Grunderwerbsteuerrechtlich einheitlicher Erwerbsgegenstand bei Erwerb eines Gesamterbbaurechts

Anforderungen an die Erkennbarkeit des geänderten Steuerbescheids im Änderungsbescheid

BFH, Urteil vom II R 53/10 vom 24.04.2013

 Leitsatz
  1. Bestellen zwei Grundstückseigentümer an ihren Grundstücken ein Gesamterbbaurecht, liegen zwei Erwerbsvorgänge i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG vor.
  2. „Bestimmter Sachverhalt“ i. S. des § 174 Abs. 4 AO ist der einzelne Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft. Es muss sich um ein und denselben Lebensvorgang handeln, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft.
  3. Grunderwerbsteuerrechtlich ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs ein Erbbaurecht mit noch künftig zu errichtendem Gebäude, soweit eine entsprechende Herstellungsverpflichtung der Veräußererseite (Erbbaurechtsgeber und ggf. mit ihm verbundener Dritter) besteht.

Tatbestand

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I. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 23. Februar 1994 bestellten die A als Eigentümerin eines 3 657 qm großen Grundstücks in Berlin und V als Eigentümer des an das Grundstück der A angrenzenden 4 015 qm großen Grundstücks zugunsten der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ein Gesamterbbaurecht. Der Anteil der A an der Gesamtfläche betrug 52 %, der des V 48 %. Das Erbbaurecht wurde zur Errichtung eines Gebäudes entsprechend dem Entwurf des Architekten N bestellt (§ 2 des Erbbaurechtsvertrags). Die Klägerin als Erbbauberechtigte war zur Errichtung des Bauwerks verpflichtet (§ 3 des Vertrags). Bereits zuvor hatten A und V in einer Vereinbarung vom 31. März 1993 festgehalten, alle erforderlichen Anstrengungen zur Realisierung des Entwurfs des Architekten N zu unternehmen. Die Realisierung des Bauprojekts sollte auf der Basis eines Leasing-Fonds-Modells erfolgen, wobei A alleiniger Leasingnehmer und, soweit das steuerlich zulässig ist, alleiniger Bauherr werden sollte. Durch Vertrag vom 18./23. Februar 1994 verpflichtete sich die Klägerin, das bebaute Erbbaurecht einer Immobilien-Leasinggesellschaft zur Nutzung zu überlassen. Diese hatte ihrerseits mit A am 18./23. Februar 1994 einen Leasingvertrag geschlossen, wonach A das bebaute Grundstück nutzen sollte. Mit einem am 20. Oktober/7. November 1994 geschlossenen Generalübernehmervertrag beauftragte die Klägerin die A als Generalübernehmerin mit der Errichtung des schlüsselfertigen Gebäudes entsprechend dem Entwurf des Architekten N.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) setzte gegen die Klägerin mit zwei Bescheiden vom 5. Juli 1994 Grunderwerbsteuer in Höhe 676.926 DM bzw. 616.567 DM fest, wobei als Bemessungsgrundlage jeweils der kapitalisierte Erbbauzins für das am Grundstück der A bzw. des V bestellte Erbbaurecht angesetzt wurde.
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Nachdem dem FA bekannt geworden war, dass die Klägerin am 20. Oktober/7. November 1994 einen Generalübernehmervertrag mit der A als Generalübernehmerin geschlossen hatte, setzte es gegen die Klägerin durch gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid vom 29. Dezember 1998 Grunderwerbsteuer hinsichtlich des von der A zugunsten der Klägerin bestellten Erbbaurechts auf 4.604.355 DM fest. Es berücksichtigte dabei die gesamten Bauerrichtungskosten aus dem Generalübernehmervertrag mit einem Betrag von 230.217.774 DM.
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Die von der Klägerin nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Das seinerzeit zuständige Finanzgericht (FG) Berlin (Urteil vom 27. November 2003) bejahte für den Erwerbsvorgang zwischen der Klägerin und A das Vorliegen eines grunderwerbsteuerrechtlich einheitlichen Erwerbsgegenstands. In die Bemessungsgrundlage der gegen die Klägerin festzusetzenden Grunderwerbsteuer dürfe jedoch nur der auf die Bebauung des Grundstücks der A entfallende Aufwand in Höhe von 52 % der gesamten Bauerrichtungskosten einbezogen werden. Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision im Urteil des FG Berlin wies der Bundesfinanzhof (BFH) durch Beschluss vom 15. April 2005 II B 21/04 (BFH/NV 2005, 1357) als unbegründet zurück.
