Kinderbetreuungskosten bei durch Arbeitslosigkeit verursachter Unterbrechung der Erwerbstätigkeit

Mit Urteil vom 22. Mai 2014 (Az. 1 K 1/13) hat der 1. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts ferner entschieden, dass Kinderbetreuungskosten auch dann erwerbsbedingt i. S. d. § 9c Abs. 1 Satz 1 EStG 2009 sind, wenn sie im Hinblick auf eine erst angestrebte Tätigkeit anfallen, sofern ein objektiver tatsächlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang mit der (beabsichtigten) Erwerbstätigkeit festgestellt werden kann. Dabei hat er erkannt, dass im Falle einer durch Arbeitslosigkeit verursachten Unterbrechung der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen ein solcher Zusammenhang – entgegen dem BMF-Schreiben vom 19. Januar 2007 IV C 4 – S-2221- 2 / 07 (BStBl I 2007, S. 184) – auch gegeben sein könne, wenn die Unterbrechung länger als vier Monate andauere.

Betreuungsaufwendungen fielen „wegen einer Erwerbstätigkeit“ des Steuerpflichtigen an, wenn sie durch die Erwerbstätigkeit veranlasst seien. Eine Zwangsläufigkeit der Aufwendungen werde ebenso wenig vorausgesetzt wie ihre Notwendigkeit, Angemessenheit, Üblichkeit oder Zweckmäßigkeit; eine private Mitveranlassung – insbesondere durch die elterliche Entscheidung für Kinder, die eine Betreuung erst erforderlich mache, aber auch durch die Entscheidung über die organisatorische Ausgestaltung der Kinderbetreuung – sei typisch und für die Frage der Abzugsfähigkeit nicht schädlich. Denn bei § 9c EStG handele es sich um eine staatliche Förderung von Betreuungskosten, die zwangsläufig den Bereich der privaten Lebensführung berühre. In Absatz 1 der Vorschrift habe der Gesetzgeber bei erwerbsbedingten Betreuungskosten gerade ungeachtet der privaten Mitveranlassung den Betreuungsaufwand dem Bereich der Einkünfteermittlung zugeordnet. Soweit die Norm den Abzug „wie Betriebsausgaben“ bzw. „wie Werbungskosten“ fingiere, rechtfertige dies keine Einschränkung bei der Beurteilung der betrieblichen oder beruflichen Veranlassung des Betreuungsaufwandes; aufgrund des objektiven Nettoprinzips sei eine Differenzierung zwischen „echten“ und „unechten“ (fingierten) Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht zulässig.

Insofern genüge, wie bei „regulären“ Betriebsausgaben oder Werbungskosten, ein objektiver tatsächlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen. Ein solcher Zusammenhang könne auch dann bestehen, wenn der Steuerpflichtige aktuell zwar keine berufliche Tätigkeit ausübe, die Aufwendungen aber im Hinblick auf eine angestrebte Tätigkeit anfielen. Voraussetzung für den Abzug solcher Werbungskosten oder Betriebsausgaben sei ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Aufwand und Einkunftserzielung, der dann zu bejahen sei, wenn sich anhand objektiver Umstände feststellen lasse, dass der Steuerpflichtige den Entschluss, Einkünfte aus einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefasst habe. Ob das der Fall sei, sei auf der Grundlage einer Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei könne auch dem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der (neuen) Erwerbstätigkeit indizielle Bedeutung zukommen. Da aber stets eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen sei, handele es sich nur um ein Kriterium von mehreren. Entgegen der im BMF-Schreiben vom 19. Januar 2007 IV C 4 – S-2221-2 / 07 (BStBl I 2007, S. 184) vertretenen Auffassung existiere keine zeitliche Höchstgrenze bis zur (Wieder-)Aufnahme einer Berufstätigkeit, mit deren Überschreiten eine Erwerbsbedingtheit von Kinderbetreuungskosten zwingend und ohne weiteres zu verneinen wäre. Zwar möge mit zunehmender Zeitdauer der Begründungsaufwand steigen, der erforderlich sei, um den tatsächlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang der Betreuungskosten mit der (neuen) Erwerbstätigkeit darzulegen und zu beweisen; allein der Zeitablauf schließe einen solchen Zusammenhang aber nicht von vornherein aus. Angesichts der konkreten tat-sächlichen Verhältnisse hat der 1. Senat den Zusammenhang im Entscheidungsfall als gegeben angesehen.

Der 1. Senat hat die Revision gegen das Urteil zugelassen, obwohl die entschiedene Rechtsfrage ausgelaufenes Recht betrifft. Das Revisionsverfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen III R 23/14 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 30.09.2014 zum Urteil 1 K 1/13 vom 22.05.2014 (nrkr – BFH-Az.: III R 23/14)