzung zu beurteilen hat. Nach seinem Urteil obliegt die Prüfung und Feststellung der schulrechtlichen Kriterien in Bezug auf die ordnungsgemäße Vorbereitung eines schulischen Abschlusses nicht den Schulbehörden, sondern ist Aufgabe der Finanzbehörden.

Im Streitfall besuchte die Tochter der Kläger eine Privatschule, die auf die Mittlere Reife vorbereitet. Die Prüfung wurde von einer staatlichen Schule abgenommen. Das Finanzamt (FA) verweigerte für das Streitjahr 2010 den Sonderausgabenabzug für das Schulgeld, weil die Kläger keinen Anerkennungsbescheid der zuständigen Kultusbehörde für die Privatschule vorgelegt hätten. Das Finanzgericht (FG) war hingegen der Auffassung, ein solcher Anerkennungsbescheid sei gesetzlich nicht gefordert. Zudem bejahte das FG die weiteren Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG und gab damit der Klage statt.

Der BFH sah dies ebenso und stellte sich damit gegen das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 9. März 2009 (BStBl I 2009, 487). Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 10 Abs. 1 Nr. 9 Satz 3 EStG zeigten, dass ein Grundlagenbescheid nicht erforderlich sei, in dem die Schulbehörde bescheinigt, dass eine ordnungsgemäße Vorbereitung gegeben sei. Wenn der Gesetzgeber auf eine verbindliche Entscheidung durch eine Schulbehörde verzichte und die Finanzbehörden mit der Prüfung betraue, möge das vielleicht nicht zweckmäßig sein. Es bleibe dem zuständigen FA aber unbenommen, sich mit den Schulbehörden in Verbindung zu setzten und deren Einschätzung zur Erfüllung der schulischen Kriterien bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 73/17 vom 22.11.2017 zum Urteil X R 26/15 vom 20.06.2017

 

Elektronische Steuererklärung: Komprimierte Steuererklärung ade – Willkommen Freizeichnungsdokument!

Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) erzielte einen Erfolg in Bezug auf die elektronische Steuererklärung. Berater können solche Erklärungen ihrer Mandanten ab dem Veranlagungszeitraum 2017 nur noch im Wege des authentifizierten Verfahrens übermitteln. Neben der komprimierten Steuererklärung sollte ursprünglich gleichfalls der Protokollausdruck für den authentifizierten Übertragungsweg entfallen. Der Ausdruck dient vielen Beratern gegenwärtig jedoch zur kanzleiinternen Dokumentation der gesendeten Daten und stellt daher ein wichtiges Dokument für die Steuerberater dar.

 

Erhalt des Protokollausdrucks

Der DStV wandte sich mit seinem Schreiben vom 22.05.2017 an das in dieser Sache federführende Bayerische Landesamt für Steuern. Er sprach sich in enger Abstimmung mit dem Bundesverband Lohnsteuerhilfevereine e.V. (BVL) nachdrücklich gegen den Wegfall des Protokollausdrucks aus. Das DStV-Schreiben zeigte die rechtliche und praktische Notwendigkeit für dessen Erhalt auf.

Der Ausdruck kann beispielsweise die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht unterstützen: Der Verpflichtung des Beraters, dem Steuerpflichtigen die zu übermittelnden Daten in leicht nachprüfbarer Form zur Zustimmung zur Verfügung zu stellen (§ 87d Abs. 3 Satz 1 AO). Auch für die Steuerpflichtigen ist das standardisierte Dokument von Vorteil. Soweit es vom Berater eingesetzt wird, haben sie sich an die Darstellungsweise gewöhnt. Dies erleichtert ihnen die Prüfung der Richtigkeit der Daten und trägt so zur Stärkung der Datentransparenz bei.

Erfreulicherweise griff die Finanzverwaltung das Anliegen auf: Das Dokument kann mit dem bisherigen Inhalt auch künftig elektronisch abgerufen werden.