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Daraufhin setzte das FA gegen die Klägerin durch gemäß § 174 Abs. 4 AO geänderten Bescheid vom 20. Januar 2004 die Grunderwerbsteuer für den Erwerb des Erbbaurechts von V auf 2.768.904 DM fest, wobei es die auf das Erbbaugrundstück des V entfallenden anteiligen Bauerrichtungskosten von 107.616.816 DM (48 % der gesamten Bauerrichtungskosten) in die Bemessungsgrundlage einbezog.
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Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das nunmehr zuständige FG bejahte die Anwendungsvoraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO, weil den zwischen der Klägerin und A sowie V verwirklichten Erwerbsvorgängen derselbe Sachverhalt zugrunde liege. Das FA habe auch zutreffend die auf den Erwerbsvorgang zwischen der Klägerin und V entfallenden anteiligen Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage einbezogen. Unter Berücksichtigung des im rechtskräftigen Urteil des FG Berlin vom 27. November 2003 für den Erwerbsvorgang zwischen der Klägerin und A bejahten einheitlichen Erwerbsgegenstands könne für den Erwerbsvorgang zwischen der Klägerin und V nichts anderes gelten; V habe insoweit auch keine Sonderrolle gespielt. Vielmehr seien A und V durch die gemeinsame Bestellung des Erbbaurechts rechtlich miteinander verbunden gewesen, wobei ihr abgestimmtes Verhalten auf die Grundstücksbebauung mit einem einheitlichen Gebäude angelegt gewesen sei. Hierbei habe V an dem von A entwickelten Bebauungskonzept mitgewirkt oder sich jedenfalls diesem unterworfen. Im Zusammenhang mit der von der Veräußererseite übernommenen Verpflichtung zur Bauerrichtung habe V sein Grundstück der A zumindest an die Hand gegeben. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1706 veröffentlicht.
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verfahrensmängel und macht geltend, dass weder die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO noch diejenigen für die Annahme eines grunderwerbsteuerrechtlich einheitlichen Erwerbsgegenstands vorlägen.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den Änderungsbescheid vom 20. Januar 2004 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 21. September 2005 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat zutreffend die Änderungsvoraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO bejaht und die anteiligen Bauerrichtungskosten aus dem Erbbaurechtsvorgang zwischen der Klägerin und V in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einbezogen.
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1. Durch den am 23. Februar 1994 zwischen der Klägerin sowie A und V geschlossenen Vertrag über die Bestellung eines Gesamterbbaurechts sind grunderwerbsteuerrechtlich zwei Erwerbsvorgänge verwirklicht worden.
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a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) unterliegt ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet, der Grunderwerbsteuer. Da Erbbaurechte den Grundstücken gleichstehen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG), unterliegt auch die Verpflichtung zur Bestellung eines Erbbaurechts an einem inländischen Grundstück der Grunderwerbsteuer.
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b) Der Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG knüpft allein an das schuldrechtliche Rechtsgeschäft an (vgl. BFH-Entscheidungen vom 16. April 2009 II B 171/08, nicht veröffentlicht –n.v.–; vom 18. November 2009 II R 11/08, BFHE 226, 552, BStBl II 2010, 498, Rz 26). Zu Grundstückskaufverträgen hat der BFH entschieden, dass es der Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht entgegensteht, dass das Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags nicht im Eigentum des Verkäufers stand bzw. dass es unsicher war, ob er überhaupt Eigentum erlangen werde (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 1995 II R 93/94, BFHE 179, 174, BStBl II 1996, 27; BFH-Beschluss vom 16. April 2009 II B 171/08, n.v.). Denn ein zivilrechtlich wirksamer Anspruch auf Eigentumsverschaffung kann auch hinsichtlich solcher Grundstücke erworben werden, die dem Veräußerer nicht oder noch nicht gehören (§ 185 Abs. 2, § 184 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs; vgl. hierzu Fischer in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl., § 1 Rz 307). Die Steuerschuld entsteht in diesen Fällen mit dem Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts über das fremde Grundstück (vgl. § 38 AO) oder –soweit die Wirksamkeit des Vertrags von dem Eintritt einer Bedingung, z.B. der Erlangung der Rechtsmacht des Verkäufers zur Eigentumsverschaffung abhängt– mit dem Eintritt der Bedingung (vgl. § 14 Nr. 1 GrEStG).
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c) Gegenstand eines Kaufvertrags kann auch eine mit rechtlicher Selbständigkeit erst künftig entstehende Sache sein (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. Oktober 1999 VIII ZR 335/98, Neue Juristische Wochenschrift 2000, 504, zu einer im Zeitpunkt des Kaufvertrags aufgebauten Ausstellungshalle, die wesentlicher Bestandteil des Grundstücks war). Dementsprechend kann auch ein erst künftig entstehendes Gesamterbbaurecht Gegenstand des Erbbaurechtsvertrags mit einem Eigentümer sein, selbst wenn die von dem Erbbaurecht betroffenen Grundstücke verschiedenen Eigentümern gehören.
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Der Eigentümer eines Grundstücks kann sich schuldrechtlich wirksam verpflichten, ein Gesamterbbaurecht an seinem Grundstück zu bestellen. Das schuldrechtliche Grundgeschäft kann zwischen dem Erbbauberechtigten und den Eigentümern getrennt abgeschlossen werden (vgl. von Oefele/Winkler, Handbuch des Erbbaurechts, 4. Aufl., Rz 3.42). Die Möglichkeit, die Verträge getrennt mit den jeweiligen Grundstückseigentümern abzuschließen, bedeutet zugleich, dass durch einen solchen Abschluss eine wirksame schuldrechtliche Verpflichtung des einzelnen Grundstückseigentümers zur Bestellung des Gesamterbbaurechts begründet wird. Das wirksame Entstehen eines Anspruchs des Erbbauberechtigten gegenüber dem sich verpflichtenden Grundstückseigentümer wird nicht dadurch gehindert, dass zur späteren Erfüllung dieses Anspruchs der andere Grundstückseigentümer sich ebenfalls mit der Begründung des Gesamterbbaurechts an seinem Grundstück einverstanden erklären muss.
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d) Im Streitfall haben sich A und V im notariell beurkundeten Vertrag vom 23. Februar 1994 verpflichtet, ein Gesamterbbaurecht an ihren Grundstücken für die Klägerin zu bestellen. Dadurch wurden schuldrechtliche Ansprüche der Klägerin gegenüber A und V begründet. Wegen der Begründung zweier schuldrechtlicher Ansprüche gegenüber zwei Grundstückseigentümern liegen auch zwei Erwerbsvorgänge vor. Die Annahme nur eines Erwerbsvorgangs kann nicht im Hinblick darauf erfolgen, dass zur dinglichen Erfüllung der schuldrechtlichen Ansprüche nur ein Gesamterbbaurecht gemeinsam von beiden Grundstückseigentümern zu bestellen ist. Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist bereits mit der Begründung der beiden schuldrechtlichen Ansprüche der Klägerin erfüllt.
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2. Zutreffend hat das FG das Vorliegen der Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO, auf den der angefochtene Bescheid gestützt ist, bejaht.
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Nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde für den Fall, dass aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen ist, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgen ziehen. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird (§ 174 Abs. 4 Satz 2 AO). Der Ablauf der Festsetzungsfrist (§ 169 AO) ist insoweit unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden (§ 174 Abs. 4 Satz 3 AO).
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a) Die durch § 174 Abs. 4 AO eingeräumte Möglichkeit, einen bestandskräftigen Steuerbescheid nachträglich zu ändern, findet ihre Rechtfertigung im fehlenden schutzwürdigen Vertrauen des Steuerpflichtigen. Derjenige, der erfolgreich für seine Rechtsansicht gestritten hat, muss auch die damit verbundenen Nachteile hinnehmen (BFH-Urteile vom 10. März 1999 XI R 28/98, BFHE 188, 409, BStBl II 1999, 475; vom 11. Mai 2010 IX R 25/09, BFHE 230, 203, BStBl II 2010, 953). Der Steuerpflichtige soll im Falle seines Obsiegens an seiner Auffassung festgehalten werden, soweit derselbe Sachverhalt zu beurteilen ist (BFH-Urteil vom 21. August 2007 I R 74/06, BFHE 218, 487, BStBl II 2008, 277).
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b) Eine „irrige Beurteilung“ i.S. des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO liegt vor, wenn sich die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts nachträglich als unrichtig erweist (z.B. BFH-Urteil in BFHE 218, 487, BStBl II 2008, 277). Der Irrtum der Finanzbehörde kann sich sowohl auf das Steuerobjekt als auch das Steuersubjekt beziehen (BFH-Urteil vom 26. Oktober 1994 II R 84/91, BFH/NV 1995, 476; von Wedelstädt in Beermann/ Gosch, AO § 174 Rz 95.1). Unerheblich ist, ob der Fehler in der Beurteilung des Sachverhalts im Tatsächlichen oder im Rechtlichen liegt (Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 39, m.w.N.).
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c) Der Begriff des „bestimmten Sachverhalts“ i.S. des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO ist auf einen einheitlichen Lebensvorgang bezogen, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft (BFH-Urteile vom 18. Februar 1997 VIII R 54/95, BFHE 183, 6, BStBl II 1997, 647; vom 9. Mai 2012 I R 73/10, BFHE 238, 1, BFH/NV 2012, 1682). Unter einem bestimmten Sachverhalt ist der einzelne Lebensvorgang zu verstehen, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft; darunter fällt nicht nur die einzelne steuererhebliche Tatsache oder das einzelne Merkmal, sondern auch der einheitliche, für die Besteuerung maßgebliche Sachverhaltskomplex (z.B. BFH-Urteile vom 14. März 2006 I R 8/05, BFHE 212, 517, BStBl II 2007, 602; vom 14. Januar 2010 IV R 33/07, BFHE 228, 122, BStBl II 2010, 586; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 174 Rz 18, jeweils m.w.N.). Es muss sich um ein und denselben Lebensvorgang handeln, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft (BFH-Urteile vom 29. Mai 2001 VIII R 19/00, BFHE 195, 23, BStBl II 2001, 743; vom 8. März 2007 IV R 41/05, BFH/NV 2007, 1813; in BFHE 228, 122, BStBl II 2010, 586; Frotscher in Schwarz, AO, § 174 Rz 27).
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d) Der angefochtene Bescheid erfüllt diese Voraussetzungen.
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aa) „Bestimmter Sachverhalt“ i.S. des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO ist vorliegend die in einem objektiven Zusammenhang mit der Bestellung des Erbbaurechts erfolgte Bebauung des Erbbaugrundstücks des V. Dieser Sachverhalt ist Merkmal oder Teilstück des in § 8 Abs. 1 und § 9 GrEStG normierten gesetzlichen Tatbestandes, der die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer –unter näheren, hier vorliegenden Voraussetzungen (dazu nachfolgend II.3.)– an dem künftigen Grundstückszustand ausrichtet. An der Qualifikation dieses (eines und desselben) bestimmten Sachverhalts ändert das Vorbringen der Klägerin, die Bestellung des Erbbaurechts einerseits durch A und andererseits durch V seien verschiedene Sachverhalte, nichts. Für die Anwendung des § 174 Abs. 4 AO ist allein entscheidend, dass das FA aus dem vorbezeichneten „einen“ bestimmten Sachverhalt unzutreffende steuerliche Folgen gezogen hat, indem es diesen Sachverhaltskomplex in dem an die Klägerin ergangenen Änderungsbescheid vom 29. Dezember 1998 allein dem zwischen der Klägerin und A verwirklichten Erwerbsvorgang zugeordnet hat.
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bb) Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 29. Dezember 1998 ist auf Grund des von der Klägerin geführten Klageverfahrens vor dem FG Berlin durch Urteil vom 27. November 2003  1 K 1318/01 zu ihren Gunsten dahin geändert worden, dass in der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nur 52 % der für das Gesamtgebäude entstandenen Bebauungskosten zu berücksichtigen waren.
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3. Das FG hat ferner zu Recht angenommen, dass das FA durch den hier angefochtenen Änderungsbescheid aus dem Sachverhalt nachträglich die richtigen steuerlichen Folgen gezogen hat, indem es die auf den Erbbaurechtsvorgang zwischen der Klägerin und V entfallenden anteiligen Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einbezogen hat.
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a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG unterliegt die Verpflichtung zur Bestellung eines Erbbaurechts an einem inländischen Grundstück der Grunderwerbsteuer. Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach dem sich gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den Steuertatbestand erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags (Erbbaurechtsvertrag) unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand (BFH-Urteile vom 29. Juli 2009 II R 58/07, BFH/NV 2010, 63; vom 28. März 2012 II R 57/10, BFHE, 237, 460, BStBl II 2012, 920, m.w.N.)
