Schwarzarbeit wird nicht bezahlt (BGH)

 Der u.a. für das Bauvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat hat heute entschieden, dass ein Unternehmer, der bewusst gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes* (SchwarzArbG) verstoßen hat, für seine Werkleistung keinerlei Bezahlung verlangen kann.

Der Beklagte beauftragte die Klägerin 2010 mit der Ausführung der Elektroinstallationsarbeiten. Vereinbart wurde ein Werklohn von 13.800 € einschließlich Umsatzsteuer sowie eine weitere Barzahlung von 5.000 €, für die keine Rechnung gestellt werden sollte. Die Klägerin hat die Arbeiten ausgeführt, der Beklagte hat die vereinbarten Beträge nur teilweise entrichtet.

Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Der VII. Zivilsenat hat die Entscheidung des Berufungsgerichts bestätigt.

Sowohl die Klägerin als auch der Beklagte haben bewusst gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen, indem sie vereinbarten, dass für die über den schriftlich vereinbarten Werklohn hinaus vereinbarte Barzahlung von 5.000 € keine Rechnung gestellt und keine Umsatzsteuer gezahlt werden sollte. Der gesamte Werkvertrag ist damit wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig, so dass ein vertraglicher Werklohnanspruch nicht gegeben ist (BGH, Urteil vom 1. August 2013, VII ZR 6/13, NJW 2013 S. 3167).

Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Ausgleich der Bereicherung des Beklagten zu, die darin besteht, dass er die Werkleistung erhalten hat. Zwar kann ein Unternehmer, der aufgrund eines nichtigen Vertrags Leistungen erbracht hat, von dem Besteller grundsätzlich die Herausgabe dieser Leistungen, und wenn dies nicht möglich ist, Wertersatz verlangen. Dies gilt jedoch gem. § 817 Satz 2 BGB** nicht, wenn der Unternehmer mit seiner Leistung gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat. Das ist hier der Fall. Entsprechend der Zielsetzung des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes, die Schwarzarbeit zu verhindern, verstößt nicht nur die vertragliche Vereinbarung der Parteien gegen ein gesetzliches Verbot, sondern auch die in Ausführung dieser Vereinbarung erfolgende Leistung.

Der Anwendung des § 817 Satz 2 BGB stehen die Grundsätze von Treu und Glauben nicht entgegen. Die Durchsetzung der vom Gesetzgeber mit dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verfolgten Ziele, die Schwarzarbeit effektiv einzudämmen, erfordert eine strikte Anwendung dieser Vorschrift. Insoweit ist eine andere Sicht geboten, als sie vom Senat noch zum Bereicherungsanspruch nach einer Schwarzarbeiterleistung vertreten wurde, die nach der alten Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit zu beurteilen war (BGH, Urteil vom 31. Mai 1990, VII ZR 336/89, BGHZ 111 S. 308).

Urteil vom 10. April 2014, VII ZR 241/13
Vorinstanz: LG Kiel – Urteil vom 5. Februar 2013, 11 O 209/11
Vorinstanz: OLG Schleswig – Urteil vom 16. August 2013, 1 U 24/13

*§ 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG

Schwarzarbeit leistet, wer Dienst- oder Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt und dabei als Steuerpflichtiger seine sich aufgrund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt.

**§ 817 BGB

War der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat, so ist der Empfänger zur Herausgabe verpflichtet. Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, es sei denn, dass die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand; das zur Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit Geleistete kann nicht mehr zurückgefordert werden.

Quelle: Bundesgerichtshof 10.4.2014, Mitteilung der Pressestelle Nr. 62/2014

Studieren und Steuersparen: So geht es

Wer bereits eine Ausbildung gemacht oder ein Studium abgeschlossen hat, kann die Kosten für ein anschließendes Studium steuerlich als Werbungskosten abziehen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) kürzlich bestätigt. Damit hat das Gericht viele Studierende enttäuscht, die nun auf ihren Kosten für das Erststudium sitzen bleiben. Doch wer geschickt agiert, kann beim Fiskus trotz des Urteils günstiger wegkommen. Der Bund der Steuerzahler erklärt, wie es geht.