Weiterentwicklung zum sog. Freizeichnungsdokument

Die Finanzverwaltung ging im Sinne der Anregungen aus der Praxis sogar noch einen Schritt weiter. In enger Abstimmung mit dem DStV gestaltete sie den Protokollausdruck als sog. Freizeichnungsdokument. Der bisherige Inhalt des Ausdrucks wurde am Ende um eine Passage ergänzt: Der Steuerpflichtige kann künftig durch Unterzeichnung versichern, dass

  • er die von seinem steuerlichen Berater erstellte Steuererklärung auf Vollständigkeit und Richtigkeit geprüft und
  • er keine Änderungswünsche hat.

Nach den nunmehr vorliegenden Entwürfen wird die Freizeichnungsmöglichkeit alternativ „vor Datenübermittlung“ und „nach Datenübermittlung“ zur Verfügung stehen.

 Quelle: DStV, Mitteilung vom 17.11.2017

 

Lohnsteuer: Lohnsteuerliche Behandlung der Überlassung von (Elektro-)Fahrrädern an Arbeitnehmer in Leasingfällen

Es ist gefragt worden, wie bestimmte Vertragsgestaltungen zum sog. (Elektro-)Fahrrad-Leasing lohnsteuerlich zu behandeln sind. Dabei werden regelmäßig folgende Verträge abgeschlossen:

  1. ein Rahmenvertrag zwischen dem Arbeitgeber und einem Anbieter, der regelmäßig die gesamte Abwicklung betreut,
  2. Einzelleasingverträge zwischen dem Arbeitgeber (Leasingnehmer) und einem Leasinggeber über die (Elektro-)Fahrräder mit einer festen Laufzeit von zumeist 36 Monaten,
  3. ein Nutzungsüberlassungsvertrag zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer hinsichtlich des einzelnen (Elektro-)Fahrrads für ebendiese Dauer, der auch eine private Nutzung zulässt,
  4. eine Änderung des Arbeitsvertrags, in dem einvernehmlich das künftige Gehalt des Arbeitnehmers für die Dauer der Nutzungsüberlassung um einen festgelegten Betrag (in der Regel in Höhe der Leasingrate des Arbeitgebers) herabgesetzt wird (sog. Gehaltsumwandlung).

Zudem sehen die Vertragsgestaltungen regelmäßig vor, dass ein Dritter (z. B. Leasinggeber, Dienstleister oder Verwertungsgesellschaft) dem Arbeitnehmer das von ihm genutzte (Elektro-)Fahrrad bei Beendigung der Überlassung durch den Arbeitgeber zu einem Restwert von z. B. 10 % des ursprünglichen Kaufpreises zum Erwerb anbieten kann.

Hierzu gilt im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder Folgendes:

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 EStG gehören grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die durch ein individuelles Dienstverhältnis veranlasst sind, zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Daher führt hier sowohl die vergünstigte Nutzungsüberlassung des (Elektro-)Fahrrads durch den Arbeitgeber als auch die vergünstigte Übereignung des (Elektro-)Fahrrads durch den Dritten zu einem geldwerten Vorteil beim Arbeitnehmer.

1. Nutzungsüberlassung des (Elektro-)Fahrrads durch den Arbeitgeber

Für die Frage, ob von einer Gestellung des (Elektro-)Fahrrads durch den Arbeitgeber auszugehen ist, wenn das (Elektro-)Fahrrad im Rahmen einer steuerlich anzuerkennenden Gehaltsumwandlung überlassen wird, ist das BMF-Schreiben vom 15. Dezember 2016 (BStBl I Seite 1449) zur Dienstwagenbesteuerung in Leasingfällen entsprechend anzuwenden:

Least der Arbeitgeber ein (Elektro-)Fahrrad von dem Leasinggeber und überlässt es dem Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung, liegt jedenfalls dann keine vom Arbeitsvertrag unabhängige Sonderrechtsbeziehung im Sinne des BFH-Urteils vom 18. Dezember 2014, BStBl 2015 II Seite 670 vor und ist die Nutzungsüberlassung nach Tz. 2 zu bewerten, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

Der Anspruch auf die Überlassung des (Elektro-)Fahrrads resultiert aus dem Arbeitsvertrag oder aus einer anderen arbeitsrechtlichen Rechtsgrundlage, weil

  • er im Rahmen einer steuerlich anzuerkennenden Gehaltsumwandlung mit Wirkung für die Zukunft vereinbart ist. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer unter Änderung des Arbeitsvertrags auf einen Teil seines Barlohns verzichtet und ihm der Arbeitgeber stattdessen Sachlohn in Form eines Nutzungsrechts an einem (Elektro-)Fahrrad des Arbeitgebers gewährt (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 2008, BStBl II Seite 530) oder
  • er arbeitsvertraglicher Vergütungsbestandteil ist. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn von vornherein bei Abschluss eines Arbeitsvertrags eine solche Vereinbarung getroffen wird oder wenn die Beförderung in eine höhere Gehaltsklasse mit der Überlassung eines (Elektro-)Fahrrads des Arbeitgebers verbunden ist.

Eine Gestellung eines (Elektro-)Fahrrads durch den Arbeitgeber in diesem Sinne setzt zudem voraus, dass der Arbeitgeber und nicht der Arbeitnehmer gegenüber dem Leasinggeber zivilrechtlich Leasingnehmer ist.

2. Lohnsteuerliche Behandlung der Nutzungsüberlassung des (Elektro-)Fahrrads

Zur Bewertung des geldwerten Vorteils aus der privaten Nutzung des (Elektro-)Fahrrads wird auf die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 23. November 2012, BStBl I Seite 1224, verwiesen.

3. Lohnsteuerliche Behandlung der Übereignung des (Elektro-)Fahrrads

Erwirbt der Arbeitnehmer nach Beendigung der Vertragslaufzeit das von ihm bis dahin genutzte (Elektro-)Fahrrad von dem Dritten zu einem geringeren Preis als dem um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreis am Abgabeort i. S. des § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG für ein solches (Elektro-)Fahrrad, ist der Unterschiedsbetrag als Arbeitslohn von dritter Seite zu versteuern, vgl. BMF-Schreiben vom 20. Januar 2015, BStBl I Seite 143. Zur Ermittlung dieses geldwerten Vorteils ist grundsätzlich eine Einzelbewertung vorzunehmen, vgl. Rdnr. 4 des BMF-Schreibens vom 16. Mai 2013, BStBl I Seite 729.

Es ist nicht zu beanstanden, den üblichen Endpreis i. S. des § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG eines (Elektro-)Fahrrads, das dem Arbeitnehmer aufgrund des Dienstverhältnisses nach 36 Monaten Nutzungsdauer übereignet wird, aus Vereinfachungsgründen mit 40 % der auf volle 100 Euro abgerundeten unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers, Importeurs oder Großhändlers im Zeitpunkt der Inbetriebnahme des (Elektro-)Fahrrads einschließlich der Umsatzsteuer zu bewerten. Ein niedrigerer Wert kann nachgewiesen werden.

4. Pauschalierung der Einkommensteuer nach § 37b Abs. 1 EStG

In den Fällen der Tz. 3 gilt zur Frage der Anwendung des § 37b Abs. 1 EStG durch den Zuwendenden (z. B. Leasinggeber, Dienstleister oder Verwertungsgesellschaft) und zur Höhe der Bemessungsgrundlage (Rdnr. 11 und Rdnr. 16 des BMF-Schreibens vom 19. Mai 2015, BStBl I Seite 468) Folgendes:

a) Anwendung des § 37b Abs. 1 EStG

Dem Kriterium „Zusätzlichkeitsvoraussetzung“ genügt es, wenn zu dem sog. Grundgeschäft im Sinne der Rdnr. 9a des BMF-Schreibens vom 19. Mai 2015 (a. a. O.) zwischen dem Zuwendenden (z. B. Leasinggeber, Dienstleister oder Verwertungsgesellschaft) und dem Arbeitnehmer – z. B. ein Kaufvertrag über ein (Elektro-)Fahrrad – der aus einem Rahmenvertrag zwischen dem Zuwendenden und dem Arbeitgeber resultierende geldwerte Vorteil für den Arbeitnehmer – z. B. ein vereinbarter Rabatt oder eine andere Vergünstigung – hinzukommt, vgl. Rdnr. 11 des BMF-Schreibens vom 19. Mai 2015 (a. a. O.). § 37b Abs. 1 EStG ist dann grundsätzlich anwendbar.

b) Bemessungsgrundlage

Bemessungsgrundlage der pauschalen Einkommensteuer sind grundsätzlich die Aufwendungen des Zuwendenden. Als Bemessungsgrundlage ist jedoch der gemeine Wert anzusetzen, wenn die Zuwendung in der Hingabe eines Wirtschaftsgutes des Betriebsvermögens besteht und dem Zuwendenden keine oder nur unverhältnismäßig geringe Aufwendungen entstanden sind, vgl. Rdnr. 16 des BMF-Schreibens vom 19. Mai 2015 (a. a. O.). Unverhältnismäßig geringe Aufwendungen in diesem Sinne liegen regelmäßig vor, wenn die (Elektro-)Fahrräder durch den Zuwendenden (z. B. Dienstleister oder Verwertungsgesellschaft) vom Leasinggeber für einen weit unter dem gemeinen Wert liegenden Endpreis (z. B. 10 % des ursprünglichen Kaufpreises) erworben werden.

In diesen Fällen wird es nicht beanstandet, den gemeinen Wert im Sinne der Rdnr. 16 des BMF-Schreibens vom 19. Mai 2015 (a. a. O.) eines (Elektro-)Fahrrads, das dem Arbeitnehmer aufgrund des Dienstverhältnisses nach 36 Monaten der Nutzungsdauer vom Zuwendenden übereignet wird, aus Vereinfachungsgründen mit 40 % der auf volle 100 Euro abgerundeten unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers, Importeurs oder Großhändlers im Zeitpunkt der Inbetriebnahme des (Elektro-)Fahrrads einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Ein niedrigerer Wert kann nachgewiesen werden.

Der Kaufpreis, den der Zuwendungsempfänger zahlt, mindert die Bemessungsgrundlage der pauschalen Einkommensteuer, vgl. Rdnr. 9c des BMF-Schreibens vom 19. Mai 2015 (a. a. O.).

Dieses Schreiben ist in allen offenen Fällen anzuwenden und wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 5 – S-2334 / 12 / 10002-04 vom 17.11.2017

 

Keine Ausnahmegenehmigung für Wohnmobilbesitzer in der Umweltzone

Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen hat am 17.11.2017 die Klage eines Wohnmobilbesitzers abgewiesen, der für sein 1991 erstzugelassenes Wohnmobil eine Ausnahmegenehmigung für die Einfahrt in die Umweltzone der Stadt Marburg erstreiten wollte. Das Wohnmobil erfüllt die Voraussetzungen der für die Einfahrt in die Umweltzone mindestens erforderlichen Schadstoffgruppe 4 nicht und lässt sich auch technisch nicht umrüsten.

Der Kläger, der das Fahrzeug im August 2015 erworben hatte, machte geltend, er sei von der 2016 umgesetzten Umweltzone überrascht worden. Eine Ersatzbeschaffung sei ihm nicht zumutbar. Er hätte das Fahrzeug nicht angeschafft, hätte er von der kommenden Umweltzone gewusst.

Dieser Argumentation folgte das Gericht nicht. Die Umweltzone beruhe auf dem Luftreinhalteplan des Umweltministeriums, der zwar erst im Januar 2016 ausdrücklich für die Stadt Marburg eine Umweltzone festgesetzt habe. Bereits seit dem Jahr 2014 sei aber die Einrichtung der Umweltzone auch Gegenstand der Diskussion im Stadtparlament gewesen, sodass eine überraschende Entscheidung darin nicht liege. Der Luftreinhalteplan sehe zudem Ausnahmemöglichkeiten vor. Jedoch erfülle der Kläger die Voraussetzungen dafür nicht. Die vorgesehene Stichtagsregelung im Luftreinhalteplan für den Erwerb eines technisch nicht mehr umrüstbaren Fahrzeuges sei der 1. August 2014. Darüber hinaus müsse der Erwerb eines Ersatzfahrzeuges unzumutbar sein, was nur anzunehmen sei, wenn das Einkommen unter der Pfändungsfreigrenze liege. Da der Kläger auch diese Voraussetzungen nicht erfülle, genieße er keinen Bestandsschutz. Den weiteren Einwand des Klägers, durch die Stadtautobahn, die nicht in der Umweltzone liege, entstehe eine viel höhere Umweltbelastung, ließ das Gericht ebenfalls nicht gelten. Die Messung der Luftbelastung mit Stickstoffoxiden, die Grund für die Einrichtung der Umweltzone gewesen sei, habe gerade in der Innenstadt den höchsten, die Grenzwerte überschreitenden Wert ergeben.

Das Urteil (vom 17.11.2017, 6 K 4419/16. GI) ist noch nicht rechtskräftig. Der Kläger kann dagegen binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Entscheidungsgründe Antrag auf Zulassung der Berufung beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel stellen.

Quelle: VG Gießen, Pressemitteilung vom 17.11.2017 zum Urteil 6 K 4419/16 vom 17.11.2017 (nrkr)

 

Jagdsteuer: Keine Jagdsteuerpflicht für GmbH

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, soweit sie wirtschaftlichen Zwecken dient, nicht zur Jagdsteuer herangezogen werden darf.

Bei der Klägerin handelt es sich um eine GmbH, die gemeinnützigen Zwecken dient und daher von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer befreit ist. Ihr ausschließlicher Zweck besteht darin, für ihre Alleingesellschafterin, eine gemeinnützige Stiftung, Mittel zu beschaffen. Dies geschieht durch den Erwerb, die Veräußerung und Verwaltung eigenen und fremden Vermögens im In- und Ausland. Die Mittel sind nach näherer Maßgabe des Gesellschaftsvertrages für die Unterstützung hilfsbedürftiger Menschen und bedrohter Tierarten zu verwenden.

Im Gebiet des beklagten Landkreises Emsland gehören der Klägerin u. a. vier Eigenjagdbezirke, die im fraglichen Zeitraum nicht verpachtet waren. Der Beklagte erließ gegenüber der Klägerin Jagdsteuerbescheide. Diese wurden im Klageverfahren von den Vorinstanzen aufgehoben. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Urteile jetzt bestätigt.

Die Jagdsteuer, die von den Landkreisen erhoben wird, ist eine herkömmliche Aufwandsteuer. Solche Steuern belasten eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Sie muss darin zum Ausdruck kommen, dass Einkommen für die Befriedigung eines über die allgemeine Lebensführung hinausgehenden besonderen persönlichen Lebensbedarfs verwendet wird. An einer derartigen Einkommensverwendung fehlt es bei einer GmbH jedenfalls dann, wenn ihr Gesellschaftszweck allein auf Einkommenserzielung gerichtet ist. Das ist auch dann der Fall, wenn die GmbH – wie hier – als Trägerin eines gemeinnützigen Unternehmens Vermögen verwaltet. Denn auch mit einer solchen Zweckbestimmung werden ausschließlich wirtschaftliche Ziele verfolgt.

Quelle: BVerwG, Pressemitteilung vom 17.11.2017 zum Urteil 9 C 14.16 vom 16.11.2017

 

Sozialversicherungsrecht: Hartz IV: Kein Mietkostenzuschlag aus religiösen Gründen

Das Jobcenter ist nicht verpflichtet, die volle Miete für eine Wohnung zu übernehmen, die von einer streng religiösen Familie in Kenntnis der unangemessen hohen Kosten bezogen wurde, um in der Nähe des von ihnen besuchten Gotteshauses wohnen zu können.

Die Antragsteller sind eine fünfköpfige Familie, die im Juli 2017 aus Israel nach Berlin-Charlottenburg in eine Fünfzimmerwohnung mit einer Monatsmiete von 2.200 Euro zog. Zugleich beantragten sie beim Antragsgegner, dem Jobcenter Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II – „Hartz IV“).

Bereits vor dem Umzug hatten die Antragsteller den Antragsgegner mit Unterstützung des Jüdischen Bildungszentrums Chabad Lubawitsch gebeten, in ihrem Falle auch Mietkosten oberhalb des normalerweise Üblichen zu übernehmen. Sie seien jüdisch religiös und würden täglich die Synagoge des Bildungszentrums besuchen. Nach dem jüdischen Gesetz sei es – so die Auffassung des Rabbiners von Chabad Lubawitsch – nicht gestattet, am Schabbat und an den jüdischen Feiertagen mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Aus diesem Grund würden die Antragsteller eine Wohnung in der Nähe der Synagoge suchen. In dieser Gegend lägen die monatlichen Mieten aber leider oberhalb 1.800 Euro.

Der Antragsgegner gewährte daraufhin Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende, übernahm allerdings nur die für angemessen erachteten Mietkosten in Höhe von rund 1.000 Euro.

Mit ihrem am 9. November 2017 bei Gericht gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz begehrten die Antragsteller, den Antragsgegner zu verpflichten, vorläufig bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zu übernehmen.

Mit Beschluss vom 14. November 2017 lehnte die Vorsitzende der 162. Kammer den Antrag als unbegründet ab.

Es sei offensichtlich und bedürfe keiner näheren Begründung, dass die Wohnung der Antragsteller unangemessen teuer sei. Eine Anerkennung der vollen Unterkunftskosten scheide deshalb aus.

Das Bundesverfassungsgericht habe mit Beschluss vom 10. Oktober 2017 gerade erst klargestellt, dass es keine staatliche Verpflichtung gebe, jedwede Unterkunft im Falle der Bedürftigkeit zu finanzieren.

Auch Art. 4 Grundgesetz (Glaubens- und Gewissensfreiheit) zwinge nicht zu einer anderen Betrachtung. Der Schutz der Verwirklichung und Betätigung der religiösen Überzeugung der Antragsteller werde durch das staatliche Handeln nicht tangiert. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei es zulässig, Hilfebedürftige bei der Wohnungssuche auf das gesamte Berliner Stadtgebiet zu verweisen.

Eine übergangsweise Bewilligung der tatsächlichen Kosten für eine „Schonfrist“ von sechs Monaten (im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II, sogenanntes „Kostensenkungsverfahren“) komme im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Den Antragstellern sei nämlich schon vor Abschluss des Mietvertrages bewusst gewesen, dass die Miete über den normalerweise anerkannten Höchstbeträgen liege. Dennoch hätten sie die Unterkunft „sehenden Auges“ bezogen, ohne über die hierfür erforderlichen finanziellen Mittel zu verfügen.

Die Wohnung sei im Übrigen auch nicht erhaltenswert, weil es nach dem Vortrag der Antragsteller und der Aktenlage unwahrscheinlich sei, dass sie in absehbarer Zeit kostendeckende Einkünfte erzielen werden.

Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Es kann von den Antragstellern mit der Beschwerde zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in Potsdam angefochten werden.

Quelle: SG Berlin, Pressemitteilung vom 17.11.2017 zum Beschluss S 162 AS 14273/17 ER vom 14.11.2017 (nrkr)