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Ob ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren Vereinbarungen besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln. Ein solcher Zusammenhang ist u.a. gegeben, wenn der Erwerber beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags gegenüber der Veräußererseite in seiner Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der Baumaßnahme nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in einem bestimmten (bebauten) Zustand erhalten werde (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 21. September 2005 II R 49/04, BFHE 211, 530, BStBl II 2006, 269, und in BFHE, 237, 460, BStBl II 2012, 920). Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen als Vertragspartner auf, liegt ein objektiver Zusammenhang zwischen den Verträgen u.a. vor, wenn die Personen aufgrund von Abreden bei der Veräußerung zusammenarbeiten oder durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch der Verträge, die der Bebauung des Grundstücks dienen, hinwirken (BFH-Entscheidungen in BFHE 211, 530, BStBl II 2006, 269, und vom 19. März 2010 II B 130/09, BFH/NV 2010, 1659, jeweils m.w.N.).
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b) Diese Grundsätze gelten auch im Fall der Bestellung eines Erbbaurechts. Zwar ist, soweit sich ein Erbbauberechtigter im Rahmen der Bestellung eines Erbbaurechts zur Errichtung eines Gebäudes auf dem Erbbaugrundstück verpflichtet, regelmäßig davon auszugehen, dass die Baumaßnahmen dem Erwerber als (zukünftigem) Inhaber des Erbbaurechts allein zugutekommen und die entsprechenden Verwendungen keine Gegenleistung i.S. des § 8 Abs. 1 GrEStG sind (BFH-Urteile vom 23. Oktober 2002 II R 81/00, BFHE 200, 416, BStBl II 2003, 199; vom 8. September 2010 II R 3/10, BFH/NV 2011, 303). Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist aber das Erbbaurecht mit noch künftig zu errichtendem Gebäude, soweit eine entsprechende Herstellungsverpflichtung der Veräußererseite (Erbbaurechtsgeber und ggf. mit ihm verbundener Dritter) besteht. Dazu ist neben dem Abschluss des Grundstückskaufvertrags (Erbbaurechtsvertrag) auch der Abschluss eines Bauvertrags mit der Veräußererseite erforderlich; diese muss zivilrechtlich zur Übereignung und Bebauung verpflichtet sein (z.B. BFH-Urteile vom 2. März 2006 II R 39/04, BFH/NV 2006, 1880; in BFH/NV 2011, 303).
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c) Das FG hat den Sachverhalt zutreffend dahin gewürdigt, dass Erwerbsgegenstand das von V erworbene Erbbaurecht mit einem noch zu errichtenden Gebäude war. Die aus A und V bestehende Veräußererseite hat durch abgestimmtes Verhalten auf die Herstellung des auf dem Erbbaugrundstück zu errichtenden Gebäudes hingewirkt. Der in § 3 des Erbbaurechtsvertrags von der Klägerin übernommenen Herstellungsverpflichtung kommt insoweit keine Bedeutung zu.
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aa) Bei Abschluss des Erbbaurechtsvertrags am 23. Februar 1994 war die Klägerin aus folgenden Gründen an die von A und V vorzunehmende Bebauung gebunden: Bereits bei Abschluss des Erbbaurechtsvertrags war das projektierte Bauvorhaben von A und V in baurechtlicher und -technischer Hinsicht im Detail geplant. Insoweit hat das FG unter Bezugnahme auf das den Erwerbsvorgang zwischen der Klägerin und A betreffende Urteil des FG Berlin vom 27. November 2003 zutreffend darauf abgestellt, dass A bei Abschluss des Erbbaurechtsvertrags als Geschäftsbesorgerin kraft mündlicher Vereinbarung mit der Klägerin bereits Vorleistungen im Hinblick auf die geplante Bebauung in Höhe von 20 Mio. DM erbracht hatte, schon am 15. Dezember 1993 der Bauantrag gestellt worden war und bereits am 20. und 27. Juli 1993 ein die Grundstücksbebauung betreffender öffentlich-rechtlicher Vertrag von A und V mit dem Land Berlin geschlossen worden war. Zudem standen bei Abschluss des Erbbaurechtsvertrags auch bereits im Detail die Finanzierung sowie die spätere tatsächliche Nutzung des noch zu errichtenden Gebäudes auf der Grundlage eines Immobilien-Leasing-Modells unter Beteiligung der Klägerin fest. Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände entsprach der Abschluss des Generalübernehmervertrags zwischen der Klägerin und A von vornherein dem von der Veräußererseite vorbereiteten Geschehensablauf. Der Umstand, dass der Generalübernehmervertrag zwischen der Klägerin und A erst ca. acht Monate nach Abschluss des Erbbaurechtsvertrags geschlossen wurde, steht der Annahme eines einheitlichen Erwerbsgegenstands insoweit nicht entgegen.
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bb) A und V haben auch aufgrund von Abreden bei der Veräußerung zusammengearbeitet und durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss sowohl des Erbbaurechtsvertrags als auch des von der Klägerin mit A geschlossenen Generalübernehmervertrags hingewirkt. Dabei kann offen bleiben, ob nicht schon aufgrund der bautechnischen Gegebenheiten des zu errichtenden Bauwerks kraft faktischen Zwangs allein das bebaute Erbbaugrundstück Gegenstand des zwischen der Klägerin und V verwirklichten Erwerbsvorgangs sein konnte. Jedenfalls haben A und V zielgerichtet auf die Verschaffung des gesamten Erbbaugrundstücks in bebautem Zustand hingewirkt. Für das abgestimmte Verhalten der Veräußererseite genügt schon ein tatsächliches, einvernehmliches Zusammenwirken (z.B. BFH-Urteil in BFHE 211, 530, BStBl II 2006, 269, m.w.N.). Das FG konnte insoweit aufgrund der Gesamtumstände zutreffend davon ausgehen, dass V sein Grundstück der A zumindest an die Hand gegeben und das das Gesamtgrundstück betreffende Bebauungskonzept akzeptiert hatte. Dies ergibt sich schon aus der gemeinsamen Bestellung des Gesamterbbaurechts durch A und V sowie aus dem auch die Bebauung des Grundstücks des V betreffenden Generalübernehmervertrags. Dieses abgestimmte Verhalten der Veräußererseite entspricht der zwischen A und V geschlossenen Vereinbarung vom 31. März 1993, in der die gemeinsame Realisierung des Bebauungsprojekts vereinbart und festgelegt wurde, dass A alleiniger Bauherr werden sollte. Im Übrigen setzt das tatsächliche, einvernehmliche Zusammenwirken mehrerer Personen auf der Veräußererseite nicht voraus, dass sich diese zur Erbringung einer gemeinsamen Leistung verabreden (BFH-Entscheidungen vom 4. September 1996 II R 77/94, BFH/NV 1997, 260; vom 8. April 1999 II B 84/98, BFH/NV 1999, 1506). Es ist daher unerheblich, dass V nicht in der Funktion eines Generalübernehmers aufgetreten ist und auch nicht die Stellung eines Bauherrn erlangt hat.
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cc) Die Rüge mangelnder Sachaufklärung hat keinen Erfolg. Das FG konnte aus den vorstehenden Gründen das von der Klägerin unter Beweis gestellte Vorbringen, V sei nicht in die Verhandlungen über den Abschluss des Generalübernehmervertrags einbezogen gewesen und sei in Bezug auf die Bauerrichtung auch nicht Bauherr oder Leasingnehmer geworden, als unerheblich behandeln.
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4. Der angefochtene Änderungsbescheid vom 20. Januar 2004 ist auch hinreichend bestimmt, obwohl in ihm der geänderte Bescheid nicht ausdrücklich bezeichnet ist.
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Aus einem Änderungsbescheid muss der geänderte Steuerbescheid zu erkennen sein. Hierzu genügt es jedoch, dass aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, aus dem Zusammenhang, aus der von der Behörde gegebenen Begründung oder aus den den Beteiligten bekannten näheren Umständen des Erlasses im Wege einer am Grundsatz von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden kann (BFH-Urteile vom 26. März 1981 VII R 3/79, BFHE 133, 163; vom 26. September 2006 X R 21/04, BFH/NV 2007, 186). Nach diesen Maßstäben konnte für die Klägerin nicht zweifelhaft sein, dass der angefochtene Bescheid den den Erwerbsvorgang zwischen der Klägerin und V betreffenden Steuerbescheid vom 5. Juli 1994 änderte. Dies ergibt sich aus der in der Begründung des angefochtenen Bescheids angegebenen Steuernummer betreffend den Erwerbsvorgang zwischen der Klägerin und A sowie aus der Bezugnahme auf das insoweit ergangene Urteil des FG Berlin.