Erwerb durch Ehegatten
Der Erwerb eines Familienheims von Todes wegen durch den Ehegatten unterliegt der sachlichen Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Nutzung durch den Erblasser: Der Erblasser muss das bebaute Grundstück bis zum Erbfall zu eigenen Wohnzwecken genutzt haben.
- Nutzung durch den Erwerber: Der Erwerber muss die Wohnung über einen Zeitraum von zehn Jahren selbst nutzen.
Beispiele:
- Fall 1: T war Alleineigentümer einer Eigentumswohnung, die er zusammen mit seiner Ehefrau L bewohnte. Nach dem Tod des T geht die Wohnung auf L als Alleinerbin über, und sie nutzt die Wohnung weiterhin.
- Lösung: Die geerbte Wohnung ist von der Erbschaftsteuer freigestellt.
- Fall 2: M war Alleineigentümer eines Einfamilienhauses, das er mit seiner Ehefrau F bewohnte. F beerbt M allein und nutzte das Haus zunächst weiter. Nach drei Jahren zieht sie zu ihrer Tochter und verkauft das geerbte Haus.
- Lösung: Mit Beendigung der Selbstnutzung entfällt die Familienheim-Befreiung rückwirkend und in voller Höhe.
- Fall 3: Die Ehefrau A war Alleineigentümerin einer Eigentumswohnung, die sie mit ihrem Ehemann B bewohnte. B beerbte A allein. Zwei Jahre nach dem Tod der A kommt B in ein Pflegeheim und vermietet die Wohnung.
- Lösung: Der Erwerb der Wohnung durch B ist von der Erbschaftsteuer freigestellt, da er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung gehindert ist.
Wichtige Hinweise:
- Eigentumsaufgabe: Eine Aufgabe des Eigentums des überlebenden Ehegatten während der Behaltenszeit, z.B. durch Weiterschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt, ist schädlich für die Gewährung der Befreiung.
- Nießbrauchsvermächtnis: Ein Nießbrauchsvermächtnis am Familienheim beim überlebenden Ehegatten führt dazu, dass die Befreiung nicht gewährt wird, da es an der Eigentümerstellung mangelt.
- Selbstnutzung: Eine Selbstnutzung des Familienheims mehr als ein Jahr nach dem Erbfall ist schädlich.
Erwerb durch Kinder
Für den Erwerb eines Familienheims von Todes wegen durch Kinder ist eine Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG vorgesehen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Nutzung durch den Erblasser: Der Erblasser muss das bebaute Grundstück bis zum Erbfall zu eigenen Wohnzwecken genutzt haben.
- Unverzügliche Nutzung durch den Erwerber: Das Familienheim muss beim Erwerber unverzüglich nach dem Erbfall zur Selbstnutzung bestimmt sein.
- Wohnfläche: Die Wohnfläche darf 200 qm nicht übersteigen.
- Nutzung durch den Erwerber: Der Erwerber muss die Wohnung über einen Zeitraum von zehn Jahren selbst nutzen.
Beispiel:
- Fall: Tochter T erbt von ihrer Mutter ein bebautes Grundstück (Steuerwert 1 Mio. €), in dem die Verstorbene auf einer Wohnfläche von 250 qm lebte. T zieht unmittelbar nach dem Erbfall in die Wohnung ein.
- Lösung: Aufgrund der sachlichen Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG gehört der auf die Wohnfläche von 200 qm entfallende Teil des Steuerwerts nicht zur Bereicherung. Dies sind 200/250 x 1 Mio. € = 800.000 €. Der Vermögensanfall beträgt demnach 200.000 €. Sollte T die Wohnung vor Ablauf der Zehn-Jahres-Frist nicht mehr selbst nutzen, entfällt die Steuerbefreiung rückwirkend, und die Bereicherung ist mit 1 Mio. € anzusetzen.
Praxishinweise:
- Unverzüglicher Einzug: Der Erbe muss unverzüglich in das Familienheim einziehen. Ein Einzug innerhalb von sechs bis zwölf Monaten wird in der Praxis als unverzüglich angesehen.
- Erbengemeinschaften und Erbstreitigkeiten: Bei Erbengemeinschaften oder Erbstreitigkeiten kann auch ein längerer Zeitraum für den Einzug als angemessen angesehen werden. Gründe für die Verzögerung sollten dem Finanzamt rechtzeitig dargelegt werden.
- Einzelnutzung durch ein Kind: Bei mehreren Kindern als Erben kann nur das Kind die Befreiung erhalten, das die Voraussetzungen durch Selbstnutzung erfüllt. Durch Zuweisung des Familienheims an das einziehende Kind mittels Erbauseinandersetzung kann der gesamte Wert des Familienheims befreit werden.
- Schenkungen des Familienheims: Da Schenkungen des Familienheims an Kinder nicht befreit werden, sollte das Familienheim erst im Erbfall an das Kind übergehen, wenn es das Familienheim selbst zu Wohnzwecken nutzt oder es nach dem Erbfall nutzen möchte.
Rechtsprechung
Umfang der erbschaftsteuerlichen Befreiung eines Familienheims
Nach Ansicht des FG Niedersachsen ist nur die Grundfläche des mit dem Familienheim bebauten Flurstücks (oder bei größeren Flurstücken eine angemessene Zubehörfläche) erbschaftsteuerlich begünstigt. Dies gelte auch dann, wenn das Grundbuch die Flurstücke als ein Grundstück ausweise. Im Streitfall hatte der Kläger fünf Flurstücke geerbt, die als ein Grundstück im Grundbuch vereinigt waren. Das Finanzamt rechnete aus dem Gesamtwert des Grundstücks den Wert des mit dem EFH bebauten Flurstücks heraus und gewährte nur hierfür die Steuerbefreiung. Das FG gab dem Finanzamt Recht, da die Steuerbefreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG restriktiv auszulegen sei.
Quellen:
- FG Niedersachsen, Urteil vom 12.07.2023 – 3 K 14/23, Rev. eingelegt, Az. BFH: II R 27/23, BeckRS 2023, 24330
- Drobek, Erbschaftsteuer, 1. Aufl. 2020
- Rüttenauer, Erbschaftsteuer, 1. Aufl. 2020