Fast 800 Selbstanzeigen wegen Steuerhinterziehung im Mai

Die Zahl der Selbstanzeigen in Nordrhein-Westfalen steigt weiter: Im Mai haben sich 781 Bürgerinnen und Bürger wegen Steuerhinterziehung selbst angezeigt. Gegenüber dem Vorjahresmonat hat sich die Zahl der Selbstanzeigen mit Bezug zur Schweiz mehr als vervierfacht. Sie liegt auch um rund 140 Eingaben über der Zahl der Selbstanzeigen im April. Seit Frühjahr 2010 sind damit in NRW insgesamt 15.999 Selbstanzeigen wegen Schweizer Schwarzgeldkonten eingegangen.
Finanzminister Norbert Walter-Borjans: „Die für 2015 anstehende Verschärfung bei der strafbefreienden Selbstanzeige zeigt erste Wirkung. Steuerhinterzieher nutzen offensichtlich die Chance, vorher noch reinen Tisch zu machen. Aktuelle Beispiele von Prominenten zeigen, dass sie nur dann straffrei davon kommen können, wenn sie ihre Einkünfte vollständig offenlegen.“

Die Finanzministerkonferenz der Länder hat sich Anfang Mai unter dem Vorsitz von Walter-Borjans darauf geeinigt, die Bedingungen für eine Selbstanzeige deutlich zu verschärfen. Die Grenze einer strafbefreienden Selbstanzeige ohne Zuschlag soll von 50.000 auf 25.000 Euro gesenkt werden. Bei darüber liegenden Beträgen wird bei gleichzeitiger Zahlung eines Zuschlags in Höhe von 10 Prozent auf eine Strafverfolgung verzichtet.

Ab einem Hinterziehungsbetrag von 100.000 Euro sind dann 15 Prozent Zuschlag fällig, ab einem hinterzogenen Betrag von 1 Million Euro 20 Prozent. Bislang gilt ein Zuschlag von 5 Prozent ab einem Betrag von 50.000 Euro. Zusätzlich soll die Strafverfolgungsverjährung in allen Fällen von Steuerhinterziehung auf zehn Jahre ausgedehnt werden.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage des FinMin Nordrhein-Westfalen.

Quelle: FinMin Nordrhein-Westfalen, Pressemitteilung vom 06.06.2014

Vorläufige Steuerfestsetzung (§ 165 Abs. 1 AO) im Hinblick auf anhängige Muster-verfahren

Anrechnung der gesamten steuerfreien Zuschüsse zu einer Kranken- oder Pflegeversicherung auf Beiträge zu einer privaten Basiskrankenversicherung oder Pflege-Pflichtversicherung (§ 10 Abs. 2 Nr. 1 zweiter Halbsatz EStG)

BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV A 3 – S-0338 / 07 / 10010 vom 10.06.2014

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird die Anlage zum BMF-Schreiben vom 16. Mai 2011 (BStBl I S. 464), die zuletzt durch BMF-Schreiben vom 7. Februar 2014 (BStBl I S. 160) neu gefasst worden ist, mit sofortiger Wirkung wie folgt gefasst:

„Festsetzungen der Einkommensteuer sind hinsichtlich folgender Punkte gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit und verfassungskonforme Auslegung der Norm vorläufig vorzunehmen:

1. Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer und der darauf entfallenden Nebenleistungen als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 5b EStG)

2.a) Beschränkte Abziehbarkeit von Kinderbetreuungskosten (§ 4f, § 9 Abs. 5 Satz 1, § 10 Abs. 1 Nr. 5 und 8 EStG) – für die Veranlagungszeiträume 2006 bis 2008 –

2.b) Beschränkte Abziehbarkeit von Kinderbetreuungskosten (§ 9c, § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG) – für die Veranlagungszeiträume 2009 bis 2011 –

3.a) Beschränkte Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3, 4, 4a EStG) – für die Veranlagungszeiträume 2005 bis 2009 –

3.b) Beschränkte Abziehbarkeit von sonstigen Vorsorgeaufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG – für Veranlagungszeiträume ab 2010 –

4. Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zu Rentenversicherungen als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG für Veranlagungszeiträume ab 2005
5. Besteuerung der Einkünfte aus Leibrenten im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG für Veranlagungszeiträume ab 2005

6. Höhe der kindbezogenen Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStG

7. Höhe des Grundfreibetrags (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG)

8. Berücksichtigung von Beiträgen zu Versicherungen gegen Arbeitslosigkeit im Rahmen eines negativen Progressionsvorbehalts (§ 32b EStG)

