Die Erbschaftssteuer ist in Deutschland ein häufig diskutiertes Thema, besonders wenn es um größere Vermögen oder Betriebsvermögen geht. Die Frage, ob die Erbschaftssteuer verfassungswidrig ist, wird immer wieder aufgeworfen. Als Steuerberater möchte ich in diesem Beitrag die rechtlichen Grundlagen und die verfassungsrechtlichen Diskussionen rund um die Erbschaftssteuer beleuchten.
Hintergrund: Was ist die Erbschaftssteuer?
Die Erbschaftssteuer fällt an, wenn Vermögen von einer Person auf eine andere übertragen wird – sei es durch Erbschaft oder Schenkung. Der Fiskus erhebt Steuern auf diesen Vermögensübergang. Die Höhe der Steuer hängt von mehreren Faktoren ab, insbesondere:
- Verwandtschaftsgrad zwischen Erblasser und Erbe,
- Höhe des übertragenen Vermögens,
- Art des Vermögens (z.B. Immobilien, Bargeld, Betriebsvermögen).
Deutschland verwendet ein progressives Steuersystem, bei dem der Steuersatz mit der Höhe des vererbten Vermögens ansteigt. Hinzu kommen Freibeträge, die je nach Verwandtschaftsgrad variieren.
Verfassungsrechtliche Grundlagen
Die Erbschaftssteuer wird durch das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) geregelt und basiert auf Artikel 105 des Grundgesetzes, der dem Bund das Recht zur Gesetzgebung über Erbschafts- und Schenkungssteuern gibt. Gleichzeitig wird durch das Grundgesetz das Recht auf Eigentum (Art. 14 GG) und die Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 GG) geschützt.
Hier liegt der Kern der verfassungsrechtlichen Diskussion: Ist die Erbschaftssteuer ein unzulässiger Eingriff in das Eigentumsrecht? Und behandelt sie alle Bürger gleich, oder gibt es Ungleichheiten, die gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen?
Die Debatte: Ist die Erbschaftssteuer verfassungswidrig?
Es gibt verschiedene Argumente, die immer wieder angeführt werden, um die Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftssteuer in Frage zu stellen:
- Eingriff in das Eigentumsrecht Kritiker der Erbschaftssteuer argumentieren, dass das Vererben von Vermögen ein grundlegendes Eigentumsrecht ist, das durch die Erbschaftssteuer übermäßig eingeschränkt wird. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch mehrfach entschieden, dass der Staat das Recht hat, Vermögenstransfers zu besteuern, und dass die Erbschaftssteuer keinen unzulässigen Eingriff in das Eigentumsrecht darstellt. Allerdings muss die Steuererhebung verhältnismäßig sein.
- Ungleichbehandlung durch Freibeträge Ein weiteres Argument betrifft die Ungleichbehandlung verschiedener Personengruppen. So profitieren enge Familienangehörige wie Ehepartner und Kinder von hohen Freibeträgen, während entferntere Verwandte oder nicht-verwandte Erben deutlich höhere Steuerlasten tragen. Diese Differenzierung wird als gerechtfertigt angesehen, da der Gesetzgeber Familien stärker begünstigen möchte. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Regelung bisher nicht als verfassungswidrig eingestuft.
- Begünstigung von Betriebsvermögen Besonders umstritten ist die steuerliche Begünstigung von Betriebsvermögen. Unternehmenserben erhalten erhebliche Steuererleichterungen oder können in bestimmten Fällen die Erbschaftssteuer ganz umgehen, um die Fortführung des Betriebs zu sichern. Kritiker sehen darin eine unverhältnismäßige Bevorzugung von Unternehmensvermögen, die mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes nicht vereinbar ist. Tatsächlich hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2014 entschieden, dass bestimmte Regelungen zur Begünstigung von Betriebsvermögen in der damaligen Form verfassungswidrig waren. Das Gesetz wurde daraufhin geändert, um eine bessere Ausgewogenheit herzustellen.
- Belastung für die Nachfolgegeneration Ein häufiges praktisches Argument gegen die Erbschaftssteuer ist, dass sie Vermögensübergänge für die Nachfolgegeneration erschwert. Besonders bei Immobilien oder Familienbetrieben können hohe Steuerforderungen dazu führen, dass Erben gezwungen sind, Teile des geerbten Vermögens zu verkaufen, um die Steuerlast zu tragen. Dieser Umstand führt oft zu emotionalen Debatten, aber das Bundesverfassungsgericht sieht hierin keinen grundsätzlichen Verfassungsverstoß, solange angemessene Entlastungen (wie Ratenzahlungsmöglichkeiten) gewährt werden.
Bundesverfassungsgericht und Erbschaftssteuer
Das Bundesverfassungsgericht hat die Erbschaftssteuer mehrfach geprüft, insbesondere im Jahr 2014, als es Teile des Erbschaftsteuerrechts für verfassungswidrig erklärte. Der Grund war die übermäßige Begünstigung von Unternehmensvermögen. Das Gericht sah in dieser Regelung eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes.
Seitdem wurden die Regelungen angepasst. Heute müssen Erben von Betriebsvermögen bestimmte Auflagen erfüllen, wie etwa den Erhalt von Arbeitsplätzen, um in den Genuss von Steuererleichterungen zu kommen. Auch wenn das Thema weiterhin kontrovers ist, gibt es derzeit keine Hinweise darauf, dass die Erbschaftssteuer in ihrer jetzigen Form grundsätzlich verfassungswidrig ist.
Fazit
Ist die Erbschaftssteuer in Deutschland verfassungswidrig? Derzeit lautet die Antwort wahrscheinlich eher: Nein. Zwar gab es in der Vergangenheit verfassungsrechtliche Beanstandungen, diese wurden jedoch durch Gesetzesänderungen adressiert. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass die Erbschaftssteuer grundsätzlich zulässig ist, solange sie verhältnismäßig und gerecht ausgestaltet wird.
Aktueller Musterprozess zur Erbschaftssteuer vor dem Bundesverfassungsgericht: Was bedeutet das für Erben?
Ein neues Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht stellt die Erbschaftssteuer in Deutschland erneut auf den Prüfstand. Anlass ist eine Klage eines Erben, der die Steuer auf sein privates Erbe – bestehend aus einem Wertpapierdepot und einer Wohnung – anfechtet. Der Ausgang dieses Musterprozesses könnte weitreichende Folgen für das deutsche Erbschaftssteuerrecht haben.
Hauptargumente des Klägers
- Ungleichbehandlung von Firmenerben und privaten Erben
Der Kläger argumentiert, dass es eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zwischen Firmenerben und privaten Erben gibt. Während private Erben, wie im Fall des Klägers, auf ihr geerbtes Vermögen Erbschaftssteuer zahlen müssen, profitieren Firmenerben von erheblichen Steuererleichterungen. Unter bestimmten Voraussetzungen, wie dem Fortführen des Unternehmens über mehrere Jahre, können Unternehmensnachfolger von der Erbschaftssteuer ganz befreit werden. Diese Bevorzugung sieht der Kläger als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (Art. 3 GG). - Unterstützung durch die Bundesrechtsanwaltskammer
Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) unterstützt die Klage mit einer detaillierten Stellungnahme. Sie argumentiert, dass das Erbschaftssteuergesetz vermögenden Erben durch legale Gestaltungsmöglichkeiten Steuerumgehungen ermögliche. Dies führe dazu, dass die Belastung für weniger vermögende Erben, die keinen Zugang zu solchen Steuersparmodellen haben, unverhältnismäßig hoch sei. Diese Ungleichbehandlung wird von der BRAK als verfassungswidrig eingestuft. - Kritik am Bundesfinanzhof
Der Kläger und die BRAK kritisieren auch die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Dieser hatte die Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftssteuer in einem früheren Urteil bestätigt. Laut der BRAK stützt sich der BFH jedoch auf veraltete Urteile und berücksichtigt nicht die aktuellen steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten, die eine unfaire Bevorzugung von Großvermögen fördern.
Mögliche Folgen einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Sollte das Bundesverfassungsgericht zugunsten des Klägers entscheiden, könnte dies weitreichende Konsequenzen haben:
- Abschaffung der Erbschaftssteuer
Eine Bestätigung der Verfassungswidrigkeit der Erbschaftssteuer könnte zur kompletten Abschaffung dieser Steuer führen. Denkbar wäre sogar eine rückwirkende Abschaffung, möglicherweise ab 2018, was zahlreiche Erbfälle der letzten Jahre betreffen würde. Dies würde für viele Erben eine erhebliche steuerliche Entlastung bedeuten. - Reform der Erbschaftssteuer
Alternativ könnte das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber dazu auffordern, das Erbschaftssteuergesetz grundlegend zu reformieren, um eine gleichmäßige Besteuerung aller Erben sicherzustellen. Dies könnte unter anderem die Abschaffung der Steuererleichterungen für Firmenerben oder eine Neuregelung der Freibeträge beinhalten.
Handlungsempfehlung für Erben
- Abwarten der Entscheidung: Der Ausgang des Musterprozesses wird voraussichtlich erhebliche Auswirkungen auf die Erbschaftssteuer haben. Erben, die in naher Zukunft eine Erbschaft erwarten, sollten die Entwicklung genau verfolgen. Es könnte sich lohnen, wichtige Entscheidungen aufzuschieben, bis Klarheit über die Rechtslage herrscht.
- Rechtzeitige Beratung: Um steuerliche Nachteile zu vermeiden, ist es ratsam, sich frühzeitig von einem Steuerberater beraten zu lassen. Insbesondere für Unternehmensnachfolger kann es sinnvoll sein, alternative Modelle der Vermögensübertragung zu prüfen, um sich auf mögliche Gesetzesänderungen vorzubereiten.
Fazit: Die Erbschaftssteuer bleibt ein heißes Thema, und der Musterprozess vor dem Bundesverfassungsgericht könnte zu erheblichen Veränderungen führen. Wir halten Sie über den Verlauf des Verfahrens auf dem Laufenden und stehen Ihnen für individuelle Beratungen gerne zur Verfügung.
Falls Sie Fragen zur Erbschaftssteuer oder zur steuerlichen Planung im Erbfall haben, stehe ich Ihnen als Steuerberater gerne zur Seite. Eine frühzeitige Planung kann helfen, steuerliche Belastungen zu optimieren und rechtssicher zu gestalten.