Anteilsbewertung bei schenkungsteuerpflichtiger Anteilserhöhung durch Mitgesellschafter
Die Finanzverwaltung hat in den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder (Ländererlasse) vom 17.10.2023, BStBl. I 2023, 1871 und vom 22.12.2023, BStBl. I 2024, 69 zu grundlegenden Fragen des Erbschaftsteuerrechts Stellung genommen.
Hintergrund
Unmittelbare und mittelbare Leistungen an Kapitalgesellschaften können zu einem schenkungsteuerbaren Erwerb der Gesellschafter führen, wenn der Wert der Anteile sich durch die Leistung erhöht und die Absicht besteht, die Gesellschafter hierdurch zu bereichern (§ 7 Abs. 8 ErbStG). Als Schenkung gilt die Werterhöhung der Anteile an der Kapitalgesellschaft durch die Leistung des Zuwenders an die Gesellschaft.
Beispiel: Schenkungssteuerpflicht im Rahmen einer verdeckten Gewinnausschüttung:
- Vater V hält Beteiligungen an der T1-GmbH (100%) sowie an der T2-GmbH (40%).
- Sohn S hält die weiteren 60% an der T2-GmbH.
- V veranlasst die T1-GmbH, der T2-GmbH verbilligt ein Grundstück zu verkaufen.
In diesem Fall erfolgt ein schenkungsteuerbarer Vorgang zwischen der T1-GmbH und S, wenn seitens des V eine Bereicherungsabsicht bestand (§ 7 Abs. 8 ErbStG). Zuwendungsgegenstand ist dann die Werterhöhung der Anteile des S i.H.v. 60% der Vermögensverschiebung, die sich aus der Differenz zwischen dem gemeinen Wert des Grundstücks und dem von der T2-GmbH gezahlten Kaufpreis ergibt.
Gleichlautender Ländererlass: Die Finanzverwaltung bestätigt ihre Rechtsauffassung und ermöglicht eine gesonderte Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an der Kapitalgesellschaft vor und nach der Leistung des Zuwendenden nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG, um hieraus die Werterhöhung des gemeinen Werts der Anteile abzuleiten.
Anwendung der Optionsverschonung
Die obersten Finanzbehörden der Länder konkretisieren die Anwendung der erbschaftsteuerlichen Optionsverschonung durch den Ländererlass vom 22.12.2023, BStBl. I 2024, 69. Sie setzen insbesondere die Urteilsgrundsätze der Entscheidung des BFH vom 26.07.2022 – II R 25/20, BStBl. II 2024, 21 = GmbHR 2023, 93 um.
Hintergrund
Beim Übergang von Betriebsvermögen gewährt das Erbschaftsteuerrecht Begünstigungen durch die sog. Regelverschonung (Steuerbefreiung i.H.v. 85% des begünstigten Vermögens – sog. „Verschonungsabschlag“) bzw. die sog. „Optionsverschonung“ oder „Vollverschonung“ (unwiderruflicher Antrag auf Steuerbefreiung i.H.v. 100%) (§ 13a ErbStG). Hierzu sind Behaltensfristen und Grenzen bei der Einhaltung der sog. „Lohnsumme“ zu beachten.
Höchstrichterliche Rechtsprechung
Der II. Senat bestätigte, dass der für die Vollverschonung von Betriebsvermögen maßgebende Anteil des Verwaltungsvermögens bei mehreren gleichzeitig übertragenen wirtschaftlichen Einheiten für jede Einheit gesondert zu ermitteln ist (Einzelbetrachtung und Einzelberechnung). Damit stellte sich der II. Senat des BFH gegen die Vorgaben der Finanzverwaltung.
Ländererlass:
Der Ländererlass regelt die Einzelbetrachtung und Einzelberechnung für jede wirtschaftliche Einheit bei Erwerb mehrerer wirtschaftlicher Einheiten umfassend. Die Finanzverwaltung erörtert im Einzelnen:
- Gesonderte Anträge auf Vollverschonung: Für jede wirtschaftliche Einheit gesondert möglich; Regel- und Optionsverschonung können nebeneinander angewendet werden.
- Einzelbetrachtung bei Verwaltungsvermögensquote: Bei der Prüfung des Schwellenwerts der Verwaltungsvermögensquote.
- Einzelbetrachtung bei Lohnsummenregel und Behaltensregel: Nach § 13a Abs. 3, 6 ErbStG.
- Keine Einzelbetrachtung: Zusammenrechnung aller wirtschaftlichen Einheiten bei Prüfung der Obergrenze von €26 Mio. gem. § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG und bei Anwendung des sog. Abschmelzmodells (§13c ErbStG).
Sachliche und zeitliche Anwendung
Das Urteil bezieht sich auf das ErbStG a.F., jedoch bezieht sich der Ländererlass auch auf alle Erwerbe nach dem neuen ErbStG 2016. Wurde bei bereits erfolgten Erwerben bisher noch kein (einheitlicher) Antrag auf Optionsverschonung gestellt, kann bei noch nicht bestandskräftigen Steuerfestsetzungen nun auch für einzelne wirtschaftliche Einheiten die Vollverschonung beantragt werden.
Hinweis:
Der Antrag auf Vollverschonung ist künftig hinsichtlich der Erfüllung und späteren Einhaltung der Voraussetzungen mit höheren Risiken belastet, da kein Rückfall auf eine Regelverschonung mehr möglich ist. Eine Risikoseparierung durch separate Anträge sollte erwogen werden. Der Zeitpunkt für einen Antrag auf Vollverschonung sollte sorgfältig überlegt werden; für Alterwerbe bzw. Altanträge sollten auch die Übergangsregelungen beachtet werden.