9. Abzug einer zumutbaren Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) bei der Berücksichtigung von Aufwendungen für Krankheit oder Pflege als außergewöhnliche Belastung.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nr. 1 ist im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten folgenden Bescheiden beizufügen: Sämtlichen Einkommensteuerbescheiden für Veranlagungszeiträume ab 2008, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfassen, sämtlichen Körperschaftsteuerbescheiden für Veranlagungszeiträume ab 2008 sowie sämtlichen Bescheiden über die gesonderte (und ggf. einheitliche) Feststellung von Einkünften, soweit diese Bescheide Feststellungszeiträume ab 2008 betreffen und für die Gesellschaft oder Gemeinschaft ein Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt wurde.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nr. 2 ist auch Bescheiden über die gesonderte (und ggf. einheitliche) Feststellung von Einkünften im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG beizufügen. Im Vorläufigkeitsvermerk ist nur § 4f EStG (Feststellungszeiträume 2006 bis 2008) bzw. § 9c Abs. 1 und 3 Satz 1 EStG (Feststellungszeiträume 2009 bis 2011) zu zitieren.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nr. 3 Buchst. b ist in Fällen unbeschränkter Steuerpflicht im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume ab 2010 beizufügen.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nr. 4 ist im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume ab 2005 beizufügen. In die Bescheide ist zusätzlich folgender Erläuterungstext aufzunehmen: „Der Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zu Rentenversicherungen als vorweggenommene Werbungskosten stützt sich auch auf § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AO und umfasst deshalb auch die Frage einer eventuellen einfachgesetzlich begründeten steuerlichen Berücksichtigung.“
Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nr. 5 erfasst sämtliche Leibrentenarten im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nr. 6 ist im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume ab 2001 mit einer Prüfung der Steuerfreistellung nach § 31 EStG beizufügen.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nr. 7 ist im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume ab 2001 beizufügen.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nr. 8 ist im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen beizufügen, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erfassen.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nr. 9 ist in Fällen unbeschränkter Steuerpflicht im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen beizufügen.

Außerdem sind im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtliche Einkommensteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume ab 2010 hinsichtlich der Anrechnung der gesamten steuerfreien Zuschüsse zu einer Kranken- oder Pflegeversicherung auf Beiträge zu einer privaten Basiskrankenversicherung oder Pflege-Pflichtversicherung (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweiter Halbsatz EStG) gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AO vorläufig vorzunehmen, falls steuerfreie Zuschüsse zur Kranken- oder Pflegeversicherung gewährt worden sind.

Ferner sind im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtliche Festsetzungen des Solidaritätszuschlags für die Veranlagungszeiträume ab 2005 hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorzunehmen.

Zur vorläufigen Festsetzung der Einkommensteuer hinsichtlich der Berechnung des Höchstbetrags für die Anrechnung ausländischer Steuer auf die deutsche Einkommensteuer nach § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG in Fällen eines Anrechnungsüberhangs wird auf das BMF-Schreiben vom 30. September 2013 (BStBl I S. 1612) verwiesen.“

Quelle: BMF

ElterngeldPlus: Moderne Familienpolitik setzt auf Partnerschaftlichkeit

Auf Vorschlag von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig hat das Bundeskabinett am 4. Juni den Gesetzentwurf zur Einführung des ElterngeldPlus auf den Weg gebracht. Damit ist es für Mütter und Väter künftig einfacher, Elterngeldbezug und Teilzeitarbeit miteinander zu kombinieren. Auch die Elternzeit wird deutlich flexibler. „Mehr Zeit für Familie, und zwar für Mütter und Väter: Das ist das Ziel dieses Gesetzes“, sagte Manuela Schwesig.

„Mit dem neuen ElterngeldPlus und einer flexibleren Elternzeit ermöglichen wir Eltern, Familie und Beruf gemeinsam zu managen – durch eine längere Förderung und bessere und individuellere Möglichkeiten, die Anforderungen partnerschaftlich aufzuteilen. Das bringt eine neue Qualität in die Familienpolitik – und dafür gibt es große Zustimmung in den Familien und in der Gesellschaft“, betonte die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

ElterngeldPlus und Partnerschaftsbonus: Längerer Bezug von Elterngeld bei Teilzeitarbeit

Das ElterngeldPlus unterstützt Väter und Mütter, die schon während des Elterngeldbezugs und danach in Teilzeit arbeiten wollen. Mit den ElterngeldPlus-Monaten können sie während der Teilzeittätigkeit doppelt so lange die Förderung durch das Elterngeld nutzen. Aus einem Elterngeldmonat werden zwei ElterngeldPlus-Monate.

Bislang können Eltern zwar Teilzeitarbeit und Elterngeld kombinieren, allerdings verlieren sie nach der bisherigen Regelung einen Teil ihres Elterngeldanspruches: Ihr Lohn mindert die ausgezahlten Beträge, ohne dass es bisher dafür zum Ausgleich einen längeren Bezug des Elterngeldes gibt.

Neben dem ElterngeldPlus, das diese Lücke schließt, ist die Einführung eines Partnerschaftsbonus geplant: Wenn beide Eltern pro Woche 25 bis 30 Stunden parallel arbeiten, erhält jeder Elternteil das ElterngeldPlus nochmals für vier zusätzliche Monate. Bundesfamilienministerin Schwesig erklärte dazu: „Ich möchte, dass Eltern ihre Kinder partnerschaftlich betreuen und gleichzeitig ihre beruflichen Ziele verfolgen können. Damit unterstützen wir mit einer modernen Familienpolitik den Wunsch vieler Eltern nach mehr Partnerschaftlichkeit.“

Verschiedene Kombinationen möglich

Elterngeld, ElterngeldPlus und Partnerschaftsbonus lassen sich kombinieren: Pausiert etwa die Mutter für sechs Monate und bezieht volles Elterngeld, so kann sie anschließend für zwölf Monate ElterngeldPlus beziehen. Ihr Partner kann zwei Monate Elterngeld oder vier Monate ElterngeldPlus nutzen. Arbeiten beide im Anschluss für mindestens vier Monate Teilzeit mit 25 bis 30 Wochenstunden, können beide jeweils für diese vier Monate ElterngeldPlus erhalten.