Das Einkommensteuerrecht unterscheidet zwischen einer Erst- und einer Zweitausbildung bzw. -studium. Während die Kosten für eine zweite Ausbildung oder ein zweites Studium als Werbungskosten geltend gemacht werden können, können Kosten für ein Erststudium nur als Sonderausgabe berücksichtigt werden. Der kleine, aber feine Unterschied: Werbungskosten können unbegrenzt abgezogen und Verluste in spätere Berufsjahre mitgenommen werden.

Bei den Sonderausgaben ist die Lage anders. Ausbildungskosten können hier nur bis zu einem Betrag von maximal 6.000 Euro im Jahr genutzt werden. Ein Verlustvortrag auf spätere Jahre ist ausgeschlossen. Der Sonderausgabenabzug bringt vielen Studierenden daher nichts, denn sie erzielen während des Studiums keine oder nur geringe Einnahmen, so dass sich der Sonderausgabenabzug bei ihnen gar nicht lohnt. Der Bundesfinanzhof hat diese Rechtslage in einem ersten Urteil bestätigt (Az. VIII R 22/12). Die Folge: Nur wer eine zweite Ausbildung oder ein zweites Studium absolviert, kommt gegebenenfalls steuerlich günstiger weg.

Allerdings hat die Rechtsprechung mehrfach entschieden, dass nicht zwingend eine betriebliche Ausbildung erforderlich ist. Als Ausbildung können bereits eine Schulung und Lehrgänge gelten, die berufsbezogene Kenntnisse vermitteln. Voraussetzung ist, dass damit eine berufliche Qualifikation erworben wird, mit der anschließend eine Vollzeiterwerbstätigkeit möglich ist. Anerkannt sind z.B. die Ausbildung zur Flugbegleiterin, die Lizenz zum Berufskraftfahrer oder die Ausbildung zum Rettungsassistenten im Rahmen des Zivildienstes. Lohnend ist der Umweg über solche Schulungen vor allem, wenn die anschließende Ausbildung sehr hohe Kosten verursacht, wie zum Beispiel bei Piloten, eine teure Privatuni besucht wird oder ein kostenpflichtiges Auslandssemester im Rahmen des Studiums geplant ist.

Quelle: Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen e.V. 4.4.2014, Presseinformation 8/2014

Musikwiedergabegerät in einer Spielhalle nicht vergnügungsteuerpflichtig

Die Stadt Germersheim darf keine Vergnügungsteuer für ein in einer Spielhalle betriebenes Musikwiedergabegerät erheben. Dies hat das Verwaltungsgericht Neustadt in einem Eilverfahren entschieden.

Die Antragstellerin betreibt in Germersheim eine Spielhalle, in der mehrere Spielgeräte mit und ohne Gewinnmöglichkeit aufgestellt sind. An den Öffnungstagen nimmt sie morgens ein Musikwiedergabegerät in Betrieb und schaltet dieses nach Geschäftsschluss wieder aus. Für diese Musikbeschallung erhebt sie kein Entgelt von den Besuchern der Spielhalle.

Die Stadt vertritt die Auffassung, dass das Vorhalten des Musikwiedergabegeräts der Vergnügungsteuer unterfalle, und hat die Betreiberin deshalb zur Zahlung herangezogen. Hiergegen erhob diese Widerspruch und wandte sich zugleich mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht.

Das Gericht hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Vergnügungsteuerbescheid angeordnet und zur Begründung seiner Entscheidung folgendes ausgeführt: Nach der Satzung der Stadt Germersheim erhebe diese Vergnügungsteuer für die im Stadtgebiet veranstalteten Vergnügungen gewerblicher Art, u. a. für das Halten von Unterhaltungsgeräten sowie Einrichtungen zur Wiedergabe von Musikdarbietungen an Orten, die der Öffentlichkeit zugänglich seien. Die Vorhaltung und – für die Besucher – unentgeltliche Inbetriebnahme eines Musikwiedergabegeräts durch einen Spielhallenbetreiber stelle aber keinen Vergnügungsteuer auslösenden Tatbestand dar. Denn das Halten des Unterhaltungsgeräts bzw. der Einrichtung zur Wiedergabe von Musikdarbietungen erfolge nicht zum Zweck einer musikalischen Vergnügung gewerblicher Art. Die Musik werde vielmehr lediglich bei Gelegenheit einer gewerblichen Vergnügung in Gestalt des Haltens von vergnügungssteuerpflichtigen Spielgeräten in der Spielhalle abgespielt. Nicht die Musikdarbietung sei die Vergnügung gewerblicher Art, sondern das Halten der Spielgeräte mit und ohne Gewinnmöglichkeit.

Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt werden.

Quelle: VG Neustadt, Pressemitteilung vom 17.04.2014 zum Beschluss 1 L 215/14.NW vom 11.04.2014

So geht Steuervereinfachung heute!

BdSt legt Broschüre mit konkreten Vorschlägen vor

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) hat eine Broschüre mit Vorschlägen zur Steuervereinfachung vorgelegt. Die Broschüre „Steuervereinfachung – Baukasten für die 18. Legislaturperiode“ enthält das „Kleine 1 x 1 der Steuervereinfachung“. Der BdSt gibt der Politik damit eine gute Hilfe an die Hand, um wesentliche Schritte noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen. „Der Gesetzgeber muss bei dem Thema Steuervereinfachung mehr Engagement zeigen“, fordert BdSt-Präsident Reiner Holznagel.

„Dabei muss in erster Linie an die Steuerzahler gedacht werden und weniger an die Finanzverwaltung.“ Handlungsbedarf zeigt auch ein aktueller Vorstoß des Bundesrates. Die Länderkammer hatte im März ein Steuervereinfachungsgesetz beschlossen. Darin sind gute Ansätze: Danach sollen etwa die steuerlichen Pauschbeträge für Menschen mit Behinderung angepasst werden. Dies hat der Gesetzgeber zuletzt im Jahr 1975 getan. Der Gesetzentwurf enthält aber auch viele Verschärfungen für die Steuerzahler. Es geht auch anders, wie die BdSt-Broschüre zur Steuervereinfachung verdeutlicht.

„Zudem gibt es ausreichend Spielraum, um die Bürger zu entlasten“, sagt Holznagel. Lohnerhöhungen dürfen nicht durch höhere Steuern aufgezehrt werden. „Der Gesetzgeber muss jetzt die Initiative ergreifen und die kalte Progression abbauen“, fordert Holznagel. Erste Zahlen zur bevorstehenden Mai-Steuerschätzung zeigen, dass die Steuereinnahmen weiter steigen werden. Das Einnahmeplus dürfte vor allem auf den Lohn- und Einkommensteuern der vielen fleißigen Arbeitnehmer und Unternehmer beruhen.

Die Broschüre zur Steuervereinfachung finden Sie auf der Homepage des BdSt.

Quelle: BdSt, Pressemitteilung vom 17.04.2014

Die Bremer Tourismusabgabe („Citytax“) ist nicht verfassungswidrig

Die in Bremen und Bremerhaven seit Januar 2013 erhobene Tourismusabgabe auf entgeltliche Übernachtungen in Hotels, Ferienwohnungen, Campingplätzen und ähnlichen Beherbergungsbetrieben ist nicht verfassungswidrig.

Die Klage eines Hotelbetreibers gegen die Tourismusabgabe hat der 2. Senat des Finanzgerichts Bremen mit Urteil vom 16. April 2014 (2 K 85/13 <1>) abgewiesen. Gegen das Urteil ist aber die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen worden. Der Rechtsweg ist also noch nicht ausgeschöpft.

Die Tourismusabgabe wird in Bremen und Bremerhaven als indirekte, auf die Gäste abwälzbare Steuer in Höhe von maximal 3,- Euro pro Übernachtung von den Betreibern von Beherbergungsbetrieben erhoben, wenn Übernachtungen der Gäste nicht beruflich veranlasst sind.

Ein Hotelbetreiber machte vor dem Finanzgericht gegen die Tourismusabgabe geltend, dass sie mit der Umsatzsteuer gleichartig sei, das Recht der Gäste auf Datenschutz verletze, an einem strukturellen Vollzugsdefizit leide und Hotelbetreibern eine unzumutbare Mitwirkung bei der Steuererhebung auferlege. Diesen Argumenten folgte das Finanzgericht Bremen nicht. Nach Auffassung des Gerichts darf die Tourismusabgabe beim Hotelbetreiber als Steuerschuldner erhoben werden. Das bremische Tourismusabgabengesetz sei so ausgestaltet, dass es nicht gegen das Grundgesetz verstoße. Die Überprüfung, ob Angaben des Gastes zu beruflich veranlassten Übernachtungen richtig seien, obliege allein der Finanzbehörde und nicht den Beherbergungsbetrieben.

Quelle: FG Bremen, Pressemitteilung vom 17.04.2014 zum Urteil 2 K 85/13 vom 16.04.2014

„Cum-ex-Geschäfte“: Kein wirtschaftliches Eigentum des Anteilserwerbers

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 16.04.2014 über die vieldiskutierte Rechtsfrage der „Cum-ex-Geschäfte“ entschieden, bekanntlich einem Handel von Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenberechtigung rund um einen Dividendenstichtag, der bei bestimmter Gestaltung die Gefahr einer doppelten/mehrfachen Anrechnung von (einmal erhobener) Kapitalertragsteuer in sich trägt (Rechtslage vor 2012).

Konkret ging es um einen Erwerb von Aktien eines börsennotierten inländischen Unternehmens „cum“ Dividendenanspruch von einem ausländischen Broker im außerbörslichen Handel (sog. OTC [=over the counter]-Geschäft). Eine Lieferung der Aktien erfolgte erst nach dem Dividendenstichtag „ex“ Dividendenanspruch in das Depotkonto des Erwerbers. Grund für die Lieferung „ex“ Dividende ist der Umstand, dass die Beteiligungsgesellschaft zwischenzeitlich die Ausschüttung ihrer Gewinne beschlossen hat, die Dividende aber – noch – nicht dem Erwerber, sondern dem – bisherigen – rechtlichen Anteilseigner zuzurechnen ist. Der Erwerber erhält deswegen von dem Verkäufer als „Ersatz“ für die entgangene Dividende einen Geldausgleich. Anschließend verkauft er die Aktien nun „ex“ Dividende zurück. Dem (bisherigen) Rechtsinhaber (als Dividendenempfänger) ebenso wie dem Erwerber (als Empfänger der Ausgleichszahlung) wird der Einbehalt von Kapitalertragsteuer durch die depotverwaltenden Kreditinstitute bescheinigt. Ist der Erwerber wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien, steht womöglich auch ihm – neben dem rechtlichen Eigentümer – gegenüber der Finanzbehörde der Anspruch auf Anrechnung oder Erstattung der Kapitalertragsteuer zu.

Der BFH hat ein derartiges wirtschaftliches Eigentum des Erwerbers (einer GmbH) nun für den Fall verneint, dass auf der Grundlage des konzeptionellen und standardisierten Vertragsgeflechts eines Kreditinstituts – erstens – das Kreditinstitut den Anteilserwerb fremdfinanziert, – zweitens – der Erwerber die Aktien unmittelbar nach Erwerb dem Kreditinstitut im Wege einer sog. Wertpapierleihe (bis zum Rückverkauf) weiterreicht und – drittens – er das Marktpreisrisiko der Aktien im Rahmen eines sog. Total Return Swap-Geschäfts auf das Kreditinstitut überträgt. Dann ist der Erwerber nicht in der Lage – wie aber für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums erforderlich – den rechtlichen Eigentümer aus seiner Stellung zu verdrängen. Infolgedessen erzielt er aus den Aktien keine Kapitaleinkünfte. Damit fehlt es aber an einer Grundlage für einen Anspruch auf Erstattung oder Anrechnung von Kapitalertragsteuer.

Der BFH hat die Sache auf dieser Basis an die Vorinstanz, das Finanzgericht Hamburg, zurückverwiesen, das aber nur, weil noch Ungewissheiten über die Höhe der festzusetzenden Körperschaftsteuer bestanden.

Die entsprechende Urteilsformel wurde vom I. Senat des BFH am 16.04.2014 unter kurzer Angabe der tragenden Entscheidungsbegründung verkündet. Die schriftlich ausformulierten Urteilsgründe werden den Beteiligten voraussichtlich in den nächsten zwei Monaten zugestellt.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 30/14 vom 17.04.2014 zum Urteil I R 2/12 vom 16.04.2014

Rheinland-pfälzische Vorschläge zur AN-Selbstveranlagung: Zukunftsmusik?

Der demografische Wandel rüttelt die Geister der Politik sowie der Finanzverwaltung wach: Mehr denn je spukt der Begriff der Selbstveranlagung durch die politische Erörterung. Spricht bereits der Koalitionsvertrag davon, dass das Verfahrensrecht hin zu einem Selbstveranlagungsverfahren beginnend mit der Körperschaftsteuer weiterentwickelt werden soll, ruft nun auch der rheinland-pfälzische Finanzminister Dr. Carsten Kühl 15 Vorschläge zur schrittweisen Einführung der Selbstveranlagung bei der Einkommensteuer auf die Tagesordnung. Gleich zweimal erörterte die Praxis jüngst diese Überlegungen engagiert mit Politik, Finanzverwaltung sowie Wissenschaft während gut besuchter Fachgespräche.
Was verbirgt sich hinter den Modellüberlegungen?
Mit der auf der Internetseite des rheinland-pfälzischen Finanzministeriums veröffentlichten Modellbeschreibung soll eine Lösung zur Steigerung der Effizienz des Verwaltungsvollzugs angeboten werden. Darüber hinaus soll damit den in der Massenveranlagung zu erwartenden Vollzugsdefiziten und einer entsprechenden Absenkung der Qualität des Verwaltungsvollzugs begegnet werden: Sowohl der demografische Wandel als auch die den öffentlichen Haushalten auferlegten Sparzwänge führten mittelfristig zu einer Reduzierung des Personals in den Finanzämtern.

Der Systemwechsel solle sukzessive beginnen, um die technischen und rechtlichen Anpassungen zu erleichtern. Als ersten Schritt haben die Vorschläge lediglich einfach gelagerte Arbeitnehmerfälle im Fokus, da hier eine Vielzahl von Daten bereits elektronisch bei der Finanzverwaltung vorliegen oder in absehbarer Zeit vorliegen werden.

Grundvoraussetzung sei die vollelektronische, vorausgefüllte Steuererklärung. Flankierend soll die Selbstveranlagung durch eine Vereinfachung des Steuerrechts erleichtert werden. Als Vorteil für den Steuerpflichtigen gelte insbesondere eine beschleunigte Auszahlung einer etwaigen Steuererstattung.

Gibt es Anlass zur Besorgnis?
Die mit der Praxis geführten Erörterungen belegen, dass ein solcher Systemwechsel insgesamt noch sehr kritisch gesehen wird und zeitnah nicht umsetzbar ist. Das bestehende Risikomanagement der Finanzverwaltung müsse dringend überarbeitet werden, da bereits derzeit die Steuerfälle vielfach ausgesteuert würden und dann mit erheblichem Mehraufwand manuell bearbeitet werden müssten. Auch die bundesweit uneinheitliche IT-Landschaft bedürfte einer grundlegenden Anpassung.

Die Steuerberaterschaft hob u. a. die gewichtige Bedeutung des Steuerbescheids hervor. Würde er durch die Selbstveranlagung abgeschafft, käme es zu Friktionen zu anderen AN-Lebensbereichen: Der Bescheid sei insbesondere zur Vorlage bei Krankenkassen, bei Wohngeld- oder aber BaFöG-Anträgen notwendig. Zudem müsste der erheblichen Verlagerung der Verantwortung für eine ordnungsgemäße Steuerfestsetzung auf den Steuerpflichtigen oder seinen Berater sowie dem damit einhergehenden Mehraufwand durch mehr Entgegenkommen seitens der Finanzverwaltung begegnet werden. Zur Förderung der Akzeptanz eines Systemwechsels müssten u. a. die Nachforderungen von Belegen deutlich reduziert und die Möglichkeit der elektronischen Übertragbarkeit von Belegen geschaffen werden. Eine Anhebung des Sanktionssystems – wie es in anderen Ländern (bspw.: USA, Großbritannien) für das Selbstveranlagungsverfahren vorgesehen ist – sei nicht hinnehmbar.

Maßgebliche Vertreter aus Politik, Finanzverwaltung und Wissenschaft diskutierten mit dem Plenum die Chancen und Risiken eines solchen Systemwechsels während der Veranstaltung „Steuererklärung leicht gemacht – Das Projekt Selbstveranlagung“ in der Landesvertretung Rheinland-Pfalz, Berlin, im April. Für den Steuerberaterverband Hessen e.V. brachte sich sein Präsident StB Burkhard Köhler sowie für den Deutschen Steuerberaterverband e.V. RAin/StBin Sylvia Mein in das Fachgespräch ein. An dem vom Finanzministerium Rheinland-Pfalz im Februar in Mainz ausgerichteten Fach-Workshop nahm für den Steuerberaterverband Rheinland-Pfalz e.V. sein Präsident StB/vBP Wolfgang Roth teil.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage des DStV.

Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e.V., Mitteilung vom 17.04.2014

Beendigung der Konzernbesteuerung mit Insolvenzeröffnung

Mit Beschluss vom 19.03.2014 (V B 14/14) äußert der Bundesfinanzhof (BFH) ernstliche Zweifel am Fortbestand der umsatzsteuerrechtlichen Konzernbesteuerung (Organschaft) im Insolvenzfall.

Die umsatzsteuerrechtliche Organschaft führt zu einer Zusammenfassung mehrerer Unternehmen zu einem Steuerpflichtigen. Leistungsbeziehungen zwischen diesen Unternehmen werden nicht mehr besteuert. Die Konzernobergesellschaft (Organträger) ist Steuerschuldner auch für die Umsätze, die andere eingegliederte Konzerngesellschaften (Organgesellschaften) gegenüber Dritten ausführen. Soweit die Steuerschuld des Organträgers auf der Umsatztätigkeit einer Organgesellschaft beruht, steht dem Organträger ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch gegen die Organgesellschaft zu. Die Organschaft soll nach ihrer gesetzlichen Konzeption der Steuervereinfachung dienen.

Im Streitfall wurde sowohl über das Vermögen des Organträgers als auch bei den Organgesellschaften das Insolvenzverfahren eröffnet und jeweils Eigenverwaltung angeordnet. Aufgrund der Eigenverwaltung gingen Finanzamt (FA) und Finanzgericht davon aus, dass die Organschaft fortbestanden habe. Danach hatte der Organträger die Umsätze der Organgesellschaften auch während des Insolvenzverfahrens weiter zu versteuern.

Dem trat der BFH mit seinem – im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen und zur amtlichen Veröffentlichung bestimmten – Beschluss entgegen. Danach ist es grundsätzlich zweifelhaft, ob die Organschaft im Insolvenzverfahren fortbestehen kann. Dies gilt unabhängig davon, ob das Insolvenzgericht einen Insolvenzverwalter bestellt oder Eigenverwaltung anordnet.

Der BFH begründet seine Entscheidung mit den aufgrund der Insolvenzeröffnung nur noch eingeschränkten Möglichkeiten zur Anspruchsdurchsetzung. So ist im Insolvenzverfahren des Organträgers die auf die Umsatztätigkeit der Organgesellschaft entfallende Umsatzsteuer keine Masseverbindlichkeit und kann daher vom FA nicht durch Steuerbescheid gegen den Organträger festgesetzt werden. In der Insolvenz der Organgesellschaft ist der Organträger zudem nicht berechtigt, seinen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch gegen die Organgesellschaft als Masseverbindlichkeit geltend zu machen. Die Entscheidung im Hauptsacheverfahren steht noch aus.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 29/14 vom 16.04.2014 zum Beschluss V B 14/14 vom 19.03.2014

Alleinstehender Arbeitnehmer kann in seinem Elternhaus einen eigenen Hausstand unterhalten

Der 6. Senat des Finanzgerichts Münster hat mit Urteil vom 12. März 2014 (Az. 6 K 3093/11 E) zu der Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen ein alleinstehender Arbeitnehmer in seinem Elternhaus einen eigenen Hausstand unterhält.

Der im Streitjahr 27 Jahre alte Kläger bewohnt das ausgebaute Dachgeschoss (ca. 30 m² Wohnfläche) im Haus seiner Mutter. Küche und Badezimmer befinden sich im Erdgeschoss. Dem Kläger stehen im Dachgeschoss eine Spüle, ein Kühlschrank, eine Mikrowelle und ein Wasserkocher zur Verfügung. Miete zahlt er nicht, beteiligt sich aber an den Hauskosten und führt Reparaturen am Haus und Gartenarbeiten durch. Im Streitjahr nahm er – unmittelbar nach Beendigung seines Studiums – eine Beschäftigung auf und mietete zu diesem Zweck eine etwa 45 m² große Wohnung am Beschäftigungsort an. Das Finanzamt erkannte die vom Kläger geltend gemachten Kosten für eine doppelte Haushaltsführung nicht an, weil er im Haus seiner Mutter keinen eigenen Hausstand unterhalte.

Die Klage hatte Erfolg. Der Senat habe den Eindruck gewonnen, dass der Kläger das Bad und die Küche zwar gemeinsam mit seiner Mutter, jedoch von dieser unabhängig und eigenständig im Sinne einer „Wohngemeinschaft“ nutze. Durch die vorhandene Einrichtung des Dachgeschosses sei dort eine gewisse Grundversorgung sichergestellt. Eine bauliche Abgeschlossenheit der Räume sei ebenso wenig erforderlich wie der Abschluss eines Mietvertrages. Als Indiz für den eigenen Hausstand sprächen vielmehr die Beteiligung an den Hauskosten und die Übernahme von Reparatur- und Gartenarbeiten durch den Kläger. Zudem sei die Wohnung am Beschäftigungsort nur unwesentlich größer als das Dachgeschoss im Elternhaus.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 15.04.2014 zum Urteil 6 K 3093/11 vom 12.03.2014  Newsletter 04/2014

Ausschluss der Abgeltungssteuer für Gesellschafterdarlehen begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken

Der 12. Senat des Finanzgerichts Münster hält in seinem Urteil vom 22. Januar 2014 (Az. 12 K 3703/11 E) den Ausschluss des Abgeltungssteuersatzes für Zinsen auf Gesellschafterdarlehen (§ 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG) nicht für verfassungsrechtlich bedenklich.

Die Klägerin hatte einer GmbH, an der sie zu 50 % beteiligt war, mehrere Darlehen gewährt. Die hierfür von der GmbH im Jahr 2009 gezahlten Zinsen unterwarf das beklagte Finanzamt dem persönlichen Steuersatz der Klägerin und verwies auf die Ausnahmevorschrift für Gesellschafterdarlehen. Die Klägerin begehrte demgegenüber die Anwendung des niedrigeren Abgeltungssteuersatzes von 30 %, da die Ausnahmevorschrift nach ihrer Ansicht verfassungswidrig sei. Der Gesetzgeber sei über den Zweck, missbräuchliche Gestaltungen zu bekämpfen, hinausgegangen. Im Streitfall beruhten die Darlehensverträge auf rationalen Entscheidungen, den Kapitalbedarf der GmbH durch Gesellschafterdarlehen zu decken und seien steuerlich anzuerkennen.

Der Senat folgte dieser Argumentation nicht und wies die Klage ab. Die Zinserträge der Klägerin unterlägen gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG ihrem persönlichen Steuersatz, weil sie zu mehr als 10 % an der GmbH beteiligt war. Die verfassungsrechtlichen Bedenken teilte der Senat nicht. Insbesondere liege kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vor. Die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Einnahmen aus Gesellschafterdarlehen gegenüber Zinsen, die von Dritten gezahlt werden, sei sachlich gerechtfertigt. Die Abgeltungssteuer sei hauptsächlich eingeführt worden, um die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland zu sichern und den Kapitalabfluss ins Ausland zu unterbinden. Demgegenüber sollte gerade kein Anreiz geschaffen werden, unternehmerisches Eigenkapital in die begünstigt besteuerte private Ebene zu verlagern. Um dies zu verhindern, seien Ausnahmeregelungen geboten. Da dem Gesetzgeber hierfür ein weiter Ermessensspielraum zustehe, dürfe er typisierend davon ausgehen, dass bei einer Beteiligung ab 10 % ein Einfluss auf die Gesellschaft bestehe, der steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten zulasse.

Die vom Senat zugelassene Revision ist am Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VIII R 15/14 anhängig.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 15.04.2014 zum Urteil 12 K 3703/11 vom 22.01.2014 (nrkr)  Newsletter 04/2014

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin