Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Kindergeld bei Gendefekt auch nach Erreichen der Altersgrenze

Eltern erhalten für erwachsene Kinder zeitlich unbegrenzt Kindergeld, wenn das Kind behindert ist und es deshalb seinen Unterhalt nicht selbst bestreiten kann. Dies gilt nach einem jetzt veröffentlichten Urteil des 6. Senats des Finanzgerichts Köln vom 12.01.2017 (Az. 6 K 889/15) auch dann, wenn der Gendefekt erst nach Erreichen der Kindergeld-Altersgrenze diagnostiziert wird und das Kind davor seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten konnte.

Die 1968 geborene Tochter des Klägers leidet an einer erblichen Muskelerkrankung, bei der es zu einer fortschreitenden Abnahme der Muskelkraft kommt. Diagnostiziert wurde die Erberkrankung erst im Alter von 30 Jahren, als eine Verwandte ein stark behindertes Kind zur Welt gebracht hatte und sich daraufhin mehrere Familienmitglieder einer gentechnischen Untersuchung unterzogen. In der Folgezeit verschlechterte sich der Gesundheitszustand der Tochter des Klägers. Mit 40 Jahren wurde bei ihr ein Grad der Behinderung von 100 % verbunden mit dem Merkzeichen G und aG festgestellt. Seit dem 43. Lebensjahr bezieht sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Den vom Kläger gestellten Kindergeldantrag für die Zeit ab Januar 2010 lehnte die Familienkasse mit der Begründung ab, dass die Behinderung des Kindes nicht, wie gesetzlich gefordert, vor dem Erreichen der „Altersgrenze“ eingetreten sei, die für vor 1982 Geborene noch bei 27 Jahren (heute 25 Jahre) lag. Der Gendefekt des Kindes habe erst wesentlich später zu einer Behinderung geführt.

Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg und führte zur Gewährung von Kindergeld. Sein Urteil begründet der Senat damit, dass es für die Frage des Vorliegens einer Behinderung auf den objektiven Befund der Erbkrankheit und nicht auf dessen Kenntnis ankomme. Damit habe die Behinderung unabhängig von der Diagnose bereits vor Vollendung des 27. Lebensjahrs vorgelegen. Es sei auch nicht erforderlich, dass das Unvermögen, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, vor Erreichen der Altersgrenze vorgelegen habe.

Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Verfahrens gegen sein Urteil die Revision zum Bundesfinanzhof in München zugelassen (Az. des BFH: XI R 8/17).

Quelle: FG Köln, Pressemitteilung vom 30.03.2017 zum Urteil 6 K 889/15 vom 12.01.2017 (nrkr – BFH-Az.: XI R 8/17)

 

Standardisierte Einnahmenüberschussrechnung (Anlage EÜR)

Ab dem Veranlagungszeitraum 2017 sind grundsätzlich alle Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermitteln, zur Übermittlung der standardisierten Anlage EÜR nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verpflichtet.

Die bisherige Regelung, nach der bei Betriebseinnahmen von weniger als 17.500 Euro die Abgabe einer formlosen Einnahmenüberschussrechnung als ausreichend angesehen worden ist, läuft damit aus.

Informationen zur Übermittlung durch Datenfernübertragung sind unter https://www.elster.de/elfo_home.php erhältlich.

In Härtefällen kann die Finanzbehörde auf Antrag weiterhin von einer Übermittlung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten. Für diese Fälle stehen in den Finanzämtern Papiervordrucke der Anlage EÜR zur Verfügung.

Quelle: BMF, Mitteilung vom 30.03.2017

 

Die Gewinngrenze für den Investitionsabzugsbetrag bei der Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschussrechnung ist verfassungsgemäß

Mit Urteil vom 14. Dezember 2016 (Az. 4 K 37/16) hat der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts entschieden, dass die in § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c EStG geregelte Gewinngrenze für die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags durch Steuerpflichtige, die ihren Gewinn durch Einnahme-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, verfassungsgemäß ist.

Der Kläger erzielt Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, die er durch Einnahme-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Im Streitjahr 2013 beliefen sich diese Einkünfte nach der Einnahme-Überschussrechnung auf 142.341 Euro. In der Einkommensteuererklärung machte der Kläger einen Investitionsabzugsbetrag gemäß § 7g Abs. 1 EStG in Höhe von 30.800 Euro für die Anschaffung eines Pkw geltend. Das Finanzamt erkannte den Investitionsabzugsbetrag nicht an, da der Gewinn des Klägers über der Gewinngrenze von 100.000 Euro lag. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Klage, mit der er geltend machte, dass die starre Gewinngrenze von 100.000 Euro gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und das Willkürverbot verstoße.

Der 4. Senat wies die Klage ab, da der Kläger im Streitjahr 2013 die Gewinngrenze des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c EStG in Höhe von 100.000 Euro überschritten hatte und die Gewinngrenze nicht verfassungswidrig war. Der mit dem Investitionsabzugsbetrag verfolgte Zweck der Förderung kleiner und mittlerer Betriebe sei im Hinblick auf die Gewinngrenze gleichheits- und zweckgerecht ausgestaltet. Die Gewinngrenze von 100.000 Euro stelle ein zweckmäßiges Kriterium zur Abgrenzung kleiner und mittlerer Betriebe dar und stehe in einem angemessenen Verhältnis zum Größenmerkmal des Betriebsvermögens von 235.000 Euro in § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG für Betriebe, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG oder § 5 EStG ermitteln.

Die Festlegung einer starren Gewinngrenze ist nach Auffassung des Senats nicht willkürlich, da der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet sei, bei Subventionsnormen wie § 7g EStG im Übergangsbereich von Wertgrenzen eine Staffelung zur Abmilderung von Härten vorzusehen. Die vorübergehende Anhebung der Gewinngrenze auf 200.000 Euro in den Jahren 2009 und 2010 sowie die erneute Absenkung der Gewinngrenze auf 100.000 Euro ab 2011 stellten eine zeitlich befristete Reaktion auf die weltweite Konjunkturabschwächung dar, mit der der Gesetzgeber in verfassungsmäßiger Weise von seinem weiten Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht habe.

Gegen das Urteil ist Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH eingelegt worden, das dortige Aktenzeichen lautet VIII B 18/17.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 03.04.2017 zum Urteil 4 K 37/16 vom 14.12.2016 (nrkr – BFH-Az.: VIII B 18/17)

 

Tätigkeit eines sog. Heilers – keine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG

Keine vergleichbaren Regelungen zur Ausübung einer Tätigkeit als Podologe und als Heilpraktiker

FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 03.04.2017 zum Urteil 4 K 153/13 vom 21.11.2016 (rkr)

Mit Urteil vom 21. November 2016 (Az. 4 K 153/13) hat der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts entschieden, dass für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG eine bestandene Prüfung zum Heilpraktiker (oder ein entsprechend anerkennungsfähiger ausländischer [hier: polnischer] Prüfungsabschluss) nicht ausreicht; erforderlich sei grundsätzlich eine Tätigkeitserlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 7. Februar 2013 V R 22/12, BStBl II 2014, 126). Eine Tätigkeit als „Heiler“ (Handauflegen) sei keine Tätigkeit im Sinne des Heilpraktikergesetzes.

Der Kläger erbrachte in den Streitjahren Leistungen gegenüber Menschen, die verschiedene Leiden wie z. B. Warzen, Gürtelrosen, Raucherentwöhnung, Raucherbeine, Rückenprobleme, Herzerkrankungen oder Übergewicht hatten. Die Tätigkeit des Klägers erfolgte dabei im Wesentlichen so, dass er sich die Leiden der Menschen erklären ließ und dann seine Hand auf eine bestimmte Stelle legte, welche er nach dem erläuternden Gespräch mit dem Patienten für die richtige hielt. Durch dieses Handauflegen erfolgte die Heilung bzw. Linderung des jeweiligen Leidens. Der Senat hatte darüber zu entscheiden, ob die Tätigkeit des Heilers – welcher ein polnisches Diplom aus dem Bereich der Naturheilkunde vorgelegt hatte – als Heilbehandlung nach § 4 Nr. 14 UStG begünstigt ist.

Er hat die Klage abgewiesen. Die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 14 UStG setze bei richtlinienkonformer Auslegung voraus, dass der Unternehmer eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringe und dass er die dafür erforderliche Qualifikation besitze. Im Streitfall hat der Senat das Vorliegen eines Befähigungsnachweises (der Qualifikation) abgelehnt. Er musste dabei nicht entscheiden, ob das ausländische Diplom einer bestandenen deutschen Heilpraktikerprüfung entsprach; auch konnte er offen lassen, ob das Diplom über die Regelungen des Gesetzes über die Feststellung der Gleichwertigkeit ausländischer Berufsqualifikationen in Schleswig-Holstein anerkennungsfähig war. Dies begründete der Senat damit, dass allein eine erfolgreiche Prüfung bzw. eine Anerkennung der ausländischen Prüfung für den Qualifikationsnachweis als Heilpraktiker nicht ausreiche. Denn anders als bei den Podologen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 7. Februar 2013 V R 22/12, BFHE 240, 428, BStBl II 2014, 126) sei aufgrund der unterschiedlichen Berufsregelungen bei einem Heilpraktiker neben der bestandenen Prüfung zwingend auch noch eine (hier nicht vorliegende) behördliche Erlaubnis für die Tätigkeit erforderlich.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Newsletter I/2017

Erbschaftsteuer: Geerbter Pflichtteilsanspruch unterliegt der Erbschaftsteuer, auch wenn er nicht geltend gemacht wird

Urteil vom 7.12.2016   II R 21/14

Ein vom Erblasser (bisher) nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch gehört zu seinem Nachlass und unterliegt bei seinem Erben der Besteuerung aufgrund Erbanfalls. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 7. Dezember 2016 II R 21/14 entschieden. Damit entsteht die Erbschaftsteuer bereits mit dem Tode des Pflichtteilsberechtigten, ohne dass es auf die Geltendmachung des Anspruchs durch dessen Erben ankommt.

Im Streitfall war der Kläger Alleinerbe seines im September 2008 verstorbenen Vaters. Dem Vater stand wegen einer Erbausschlagung ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 400.000 € zu, den er aber gegenüber dem Verpflichteten nicht geltend gemacht hatte. Nach dem Tod des Vaters beanspruchte jedoch der Kläger als neuer Anspruchsinhaber den geerbten Pflichtteil (im Januar 2009). Das Finanzamt rechnete den Pflichtteilsanspruch dem erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb des Klägers bereits auf den Todeszeitpunkt seines Vaters hinzu. Der Kläger machte hiergegen geltend, dass ein Pflichtteil immer erst mit seiner Geltendmachung der Besteuerung unterliege. Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage ab.

Der BFH bestätigte die Vorentscheidung des FG. Ein vom Erblasser nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch unterliegt bei seinem Erben der Besteuerung bereits aufgrund des Erbanfalls. Das Vermögen des Erblassers geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge als Ganzes auf den Erben über. Dazu gehört auch ein dem Erblasser zustehender Pflichtteilsanspruch, weil dieser Anspruch kraft Gesetzes vererblich ist. Für die Besteuerung ist nicht erforderlich, dass der Erbe den geerbten Pflichtteilsanspruch geltend macht. Dabei besteht nicht die Gefahr einer doppelten Besteuerung beim Erben. Der Erbe eines Pflichtteilsanspruchs muss nur beim Anfall der Erbschaft Erbschaftsteuer für den Erwerb des Anspruchs bezahlen. Eine spätere Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs durch ihn löst keine weitere Erbschaftsteuer aus. Macht der Erbe – anders als im Streitfall – den Anspruch gegenüber dem Verpflichteten (ebenfalls) nicht geltend, bleibt es aber dabei, dass für den Erwerb des Anspruchs dennoch Erbschaftsteuer anfällt.

Demgegenüber unterliegt ein Pflichtteilsanspruch, der in der Person des Pflichtteilsberechtigten entsteht, erst mit der Geltendmachung der Erbschaftsteuer. Der Pflichtteilsberechtigte kann also – anders als sein eigener Erbe – die Erbschaftsteuer dadurch vermeiden, dass er nicht die Erfüllung seines Pflichtteilsanspruchs verlangt.

BFH Urteil des II.  Senats vom 7.12.2016 – II R 21/14 –

Vermietung eines häuslichen Arbeitszimmers an den Auftraggeber eines Gewerbetreibenden

BFH-Urteil vom 13.12.2016, X R 18/12

1. Einkünfte aus der Vermietung eines häuslichen Arbeitszimmers an den Auftraggeber eines Gewerbetreibenden sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wenn die Vermietung ohne den Gewerbebetrieb nicht denkbar wäre.

2. Ein steuerlich berücksichtigungsfähiges Arbeitszimmer unterscheidet sich von einer nicht berücksichtigungsfähigen Arbeitsecke durch eine feste bauliche Abgrenzung gegen die privat genutzten Teile der Wohnung.
Details …

Stufenweise Ermittlung der zumutbaren Belastung

Mit Urteil vom 19. Januar 2017 (VI R 75/14) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass Steuerpflichtige sog. außergewöhnliche Belastungen (z.B. Krankheitskosten) weitergehend als bisher steuerlich geltend machen können.

Der Abzug außergewöhnlicher Belastungen ist nach § 33 Abs. 1 und 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur möglich, wenn der Steuerpflichtige mit überdurchschnittlich hohen Aufwendungen belastet ist. Eine Zumutbarkeitsgrenze („zumutbare Belastung“) wird in drei Stufen (Stufe 1 bis 15.340 €, Stufe 2 bis 51.130 €, Stufe 3 über 51.130 €) nach einem bestimmten Prozentsatz des Gesamtbetrags der Einkünfte (abhängig von Familienstand und Kinderzahl) bemessen (1 bis 7 %). Der Prozentsatz beträgt z.B. bei zusammenveranlagten Ehegatten mit einem oder zwei Kindern 2 % (Stufe 1), 3 % (Stufe 2) und 4 % (Stufe 3).

Nach dem Urteil des BFH wird jetzt nur noch der Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte, der den im Gesetz genannten Stufengrenzbetrag übersteigt, mit dem jeweils höheren Prozentsatz belastet. Danach erfasst z.B. der Prozentsatz für Stufe 3 nur den 51.130 € übersteigenden Teilbetrag der Einkünfte. Bislang gingen demgegenüber Finanzverwaltung und Rechtsprechung davon aus, dass sich die Höhe der zumutbaren Belastung einheitlich nach dem höheren Prozentsatz richtet, sobald der Gesamtbetrag der Einkünfte eine der in § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten Grenzen überschreitet. Danach war der höhere Prozentsatz auf den Gesamtbetrag aller Einkünfte anzuwenden.

Im Streitfall hatte der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau in der gemeinsamen Einkommensteuererklärung Krankheitskosten in Höhe von 4.148 € als außergewöhnliche Belastungen erklärt. Da der Gesamtbetrag der Einkünfte der Eheleute über 51.130 € lag, berechnete das Finanzamt (FA) die zumutbare Belastung unter Anwendung des in der Situation des Klägers höchstmöglichen Prozentsatzes von 4 %. Die Krankheitskosten der Eheleute wirkten sich nach dem Abzug der zumutbaren Belastung nur noch mit 2.069 € steuermindernd aus.

Der BFH gab dem Kläger insoweit Recht, als er die vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung neu ermittelte. Bei der nun gestuften Ermittlung (im Streitfall 2 % bis 15.340 €, 3 % bis 51.130 € und 4 % erst in Bezug auf den die Grenze von 51.130 € übersteigenden Teil der Einkünfte) erhöhten sich die zu berücksichtigenden Krankheitskosten um 664 €. Maßgebend für die Entscheidung des BFH waren insbesondere der Wortlaut der Vorschrift, der für die Frage der Anwendung eines bestimmten Prozentsatzes gerade nicht auf den „gesamten Gesamtbetrag der Einkünfte“ abstellt, sowie die Vermeidung von Härten, die bei der Berechnung durch die Finanzverwaltung entstehen konnten, wenn eine vorgesehene Stufe nur geringfügig überschritten wurde.

Das Urteil des BFH betrifft zwar nur den Abzug außergewöhnlicher Belastungen nach § 33 EStG, ist aber im Anwendungsbereich dieser Vorschrift nicht auf die Geltendmachung von Krankheitskosten beschränkt. Die Entscheidung hat weitreichende Bedeutung, da Steuerpflichtige nun in der Regel früher und in größerem Umfang durch ihnen entstandene außergewöhnliche Belastungen steuerlich entlastet werden.

BFH
Urteil des VI.  Senats vom 19.1.2017 – VI R 75/14 –

 

Photovoltaikanlage: Gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen bei zusammenveranlagten Ehegatten

Der Betrieb einer Photovoltaikanlage durch eine GbR auf dem gemeinsam genutzten Wohnhaus der Gesellschafter (zusammenveranlagte Ehegatten) stellt einen Fall von geringer Bedeutung im Sinne des § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO dar, sodass eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage nicht erforderlich ist.

Az. 9 K 230/16 – Urteil vom 22.02.2017

Revision zugelassen

Nds. Finanzgericht, Presseinformation vom 15. März 2017

 

Zusammenveranlagung trotz langjähriger räumlicher Trennung

Der 7. Senat des Finanzgerichts Münster hat mit Urteil vom 22. Februar 2017 (Az. 7 K 2441/15 E entschieden, dass auch langjährig getrennt lebende Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden können.

Die Kläger sind seit 1991 verheiratet und haben einen im selben Jahr geborenen Sohn. Im Jahr 2001 zog die Klägerin mit dem Sohn aus dem bis dahin gemeinsam bewohnten Einfamilienhaus zunächst in eine Mietwohnung und später in eine Eigentumswohnung. Für das Streitjahr 2012 führte das Finanzamt zunächst eine Zusammenveranlagung für die Kläger durch, gelangte aber nach einer Betriebsprüfung bei der Klägerin zu der Auffassung, dass die Voraussetzungen hierfür nicht mehr vorlägen und veranlagte die Kläger nunmehr einzeln zur Einkommensteuer.

Hiergegen trugen die Kläger vor, dass sie lediglich räumlich, nicht aber persönlich und geistig getrennt lebten. Der Auszug der als Ärztin voll berufstätigen Klägerin im Jahr 2001 sei durch die schwierige familiäre Situation mit der im selben Haus lebenden pflegebedürftigen Mutter des Klägers begründet gewesen. Allerdings hätten sich beide Eheleute weiterhin regelmäßig abends und an Wochenenden getroffen und gemeinsame Ausflüge, Urlaube und sonntägliche Kirchenbesuche unternommen. Die Kosten hierfür sowie den Unterhalt des gemeinsamen Sohnes hätten beide stets gemeinsam getragen. Andere Partner habe es niemals gegeben. Derzeit plane man, auf einem gemeinsam erworbenen Grundstück einen Bungalow zu errichten, um dort wieder zusammenzuziehen.

Der Senat gab der Klage statt. Nach persönlicher Anhörung der Kläger und Vernehmung des Sohnes als Zeugen spreche das Gesamtbild dafür, dass die Kläger nicht dauernd getrennt lebten. In der heutigen Zeit seien auch Formen des räumlich getrennten Zusammenlebens („living apart together“) üblich, was es als glaubhaft erscheinen lasse, dass die Kläger ihre persönliche und geistige Gemeinschaft trotz der räumlichen Trennung aufrechterhalten haben. Die Schilderungen der Kläger würden auch durch den Plan untermauert, in einem gemeinsam zu errichtenden Bungalow wieder zusammenzuziehen. Schließlich hätten die Kläger auch die bestehende Wirtschaftsgemeinschaft unverändert fortgeführt, da sie weiterhin beide die Kosten für den Sohn und gemeinsame Unternehmungen getragen hätten. Im Übrigen sah es der Senat als unschädlich an, dass die Kläger grundsätzlich getrennt wirtschaften und getrennte Konten führen. Dies sei heutzutage auch bei räumlich zusammen lebe nden Eheleuten üblich.

Newsletter Finanzgericht Münster

Medizinische Seminare für Pflegeeltern erkrankter Kinder führen zu außergewöhnlichen Belastungen

Mit Urteil vom 27.1.2017 (Az. 4 K 3471/15 E) hat der 4. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden, dass Kosten für die Teilnahme an medizinischen Seminaren zum Umgang mit frühtraumatisierten Kindern bei den Pflegeeltern als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind.

Die Kläger haben zwei Pflegekinder in Vollzeitpflege bei sich aufgenommen, von denen eines aufgrund einer Frühtraumatisierung an einer Aufmerksamkeits- und Bindungsstörung leidet. Die Klägerin nahm an von einer Ärztin entwickelten und durchgeführten Seminaren für Eltern frühtraumatisierter Kinder teil. Die Kosten hierfür, die die Krankenversicherung nicht übernommen hatte, machten die Kläger als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt lehnte dies ab, weil die Kosten nicht unmittelbar zur Heilung einer Krankheit entstanden seien und es auch am formellen Nachweis der Zwangsläufigkeit fehle.

Das Gericht gab der Klage vollumfänglich statt. Die Kosten für die Seminare seien als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig. Die Teilnahme der Klägerin an diesen Seminaren sei durch die Krankheit des Pflegekindes veranlasst gewesen. Die Einbeziehung Angehöriger könne auch zur Behandlung einer Krankheit erforderlich sein. Hierfür sprächen im Streitfall mehrere ärztliche Bescheinigungen, in denen psychologische Familienberatungen durch die Pflegeeltern als medizinisch notwendig angesehen würden. Dass die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nicht den formellen Anforderungen des § 64 EStDV genügten, sei unerheblich, da es sich nicht um eine psychotherapeutische Behandlung, sondern um die Schulung einer nicht erkrankten Kontaktperson handele. Die Kläger seien zur Tragung der durch die Krankheit ihres Pflegekindes entstandenen Aufwendungen auch sittlich verpflichtet, weil zwischen ihnen ein auf Dauer angelegtes enges familiäres Band bestehe.

Newsletter FG Münster