Möglich ist auch, dass Mutter und Vater nach der Geburt bis zu 30 Stunden in der Woche in Teilzeit arbeiten und gemeinsam je 14 Monate ElterngeldPlus beziehen. Im Anschluss könnten auch sie den Partnerschaftsbonus nutzen. Alleinerziehende können das neue ElterngeldPlus im gleichen Maße nutzen und zusammen mit den Partnermonaten statt der 14 regulären Elterngeldmonate bis zu 28 ElterngeldPlus-Monate in Anspruch nehmen.

Elternzeit flexibler gestalten

Auch die Elternzeit wird deutlich flexibler. Wie bisher können Eltern bis zum 3. Geburtstag eines Kindes eine unbezahlte Auszeit vom Job nehmen. Künftig können 24 Monate statt bisher zwölf zwischen dem 3. und dem 8. Geburtstag des Kindes genommen werden. Eine Zustimmung des Arbeitgebers wird dafür nicht mehr notwendig sein. Jedoch muss die Elternzeit nach dem 3. Geburtstag des Kindes nach der Neuregelung 13 Wochen vorher angemeldet werden – Elternzeit vor dem 3. Geburtstag nach wie vor nur sieben Wochen vorher. Zudem können beide Elternteile ihre Elternzeit in je drei statt wie bisher zwei Abschnitte aufteilen.

Breite Zustimmung in der Bevölkerung

Einer Studie des infas Institutes für angewandte Sozialwissenschaft zufolge findet die neue Regelung großen Zuspruch in der Bevölkerung: Demnach stimmte jeder Zweite für eine Änderung der derzeitigen Elterngeldregelung. Besonders bei Befragten mit minderjährigen Kindern im Haushalt und bei jungen Erwachsenen bis 24 Jahren ist die Zustimmung hoch, bei den unter 24-jährigen mit 70 Prozent am höchsten.

Das neue Gesetz zum ElterngeldPlus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz geht nun in das parlamentarische Verfahren und soll zum 1. Juli 2015 in Kraft treten.

Anlagen

  • Gesetzentwurf zum Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, Stand 04.06.2014 (nicht-barrierefreies PDF)
  • Gesetzentwurf zum Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz – Allgemeiner Teil, Stand 04.06.2014 (nicht-barrierefreies PDF)
  • Gesetzentwurf zum Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz – Besonderer Teil, Stand 04.06.2014 (nicht-barrierefreies PDF)
  • Elterngeld Plus: Zentrale Punkte und Beispiele (nicht-barrierefreies PDF) 

Deutschlands Kommunen erhöhen auf breiter Front Grundsteuer und Gewerbesteuern

 Sechs von zehn deutschen Kommunen haben seit 2010 die Grundsteuer erhöht, gut vier von zehn die Gewerbesteuer / NRW-Kommunen mit den bundesweit höchsten Hebesätzen / Grundsteuer steigt in Thüringen, Hessen und Nordrhein-Westfalen am stärksten

Deutschlands Kommunen drehen kräftig an der Steuerschraube: Seit Anfang 20101 haben 43 Prozent der deutschen Städte und Gemeinden mindestens einmal die Gewerbesteuer erhöht, die Grundsteuer B, die von Haus- und Wohnungseigentümern zu zahlen ist, wurde seit 2010 sogar von 60 Prozent der Kommunen erhöht – jeweils nur 1 Prozent der Kommunen hat im gleichen Zeitraum die Steuern gesenkt.

Besonders in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen kam es zu Steuererhöhungen auf breiter Front: In beiden Bundesländern erhöhten zwischen Anfang 2010 und Mitte 2013 mehr als neun von zehn Kommunen mindestens einmal die Grundsteuer. Die Gewerbesteuer wurde vor allem von Kommunen in Thüringen (88 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (80 Prozent) erhöht.

In Bayern hingegen erhöhte nur etwa jede fünfte Kommune seit Anfang 2010 die Gewerbesteuer bzw. die Grundsteuer. Die jeweiligen Erhöhungen fielen dabei so moderat aus, dass der durchschnittliche Hebesatz für beide Steuerarten gerade einmal um 2 Prozent stieg.

Bundesweit stieg der durchschnittliche Gewerbesteuerhebesatz2 seit Anfang 2010 um 14 Punkte (bzw. 4 Prozent) auf 350, bei der Grundsteuer betrug der Anstieg sogar 26 Punkte auf 351 – ein Anstieg um 8 Prozent.

Eigenheimbesitzer müssen derzeit in Nordrhein-Westfalen mit Abstand am meisten zahlen: Dort liegt der durchschnittliche Grundsteuerhebesatz bei 453. Am wenigsten verlangen die Kommunen in Hessen (316) und Schleswig-Holstein (299) von Haus- und Wohnungseigentümern bzw. Mietern.

Im Zuge der fast flächendeckenden Heraufsetzungen der Hebesätze in den vergangenen Jahren hat sich der Anteil der Kommunen mit einem hohen bis sehr hohen Grundsteuerhebesatz (von 350 und mehr) zwischen Anfang 2006 und Mitte 2013 von 13 auf 39 Prozent verdreifacht. Gleichzeitig ging der Anteil der Städte und Gemeinden mit einem niedrigen Hebesatz zur Grundsteuer B (von unter 300) von 44 auf 24 Prozent zurück.

In den kommenden Jahren müssen sich Gewerbetreibende, Eigenheimbesitzer und Mieter auf eine weiter steigende Steuerbelastung einstellen – vor allem in solchen Kommunen, die Finanzhilfen der Bundesländer in Anspruch nehmen.

Das sind die Ergebnisse einer aktuellen Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) zur Entwicklung der Grundsteuer-B- und Gewerbesteuerhebesätze aller deutschen Kommunen (ohne Stadtstaaten) in den Jahren 2005 bis 2013.3

Während die Mehrheit der deutschen Kommunen in den vergangenen Jahren die sogenannten Realsteuern anhob, waren Steuersenkungen die absolute Ausnahme: Gerade einmal 1 Prozent der deutschen Kommunen hat zwischen Anfang 2010 und Mitte 2013 die Grundsteuer B gesenkt; auch die Gewerbesteuer sank nur bei einer von 100 Kommunen.4

Finanznot zwingt zu Steuererhöhungen
„In den vergangenen Jahren gab es eine Welle von Steuererhöhungen, vor allem in Regionen mit einer großen Zahl finanzschwacher Kommunen“, beobachtet Hans-Peter Busson, Partner bei EY und Leiter des Bereichs Government & Public Sector für Deutschland, die Schweiz und Österreich. Heute sind die durchschnittlichen Hebesätze beider kommunaler Realsteuern in Nordrhein-Westfalen am höchsten – und die nordrhein-westfälischen Kommunen liegen auch bei der kommunalen Verschuldung gemeinsam mit den hessischen und den saarländischen Kommunen bundesweit an der Spitze.5 In diesen drei Ländern wurden 2013 zudem bundesweit die meisten Grundsteuererhöhungen gezählt: In Hessen erhöhten allein im ersten Halbjahr 48 Prozent der Kommunen den Grundsteuerhebesatz, in Nordrhein-Westfalen waren es 38 Prozent, im Saarland 31 Prozent. In Baden-Württemberg und Bayern, wo die Kommunen eine relativ geringe Pro-Kopf-Verschuldung6 aufweisen, setzten jeweils gerade einmal gut 3 Prozent der Kommunen den Gewerbesteuerhebesatz herauf.

„Viele deutsche Kommunen stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand. Gerade die finanzschwachen Kommunen haben ihre Angebote bereits auf das gesetzliche Minimum reduziert – da erscheinen vielen Kommunen Steuererhöhungen als probates Mittel, um ihren strukturellen Defiziten entgegenzuwirken“, stellt Busson fest.

Vielerorts begründeten die Stadtverwaltungen die Steuererhöhung mit dem Beitritt der Stadt zum Schutzschirm der jeweiligen Länder. Dies dürfte auch die starke Erhöhungsdynamik in Hessen und Nordrhein-Westfalen erklären. Beide Bundesländer haben entsprechende Programme aufgelegt. Sowohl Nordrhein-Westfalen als auch Hessen knüpfen ihre Hilfe für notleidende Kommunen daran, dass die am jeweiligen Schutzschirm teilnehmenden Kommunen einen eigenen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten; dazu zählen auch Steuererhöhungen. Dementsprechend sind weitere Steuererhöhungen zu erwarten – und in den Haushaltsplänen vieler Kommunen bereits fest vorgesehen.

Steuererhöhungen schwächen Position im Standortwettbewerb
Solche Steuererhöhungen seien allerdings ein zweischneidiges Schwert, sagt Busson: „Kurzfristig spülen höhere Gewerbe- und Grundsteuerhebesätze zwar mehr Geld in die kommunalen Kassen. Mittel- und langfristig könnten sich solche Maßnahmen aber als Bumerang erweisen: Der Standort verliert an Attraktivität, Unternehmen könnten abwandern, Neuansiedlungen von Unternehmen werden unwahrscheinlicher.“

Da es vor allem finanzschwache Kommunen seien, die derzeit an der Steuerschraube drehen, könnte sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnen, befürchtet Busson: „Die deutsche Städtelandschaft entwickelt sich seit Jahren zu einer Zweiklassengesellschaft: Dank der relativ guten konjunkturellen Lage und entsprechend steigender Steuereinnahmen können die wirtschaftsstarken Städte weiter in ihre Infrastruktur investieren und dabei noch Schulden abbauen – ganz ohne Steuererhöhungen.“

Gleichzeitig müssen die hoch verschuldeten Städte in wirtschaftsschwachen Regionen einen strikten Konsolidierungskurs fahren und dabei auf Einsparungen und Steuererhöhungen setzen – worunter die Anziehungskraft für Unternehmen und Bürger weiter leide, so Busson: „Das ist ein Teufelskreis aus hoher Verschuldung, steigenden Steuern und Gebühren und sinkender Attraktivität.“

Dabei gebe es aber durchaus Beispiele für Städte, die die Gewerbesteuer stark gesenkt und damit neues Gewerbe angezogen hätten, so Busson. Das seien aber Einzelfälle: „Von Steuersenkungen ist so gut wie nie die Rede. Ein echter, über niedrige Steuersätze ausgetragener Standortwettbewerb findet unter Deutschlands Kommunen derzeit nicht statt.“

Auffallend sei allerdings, dass die Gewerbesteuer weniger stark steigt als die Grundsteuer. Denn während bei Gewerbesteuererhöhungen durchaus mit negativen Reaktionen vonseiten der Unternehmen zu rechnen sei, sei eine Erhöhung der Grundsteuer für die Kommunen weitgehend risikolos, so Busson: „Kein Eigenheimbesitzer verkauft sein Haus wegen einer höheren Grundsteuer.“

Grundsteuer B in Berlin am höchsten
Die Grundsteuer B wird auf bebaute und bebaubare Grundstücke erhoben und trifft damit so gut wie alle Bürger, da diese entweder selbst Hausbesitzer sind oder an der Steuer über die Mietnebenkosten beteiligt werden. Sie brachte den deutschen Kommunen 2012 insgesamt 10,3 Milliarden Euro ein – 14 Prozent der Gesamteinnahmen. Im Vergleich zur Gewerbesteuer ist sie eine verlässlichere Einnahmequelle für die Kommunen, da sie keinen konjunkturellen Schwankungen unterliegt und eine breitere Erhebungsbasis hat.

Bei der Grundsteuer B lagen Mitte 2013 Berlin und Rüsselsheim mit Hebesätzen von 810 bzw. 800 bundesweit an der Spitze. Am wenigsten müssen die Bürger in zwei hessischen Städten bezahlen: In Fulda und Marburg betrug der Hebesatz nur 330.

Gewerbesteuer: NRW-Städte mit den höchsten Hebesätzen
Die Gewerbesteuer ist die wichtigste Einnahmequelle der Städte und Gemeinden. 2012 spülte sie 32,3 Milliarden Euro in die Kassen der Kommunen – das waren 44 Prozent der Gesamteinnahmen der Kommunen.

Von den größeren deutschen Städten (mit mehr als 50.000 Einwohnern) wiesen zur Jahresmitte 2013 nordrhein-westfälische Städte die höchsten Gewerbesteuerhebesätze auf: Oberhausen (520), Hagen, Marl und Kerpen (jeweils 500). Am günstigsten war es für Unternehmen in den beiden baden-württembergischen Städten Friedrichshafen und Ravensburg, deren Hebesatz 350 beträgt.

  • Download der EY Analyse: Entwicklung der kommunalen Realsteuern 2005 bis 2013 (PDF – 598 KB

Quelle: Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft 7. Mai 2014, Pressemitteilung

1 Bis Mitte 2013. Neuere Daten liegen noch nicht vor.
2 Es handelt sich um den nicht gewogenen Durchschnittswert.
3 Die Grundsteuer A, die auf Grundstücke der Land- und Forstwirtschaft erhoben wird, ist nicht Teil der Analyse.
4 In absoluten Zahlen: Von 11.227 Kommunen in Deutschland haben im Zeitraum Anfang 2010 bis Mitte 2013 insgesamt 6.692 die Grundsteuer B erhöht, 107 Kommunen haben sie gesenkt. Die Gewerbesteuer wurde von 4.877 Kommunen erhöht und von 131 gesenkt.
5 Schulden der Gemeinden je Einwohner (Ende 2012): Saarland: 3.120 €; Hessen: 3.115 €; NRW: 2.826 €.
6 Baden-Württemberg: 652 €; Bayern: 1.161 €.

Deutsche Rentenversicherung unterstützt Rentner bei der Steuererklärung 2013

 Die Deutsche Rentenversicherung stellt Rentnern auf Wunsch kostenlose Bescheinigungen aus, die beim Ausfüllen der Steuervordrucke „Anlage R“ und „Anlage Vorsorgeaufwand zur Steuerklärung“ helfen. Die Bescheinigungen enthalten alle steuerrechtlich relevanten Beträge mit Hinweisen, in welchen Zeilen dieser Vordrucke die Werte eingetragen werden müssen. Viele Versicherte und Rentner müssen in diesem Jahr bis zum 2. Juni ihre Steuererklärung abgeben. Darauf weist die Deutsche Rentenversicherung Bund in Berlin hin.

Die Bescheinigung kann man per Brief, Fax oder E-Mail bei seinem Rentenversicherungsträger anfordern. Möglich ist auch ein Anruf beim kostenlosen Servicetelefon der Deutschen Rentenversicherung unter der Nummer 0800 1000 4800. Wichtig: Bei der Anforderung ist die persönliche Rentenversicherungsnummer anzugeben. Wer eine Hinterbliebenenrente bezieht, muss auch die zu dieser gehörende Versicherungsnummer nennen. Wer die Bescheinigung einmal beantragt hat, erhält sie fortan jährlich automatisch von der Rentenversicherung zugesandt.

Weiterführende Informationen bietet die von der Deutschen Rentenversicherung herausgegebene kostenlose Broschüre “Versicherte und Rentner: Informationen zum Steuerrecht“. Sie ist auch unter www.deutsche-rentenversicherung.de im Internet abrufbar.

Weitere Informationen auf den Internetseiten der Deutschen Rentenversicherung:

Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund 08.05.2014, Pressemitteilung

Kein Abzug nachträglicher Schuldzinsen nach Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht

 

Im Urteil vom 21. Januar 2014 IX R 37/12 hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) zur Frage des Abzugs nachträglicher Schuldzinsen nach Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht geäußert.

Der Kläger erwarb 1999 ein u.a. mit einer Gaststätte und mit sieben Ferienwohnungen bebautes Grundstück, aus dem er in den Streitjahren 2003 bis 2006 (negative) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielte. Wegen mangelnder Rentabilität des Gesamtobjektes versuchte der Kläger –parallel zu seinen Vermietungsbemühungen– ab Mai 2003, das Objekt zu veräußern, was letztlich 2008 gelang. Das Finanzamt ging davon aus, dass der Kläger seine Einkünfteerzielungsabsicht mit Blick auf die seit 2003 unternommenen Verkaufsbemühungen aufgegeben habe und berücksichtigte dementsprechend die vom Kläger in den Streitjahren ermittelten Einkünfte aus der Immobilie nicht. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage in diesem Punkt teilweise statt. Es ging zwar auch davon aus, dass der Kläger seine Einkünfteerzielungsabsicht schon 2003 aufgegeben habe; unbeschadet dessen seien die in den Streitjahren vom Kläger gezahlten „nachträglichen Schuldzinsen“ aber nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BFH Urteil vom 20. Juni 2012 IX R 67/10, BStBl II 2013, 275) als Werbungskosten einkünftemindernd zu berücksichtigen.

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und wies die Sache an das FG zurück. Dabei hob er hervor, dass ein fortdauernder Veranlassungszusammenhang von sog. „nachträglichen Schuldzinsen“ mit früheren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht anzunehmen sei, wenn der Steuerpflichtige zwar ursprünglich mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat, seine Absicht zu einer (weiteren) Einkünfteerzielung jedoch bereits vor der Veräußerung des Immobilienobjekts aus anderen Gründen weggefallen ist.

Quelle: Bundesfinanzhof 21. Mai 2014, Pressemitteilung Nr. 38, Urteil vom 21.1.2014, IX R 37/12

Neue Regeln für Vereine – Auflage der Broschüre und ‘Vereine und Steuern’

 Ab sofort ist die gefragte Broschüre »Vereine und Steuern« wieder erhältlich. Das Sächsische Staatsministerium der Finanzen hat die nunmehr 8. Auflage des informativen Heftes herausgegeben. Vereine und deren Mitglieder erhalten damit aktualisiert und umfassend eine Grundlage für Ihre Vereinsarbeit. Verständlich erläutert und mit zahlreichen Tipps soll das Heft für die Verantwortlichen in Vereinen den Aufwand für die Beachtung der steuerlichen Rahmenbedingungen gering halten. Ein umfangreicher Anlagenteil mit verschiedenen Musterformularen und Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts macht das Heft komplett.

In Sachsen engagieren sich Ehrenamtliche in über 29.000 Vereinen freiwillig und uneigennützig für andere. Bürgerschaftliches Engagement bereichert unser gesellschaftliches Leben in vielfältiger Weise und ist in einer Vielzahl von Lebensbereichen zu finden, beispielsweise in der Jugend- und Altenhilfe oder im Natur- und Umweltschutz.

Auch der Staat fördert diesen wertvollen Beitrag zum Gemeinwohl. Die aktuelle Ausgabe der »Vereine und Steuern« enthält unter anderem Erläuterungen zum Verfahren für die Feststellung, dass die Satzung den gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorgaben entspricht. Ebenso werden Erleichterungen bei der Bildung von Rücklagen oder die flexiblen Regelungen zur Verwendung von Vereinsmitteln erläutert. Wer darüber hinaus gehende Fragen hat, kann sich gern an die Finanzämter wenden.

Finanzminister Prof. Dr. Georg Unland informiert zudem Vertreter von Vereinen in einer Vortragsreihe über »Gemeinnützige Vereine und Steuern«. Die Vereine werden zu den Terminen von ihrem zuständigen Finanzamt schriftlich eingeladen.

Die Broschüre »Vereine und Steuern« ist kostenfrei über den Broschürenversand der Sächsischen Staatsregierung bestellbar.
Tel: 0351-210 36 71/72
Web: https://publikationen.sachsen.de/bdb/artikel/11465

Direktdownload: Vereine und Steuern – Informationen über die Besteuerung gemeinnütziger Vereine (PDF – 160 Seiten – 1,9 MB)

Quelle: Sächsisches Staatsministerium der Finanzen 21.5.2014, Medieninformation

Steuerliche Hilfe für Flutopfer weiter verbessert – Aufwendungen für Haussanierung sofort komplett steuerlich absetzbar

 „Die steuerliche Hilfe für die Opfer des Hochwasser von Juni 2013 wird auf bayerische Initiative nochmal deutlich verbessert“, erklärte Finanzminister Dr. Markus Söder. Die Nichtbeanstandungsgrenze für den steuerlichen Sofortabzug von Aufwendungen für die Sanierung hochwassergeschädigter Gebäude wird vollständig aufgehoben. Dies hat die EU-Kommission jetzt bestätigt. „Damit können Sanierungsausgaben für vermietete oder betrieblich genutzte Gebäude sofort ohne Betragsobergrenze als Erhaltungsaufwand steuermindernd geltend gemacht werden“, so Söder weiter.

Bayern konnte sich mit seiner Forderung beim Bund und bei der EU durchsetzen. Die Finanzämter in Bayern wurden entsprechend unterrichtet. Damit können entstandene Sanierungskosten aufgrund des Junihochwassers 2013, die nicht durch Versicherungsleistungen, staatliche Hilfsgelder oder unentgeltliche Leistungen Dritter gedeckt werden konnten, ohne Betragsobergrenze bereits bei der Einkommensteuererklärung für 2013 sofort angesetzt werden. Die Sonderabschreibung ist Bestandteil der bereits im Juni 2013 bekannt gegebenen steuerlichen Hilfsmaßnahmen für die vom Hochwasser geschädigten Bürgerinnen und Bürger.

Auch für zukünftige Naturkatastrophen wurde die Situation für Betroffene verbessert. Der bundeseinheitliche Rahmenkatalog wurde angepasst, die Nichtbeanstandungsgrenze von 45.000 Euro auf 70.000 Euro erhöht.

Quelle: Bayerisches Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, Pressemitteilung Nr. 174, 22.05.2014

Neue Form der Umsatz-Bilanzierung wird Unternehmen Milliarden kosten

 Neufassung des internationalen Rechnungslegungsstandard IFRS / Unternehmen betroffen, die mit ihren Kunden Mehrkomponenten-Verträge abschließen / Verbraucher schließen in Deutschland jährlich 30 Millionen Verträge ab / Umsätze müssen in der Rechnungslegung in Zukunft anders abgebildet werden

Wenn Kunden einen Mobilfunkvertrag abschließen, bekommen sie meist ein Handy zum besonders günstigen Preis angeboten. Unternehmen müssen in Zukunft Umsätze nach einem neuen Standard verbuchen. Die größten Auswirkungen ergeben sich für Unternehmen, die mit ihren Kunden Mehrkomponenten-Verträge abschließen. Das sieht eine Neufassung des internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS vor, der 2017 verbindlich in Kraft treten wird. Unternehmen müssen mit einem erheblichen Aufwand und immensen Investitionen rechnen, wie Christoph Gruss, Experte für Rechnungslegung bei PwC, erläutert.

Was ändert sich für Unternehmen mit dem neuen Standard für die Umsatzrealisierung?

Christoph Gruss: Unternehmen müssen nach dem neuen Standard in Zukunft Umsätze in ihrer Rechnungslegung anders abbilden, wenn sie Produkte und die dazugehörige Dienstleistung im Paket verkaufen und der Preis für einen Teil künstlich niedrig bzw. aus Kundensicht attraktiv ist. Der Rechnungsbetrag, den der Kunde bezahlt, weicht von dem ab, der als Umsatz in Zukunft in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen wird. Das war in vielen Fällen bisher nicht der Fall.

Können Sie dafür ein Beispiel nehmen?

Gruss: Typisch sind solche Verträge in der Telekommunikationsbranche. Häufig bieten Unternehmen einen Mobilfunkvertrag über einen Zeitraum von zwei Jahren mit einer Flatrate von angenommen 20 Euro pro Monat an – die Kunden bekommen das Handy zum Discount-Preis von einem Euro. Bislang wurde dieser eine Euro für das Handy als Umsatz im Augenblick des Handyverkaufs ausgewiesen und dann bis zum Vertragsende monatlich jeweils 20 Euro. Nach dem neuen Standard müssen Unternehmen nun sehr viel klarer für jede einzelne Leistung einen relativen Marktwert ermitteln und diesen auch in ihrer Rechnungslegung entsprechend ausweisen. So könnte dann das Handy nicht mehr mit einem Euro, sondern mit 121 Euro als Umsatz in die Gewinn- und Verlustrechnung eingehen und die monatliche Flatrate nur noch mit 15 Euro, obwohl die Kunden noch immer Monat für Monat 20 Euro bezahlen.

Welche Unternehmen sind von dieser neuen Regelung davon betroffen?

Gruss: Dieser neue Standard gilt für Unternehmen, die nach dem internationalen Rechnungslegungsstandard IFRS berichten. Betroffen sind vor allem Branchen mit Kundenverträgen mit Mehrkomponenten. So zum Beispiel die Telekommunikationsbranche. Allein in Deutschland schließen Verbraucher jährlich 30 Millionen Verträge ab, bei denen sie häufig ein Handy oder ein Smartphone zu einem sehr günstigen Preis erwerben können. Aber auch in der Automobilindustrie gewinnen solche Verträge an Bedeutung. Die Automobilproduzenten bieten beim Autokauf immer häufiger Wartungsverträge für einen längeren Zeitraum an. Beim Verkauf von Heizungen oder Maschinen werden solche Serviceverträge auch immer üblicher. Die Unternehmen streben dauerhafte Kundenbeziehungen an. Sie wollen die Kunden an sich binden und mit ihnen in Kontakt bleiben.

Welche Konsequenzen hat dieser neue Ausweis der Umsatzrealisierung für Unternehmen?

Gruss: Für die Unternehmen hat dieser neue Standard einen immensen Aufwand zur Folge. Sie müssen für die Rechnungslegung Prozesse neu gestalten und die IT entsprechend anpassen. Das Problem besteht darin, alle Bestandteile von Mehrkomponenten-Verträgen separat zu bewerten und entsprechend abzubilden. Je vielfältiger die Vertragsbeziehungen sind, die ein Unternehmen zu seinen Kunden hat, desto komplexer ist es, diese Umsätze in der Rechnungslegung darzustellen. Die Kosten sind immens. Allein die Telekommunikationsbranche in Europa hat die Kosten für die Umsetzung dieser Regelung auf mehrere hundert Millionen Euro taxiert. Hochgerechnet auf alle Branchen werden die Aufwendungen daher im Milliardenbereich liegen.

Ist es überhaupt möglich, die Umsätze für jeden einzelnen Vertrag in der Rechnungslegung abzubilden?

Gruss: In der Praxis ist es in bestimmten Branchen sehr schwer möglich, jeden Vertrag einzeln zu erfassen, wie das der Standardsetzer als Grundregel vorgesehen hat. Alternativ ermöglicht der Standard unter bestimmten Voraussetzungen die Anwendung eines Portfolio-Ansatzes, bei dem ähnliche Verträge gebündelt und entsprechend bilanziert werden. Das reduziert den Aufwand ganz erheblich. Aber klar ist auch, dass es keine pauschalen Lösungen gibt. Jedes Unternehmen muss eine individuelle Antwort auf die Standardänderung finden.

Wirkt sich diese neue Form der Umsatzrealisierung auf die Gewinne aus?

Gruss: Aufgrund dieser neuen Form der Umsatzrealisierung werden unter Umständen auch Gewinne vorgezogen, weil wie das Handybeispiel zeigt, direkt beim Verkauf ein höherer Umsatz in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen wird. Dies ist gegenüber Investoren erklärungsbedürftig und deswegen auch eine Sache für Controlling und Investor Relations.

Der neue Standard tritt ja erst 2017 in Kraft. Da bleibt doch noch genügend Zeit?

Gruss: Unternehmen sollten den Aufwand nicht unterschätzen, um Systeme und Prozesse anzupassen. Die Unternehmen müssen ihre Reporting-Abläufe rechtzeitig umstellen. Vor allem können sie nach wie vor nicht auf eine standardisierte Software-Lösung zurückgreifen. Während die Telekommunikationsindustrie schon intensiv an Lösungen arbeitet, haben andere ebenfalls stark betroffene Branchen wie die Automobilbauer die Brisanz des Themas noch nicht wirklich erkannt.

Halten Sie es für möglich, dass die neue Regelung auch Geschäftsmodelle verändert?

Gruss: Eigentlich sollte das Rechnungswesen keinen Einfluss auf die Geschäftsmodelle nehmen. Aber dieser neue Standard ist so grundlegend, dass hier mit Ausnahmen von dieser Regel zu rechnen sein kann. So gibt es ja sogar schon erste Anbieter, die Verträge wieder splitten und Produkt sowie Dienstleistung separat verkaufen.

Quelle: PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft, Pressemitteilung 28.05.2014

Sondereinheit zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung hat Arbeit aufgenommen

 Zur Unterstützung der Steuerfahndung in Baden-Württemberg hat das Land nun eine Sondereinheit zur Betrugsbekämpfung eingesetzt. Sie hat vor wenigen Wochen ihre Arbeit aufgenommen.

“Mit der Sondereinheit wollen wir Hinterziehungsstrategien frühzeitig erkennen und systematische Betrugsmuster aufdecken. Dazu brauchen wir diese zentrale Einheit bei unserer Steuerfahndung. Sie ist ein weiterer Baustein in unserem Kampf gegen Steuerbetrug und für mehr Steuergerechtigkeit”, sagte der Minister für Finanzen und Wirtschaft Nils Schmid.

Die Sondereinheit soll überregional Vorfeldermittlungen durchführen und  Ansprechpartner für alle Finanzämter im Land in Sachen Steuerhinterziehung sein. Zu ihren Aufgaben gehört auch die Überwachung des Internethandels. In anderen Bundesländern bestehen ebenfalls zentrale Sondereinheiten zur Betrugsbekämpfung. Mit diesen Stellen sollen sich die Kollegen der Sondereinheit aus Baden-Württemberg künftig austauschen. “Steuerbetrüger handeln über Landesgrenzen hinweg. Daher ist der bundesweite Austausch wichtig”, so Schmid.

Die Einheit besteht aus acht Mitarbeitern. Darunter sind Steuerfahnder, Betriebs- und Umsatzsteuerprüfer und IT-Fachleute. Sie ist in Karlsruhe in der Nähe der Oberfinanzdirektion untergebracht. Die Mitarbeiter gehören organisatorisch zum Finanzamt Karlsruhe-Durlach. “Die Einrichtung der Sondereinheit war dadurch möglich, dass die neue Landesregierung das Personal bei der Steuerfahndung und der Betriebsprüfung aufgestockt hat. So schaffen wir in dieser Legislaturperiode 500 zusätzliche Stellen und 500 zusätzliche Ausbildungsplätze bei der Steuerverwaltung”, erklärte der Minister.

Quelle: Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg 2.6.2014, Pressemitteilung

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin