Nutzung einer spanischen Ferienimmobilie kann zu steuerpflichtigen Gewinnausschüttungen führen

BFH, Pressemitteilung Nr. 66/13 vom 02.10.2013 zum Urteil I R 109-111/10 vom 12.06.2013

Mit Urteil vom 12. Juni 2013 I R 109-111/10 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die Nutzung einer spanischen Ferienimmobilie in Deutschland zu beträchtlichen Einkommensteuerforderungen führen kann, nämlich dann, wenn die Immobilie einer spanischen Kapitalgesellschaft gehört und deren Gesellschafter als Nutzende der Immobilie in Deutschland wohnen.

Es entspricht wohl gängiger Praxis und Empfehlung einschlägiger Verkehrskreise, beim Ankauf einer spanischen Ferienimmobilie eine spanische Kapitalgesellschaft zu errichten und als Eigentümerin der Immobilie „vorzuschalten“, vorzugsweise, um spanische Wertzuwachs- und Erbschaftsteuern zu „ersparen“, aber auch aus Gründen der Haftungsbeschränkung sowie der Anonymität. Dieses Gestaltungsmodell kann jedoch in Deutschland „teuer“ werden, weil für die Immobiliennutzung meistens keine oder keine marktübliche Miete gezahlt wird und der Mietverzicht dann eine verdeckte Gewinnausschüttung der Gesellschaft an ihre Gesellschafter darstellt. Die Gesellschaft verzichtet nämlich in aller Regel nur aus Gründen des gesellschaftlichen Näheverhältnisses auf eine entsprechende „Vermögensmehrung“.

Konkret ging es um eine deutsche Familie – die Eltern und ihre beiden Kinder -, die im Jahre 2000 für rd. 2,4 Mio. DM ein 1.000 qm großes, in Porto Andratx auf Mallorca belegenes Grundstück mit einem 160 qm großen Einfamilienhaus und einem Schwimmbad erworben, „dazwischen“ aber eine spanische Sociedad Limitada, vergleichbar einer deutschen GmbH, „geschaltet“ hatte. Das Haus stand den Familienangehörigen ganzjährig zur Verfügung und wurde von ihnen zu Urlaubszwecken unentgeltlich genutzt. Das Finanzamt nahm an, dass die Nutzung steuerpflichtige verdeckte Gewinnausschüttungen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter nach sich zog. Im Einzelnen ging es für die Jahre 2001 bis 2005 um Beträge in Höhe einer geschätzten Kostenmiete zzgl. eines Gewinnzuschlags von rd. 78.000 Euro jährlich. Der BFH hat das im Grundsatz bestätigt.

Beim Kauf einer ausländischen Ferienimmobilie wird das Urteil zu beachten sein. Das gilt insbesondere für Objekte in Spanien. Allerdings ist die Gefahr einer Nachversteuerung in Deutschland insoweit von 2013 an eher gering, weil nach dem seitdem geltenden neuen deutsch-spanischen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung das Besteuerungsrecht für derartige Gewinnausschüttungen zumeist in Spanien liegen dürfte.

 

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 12.6.2013, I R 109-111/10; I R 109/10; I R 110/10; I R 111/10

Deutsches Besteuerungsrecht an verdeckter Gewinnausschüttung einer spanischen Sociedad Limitada an inländischen Anteilseigner infolge unentgeltlicher Nutzung einer Ferienimmobilie – Dividenden i.S. von Art. 10 Abs. 4 Satz 1 DBA-Spanien 1966

Leitsätze

1. Die unentgeltliche Nutzung der in Spanien belegenen Ferienimmobilie einer spanischen Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer Sociedad Limitada durch deren in Deutschland ansässige Gesellschafter kann bei den Gesellschaftern als verdeckte Gewinnausschüttung in Gestalt der verhinderten Vermögensmehrung zu behandeln sein.

 

2. Das Besteuerungsrecht an einer solchen verdeckten Gewinnausschüttung gebührt Deutschland –mit jeweils unterschiedlichen Folgen für die Anrechnung spanischer Ertragsteuern– entweder nach Art. 10 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 oder nach Art. 21 DBA-Spanien 1966, nicht aber Spanien nach Art. 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 DBA-Spanien 1966.

Tatbestand

1
I. Bei den Klägern und Revisionsbeklagten (Kläger) handelt es sich um die Eltern und um deren Sohn. Die Eltern, der Kläger zu 2. und die Klägerin zu 2./3., sind Eheleute, die im Streitjahr 2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Im Streitjahr 2001 wurde die Klägerin zu 2./3. antragsgemäß getrennt veranlagt. Streitjahre der Einkommensteuerveranlagungen des Sohnes, des Klägers zu 1., sind 2001 bis 2005.
2
Die Kläger hatten im Jahre 2000 –zusammen mit einem weiteren Sohn bzw. Bruder– je 25 Gesellschaftsanteile für jeweils 300.000 DM (= 153.387,56 EUR) an einer spanischen Kapitalgesellschaft (C-S.L.) erworben. In deren Eigentum stand ein 1.000 qm großes, in Porto Andratx auf Mallorca belegenes Grundstück, das von dem Voreigentümer der Gesellschaftsanteile mit einem 160 qm großen Einfamilienhaus mit Schwimmbad bebaut war. Im März und im April des Streitjahres 2002 verkauften die Kläger zu 2. ihre Anteile an der C-S.L. je zur Hälfte an ihre beiden Söhne. Nach Mitteilung des steuerlichen Beraters des Voreigentümers war die C-S.L. im Jahr 2001 von der spanischen Finanzbehörde geprüft und ihr im Ergebnis bestätigt worden, dass sie für die Jahre 1999 bis 2001 mangels angefallener Gewinne keine Steuern zu zahlen habe.
3
Das Grundstück stand den Klägern ganzjährig zur Verfügung. Sie nutzten es in den Streitjahren bei verschiedenen Aufenthalten zu eigenen Wohnzwecken. Ein Entgelt entrichteten sie dafür nicht. Dritten wurde das Objekt nicht überlassen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) behandelte die unentgeltliche Nutzungsüberlassung der Immobilie als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Auch wenn die Gesellschaft in Spanien von Beginn an mangels auf Gewinnerzielung gerichteter Tätigkeit keiner Einkommensbesteuerung unterliegen möge, schließe dies eine Vorteilszuwendung an den Anteilseigner, die zu inländischen Einkünften aus Kapitalvermögen führe, nicht aus. Bei der Bewertung des Vorteils sei nach der Lage und Ausstattung des Objekts die Kostenmiete in Höhe von 6 v.H. des notariell beurkundeten Kaufpreises in Höhe von 1.200.000 DM zzgl. eines Gewinnzuschlags in Höhe von 10 v.H., also rd. 8.000 DM, somit ein Jahresbetrag in Höhe von rd. 80.000 DM (= 40.903 EUR) anzusetzen. Für das Streitjahr 2001 entfalle damit auf den Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2./3. ein Betrag in Höhe von jeweils [80.000 DM x ¼ x 9/12 =] 15.000 DM, für das Streitjahr 2002 auf den Kläger zu 1. ein Betrag in Höhe von ([40.903 EUR x ¼ x 3/12 =] 2.556 EUR + [40.903 EUR x ½ x 9/12 =] 15.338 EUR) = 17.894 EUR und auf die Klägerin zu 2./3. ein Betrag von [40.903 EUR x ¼ x 3/12 =] 2.556 EUR und für die Streitjahre 2003 bis 2005 auf den Kläger zu 1. in Höhe von jeweils [40.903 EUR x ½ =] 20.451 EUR. Dementsprechend wurden die Einkommensteuern für die Streitjahre unter Änderung der vorherigen Steuerbescheide festgesetzt; die geänderten Steuerbescheide des Klägers zu 1. für 2001 bis 2003 sowie der Klägerin zu 2./3. für 2001 ergingen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO), im Übrigen nach § 164 Abs. 2 AO. Dagegen wandten die Kläger sich mit Einsprüchen.
4
Vorangegangen waren Außenprüfungen bei dem Voreigentümer der C-S.L. und sodann auch bei dem Kläger zu 1. und der Klägerin zu 2./3., nachdem im Rahmen der Außenprüfung bei dem Voreigentümer die Veräußerung der Anteile bekannt geworden war. Auf entsprechende Aufforderung des FA hatten die Kläger daraufhin die bislang unterbliebenen Anzeigen gemäß § 138 Abs. 2 Nr. 3 AO abgegeben. Der Prüfer, der den Voreigentümer geprüft hatte, äußerte aufgrund „vertraulicher Informationen“ den –allerdings nicht belegten– Verdacht, dass jener mit den Klägern zu 2. einen Kaufpreis vereinbart habe, der doppelt so hoch gewesen sei wie der tatsächlich beurkundete Kaufpreis. Der Differenzbetrag sei von einem Konto der Kläger zu 2. in der Schweiz auf ein ebenfalls in der Schweiz geführtes Konto des Voreigentümers überwiesen worden.
5
Nach Eingang berichtigter Angaben zu den für 1997 bis 2006 erklärten Einkünften aus Kapitalvermögen im Hinblick auf ein bei einem Züricher Bankhaus unterhaltenes Depot sah sich der Prüfer in seiner Annahme bestätigt. Dafür spreche zum einen ein deutlicher Rückgang der nacherklärten Zinserträge von 1999 bis 2001 um rd. 45.000 DM. Zum anderen habe die Klägerin zu 2./3. Schenkungen an ihre Söhne im März 2000 in Höhe von rd. 173.840 EUR und im März/April 2002 in Höhe von jeweils 153.387 EUR nacherklärt. Das FA teilte den Klägern daraufhin mit, dass es beabsichtige, im Rahmen der Einspruchsverfahren die Kostenmiete nunmehr mit einem Jahresbetrag in Höhe von 152.000 DM (6 v.H. von 2.400.000 DM zzgl. Gewinnzuschlags in Höhe von 8.000 DM) anzusetzen. Die vGA wurden auf dieser Basis gegenüber dem Kläger zu 1. für die Streitjahre 2004 und 2005 auf jeweils 38.858 EUR und gegenüber der Klägerin zu 2./3. für das Streitjahr 2002 auf 4.857 EUR erhöht. Für die Streitjahre 2001 (Kläger zu 1. und Klägerin zu 2./3.) sowie 2002 (Kläger zu 1.) blieb es bei den ursprünglich ermittelten Beträgen.
6
Die Klagen gegen die hiernach festgesetzten Einkommensteuern waren erfolgreich. Ihnen wurde vom Finanzgericht (FG) Düsseldorf durch Urteile vom 29. Oktober 2010  3 K 1342/09 E, 3 K 1347/09 E sowie 3 K 1239/09 E, letzteres abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2011, 556, stattgegeben.
7
Das FA stützt seine –zunächst bis zum Jahre 2012 unter den Aktenzeichen VIII R 45/10, VIII R 46/10 und VIII R 47/10 beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen– Revisionen auf Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
8
Die Kläger beantragen, die Revisionen zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9
II. Die –nach § 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu gemeinsamer Entscheidung verbundenen– Revisionen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung an das FG. Dessen Einschätzung, die unentgeltlichen Nutzungsüberlassungen seien bei den Klägern nicht als vGA zu erfassen, ist unzutreffend. Fraglich ist jedoch, ob der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) aus abkommensrechtlicher Sicht daran das Besteuerungsrecht uneingeschränkt zusteht oder ob eine etwaige in Spanien erhobene Steuer auf die Einkünfte anzurechnen ist. Die bisherigen tatrichterlichen Feststellungen insbesondere zum spanischen Steuerrecht lassen eine abschließende Entscheidung darüber durch den Senat nicht zu.
10
1. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1997/2002) gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen u.a. Gewinnanteile und sonstige Bezüge aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Zu den sonstigen Bezügen gehören auch vGA.
11
a) Anteile im vorgenannten Sinne können auch an ausländischen Kapitalgesellschaften gehalten werden, die ihrem Typus nach einer entsprechenden deutschen Gesellschaft vergleichbar sind. Das ist bei der spanischen Sociedad (de Responsabilidad) Limitada der Fall; diese Rechtsform ist mit derjenigen einer GmbH vergleichbar. Den dazu getroffenen Feststellungen des FG zum spanischen Gesellschaftsrecht ist nichts hinzuzufügen, und das ist unter den Beteiligten auch nicht umstritten (ebenso Bascopé/Hering, GmbH-Rundschau 2005, 609, 615; Verfügung der Oberfinanzdirektion Hannover vom 28. Februar 2007 S 2700 – 2 – StO 242, juris). Das gilt auch für die vom FA nicht beanstandeten Feststellungen des FG, dass sich Sitz wie Geschäftsleitung der C-S.L. in den Streitjahren in Spanien befanden.
12
b) An die Kläger als Gesellschafter der C-S.L. sind Gewinne i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1997/2002 verdeckt ausgeschüttet worden. Der entgegenstehenden Rechtsauffassung der Vorinstanz ist nicht beizupflichten.
13
Das FG stützt seine Rechtsauffassung vor allem darauf, dass die C-S.L. vor, in und nach den Streitjahren tatsächlich keine Überschüsse erzielt habe. Das mag zutreffen, tut aber nichts zur Sache. Denn festgestellt wurde auch, dass die C-S.L. den Klägern das Ferienhaus unentgeltlich ganzjährig zur jederzeitigen Nutzung überlassen und auf die Zahlung marktüblicher Entgelte verzichtet hat. Der Gewinnverzicht beruht so gesehen –aus Sicht der C-S.L.– auf einer verhinderten Vermögensmehrung in Gestalt der marktüblichen Entgelte, die nach der insoweit maßgebenden deutschen Regelungslage geeignet ist, bei der ausländischen Kapitalgesellschaft nach den auch insoweit einschlägigen Maßstäben des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1999/2002 eine vGA auszulösen (ständige Spruchpraxis des Senats, z.B. Urteile vom 5. März 2008 I R 45/07, BFH/NV 2008, 1534; vom 4. Dezember 1996 I R 54/95, BFHE 182, 123; vom 15. Mai 2002 I R 92/00, BFHE 199, 217; Gosch, KStG, 2. Aufl., § 8 Rz 253, m.w.N.; s. auch Senatsurteile vom 16. Dezember 1992 I R 32/92, BFHE 170, 354, BStBl II 1993, 399, und vom 26. August 1993 I R 44/92, BFH/NV 1994, 318), und die bei den Klägern als Anteilseignern zu entsprechenden Kapitaleinkünften gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 (i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 5) EStG 1997/2002 führt (vgl. Niedersächsisches FG, Urteil vom 21. August 2003  11 K 499/98, EFG 2004, 124). Dass es bei diesen an der –auch bei Kapitaleinkünften erforderlichen (ständige Spruchpraxis, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 9. Mai 2000 VIII R 77/97, BFHE 192, 445, BStBl II 2000, 660; vom 19. Januar 2010 X R 2/07, BFH/NV 2010, 1251)– Einkünfteerzielungsabsicht fehlt, ist indes nicht ersichtlich oder dargetan; es genügt dafür jede auch noch so geringe Ertragserwartung, auch die bloße Aussicht auf steuerbare Veräußerungsgewinne (z.B. BFH-Urteile vom 15. Dezember 1999 X R 23/95, BFHE 190, 460, BStBl II 2000, 267; vom 30. März 1999 VIII R 70/96, BFH/NV 1999, 1323; BFH-Beschluss vom 29. Oktober 1998 VIII B 43/98, juris).
14
Infolgedessen spielt es keine Rolle, ob die C-S.L. in den Streitjahren als ausländische Kapitalgesellschaft –abweichend von einer deutschen Kapitalgesellschaft (vgl. Senatsurteile in BFHE 182, 123; vom 8. Juli 1998 I R 123/97, BFHE 186, 540; vom 8. August 2001 I R 106/99, BFHE 196, 173, BStBl II 2003, 487; in BFHE 199, 217; vom 31. März 2004 I R 83/03, BFHE 206, 58; vom 17. November 2004 I R 56/03, BFHE 208, 519, und vom 22. August 2007 I R 32/06, BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961)– über eine sog. außerbetriebliche Sphäre verfügt haben mag. Denn auch die prinzipielle Existenz einer solchen außerbetrieblichen Sphäre ist nach Maßgabe des insoweit ausschlaggebenden deutschen Rechtsverständnisses in casu unbeachtlich, wenn die Gewinnlosigkeit gerade darauf beruht, dass die Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern auf ein angemessenes Entgelt verzichtet. So aber verhält es sich nach den tatrichterlichen Feststellungen in den Streitfällen. Die Absicht –so das FG–, „eine Ferienimmobilie ohne steuerliche Belastungen nutzen zu können“, widerspricht dem jedenfalls ebenso wenig wie die Erkenntnis, dass „eine erwerbswirtschaftliche, auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit der (C-S.L.) durch Teilnahme am Marktgeschehen … weder bei ihrer Gründung noch später beabsichtigt“ gewesen sei. Ausschlaggebend ist allein, dass der konstatierte Gewinnverzicht auf letztlich in der Gesellschafterstellung der Eignerfamilie und deren persönlichen Freizeitinteressen wurzelnden Umständen gründet; Gegenteiliges ist weder ersichtlich noch dargetan. Es erübrigen sich damit zugleich Überlegungen dazu, ob auch eine Kapitalgesellschaft, welche steuerrechtlich einen sog. Liebhabereibetrieb unterhält, Kapitaleinkünfte i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1997/2002 vermitteln kann.
15
2. Deutschland ist durch abkommensrechtliche Vereinbarungen nicht gehindert, den Besteuerungszugriff auf die vGA wahrzunehmen. Ungewiss ist nach den bislang getroffenen Feststellungen des FG lediglich, ob dies uneingeschränkt oder aber infolge anteiliger Anrechnung einer in Spanien erhobenen Ertragsteuer in nur eingeschränkter Weise der Fall ist. Das hängt von der Besteuerungszuordnung nach Maßgabe des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 5. Dezember 1966 (BGBl II 1968, 10, BStBl I 1968, 297) –DBA-Spanien 1966– ab.
16
a) Nach Art. 10 Abs. 1 DBA-Spanien 1966 können Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, im anderen Staat besteuert werden. Dividenden bedeuten nach der in Art. 10 Abs. 4 Satz 1 DBA-Spanien 1966 gegebenen abkommenseigenen (und Art. 10 Abs. 3 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development –OECD– zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen –OECD-MustAbk– entsprechenden) Definition –erstens– Einkünfte aus Aktien, Genussrechten oder Genussscheinen, Kuxen, Gründeranteilen oder –zweitens– Einkünfte aus anderen Rechten –ausgenommen Forderungen– mit Gewinnbeteiligung sowie –drittens– aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte, die nach dem Steuerrecht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind.
17
aa) Unter den Gegebenheiten der Streitfälle unterfallen Gewinne, die von einer spanischen Sociedad Limitada als einer in Spanien ansässigen Gesellschaft (Art. 3 Abs. 1 Buchst. f, Art. 4 Abs. 1 DBA-Spanien 1966) verdeckt an ihre Anteilseigner ausgeschüttet werden, weder der ersten noch der zweiten Untergruppe: Zu der ersten Untergruppe gehören sie nicht, weil die Ausschüttungen aus keiner der dort genannten Einkunftsquellen generiert werden. Der zweiten Untergruppe könnten die Gewinne zwar zuzuordnen sein, folgt man dem bloßen Regelungswortlaut; es ließen sich danach durchaus Einkünfte aus „anderen Rechten“ mit Gewinnbeteiligung annehmen. Doch widerspräche ein solches wortlautgetreues Regelungsverständnis der historischen und wohl auch systematischen Bedeutung jener Untergruppe. Nach der Regelungshistorie werden davon nur in Wertpapieren verbriefte Beteiligungsrechte erfasst, welche Anteile an einer GmbH oder –hier– einer Sociedad Limitada indessen nicht verkörpern. Bei richtiger Lesart kommt der zweiten Untergruppe sonach weniger die Umschreibung einer eigenen Definition von Dividenden im Abkommenssinne zu; vielmehr werden bloß deklaratorisch Beteiligungsrechte gegenüber (Zins-)Forderungen abgegrenzt und die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Gewinnbeteiligung als Kernmerkmal solcher Rechte aus Gewinnanteilen herausgestellt (zutreffend Tischbirek in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 10 Rz 198; Schönfeld in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 10 Rz 172). Dieses Verständnis wird durch die in Nr. 24 des OECD-Musterkommentars (OECD-MustKomm) zu Art. 10 OECD-MustAbk aufgelisteten Beispielsfälle bestätigt.
18
bb) Einschlägig ist nach allem also die dritte definitorische Untergruppe: VGA führen danach nur dann zu Dividendeneinkünften, wenn sie nach dem Steuerrecht Spaniens als desjenigen Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, als aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte entsprechenden Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind (z.B. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 10 MA Rz 140; Grützner in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 10 OECD-MA Rz 159 ff., 159/4; Gohr in Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA Deutschland/USA, Art. 10 Rz 157; im Ergebnis auch Schönfeld in Schönfeld/Ditz, a.a.O., Art. 10 Rz 136; s. abgrenzend für den Fall einer Schweizer Aktiengesellschaft, deren Ausschüttungen der ersten Untergruppe unterfallen, Senatsurteile in BFHE 170, 354, BStBl II 1993, 399, und in BFH/NV 1994, 318; ferner Senatsurteil vom 6. Juni 2012 I R 6, 8/11, BFHE 237, 346, BStBl II 2013, 111; unklar Gradel in Strunk/ Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Art. 10 OECD-MA Rz 80.1 ff.; Gaffron in Haase, AStG/DBA, 2. Aufl., Art. 10 MA Rz 129 f.).
19
Die Vorinstanz geht unter Zitierung von Herlinghaus (in Wassermeyer, a.a.O., Anhang Spanien Rz 35) davon aus, dass eine solche Gleichstellung bei einer vGA in Gestalt der verhinderten Vermögensmehrung nach spanischem Steuerrecht nicht erfolgt, hat das aber nicht weiter geprüft, was nachzuholen sein wird. Zweierlei gilt es dabei zu beachten: Zum einen kommt es für die spanische Besteuerung auf die allgemeine Rechtslage nach den spanischen Steuergesetzen an, nicht aber darauf, ob diese Gesetze mit entsprechenden Rechtsfolgen auch konkret auf die C-S.L. angewandt und wie die vGA bei dieser konkret behandelt worden sind (vgl. z.B. Kaeser/Wassermeyer, a.a.O., Art. 10 MA Rz 116, 149). Zum anderen –und vor allem– hält es der Senat unbeschadet der nach Maßgabe der dritten definitorischen Untergruppe in Art. 10 Abs. 4 DBA-Spanien 1966 angeordneten Qualifikationsverkettung (und entgegen der erwähnten Rechtsmeinung von Herlinghaus) nicht für ausschlaggebend, ob die spanischen Steuergesetze eine vGA in ihrer konkreten Ausprägung der verhinderten Vermögensmehrung kennen. Aus abkommensrechtlicher Sicht reicht es aus, wenn eine vGA als Rechtsinstitut mit der hiermit verbundenen Rechtsfolge der Einkommenserhöhung qualifiziert wird. Nationalrechtliche Besonderheiten bleiben unbeachtlich (in vergleichbarer Weise ebenso einschränkend wie verallgemeinernd auch Aigner, Internationales Steuerrecht 2003, 154).
20
cc) Liegen in diesem Sinne Dividenden nach Art. 10 Abs. 4 DBA-Spanien 1966 vor, steht das Besteuerungsrecht daran wegen der Ansässigkeit der Kläger Deutschland zu.
21
aaa) Der Umstand, dass eine vGA in Gestalt der verhinderten Vermögensmehrung im tatsächlichen Wortsinne nicht „gezahlt“, vielmehr „erspart“ wird, schadet nicht. Der Begriff des Zahlens i.S. von Art. 10 Abs. 1 DBA-Spanien 1966 (und damit Art. 10 Abs. 1 OECD-MustAbk) ist weit zu begreifen und umschreibt sämtliche Formen der Erfüllung des Dividendenanspruchs („Zahlung ist die Zuwendung jeden Vorteils, der nach Abs. 3 (OECD-MustAbk) als Dividende zu qualifizieren ist“ so Tischbirek in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 10 Rz 22; ebenso z.B. Kaeser/Wassermeyer, a.a.O., Art. 10 MA Rz 45 f.; Schönfeld/ Ditz, a.a.O., Art. 10 Rz 61 ff., jeweils m.w.N.). Dem entspricht das einschlägige Verständnis des OECD-Musterkommentars, dort Nr. 7 zu Art. 10 OECD-MustAbk.
22
bbb) Bei den in Rede stehenden vGA handelt es sich nicht um Nutzungsentgelte, welche unter Art. 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 DBA-Spanien 1966 fallen und deswegen nach Art. 6 Abs. 4 DBA-Spanien 1966 eine gegenüber Art. 10 Abs. 1 DBA-Spanien 1966 vorrangige Besteuerungszuordnung an Spanien als sog. Belegenheitsstaat begründen.
23
Nach Art. 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 DBA-Spanien 1966 gelten Einkünfte aus der unmittelbaren Nutzung, der Vermietung oder Verpachtung sowie jeder anderen Art der Nutzung unbeweglichen Vermögens als Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, die in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem dieses Vermögen liegt. Folgt man erneut nur dem Regelungswortlaut, ließen sich durchaus auch die Gewinnanteile einer zwischengeschalteten Immobiliengesellschaft als derartige Nutzungseinkünfte auffassen; der Anteilseigner einer solchen Gesellschaft wäre dann dem Inhaber eines beschränkten dinglichen Rechts gleichzustellen (so denn auch Reimer in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 6 Rz 8, 98). Überwiegend wird eine solche Lesart jedoch abgelehnt. Dass sich die tatsächliche Nutzung auf das Grundstück bezieht, soll nicht genügen (umfassend z.B. Wassermeyer, a.a.O., Art. 6 MA Rz 22; Kaeser/Wassermeyer, ebenda, Art. 10 MA Rz 115; Kerssenbrock in Strunk/Kaminski/Köhler, a.a.O., Art. 6 OECD-MA Rz 15), und das entspricht wohl auch dem einschlägigen Verständnis der OECD jedenfalls in deren Musterkommentar. Der Senat schließt sich dem an (s. zu einem engen Verständnis des Unmittelbarkeitserfordernisses in Art. 6 Abs. 3 OECD-MustAbk auch Senatsurteil vom 28. April 2010 I R 81/09, BFHE 229, 252). Denn die von Art. 6 Abs. 3 DBA-Spanien 1966 verlangte unmittelbare Nutzung der Immobilie ist systematisch auf jene Person zu beziehen, welche gemäß Abs. 1 der Abkommensvorschrift aus der spezifischen Immobiliennutzung Einkünfte bezieht. Das aber ist bei Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft nicht der Gesellschafter, sondern ausschließlich die Gesellschaft als solche.
24
Dass Spanien sich im Jahre 1992 –bei Neufassung des OECD-Musterkommentars– einen entsprechenden Besteuerungsanspruch für die Immobiliennutzung durch eine „vorgeschaltete“ Immobilien-Kapitalgesellschaft ausdrücklich vorbehalten hat (s. Nr. 7 zu Art. 6 Abs. 3 OECD-MustKomm), ändert daran nichts. Womöglich verfügt das spanische Steuerrecht infolgedessen zwar über entsprechende Rechtsregeln; dafür spricht nicht zuletzt, dass die Nutzung der Immobilie „über“ eine Immobilien-Kapitalgesellschaft nach Maßgabe der gegenwärtigen Fassung des DBA-Spanien 2011, dort von Art. 6 Abs. 4, explizit den Rechtsfolgen des Art. 6 unterworfen wird. Letzteres offenbart aber im Gegenteil, dass es einer konstitutiv wirkenden Anordnung im Abkommen bedarf, um jene Rechtsfolgen auszulösen, woran es im DBA-Spanien 1966 jedoch gerade fehlte. Die Qualifizierung der betreffenden Einkünfte nach innerstaatlichem spanischen Steuerrecht ist also unbeachtlich, auch wenn sich nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DBA-Spanien 1966 der Ausdruck „unbewegliches Vermögen“ nach dem Recht des Vertragsstaats bestimmt, in dem das Vermögen liegt (insoweit anders Wassermeyer, ebenda; Kerssenbrock in Strunk/Kaminski/Köhler, a.a.O., Art. 6 OECD-MA Rz 16; Galke in Haase, a.a.O., Art. 6 MA Rz 17).
25
dd) Vorausgesetzt, das spanische Steuerrecht qualifiziert eine vGA als Einkünfte aus Kapitalvermögen und stellt diese den Einkünften aus Aktien gleich, bleibt es sonach dabei, dass Deutschland das Besteuerungsrecht an diesen Ausschüttungen gebührt. Auf die deutschen Einkommensteuern, welche auf die so verstandenen Dividendenzahlungen entfallen, wären allerdings etwaige auf die Dividendeneinkünfte in Spanien erhobene Ertragsteuern anzurechnen, Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-Spanien 1966 i.V.m. § 34c Abs. 1 und Abs. 6 Satz 2 EStG 1997/2002; auch dazu wären ggf. weitere Feststellungen zu treffen.
26
b) Scheidet indessen eine Qualifikation als Dividende im vorgenannten Sinne mangels einschlägiger steuergesetzlicher Vorschriften im spanischen Recht aus, ergibt sich das deutsche Besteuerungsrecht an den vGA aus Art. 21 DBA-Spanien 1966, wonach die in den vorstehenden Artikeln –also in Art. 6 bis 20 DBA-Spanien 1966– nicht ausdrücklich erwähnten Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person nur in diesem Staat besteuert werden können (ebenso Wassermeyer, ebenda; s. auch in anderem Zusammenhang Senatsurteil vom 20. August 2008 I R 34/08, BFHE 222, 521, BStBl II 2009, 263). In diesem Fall entfiele eine (anteilige) Anrechnung etwaiger spanischer Ertragsteuern, § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG 1997/2002.
27
3. Die Feststellungen, derer es aus den beschriebenen Gründen für eine abschließende Besteuerung bedarf, sind –unter Umständen unter Einholung eines Sachverständigengutachtens über die spanische Regelungslage– im zweiten Rechtsgang zu treffen, weshalb die angefochtenen Urteile aufzuheben und die nicht spruchreifen Sachen an das FG zurückzuverweisen sind. Im Zuge dessen wird dann ggf. auch zu prüfen sein, ob die vom FA angesetzten und als Einkünfte behandelten Werte für die Nutzungsüberlassungen (einschließlich der hierfür gebotenen Gewinnzuschläge) marktgerecht und angemessen sind, und auch, ob es sich bei den besteuerungsauslösenden Umständen betreffend die geänderten Steuerbescheide des Klägers zu 1. für 2001 bis 2003 sowie der Klägerin zu 2./3. für 2001 um sog. neue Tatsachen handelt, welche nach Maßgabe von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO eine Änderung der ursprünglich erlassenen Steuerbescheide ermöglichen.

Einkommensteuerrechtliche Behandlung des Nießbrauchs und anderer Nutzungsrechte bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung

IV C 1 – S 2253/07/10004
DOK 2013/0822518

Inhaltsübersicht
Rz.
A. Allgemeines
I. Zurechnung von Einkünften 1
II. Bestellung eines dinglichen Nutzungsrechts zugunsten naher Angehöriger 2-5
III. Obligatorische Nutzungsrechte und „fehlgeschlagener“ Nießbrauch 6-8
IV. Sicherungsnießbrauch 9
B. Zurechnung von Einkünften im Einzelnen
I. Zugewendete Nutzungsrechte
1. Zuwendungsnießbrauch
a) Abgrenzung zwischen entgeltlicher, teilweise entgeltlicher und unentgeltlicher Bestellung 10-13
b) Allgemeine Grundsätze 14-17
c) Unentgeltlich bestellter Nießbrauch
aa) Behandlung beim Nießbraucher 18-22
bb) Behandlung beim Eigentümer 23-25
d) Entgeltlich bestellter Nießbrauch
Seite 2
aa) Behandlung beim Nießbraucher 26-27
bb) Behandlung beim Eigentümer 28-30
e) Teilweise entgeltlich bestellter Nießbrauch 31
2. Vermächtnisnießbrauch 32
3. Zugewendetes dingliches Wohnrecht 33-34
4. Zugewendetes obligatorisches Nutzungsrecht
a) Allgemein 35
b) Behandlung beim Nutzenden 36
c) Behandlung beim Eigentümer 37-38
II. Vorbehaltene Nutzungsrechte
1. Vorbehaltsnießbrauch
a) Allgemeines 39-40
b) Behandlung beim Nießbraucher 41-44
c) Behandlung beim Eigentümer 45-48
2. Vorbehaltenes dingliches Wohnrecht 49-50
3. Vorbehaltenes obligatorisches Nutzungsrecht
a) Allgemeines 51
b) Behandlung beim Nutzenden 52
c) Behandlung beim Eigentümer 53-54
C. Ablösung von Nutzungsrechten
1. Vorbehaltsnießbrauch
a) Allgemein 55
b) Ablösung im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe
aa) Allgemeines 56
bb) Behandlung beim Eigentümer 57
cc) Behandlung beim Nießbraucher 58
c) Ablösung im Zusammenhang mit sonstigen Vermögensübertragungen
aa) Behandlung beim Eigentümer 59
bb) Behandlung beim Nießbraucher 60
2. Zuwendungsnießbrauch
a) Unentgeltlicher Zuwendungsnießbrauch 61-62
b) Entgeltlicher Zuwendungsnießbrauch 63-64
3. Vermächtnisnießbrauch 65
4. Dingliches Wohnrecht 66
5. Obligatorisches Nutzungsrecht 67
D. Anwendungsregelung 68-74
Seite 3
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder nehme ich zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung des Nießbrauchs und anderer Nutzungsrechte bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung wie folgt Stellung:
A. Allgemeines
I. Zurechnung von Einkünften
1 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind demjenigen zuzurechnen, der den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) verwirklicht und dadurch Einkünfte erzielt (BFH-Urteil vom 7. April 1987 – BStBl II S. 707 m. w. N.). Den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht derjenige, der Träger der Rechte und Pflichten eines Vermieters ist (BFH-Urteil vom 31. Oktober 1989 – BStBl II 1992 S. 506 m. w. N.) und mit diesen Rechten und Pflichten Sachen und Rechte i. S. d. § 21 Abs. 1 EStG an andere zur Nutzung gegen Entgelt überlässt (BFH-Urteil vom 26. April 1983 – BStBl II S. 502). Einem Nutzungsberechtigten sind bei Vermietung des Grundstücks die Einkünfte im Sinne von § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zuzurechnen, wenn ihm die volle Besitz- und Verwaltungsbefugnis zusteht, er die Nutzungen tatsächlich zieht, das Grundstück in Besitz hat und es verwaltet. Den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung erfüllt auch der am Gesellschaftsanteil einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Nießbrauchsberechtigte, wenn ihm kraft seines Nießbrauchs eine Stellung eingeräumt ist, die der eines Gesellschafters entspricht. Hierfür genügt die bloße Einräumung eines Anspruchs auf Gewinnbezug nicht (BFH-Urteil vom 9. April 1991 – BStBl II S. 809).
II. Bestellung eines dinglichen Nutzungsrechts zugunsten naher Angehöriger
2 Bürgerlich-rechtliche Gestaltungen zwischen nahen Angehörigen sind steuerrechtlich nur dann anzuerkennen, wenn sie klar vereinbart, ernsthaft gewollt und tatsächlich durchgeführt werden.
3 Aus der Bestellung eines Nießbrauchs oder eines anderen dinglichen Nutzungsrechts zugunsten naher Angehöriger können somit steuerrechtliche Folgerungen nur gezogen werden, wenn ein bürgerlich-rechtlich wirksames Nutzungsrecht begründet worden ist und die Beteiligten die zwischen ihnen getroffenen Vereinbarungen auch tatsächlich durchführen (BFH-Urteil vom 11. März 1976 – BStBl II S. 421 und vom 16. Januar 2007 – BStBl II S. 579 m. w. N.). An der tatsächlichen Durchführung fehlt es, wenn äußerlich alles beim Alten bleibt und etwa nur die Erträge an den Nutzungsberechtigten abgeführt werden.
Seite 4
4 Räumen Eltern ihren minderjährigen Kindern einen Nießbrauch an einem Grundstück ein, bedarf es in der Regel der Mitwirkung eines Pflegers, weil das mit dem Nießbrauch regelmäßig verbundene gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Eigentümer und Nießbraucher neben Rechten auch Pflichten des Nießbrauchers begründet und der Nießbraucher daher nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt (BFH-Urteil vom 13. Mai 1980 – BStBl II 1981 S. 297). Insbesondere der Eintritt des Nießbrauchers in die Vermieterstellung ist insoweit als rechtlich nachteilig anzusehen. Daher ist auch in den Fällen des Bruttonießbrauchs (Rz. 14) die Mitwirkung des Ergänzungspflegers erforderlich, wenn der Nießbraucher in bestehende Mietverhältnisse eintreten oder zur Vermietung verpflichtet sein soll. Die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft ist nur für die Bestellung, nicht für die Dauer des Nießbrauchs erforderlich (BFH-Urteil vom 13. Mai 1980 – BStBl II 1981 S. 295).
5 Die Bestellung des Nießbrauchs ohne Mitwirkung eines Ergänzungspflegers ist in diesen Fällen einkommensteuerrechtlich jedoch anzuerkennen, wenn das Familiengericht die Mitwirkung eines Ergänzungspflegers für entbehrlich gehalten hat).
III. Obligatorische Nutzungsrechte und „fehlgeschlagener“ Nießbrauch
6 Den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung kann auch ein obligatorisch Nutzungsberechtigter erfüllen, wenn er eine gesicherte Rechtsposition erlangt hat und tatsächlich selbst die Stellung des Vermieters oder Verpächters einnimmt. Eine gesicherte Rechtsposition ist gegeben, wenn der Eigentümer dem Nutzenden den Gebrauch des Grundstücks für eine festgelegte Zeit nicht entziehen kann (BFH-Urteil vom 29. November 1983 – BStBl II 1984 S. 366).
7 Obligatorische Nutzungsrechte zugunsten naher Angehöriger sind nur anzuerkennen, wenn die Voraussetzungen der Rz. 2 bis 5 erfüllt sind. Ein unentgeltlich begründetes Nutzungsrecht kann regelmäßig nur anerkannt werden, wenn der Überlassungsvertrag schriftlich abgeschlossen und das Nutzungsrecht für einen festgelegten Zeitraum vereinbart worden ist. Bei einem teilweise entgeltlich begründeten Nutzungsrecht ist grundsätzlich ein schriftlicher Mietvertrag erforderlich. Die Befristung eines dinglichen Nutzungsrechts führt zu dessen Erlöschen kraft Gesetzes, die des schuldrechtlichen Nutzungsrechts zur Beendigung der Rechtswirkungen dieses Rechtsgeschäfts. Dies gilt nicht, wenn ein Fortbestehen des schuldrechtlichen Nutzungsrechts ausdrücklich oder konkludent auch für den Zeitraum nach Ablauf der (Bedingungs-)Frist vereinbart wird (BFH-Urteil vom 16. Januar 2007 – BStBl II S. 579).
Seite 5
8 Ist ein Nießbrauch mangels Eintragung im Grundbuch bürgerlich-rechtlich nicht wirksam bestellt worden, sind die Grundsätze zu den obligatorischen Nutzungsrechten (Rz. 35 bis 38 und 51 bis 54) anzuwenden.
IV. Sicherungsnießbrauch
9 Ein Nießbrauch, der lediglich zu Sicherungszwecken eingeräumt wird, ist, soweit er nicht ausgeübt wird, einkommensteuerrechtlich unbeachtlich. Ein Sicherungsnießbrauch liegt vor, wenn die Vereinbarung des dinglichen Nutzungsrechts lediglich dazu bestimmt ist, die dem Berechtigten versprochenen Leistungen dinglich abzusichern, ohne dass der Berechtigte selbst auf Art und Umfang Einfluss nehmen kann (zum Sicherungsnießbrauch vgl. auch Rz. 81 ff. des BMF-Schreibens vom 11. März 2010 – BStBl I S. 227 i. V. m. Rz. 18 des BMF-Schreibens vom 16. September 2004 – BStBl I S. 922).
B. Zurechnung von Einkünften im Einzelnen
I. Zugewendete Nutzungsrechte
a) Abgrenzung zwischen entgeltlicher, teilweise entgeltlicher und unentgeltlicher Bestellung
10 Ein Nießbrauch, der vom Eigentümer dem Berechtigten bestellt ist (Zuwendungsnießbrauch), ist als entgeltlich bestellt anzusehen, wenn der Wert des Nießbrauchs und der Wert der Gegenleistung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen sind. Beim Vergleich von Leistung und Gegenleistung sind die von den Vertragsparteien jeweils insgesamt zu erbringenden Leistungen gegenüberzustellen.
11 Ist zwischen Personen, die nicht durch verwandtschaftliche oder sonstige enge Beziehungen miteinander verbunden sind, ein Nießbrauch gegen Entgelt vereinbart worden, ist davon auszugehen, dass der Wert des Nießbrauchs und der Wert der Gegenleistung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten abgewogen sind.
12 Sind der Wert des Nießbrauchs und der Wert der Gegenleistung nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten abgewogen, ist von einem teilweise entgeltlich bestellten Nießbrauch auszugehen. Der Vorgang ist in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen. Dabei berechnen sich der entgeltlich und der unentgeltlich erworbene Teil des Nießbrauchs nach dem Verhältnis des Entgelts zu dem Kapitalwert des Nießbrauchs.
Seite 6
13 Ist der Wert der Gegenleistung im Verhältnis zum Wert des Nießbrauchs so bemessen, dass bei Zugrundelegung einer zwischen Fremden üblichen Gestaltung nicht mehr von einer Gegenleistung ausgegangen werden kann, liegt ein unentgeltlich bestellter Nießbrauch vor. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn der Wert der Gegenleistung weniger als 10 v. H. des Werts des Nießbrauchs beträgt.
b) Allgemeine Grundsätze
14 Nach § 567 BGB tritt der Nießbraucher in die Rechtsstellung des Eigentümers als Vermieter ein. Die Ausgestaltung eines Nießbrauchs als Bruttonießbrauch beeinträchtigt die Vermieterstellung eines Nießbrauchers grundsätzlich nicht (BFH-Urteil vom 13. Mai 1980 – BStBl II 1981 S. 299). Es handelt sich dabei um einen Nießbrauch, bei dem sich der Nießbrauchbesteller verpflichtet, die den Nießbraucher nach §§ 1041, 1045, 1047 BGB treffenden Kosten und Lasten zu tragen, so dass dem Nießbraucher die Bruttoerträge verbleiben.
15 Mietzahlungen sind an den Nießbraucher zu leisten. Vertreten Eltern ihre minderjährigen Kinder, müssen die Willenserklärungen im Namen der Kinder abgegeben werden (BFH-Urteil vom 13. Mai 1980 – BStBl II 1981 S. 295).
16 Bei einem Quotennießbrauch und einem Bruchteilsnießbrauch gelten für die Gemeinschaft von Nießbraucher und Eigentümer die Grundsätze in Rz. 14 und 15 entsprechend. Ein Quotennießbrauch liegt vor, wenn dem Nießbraucher ein bestimmter Anteil an den Einkünften des Grundstücks zusteht; ein Bruchteilsnießbrauch liegt vor, wenn der Nießbrauch an einem Bruchteil eines Grundstücks bestellt wird. Mietzahlungen auf ein gemeinsames Konto beeinträchtigen die Vermieterstellung des Quotennießbrauchers oder Bruchteilsnießbrauchers nicht, wenn sichergestellt ist, dass der anteilige Überschuss in die alleinige Verfügungsmacht des Nießbrauchers gelangt.
17 Hat der Nießbraucher das Gebäude oder eine Wohnung in Ausübung seines Nießbrauchsrechts an den Eigentümer vermietet, so kann darin die Rückgängigmachung des Nießbrauchs oder ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) liegen. Bestellen Eltern ihrem Kind einen befristeten Nießbrauch an einem Grundstück und vermietet das Kind den Grundbesitz anschließend an die Eltern zurück, stellt eine solche Gestaltung regelmäßig einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i. S. d. § 42 AO dar (BFH-Urteil vom 18. Oktober 1990 – BStBl II 1991 S. 205). Eine missbräuchliche Gestaltung kann auch in der Unkündbarkeit eines in zeitlichem Zusammenhang mit der Nießbrauchbestellung mit dem Nießbrauchbesteller vereinbarten
Seite 7
Mietverhältnisses oder darin liegen, dass die Dauer eines befristeten Nießbrauchs auf die Unterhaltsbedürftigkeit des Nießbrauchers abgestimmt ist.
c) Unentgeltlich bestellter Nießbrauch
aa) Behandlung beim Nießbraucher
18 Bei der Vermietung des nießbrauchbelasteten Grundstücks sind die Grundsätze der Rz. 14 bis 17 maßgebend.
19 AfA auf das Gebäude darf der Nießbraucher nicht abziehen (BFH-Urteil vom 24. April 1990 – BStBl II S. 888). Von den Herstellungskosten für in Ausübung des Nießbrauchs eingebaute Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB darf der Nießbraucher AfA in Anspruch nehmen. Ferner darf er AfA für Aufwendungen für Einbauten zu vorübergehendem Zweck im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB abziehen.
20 Auf das unentgeltlich erworbene Nießbrauchrecht darf der Nießbraucher keine AfA vornehmen (BFH-Urteil vom 28. Juli 1981 – BStBl II 1982 S. 454).
21 Andere Werbungskosten darf der Nießbraucher abziehen, soweit er sie im Rahmen der Nießbrauchbestellung vertraglich übernommen und tatsächlich getragen hat oder – bei Fehlen einer vertraglichen Regelung – aufgrund der gesetzlichen Lastenverteilung getragen hat. Aufwendungen, zu denen der Nießbraucher nicht verpflichtet, aber nach § 1043 BGB berechtigt ist und die in seinem Interesse erfolgen, sind abzuziehen. Verzichtet der Nießbraucher jedoch gegenüber dem Eigentümer von vornherein auf den Ersatzanspruch nach § 1049 BGB oder steht schon bei der Aufwendung fest, dass der Ersatzanspruch nicht zu realisieren ist, ist von einer Zuwendung gemäß § 12 Nr. 2 EStG durch die Erhaltungsmaßnahme auszugehen (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 1989 – BStBl II 1990 S. 462 und vom 5. September 1991 – BStBl II 1992 S. 192).
22 Hat der Nießbraucher größeren Erhaltungsaufwand nach § 82b EStDV auf mehrere Jahre verteilt und endet der Nießbrauch vor Ablauf des Verteilungszeitraums (z. B. durch Tod des Nießbrauchers), darf der Nießbraucher den noch nicht berücksichtigten Teil des Erhaltungsaufwands nur noch im Jahr der Beendigung des Nießbrauchs abziehen. Die von einem Steuerpflichtigen geleisteten Aufwendungen sind nach seinem Tod in der für ihn durchzuführenden Veranlagung zu berücksichtigen; eine spätere Verteilung nach § 82b EStDV durch den Rechtsnachfolger ist ausgeschlossen.
Seite 8
bb) Behandlung beim Eigentümer
23 Dem Eigentümer sind keine Einkünfte aus dem nießbrauchbelasteten Grundstück zuzurechnen.
24 Der Eigentümer darf AfA auf das Gebäude und Grundstücksaufwendungen, die er getragen hat, nicht als Werbungskosten abziehen, da er keine Einnahmen erzielt.
25 Bei einem Bruchteilsnießbrauch darf der Eigentümer AfA auf das Gebäude nicht abziehen, soweit sie auf den mit dem Nießbrauch belasteten Eigentumsanteil entfallen. Entsprechendes gilt für den Abzug anderer Aufwendungen. Die Sätze 1 und 2 gelten beim Quotennießbrauch sinngemäß.
d) Entgeltlich bestellter Nießbrauch
aa) Behandlung beim Nießbraucher
26 Im Falle der Nutzung durch Vermietung sind Einmalzahlungen für die Einräumung eines Nießbrauchs als Werbungskosten im Zeitpunkt der Zahlung abzuziehen, sofern die Vorauszahlung für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren geleistet wird. Auf die Vorausleistung des für mehr als fünf Jahre geltenden Nießbrauchrechts ist § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG anzuwenden und mithin auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen, für den sie geleistet wird. Ist der Nießbrauch für die Lebenszeit des Berechtigten oder einer anderen Person eingeräumt, sind die Aufwendungen für den Erwerb des Nießbrauchs nach § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG auf die mutmaßliche Lebenszeit der betreffenden Person zu verteilen, sofern diese mehr als fünf Jahre beträgt (zur Lebenserwartung ist auf die jeweils aktuelle Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes abzustellen, § 14 Abs. 1 BewG, für Bewertungsstichtage ab 1. Januar 2011 siehe BMF-Schreiben vom 8. November 2010 – BStBl I S. 1288, für Bewertungsstichtage ab dem 1. Januar 2012 siehe BMF-Schreiben vom 26. September 2011 – BStBl I S. 834 und für Bewertungsstichtage ab dem 1. Januar 2013 siehe BMF-Schreiben vom 26. Oktober 2012 – BStBl I S. 950). Leistet der Nießbraucher als Gegenleistungen für die Einräumung des Nießbrauchs ausschließlich gleichmäßige laufende Zahlungen, sind die laufend gezahlten Beträge für das Kalenderjahr als Werbungskosten abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind.
27 Nutzt der Nießbraucher das Gebäude durch Vermietung, darf er Aufwendungen, die er aufgrund vertraglicher Bestimmungen getragen hat, als Werbungskosten abziehen. Haben die Vertragsparteien bei Einräumung des Nießbrauchs keine besonderen Regelungen getroffen, sind Aufwendungen des Nießbrauchers als Werbungskosten zu berücksichtigen,
Seite 9
soweit er sie nach den gesetzlichen Bestimmungen (§§ 1041, 1045, 1047 BGB) getragen hat. Zur Abziehbarkeit der Aufwendungen im Einzelnen vgl. Rz. 21.
bb) Behandlung beim Eigentümer
28 Beim Eigentümer ist das für die Bestellung des Nießbrauchs gezahlte Entgelt grundsätzlich im Jahr des Zuflusses als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen. Das gilt unabhängig davon, ob beim Nießbraucher Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anfallen. Bei Vorausleistung des Entgelts durch den Nießbraucher für mehr als 5 Jahre können die Einnahmen auf den Zeitraum verteilt werden, für den die Zahlung geleistet wird (§ 11 Abs. 1 Satz 3 EStG).
29 (weggefallen)
30 Der Eigentümer ist – da ihm Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen sind – zur Vornahme von AfA berechtigt. Daneben darf er die von ihm aufgrund vertraglicher Vereinbarungen, bei fehlenden Vereinbarungen die aufgrund der gesetzlichen Lastenverteilung (§§ 1041, 1045, 1047 BGB), getragenen Aufwendungen für das belastete Grundstück abziehen.
e) Teilweise entgeltlich bestellter Nießbrauch
31 Bei einem teilweise entgeltlich bestellten Nießbrauch sind die Grundsätze der Rz. 26 bis 30 anzuwenden. Rz. 30 ist nicht anzuwenden, soweit der Nießbrauch unentgeltlich bestellt worden ist. Zur Aufteilung der Aufwendungen vgl. Rz. 12.
2. Vermächtnisnießbrauch
32 Ein Vermächtnisnießbrauch liegt vor, wenn aufgrund einer letztwilligen Verfügung des Grundstückseigentümers durch dessen Erben einem Dritten der Nießbrauch an dem Grundstück eingeräumt worden ist. Für den Vermächtnisnießbrauch gelten die Ausführungen zum unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauch (Rz. 18 bis 25) entsprechend. Der Vermächtnisnehmer ist nicht berechtigt, die AfA für das vom Erblasser hinterlassene Gebäude in Anspruch zu nehmen (BFH-Urteil vom 28. September 1993 – BStBl II 1994 S. 319).
3. Zugewendetes dingliches Wohnrecht
33 Ist das Grundstück in der Weise belastet, dass an einer Wohnung ein im Grundbuch eingetragenes Wohnrecht zugunsten eines anderen begründet worden ist, sind die für einen
Seite 10
Zuwendungsnießbrauch geltenden Grundsätze insoweit entsprechend anzuwenden. Zur Abgrenzung von unentgeltlich, entgeltlich und teilentgeltlich zugewendeten dinglichen Wohnrechten vgl. Rz. 10 bis 13. Die Übertragung eines Grundstücks gegen die Verpflichtung, dieses mit einem Wohngebäude zu bebauen und dem Veräußerer ein dingliches Wohnrecht an einer Wohnung zu bestellen, stellt keine entgeltliche Überlassung des Wohnrechts, sondern ein auf die Anschaffung des Grundstücks gerichtetes Rechtsgeschäft dar.
34 Der Eigentümer darf AfA auf den mit dem Wohnrecht belasteten Gebäudeteil nur in Anspruch nehmen, soweit das Wohnrecht entgeltlich zugewendet worden ist. Entsprechendes gilt für den Abzug anderer Aufwendungen.
4. Zugewendetes obligatorisches Nutzungsrecht
a) Allgemeines
35 Zur Abgrenzung zwischen der entgeltlichen, teilweise entgeltlichen und unentgeltlichen Einräumung eines Nutzungsrechts vgl. Rz. 10 bis 13.
b) Behandlung beim Nutzenden
36 Vermietet der Nutzungsberechtigte das Grundstück, hat er die erzielten Einnahmen zu versteuern. Er darf die vertraglich übernommenen und von ihm getragenen Aufwendungen einschließlich des an den Eigentümer gezahlten Entgelts als Werbungskosten absetzen. Bei bereits bestehenden Nutzungsverträgen kann der Nutzungsberechtigte nur durch eine rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme in die Vermieterstellung eintreten (vgl. BFH-Urteil vom 26. April 1983 – BStBl II S. 502). Im Übrigen gelten die Ausführungen in Rz. 14 bis 22, 26 bis 27 und 31 entsprechend.
c) Behandlung beim Eigentümer
37 Beim Eigentümer ist das für die Einräumung eines Nutzungsrechts gezahlte Entgelt im Jahr des Zuflusses als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen. Im Übrigen gelten die Ausführungen in Rz. 14 bis 17, 23 bis 25, 28 bis 31 entsprechend.
38 Nutzt der Berechtigte eine ihm unentgeltlich überlassene Wohnung aufgrund einer gesicherten Rechtsposition, darf der Eigentümer AfA auf das Gebäude nicht in Anspruch nehmen, soweit sie auf den Gebäudeteil entfallen, auf den sich das Nutzungsrecht erstreckt. Entsprechendes gilt für den Abzug anderer Aufwendungen.
Seite 11
II. Vorbehaltene Nutzungsrechte
1. Vorbehaltsnießbrauch
a) Allgemeines
39 Ein Vorbehaltsnießbrauch liegt vor, wenn bei der Übertragung eines Grundstücks gleichzeitig ein Nießbrauchrecht für den bisherigen Eigentümer an dem übertragenen Grundstück bestellt wird. Einem Vorbehaltsnießbraucher ist ein Schenker gleichzustellen, der mit dem Beschenkten im Voraus eine klare und eindeutige Schenkungsabrede über den Erwerb eines bestimmten Grundstücks und die Bestellung eines Nießbrauchrechts an diesem Grundstück trifft (BFH-Urteil vom 15. Mai 1990 – BStBl II 1992 S. 67). Gleiches gilt für einen vorläufigen Erben, der die Erbschaft mit der Maßgabe ausgeschlagen hat, dass ihm ein Nießbrauchrecht an den zum Nachlass gehörenden Gegenständen eingeräumt wird (BFH-Urteil vom 4. Juni 1996 – BStBl II 1998 S. 431).
40 Die Bestellung des Nießbrauchs ist keine Gegenleistung des Erwerbers (BFH-Urteil vom 28. Juli 1981 – BStBl II 1982 S. 378, vom 10. April 1991 – BStBl II S. 791 und vom 24. April 1991 – BStBl II S. 793), unabhängig davon, ob das Grundstück entgeltlich oder unentgeltlich übertragen wird.
b) Behandlung beim Nießbraucher
41 Ist das mit dem Vorbehaltsnießbrauch belastete Grundstück vermietet, erzielt der Nießbraucher Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Dies gilt auch, wenn der Nießbraucher das Grundstück dem Grundstückseigentümer entgeltlich zur Nutzung überlässt.
42 Der Vorbehaltsnießbraucher darf im Falle der Nutzung durch Vermietung die AfA für das Gebäude wie zuvor als Eigentümer in Anspruch nehmen (BFH-Urteil vom 28. Juli 1981 – BStBl II 1982 S. 380, vom 24. September 1985 – BStBl II 1986 S. 12 und vom 30. Januar 1995 – BStBl II S. 281). Rz. 25 ist entsprechend anzuwenden.
43 Der Vorbehaltsnießbraucher ist berechtigt, die von ihm getragenen Aufwendungen auf das Grundstück nach Maßgabe der Rz. 21 und 22 als Werbungskosten abzuziehen.
44 Ist das Grundstück unter Vorbehalt des Nießbrauchs entgeltlich übertragen worden, ist die Bemessungsgrundlage für die AfA nicht um die Gegenleistung des Erwerbers zu kürzen.
Seite 12
c) Behandlung beim Eigentümer
45 Sind dem Eigentümer aus dem nießbrauchbelasteten Grundstück keine Einnahmen zuzurechnen, darf er Aufwendungen auf das Grundstück nicht als Werbungskosten abziehen. Sind dem Eigentümer Einnahmen aus dem nießbrauchbelasteten Grundstück zuzurechnen, ist Rz. 25 entsprechend anzuwenden.
46 Nach Erlöschen des Nießbrauchs stehen dem Eigentümer die AfA auf das gesamte Gebäude zu.
47 Ist das Grundstück entgeltlich unter Vorbehalt des Nießbrauchs übertragen worden, bemessen sich die AfA nach den Anschaffungskosten des Eigentümers. Der Kapitalwert des Nießbrauchs gehört nicht zu den Anschaffungskosten. Die AfA-Bemessungsgrundlage erhöht sich um die zusätzlichen Herstellungskosten, die der Eigentümer getragen hat (BFH-Urteil vom 7. Juni 1994 – BStBl II S. 927). Das AfA-Volumen ist um die AfA-Beträge zu kürzen, die von den Anschaffungskosten des Eigentümers auf den Zeitraum zwischen Anschaffung des Grundstücks und dem Erlöschen des Nießbrauchs entfallen.
48 Ist das Grundstück unentgeltlich unter Vorbehalt des Nießbrauchs übertragen worden, führt der Eigentümer nach Erlöschen des Nießbrauchs die AfA nach § 11d EStDV fort. Bei teilentgeltlichem Erwerb gelten die Grundsätze der Tz. 14 des BMF-Schreibens vom 26. Februar 2007 (BStBl I S. 269) und 15 des BMF-Schreibens vom 13. Januar 1993 – BStBl I S. 80 entsprechend.
2. Vorbehaltenes dingliches Wohnrecht
49 Ist das Grundstück gegen Einräumung eines vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts übertragen worden, sind die für den Vorbehaltsnießbrauch geltenden Grundsätze entsprechend anzuwenden.
50 Der Eigentümer darf AfA auf das entgeltlich erworbene Gebäude nur in Anspruch nehmen, soweit sie auf den unbelasteten Teil entfällt (BFH-Urteil vom 7. Juni 1994 – BStBl II S. 927). In diesen Fällen ist die AfA-Bemessungsgrundlage nur für den unbelasteten Gebäudeteil zu ermitteln, und zwar wie folgt: Die Einräumung des Wohnrechts stellt kein Entgelt für die Übertragung des Grundstücks dar. Der Übernehmer erhält lediglich das von vornherein um das Nutzungsrecht geminderte Vermögen. Der Kaufpreis zuzüglich der Nebenkosten ist auf die beiden Wirtschaftsgüter Grund und Boden sowie Gebäude nach dem Verhältnis der Verkehrswerte aufzuteilen. Da sich das Wohnrecht nicht auf den Grund und Boden bezieht, ist nur der Verkehrswert des Gebäudes um den kapitalisierten Wert des Wohnrechts zu mindern. Der Anteil des unbelasteten Gebäudeteils an den tatsächlichen
Seite 13
Gebäudeanschaffungskosten ergibt sich dann aus dem Verhältnis des Verkehrswerts des unbelasteten Teils zum Verkehrswert des gesamten Gebäudes abzüglich des kapitalisierten Werts des Nutzungsrechts (BFH-Urteil vom 31. Mai 2000 – BStBl II 2001 S. 594). Eine von den Vertragsparteien vorgenommene Aufteilung des Kaufpreises auf einzelne Wirtschaftsgüter ist grundsätzlich – auch in den Fällen einer gemischten Schenkung – der Besteuerung zu Grunde zu legen, soweit der Verkehrswert des jeweiligen Wirtschaftsguts nicht überschritten wird (BFH-Urteil vom 27. Juli 2004 – BStBl II 2006 S. 9).
Beispiel 1:
V überträgt sein Zweifamilienhaus gegen Übernahme der Verbindlichkeiten in Höhe von 175.000 € an K. Dabei behält V sich ein lebenslängliches dingliches Wohnrecht an der Wohnung im Obergeschoss vor (Kapitalwert des Wohnrechts im Erwerbszeitpunkt 75.000 €). Die Erdgeschosswohnung ist weiterhin vermietet. Beide Wohnungen sind gleich groß. Die Verkehrswerte betragen für das Gebäude 250.000 € und für den Grund und Boden 50.000 € (ohne Berücksichtigung des Wohnrechts). Im notariellen Vertrag erfolgte keine konkrete Zuordnung der Schuldübernahme als Kaufpreis auf die Wohnungen sowie den Grund und Boden.
Die AfA-Bemessungsgrundlage für die unbelastete Wohnung ist wie folgt zu ermitteln:
1. Schritt: Aufteilung der Anschaffungskosten in Höhe von 175.000 € auf Grund und Boden und Gebäude im Verhältnis der Verkehrswerte:
Verkehrswert Grund und Boden 50.000 € = 22,22 v. H.
Verkehrswert Gebäude 250.000 €
abzügl. Kapitalwert Nutzungsrecht 75.000 €
175.000 € = 77,78 v. H.
Damit entfällt der Kaufpreis von 175.000 € auf 22,22 v. H.
den Grund und Boden von 175.000 € 38.885 €
77,78 v. H.
das Gebäude von 175.000 € 136.115 €
Seite 14
2. Schritt: Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage:
wohnrechts-
unbelastete belastete
Wohnung Wohnung
(50 v. H.) (50 v. H.)
Verkehrswert Gebäude 250.000 € 125.000 € 125.000 €
abzügl. Kapitalwert Nutzungsrecht 75.000 € ________ 75.000 €
175.000 € 125.000 € 50.000 €
Kaufpreisanteil 175/175 125/175 50/175
Gebäude 136.115 € 97.230 € 38.885 €
Da es sich hier um einen teilentgeltlichen Erwerb handelt, ist § 11d EStDV auf den unentgeltlich erworbenen und unbelasteten Anteil anzuwenden.
Beispiel 2 (Abwandlung):
Sachverhalt wie Beispiel 1, allerdings ist im Kaufvertrag folgendes vereinbart: Die wohnrechtsbelastete Wohnung geht unentgeltlich über. Als Kaufpreis werden für den Grund und Boden 50.000 € und für die vermietete Wohnung 125.000 € bestimmt. Die Kaufpreiszahlung erfolgt durch Schuldübernahme in entsprechender Höhe.
Lösung: Die im Kaufvertrag vorgenommene Kaufpreiszuordnung ist steuerlich anzuerkennen, wenn sie weder zum Schein getroffen noch missbräuchlich vorgenommen wurde (BFH-Urteil vom 1. April 2009 – BStBl II S. 663). Die AfA-Bemessungsgrundlage für die vermietete Wohnung beträgt hiernach 125.000 €.
3. Vorbehaltenes obligatorisches Nutzungsrecht
Seite 15
a) Allgemeines
51 Behält sich der bisherige Eigentümer bei der Übertragung des Grundstücks ein obligatorisches Nutzungsrecht vor, stellt die Einräumung des Nutzungsrechts keine Gegenleistung des Erwerbers dar.
b) Behandlung beim Nutzenden
52 Der Nutzungsberechtigte hat bei Vermietung des Grundstücks die Einnahmen zu versteuern. Er darf die von ihm getragenen Aufwendungen einschließlich des an den Eigentümer gezahlten Entgelts als Werbungskosten absetzen. Der Nutzende darf wie zuvor als Eigentümer die AfA für das Gebäude in Anspruch nehmen (BFH-Urteil vom 28. März 1995 – BStBl II 1997 S. 121).
c) Behandlung beim Eigentümer
53 Die für den Eigentümer geltenden Grundsätze des Vorbehaltsnießbrauchs nach Rz. 45 bis 48 sind entsprechend anzuwenden.
54 Zur AfA-Berechtigung des Eigentümers auf das Gebäude und zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage vgl. Rz. 50.
C. Ablösung von Nutzungsrechten
1. Vorbehaltsnießbrauch
a) Allgemeines
55 Unbeachtlich ist, ob der Nießbrauch anlässlich einer entgeltlichen oder einer unentgeltlichen Grundstücksübertragung vorbehalten wurde. Bei der Ablösung ist zu unterscheiden zwischen Vermögensübertragungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge (Vermögensübergabe) und sonstigen Vermögensübertragungen. Zur Abgrenzung der Vermögensübergabe von sonstigen Vermögensübertragungen vgl. Rz. 2, 3, 5 und 57 des BMF-Schreibens vom 11. März 2010 – a. a. O.
Seite 16
b) Ablösung im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe
aa) Allgemeines
56 Zum Begriff der vorweggenommenen Erbfolge und den Arten der Vermögensübertragung durch vorweggenommene Erbfolge vgl. BMF-Schreiben vom 13. Januar 1993 – BStBl I S. 80.
bb) Behandlung beim Eigentümer
57 Einmalige Zahlungen zur Ablösung des Vorbehaltsnießbrauchs sind Abstandszahlungen an den Vermögensübergeber und erhöhen die Bemessungsgrundlage für die AfA des Grundstückseigentümers (BFH-Urteil vom 28. November 1991 – BStBl II 1992 S. 381, vom 21. Juli 1992 – BStBl II 1993 S. 484 und vom 21. Juli 1992 – BStBl. II 1993 S. 486). Zur Ablösung des Vorbehaltsnießbrauchs durch wiederkehrende Leistungen vgl. Rz. 85 des BMF-Schreibens vom 11. März 2010 – a. a. O.
cc) Behandlung beim Nießbraucher
58 Die Ablösung des Vorbehaltsnießbrauchs gegen Einmalzahlung ist beim Nießbraucher eine nicht steuerbare Vermögensumschichtung (für den Fall eines vorbehaltenen Wohnrechts vgl. BFH-Urteil vom 9. August 1990 – BStBl II S. 1026). Zur Beurteilung der zur Ablösung empfangenen wiederkehrenden Leistungen vgl. Rz. 85, 89 des BMF-Schreibens vom 11. März 2010 – a. a. O.
c) Ablösung im Zusammenhang mit sonstigen Vermögensübertragungen
aa) Behandlung beim Eigentümer
59 Eine Einmalzahlung führt in voller Höhe, wiederkehrende Leistungen führen mit ihrem Barwert (§§ 13, 14 BewG i. V. m. Anlage 9, 9a zum BewG) zu Anschaffungskosten (BFH-Urteil vom 9. Februar 1994 – BStBl II 1995 S. 47 und vom 18. Oktober 1994 – BStBl II 1995 S. 169 – für dauernde Lasten -). Ist die Einmalzahlung bzw. der Barwert der wiederkehrenden Leistungen höher als der Wert des übertragenen Vermögens, ist Entgeltlichkeit in Höhe des angemessenen Kaufpreises anzunehmen. Der übersteigende Betrag ist eine Zuwendung i. S. d. § 12 Nr. 2 EStG. Ist der Barwert der wiederkehrenden Leistungen mehr als doppelt so hoch wie der Wert des übertragenen Vermögens, liegt insgesamt eine Zuwendung i. S. d. § 12 Nr. 2 EStG vor. Wiederkehrende Leistungen in Zusammenhang mit einer privaten Vermögensumschichtung dürfen weder als Rente noch als dauernde Last abgezogen werden (BFH-Urteil vom 25. November 1992 – BStBl II 1996 S. 663 m. w. N.). Der in den
Seite 17
wiederkehrenden Leistungen enthaltene Zinsanteil, der in entsprechender Anwendung der Ertragsanteilstabellen der §§ 22 EStG, 55 EStDV zu ermitteln ist, ist im Falle der Vermietung gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzuziehen.
bb) Behandlung beim Nießbraucher
60 Die Ablösung eines vorbehaltenen Nießbrauchs gegen Einmalzahlung ist eine beim Nießbraucher nicht steuerbare Vermögensumschichtung. Wiederkehrende Leistungen, die nicht als Versorgungsleistungen im Rahmen einer Vermögensübergabe erbracht werden, sind mit ihrem Zinsanteil nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG oder bei Veräußerungsleibrenten mit dem Ertragsanteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG steuerbar (vgl. Rz. 75 des BMF-Schreibens vom 11. März 2010 – a. a. O.).
2. Zuwendungsnießbrauch
a) Unentgeltlicher Zuwendungsnießbrauch
61 Zahlungen zur Ablösung eines unentgeltlich eingeräumten Zuwendungsnießbrauchs sind grundsätzlich als Zuwendungen i. S. d. § 12 Nr. 2 EStG zu beurteilen (vgl. bei fehlender tatsächlicher Änderung der rechtlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse BFH-Urteil vom 13. Oktober 1993 – BStBl II 1994 S. 451 und beim Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO BFH-Urteil vom 6. Juli 1993 – BStBl II 1998 S. 429). Sie gehören daher beim Nießbraucher nicht zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Der Eigentümer kann sie nicht als Werbungskosten abziehen; sie erhöhen auch nicht seine Anschaffungskosten für das Grundstück. Ein anstelle des bisherigen Nießbrauchs eingeräumter Ersatznießbrauch ist als neu bestellter unentgeltlicher Zuwendungsnießbrauch zu behandeln.
62 Rz. 61 gilt nicht für die Fälle, in denen der ablösende Eigentümer das Grundstück selbst bereits mit der Belastung des Nießbrauchs erworben hat (vgl. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1992 – BStBl II 1993 S. 488). In einem solchen Fall vollzieht sich die Ablösung im Rahmen eines entgeltlichen Veräußerungsgeschäfts. Eine Einmalzahlung ist in voller Höhe, wiederkehrende Leistungen sind mit ihrem Barwert Anschaffungskosten.
b) Entgeltlicher Zuwendungsnießbrauch
63 Zahlungen zur Ablösung eines entgeltlich bestellten Zuwendungsnießbrauchs sind beim Eigentümer im Jahr der Zahlung als negative Einnahmen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen. Ist das für die Bestellung des Nießbrauchs gezahlte Entgelt
Seite 18
nach § 11 Absatz 1 Satz 3 EStG auf mehrere Jahre verteilt worden, ist der noch nicht versteuerte Restbetrag beim Eigentümer als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen. Besteht die Abfindung in wiederkehrenden Leistungen, sind diese jeweils im Jahr der Zahlung als negative Einnahmen anzusetzen.
64 Die Ablösungszahlungen sind beim Nießbraucher grundsätzlich der privaten Vermögensebene zuzuordnen (BFH-Urteil vom 9. August 1990 – BStBl II S. 1026).
3. Vermächtnisnießbrauch
65 Aufwendungen zur Ablösung eines zugewendeten Vermächtnisnießbrauchs sind nachträgliche Anschaffungskosten des Grundstückseigentümers (BFH-Urteil vom 21. Juli 1992 – BStBl II 1993 S. 484). Die Ablösung eines Vermächtnisnießbrauchs gegen Einmalzahlung ist eine beim Nießbraucher nicht steuerbare Vermögensumschichtung. Zur Ablösung gegen wiederkehrende Leistungen vgl. Tz. 85, 86 des BMF-Schreibens vom 11. März 2010 – a. a. O.
4. Dingliches Wohnrecht
66 Für die Behandlung von Ablösungszahlungen des Eigentümers an den dinglich Wohnberechtigten sind die für die Ablösung von Nießbrauchrechten geltenden Grundsätze entsprechend anzuwenden. Aufwendungen zur Ablösung eines vom Rechtsvorgänger eingeräumten dinglichen Wohnrechts entfallen, soweit sie nachträgliche Anschaffungskosten des Grundstückseigentümers sind, in vollem Umfang auf das Gebäude (BFH-Urteil vom 21. Juli 1992 – BStBl II 1993 S. 484).
5. Obligatorisches Nutzungsrecht
67 Für die Behandlung von Aufwendungen für die Ablösung obligatorischer Nutzungsrechte gelten die Grundsätze zur Ablösung eines Vorbehalts- und Zuwendungsnießbrauchs (Rz. 55 bis 64) entsprechend.
D. Anwendungsregelung
68 Dieses BMF-Schreiben tritt an die Stelle des BMF-Schreibens vom 24. Juli 1998 – BStBl I S. 914. Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden. Die BMF-Schreiben vom 9. Februar 2001 – BStBl I S. 171 und vom 29. Mai 2006 – BStBl I S. 392 werden aufgehoben.
69 Die Grundsätze in Rz. 4 und 5 sind in allen Fällen anzuwenden, in denen der Nießbrauch nach dem 30. Juni 1992 notariell beurkundet oder der Überlassungsvertrag nach dem 30. Juni 1992 abgeschlossen worden ist. Ist der Nießbrauch vor dem 1. Juli 1992 beurkundet oder der
Seite 19
Überlassungsvertrag vor dem 1. Juli 1992 abgeschlossen worden, ist Rz. 4 bzw. Rz. 53 des BMF-Schreibens vom 15. November 1984 – BStBl I S. 561 weiter anzuwenden.
70 Die Grundsätze in Rz. 26 und 28 sind erstmals auf Vorausleistungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2003 geleistet wurden. Auf vor dem 1. Januar 2004 getätigte Vorausleistungen finden die Rz. 26 und 28 sowie die Billigkeitsregelung gem. Rz. 29 des BMF-Schreibens vom 24. Juli 1998 – BStBl I S. 914 weiter Anwendung.
71 Die Grundsätze in Rz. 32 sind in den Fällen anzuwenden, in denen der Vermächtnisnießbrauch nach dem 31. Mai 1994 notariell beurkundet worden ist. Ist der Vermächtnisnießbrauch vor dem 1. Juni 1994 notariell beurkundet worden, ist der Nießbraucher weiterhin zum Abzug der Gebäude-AfA nach Maßgabe der Rz. 51, 41 des BMF-Schreibens vom 15. November 1984 -BStBl I S. 561- berechtigt.
72 Die Grundsätze der Rz. 33 sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden. Soweit die Anwendung der Randziffer zu einem Nachteil gegenüber der bisherigen Verwaltungsauffassung führt, sind die Grundsätze erstmals anzuwenden, wenn die Bestellung eines dinglichen Nutzungsrechts gegen Übertragung eines Grundstücks im privaten Bereich nach dem 31. Mai 2006 erfolgt ist.
73 Wurden wiederkehrende Leistungen im Zusammenhang mit der Ablösung eines Zuwendungsnießbrauchs vor dem 1. Januar 2008 vereinbart, können diese als Sonderausgaben nach § 10 Absatz 1 Nummer 1a EStG abgezogen werden, soweit die übrigen Voraussetzungen für eine begünstigte Vermögensübergabe vorliegen (Rz. 81 des BMF-Schreibens vom 11. März 2010 a. a. O.; BFH-Urteil vom 13. Dezember 2005 – BStBl II 2008 S. 16).
74 In Fällen der Ermittlung des Nutzungswerts als Überschuss des Mietwerts über die Werbungskosten gelten die Rz. 68 bis 75 des BMF-Schreibens vom 24. Juli 1998 – a. a. O. fort.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es steht ab sofort für eine Übergangszeit auf den Internet-Seiten des Bundesministeriums der Finanzen unter der Rubrik – Themen – Steuerarten – Steuern – Einkommensteuer – zum Download bereit.
Im Auftrag

Ermessenerwägungen zum „Ob“ der Prüfung im Falle der Auftragsprüfung

Im Falle der Auftragsprüfung sind Ermessenerwägungen zum „Ob“ der Prüfung und zur Frage der Beauftragung eines anderen Finanzamtes ausschließlich von dem den Auftrag erteilenden Finanzamt anzustellen

FG Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 30.09.2013 zum Urteil 1 K 64/09 vom 19.03.2013 (rkr)

Mit Urteil vom 19. März 2013 hat der 1. Senat in dem Verfahren 1 K 64/09 entschieden, dass in Fällen, in denen gemäß § 195 Satz 2 AO ein anderes Finanzamt mit der Durchführung einer Außenprüfung beauftragt wird, ausschließlich das für die Besteuerung zuständige Finanzamt befugt ist, die Entscheidung darüber zu treffen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang und durch welches Finanzamt geprüft werden soll. Erlässt das beauftragte Finanzamt die Prüfungsanordnung und entscheidet daher auch über den gegen die Prüfungsanordnung erhobenen Einspruch, hat das beauftragte Finanzamt in dem gegen die Prüfungsanordnung gerichteten Einspruchsverfahren nicht die Befugnis, zur Frage der Auftragserteilung eigene Ermessenerwägungen anzustellen oder die Erwägungen des beauftragenden Finanzamtes zu ergänzen.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Das für die Besteuerung einer GmbH zuständige Finanzamt (K) hatte gegenüber dem für die Besteuerung des Gesellschafter-Geschäftsführers zuständigen Finanzamt (E) telefonisch angeregt, einen Auftrag zur Durchführung einer Außenprüfung an das Finanzamt K zu erteilen. Dieser Anregung folgte das Finanzamt E und übersandte dem Finanzamt K einen Prüfungsauftrag. Beigefügt war ein bereits vor der telefonischen Kontaktaufnahme erstelltes Schreiben der Veranlagungsdienststelle E an die Betriebsprüfungsstelle E, in welchem die Durchführung einer Außenprüfung angeregt wurde. Zu der Entscheidung, mit der Durchführung der Prüfung das Finanzamt K zu beauftragen, ergab sich aus dem Prüfungsauftrag und dem beigefügten Schreiben der Veranlagungsdienststelle nichts.

Im gegen die Prüfungsanordnung gerichteten Einspruchsschreiben wurden durch den Betriebsprüfer des Finanzamtes K die Gründe erläutert, die für die Auftragserteilung maßgeblich gewesen seien. Ob und inwieweit diese Überlegungen von dem Finanzamt E stammten bzw. sich das Finanzamt E diese Erwägungen bei Auftragserteilung zueigen gemacht hatte, ließ sich den Akten nicht entnehmen. Während des Einspruchsverfahrens wurde die Außenprüfung bei der GmbH durchgeführt und abgeschlossen. Der Einspruch des Klägers gegen die Prüfungsanordnung wurde ohne vorherige Beteiligung des Finanzamtes E als unbegründet zurückgewiesen.

Der 1. Senat hat seine Entscheidung maßgeblich auf zwei Gesichtspunkte gestützt: Zum einen ist er davon ausgegangen, dass Ermessenerwägungen zur Auftragserteilung ausschließlich von dem Finanzamt E anzustellen gewesen wären, zum anderen hat das Gericht darauf abgestellt, dass es für die Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung auf den Sachstand im Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung ankomme. Daher sei, wenn sich der Sachverhalt während des Einspruchsverfahrens maßgeblich verändert habe, das den Auftrag erteilende Finanzamt vor einer abschließenden Entscheidung zu beteiligen, um festzustellen, ob und ggf. mit welchen ergänzenden Ermessenerwägungen an der bisherigen Entscheidung festgehalten werden solle.

Da eine rechtswidrige Prüfungsanordnung, die später aufgehoben oder deren Rechtswidrigkeit festgestellt wird, nicht Grundlage für eine nach § 171 Abs. 4 AO eintretende Ablaufhemmung sein kann, können sich aus einer unzureichenden Ermessensbetätigung weitreichende Konsequenzen ergeben. Darf die beauftragte Behörde keine eigenen Ermessenerwägungen – auch nicht ergänzende – anstellen, so sind die Finanzämter gehalten, durch entsprechende organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass das den Auftrag erteilende Finanzamt im Einspruchsverfahren beteiligt wird und seine Ermessensentscheidung auf der Grundlage der im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung bestehenden Sachlage treffen kann.

Im Hinblick auf die nicht eindeutige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) hat der 1. Senat die Revision zugelassen, diese ist jedoch nicht eingelegt worden, so dass das Urteil rechtskräftig geworden ist.

Quelle: FG Schleswig-Holstein

Bindungswirkung der Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG für die Festsetzung des Auszahlungsanspruchs

FG Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 30.09.2013 zum Urteil 1 K 284/10 vom 21.05.2013 (nrkr – BFH-Az. I R 46/13)

In einem bei dem 1. Senat des Finanzgerichts geführten Verfahren (Az. 1 K 284/10) stritten die Beteiligten darüber, ob das beklagte FA verpflichtet sei, den gegen die Klägerin bereits am 28. Februar 2003 ergangenen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Endbestände des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 2001 zu ändern und die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals unter Anwendung des § 36 Abs. 3 bis 6a n. F. zu ermitteln und entsprechend festzustellen. Mit Beschluss vom 17. November 2009 1 BvR 2192/05 (BGBl I 2010, 326, BVerfGE 125, 1) hatte das BVerfG die Umgliederungsvorschrift des § 36 Abs. 3 KStG insoweit für verfassungswidrig erklärt, als die Umgliederung des zum Zeitpunkt des Systemwechsels vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren mit 45 % belasteten Eigenkapitals (EK 45) in mit 40 % belastetes Eigenkapital (EK 40) und unbelastetes Eigenkapital (EK 02) zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial führte. Zugleich verpflichtete es den Gesetzgeber, für noch nicht bestandskräftig abgeschlossene Verfahren eine Neuregelung zu treffen, die den Erhalt des Körperschaftsteuerminderungspotenzials sicherstellte. Die Umsetzung durch den Gesetzgeber erfolgte durch § 36 Abs. 3 – 6a KStG i. d. F. des JStG 2010. Gem. § 34 Abs. 13 KStG ist die Neuregelung in allen Fällen anzuwenden, in denen die Endbestände i. S. d. § 36 Abs. 7 KStG noch nicht bestandskräftig festgestellt sind.

Nach Ergehen des Beschlusses des BVerfG (und vor Ergehen der gesetzlichen Neuregelung) beantragte die Klägerin die Änderung des gegen sie ergangenen Bescheides über die gesonderte Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG und über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen auf den 31. Dezember 2001, der nachfolgend ergangenen Feststellungsbescheide zum 31. Dezember 2002, 2003, 2004, 2005 und 2006 sowie des Bescheides über die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens gem. § 37 Abs. 5 KStG. Sie sei durch die nunmehr als verfassungswidrig erklärten Übergangsregelungen steuerlich belastet, weil ihr durch die beanstandeten Feststellungen Körperschaftsteuerminderungspotenzial verloren gehe. Das FA lehnte eine Änderung der Bescheide ab. Die Bescheide zum 31. Dezember 2001 seien bereits vor dem Ergehen des BVerfG-Beschlusses in formelle und materielle Bestandskraft erwachsen und daher nicht mehr änderbar. Der ursprünglich gegebene Vorbehalt der Nachprüfung sei mit dem Eintritt der Feststellungsverjährung am 31. Dezember 2006 gem. §§ 164 Abs. 4, 169 Abs. 2 Satz 1 AO entfallen. Das BVerfG habe ausdrücklich angeordnet, dass der Gesetzgeber eine Neuregelung nur für noch offene Steuerverfahren zu treffen habe. Eine Änderung komme nach dem Ablauf der Feststellungsfrist auch nicht gem. § 181 Abs. 5 AO in Betracht, denn diese Norm begründe keine eigenständige Änderungsbefugnis.

Mit der Klage begehrte die Klägerin noch, das FA zu verpflichten, den Bescheid über die gesonderte Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG zum 31. Dezember 2001 zu ändern. Hilfsweise sei jedenfalls der Feststellungsbescheid auf den 31. Dezember 2006 zu ändern und ein höheres KSt-Guthaben zu ermitteln. Das System der Vergütung von KSt-Guthaben sei zum 31. Dezember 2006 tiefgreifend geändert worden. Aus dem Gesetz ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Feststellung des „alten“ Guthabens Bindungswirkung für das „neue“ Guthaben zukommen solle.

Der 1. Senat hat die Klage abgewiesen. Einzig denkbare Grundlage für eine Änderung des auf den 31. Dezember 2001 ergangenen Feststellungsbescheides sei § 164 Abs. 2 AO. Dessen Anwendung komme jedoch wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Feststellungsverjährung nicht in Betracht, weil mit Eintritt der Feststellungsverjährung gem. § 164 Abs. 4 Satz 1 AO auch der Vorbehalt der Nachprüfung weggefallen sei. Dem stehe auch § 181 Abs. 5 AO nicht entgegen. Zwar sei der auf den 31. Dezember 2001 ergangene Feststellungsbescheid für den Bescheid über die Festsetzung des Auszahlungsguthabens „von Bedeutung“ im Sinne der Vorschrift, wenn man von einem Verhältnis Grundlagen-/Folgebescheid ausgehe. Durch § 181 Abs. 5 AO werde jedoch weder eine eigenständige Änderungsmöglichkeit geschaffen, noch werde der Ablauf der Feststellungsfrist gehemmt. Vielmehr ermögliche es die Norm lediglich, einen Feststellungsbescheid mit eingeschränktem Regelungsinhalt zu erlassen, obwohl die Feststellungsfrist bereits abgelaufen sei.

Die hilfsweise beantragte Änderung des auf den 31. Dezember 2006 ergangenen Feststellungsbescheides komme ebenfalls nicht in Betracht. Der Bescheid auf den 31. Dezember 2006 sei schon kein Grundlagenbescheid im Verhältnis zu dem Bescheid betreffend die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des KSt-Guthabens. Letzteres sei nämlich gem. § 37 Abs. 2 Satz 4 KStG letztmalig zum 31. Dezember 2005 festgestellt worden. Zum 31. Dezember 2006 werde es gem. § 37 Abs. 4 KStG nur „ermittelt“ und eben nicht festgestellt. Gem. § 179 Abs. 1 AO dürften Besteuerungsgrundlagen nur dann durch einen Feststellungsbescheid festgestellt werden, wenn dies gesetzlich bestimmt sei. Da es hier an einer solchen Bestimmung gerade fehle, werde das KSt-Guthaben lediglich nachrichtlich ausgewiesen, aber nicht vom Tenor/Regelungsgehalt des Bescheides umfasst.

Auch wenn der Hilfsantrag als Antrag auf Änderung des Feststellungsbescheides zum 31. Dezember 2005 ausgelegt werde, könne er keinen Erfolg haben. Einer Änderung stehe die Bindungswirkung der vorausgegangenen Feststellungsbescheide entgegen. Die Feststellung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 2001 und zum 31. Dezember 2002 bis 2005 sei in § 36 Abs. 7 KStG bzw. in § 37 Abs. 2 Satz 4 KStG ausdrücklich geregelt. Die Feststellungen entfalteten als Grundlagenbescheide gem. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO Bindungswirkung für die jeweiligen Folge(feststellungs)bescheide. Die Bindungswirkung sei aber auch bei der Ermittlung des KSt-Guthabens und bei der Festsetzung dieses Guthabens als Auszahlungsanspruch zu beachten. Das gelte, obwohl zum 31. Dezember 2001 und 2006 das KSt-Guthaben nicht festgestellt worden sei. Materiell-rechtlicher und verfahrensrechtlicher Ausgangspunkt zur Ermittlung und Sicherung des Körperschaftsteuerguthabens beim Übergang zum Halbeinkünfteverfahren sei der Feststellungsbescheid gem. § 47 Abs. 1 Nr. 1 KStG a. F. gewesen. Dieser sei Grundlagenbescheid für den Bescheid gem. § 36 Abs. 7 KStG gewesen. Letzterer wiederum bilde hinsichtlich der in ihm ausgewiesenen Endbestände der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 2001 die materiell-rechtlich und verfahrensrechtlich bindende Grundlage für die Ermittlung des KSt-Guthabens gem. § 37 Abs. 1 KStG auf den 31. Dezember 2001, für die gesonderten Feststellungen des verbleibenden Guthabens zum 31. Dezember 2002 bis 2005 sowie für die Ermittlung des Guthabens zum 31. Dezember 2006. Dementsprechend könnten Einwendungen gegen die Höhe des Endbestandes an EK 40 nur gegen den Feststellungsbescheid gem. § 36 Abs. 7 KStG geltend gemacht werden, nicht aber im Verfahren betreffend die Ermittlung des KSt-Guthabens gem. § 37 Abs. 1 KStG. Diese erfolge allein durch eine mathematische Operation, nämlich durch Anwendung eines Faktors von 1/6 auf den festgestellten Endbestand des EK 40; rechtliche Überlegungen seien nicht anzustellen.

Das Revisionsverfahren wird beim BFH unter dem Aktenzeichen I R 46/13 geführt.

Quelle: FG Schleswig-Holstein

Aufwendungen (Mietzahlungen) für eigenes Wohnen sind keine Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung

FG Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 30.09.2013 zum Urteil 3 K 148/09 vom 21.06.2013 (nrkr – BFH-Az. IX R 24/13)

Mit Urteil vom 21. Juni 2013 (Az. 3 K 148/09) hatte der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts die Frage zu entscheiden, ob ein Teil der Mietaufwendungen für die selbstgenutzte Wohnung Werbungskosten bei den nunmehr erzielten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der bislang selbst bewohnten Wohnung sein können. Der erkennende Senat hat diese Frage verneint.

Der Kläger bewohnte zunächst zusammen mit seiner Ehefrau und den Kindern die Dachgeschosswohnung eines im Eigentum seiner Ehefrau stehenden Zweifamilienhauses zu eigenen Wohnzwecken (Wohnung in A). Nach Auszug der Kinder beschlossen die Eheleute „ins Grüne“ zu ziehen und die freiwerdende Wohnung zu vermieten. Einige Jahre nach dem Umzug machte die Ehefrau in den Einkommensteuererklärungen der beiden Streitjahre einen Teil der Mietaufwendungen für die neue Wohnung (Wohnung in B) als Werbungskosten (sog. „negative Eigenmiete“) bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Das Finanzamt versagte die Werbungskosten.

In der Begründung der Einsprüche führte die Ehefrau u. a. aus, dass durch die Vermietung des bisher selbstgenutzten Teils des Hauses und gleichzeitige Anmietung eines Einfamilienhauses die Leistungsfähigkeit i. S. des objektiven Nettoprinzips unverändert geblieben sei, da in Höhe der Mieteinkünfte nunmehr gleichzeitig die gezahlte Miete für die Wohnung B abfließen würde. Bei bloßem Ansatz der Mieteinkünfte ohne Abzug der „negativen Eigenmiete“ würde so getan, als wäre die Leistungsfähigkeit erhöht, was gerade nicht der Fall sei. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg. Das Finanzamt stützte seine ablehnenden Entscheidungen insbesondere auf das seinerzeit von der Rechtsprechung noch in § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG gesehene Aufteilungsverbot.

Die daraufhin erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Zwar sei dem Kläger zuzubilligen, dass aufgrund des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06 (BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672) die höchstrichterliche Rechtsprechung aus § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot von gemischt veranlassten Kosten (mehr) herleite. Das Gebot der Steuergerechtigkeit (Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit) vermag, so der Große Senat, ein generelles Aufteilungs- und Abzugsverbot, das auch einen zweifelsfrei nachgewiesenen beruflichen Kostenanteil nicht zum Abzug als Betriebsausgabe oder Werbungskosten zulässt, nicht zu rechtfertigen; vielmehr gebietet das Leistungsfähigkeitsprinzip die Berücksichtigung des beruflichen Anteils durch Aufteilung, notfalls durch Schätzung.

Unter dieses von der Rechtsprechung entwickelte Gebot der Aufteilung gemischt veranlasster (privater/der Einkünfteerzielung dienender) Aufwendungen könnten grds. auch Mietaufwendungen für eine selbstgenutzte Wohnung fallen, die im Veranlassungszusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für die bisher bewohnte eigene Wohnung stehen. Einer – auch nur teilweisen – Berücksichtigung der Mietaufwendungen als Werbungskosten stehe jedoch entgegen, dass derartige Aufwendungen bereits nach Maßgabe des subjektiven Nettoprinzips durch die Vorschriften über das steuerliche Existenzminimum (Grundfreibetrag) von der Einkommensteuer freigestellt werden, so dass, um eine doppelte Berücksichtigung zu vermeiden, der Anwendungsbereich des § 9 EStG nicht eröffnet sei. Nach der von dem Gesetzgeber im Einkommensteuergesetz getroffenen Grundentscheidung sind Aufwendungen für das private Wohnen – außerhalb der durch die berufliche Veranlassung überlagerten Fälle der doppelten Haushaltsführung und des Arbeitszimmers – steuerlich nicht abzugsfähig (Trossen, Anmerkung zum Besprechungsurteil, EFG 2013, 1396).

Das Revisionsverfahren wird beim BFH unter dem Az. IX R 24/13 geführt.

Quelle: FG Schleswig-Holstein

Umsatzsteuer auf Leistungen eines Arbeitsvermittlers?

Leistungen, die ein Arbeitsvermittler gegenüber einem Arbeitslosen auf der Grundlage eines unmittelbar mit diesem geschlossenen Vertrages erbringt, sind nicht umsatzsteuerfrei

FG Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 30.09.2013 zum Urteil 4 K 32/11 vom 17.07.2013 (nrkr – BFH-Az. XI R 35/13)

Mit seinem Urteil vom 17. Juli 2013 (Az. 4 K 32/11) hat der 4. Senat des Finanzgerichts erkannt, dass Leistungen eines Arbeitsvermittlers, die dieser gegenüber einem Arbeitslosen auf der Grundlage eines unmittelbar mit dem Arbeitslosen geschlossenen Vertrages erbringt, nicht umsatzsteuerfrei sind. Die Klägerin betätigte sich als Arbeitsvermittlerin, d. h. sie beschäftigte sich damit, Arbeitslose durch Vermittlung eines geeigneten sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dazu schloss sie mit den Arbeitslosen jeweils einen sog. Vermittlungsvertrag, mit dem sie sich dazu verpflichtete, ein Fähigkeitsprofil der Bewerber zu erstellen und ein individuelles Bewerbungstraining durchzuführen, sie insbesondere auf Vorstellungsgespräche vorzubereiten. Die Arbeitslosen verpflichteten sich im Gegenzug, an die Klägerin eine Vermittlungsprovision zu zahlen. Der Provisionsanspruch wurde gestundet bis zur Bestätigung einer erfolgreichen Vermittlung durch den Bewerber. Es wurde jeweils vereinbart, dass die Provision von dem Arbeitslosen selbst zu erbringen war, wenn er der Klägerin nicht auch den sog. Vermittlungsgutschein vorlegte, der es der Klägerin ermöglichte, bei der Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) gem. § 421 g Abs. 2 Satz 4 SGB III die direkte Zahlung des Vermittlungsentgelts an sich zu beantragen. Letzteres geschah regelmäßig, die Klägerin behandelte die Zahlungen der Bundesagentur als umsatzsteuerfrei.

Dem folgten weder das Finanzamt noch das Finanzgericht. Eine Umsatzsteuerfreiheit ergebe sich weder aus dem Umsatzsteuergesetz noch aus dem Unionsrecht. Insbesondere die Voraussetzungen des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. RLEWG (jetzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über ein gemeinsames Mehrwertsteuersystem – MwStSystRL) seien nicht gegeben. Danach befreien die Mitgliedstaaten eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen von der Steuer, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden.

Zwar seien die von der Klägerin erbrachten Leistungen zur Vermittlung von Arbeitslosen eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbunden, die Klägerin sei aber nicht als Einrichtung mit sozialem Charakter anzuerkennen. Das komme nur für solche Einrichtungen in Betracht, die über eine unmittelbare vertragliche Beziehung zu dem jeweiligen Mitgliedstaat oder den jeweiligen Trägern der sozialen Sicherheit verfügten, die Inhalt, Umfang und die Verantwortlichkeit der Einrichtung für eine vertragsgemäße Leistungserbringung konkretisiere. Weder daraus, dass eine Einrichtung ihre Tätigkeit mit dem Sozialversicherungsträger abgestimmt habe, noch daraus, dass eine Kostenerstattung durch denselben erfolge, könne eine Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter hergeleitet werden. Die Klägerin verfüge aber über keine vertraglichen Beziehungen zur Bundesagentur, vielmehr bestünden solche nur zwischen der Klägerin und den Arbeitslosen. Etwas anderes ergebe sich insbesondere nicht daraus, dass der Zahlungsfluss der Leistungsentgelte direkt von der Bundesagentur an die Klägerin erfolge. Denn die Übernahme der Entgelte durch die Bundesagentur beruhe allein auf § 421g SGB III und betreffe daher das zwischen der Arbeitsverwaltung und den Arbeitslosen bestehende Rechtsverhältnis. Den Regelungen des Vermittlungsvertrages zufolge waren der Klägerin gegenüber allein die Arbeitslosen zur Zahlung verpflichtet.

Das Revisionsverfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen XI R 35/13 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein

6 % Aussetzungszinsen bei mehrjährigem Zinslauf (noch) nicht verfassungswidrig

FG Hamburg, Pressemitteilung vom 30.09.2013 zum Urteil 2 K 50/12 vom 23.05.2013 (nrkr – BFH-Az.: IX R 31/13)

Die Kläger hatten eine 1996 erworbene Eigentumswohnung im Jahr 2002 wieder veräußert. Gegen die Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns als Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft legten sie Einspruch ein. Das FA gewährte ihnen antragsgemäß AdV und ordnete im Oktober 2004 im Hinblick auf ein Vorlageverfahren beim BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Verlängerung der Spekulationsfrist das Ruhen des Einspruchsverfahrens gemäß § 363 Abs. 2 AO an. Nach Ergehen der Entscheidung des BVerfG im Juli 2010 hob das FA die gewährte AdV auf und setzte auf den ausgesetzten Steuerbetrag, soweit eine Abhilfe in der Sache nicht erfolgte, gemäß §§ 237, 238 AO Aussetzungszinsen von 6 % per anno für den Zeitraum von mehr als sechs Jahren fest.

Mit ihrer Klage machten die Kläger geltend, die konkrete Zinsfestsetzung sei wegen der überlangen Verfahrensdauer verfassungsrechtswidrig. Die Vorschrift des § 237 AO müsse verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass sie bei überlanger Verfahrensdauer nicht anzuwenden sei und schon gar nicht Zinsen in Höhe von 6 % per anno festgesetzt werden dürften.

Dem ist der 2. Senat des Finanzgericht Hamburgs nicht gefolgt. Die Vorschriften der Abgabenordnung, nach denen auf ausgesetzte Steuerbeträge Zinsen von jährlich 6 % zu zahlen sind, verstoße jedenfalls für einen Zinslauf von 2004 bis 2011 nicht gegen die Verfassung. Die bisherige Rechtsprechung – auch des BVerfG – habe die Verzinsungsregelungen der Abgabenordnung bisher für verfassungsgemäß gehalten.

Allerdings führt der 2. Senat aus, dass typisierende Regelungen, wie der Zinssätze, einer Korrektur bedürften, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse, die Grundlage einer zulässigen Typisierung gewesen seien, durchgreifend geändert haben. Ausdruck einer derartigen Änderung könnte vornehmlich das kontinuierlich gesunkene Zinsniveau sein. Da Zinssätze mit Rücksicht auf wirtschaftliche und politische Implikationen jedoch Schwankungen unterlägen, wie sie sich in der Vergangenheit stets abgebildet hätten, sei dem Gesetzgeber aber eine gewisse Beobachtungszeit vor einer Anpassung des Zinssatzes zuzubilligen.

Der 2. Senat hat die Revision in seinem Urteil vom 23.05.2013 (2 K 50/12) wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen; Az. des BFH: IX R 31/13.

Quelle: FG Hamburg

Ansatz der Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Feuerwehrwache bei einem Berufsfeuerwehrmann

FG Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 30.09.2013 zum Urteil 5 K 233/12 vom 24.06.2013 (rkr)

Mit Urteil vom 24. Juni 2013 (Az. 5 K 233/12) hat der 5. Senat des Finanzgerichts entschieden, dass die Feuerwehrwache, der ein Berufsfeuerwehrmann ausschließlich zugeordnet ist und die er an jedem seiner Arbeitstage von seinem Wohnort aus zur Ableistung seines Schichtdienstes anfährt, auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 22. September 2010 VI R 54/09, BFHE 231, 127, und vom 9. Juni 2011 VI R 58/09, BFHE 234, 155) die regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG darstellt. Bei den Werbungskosten kann daher lediglich die Entfernungspauschale angesetzt werden.

Geklagt hatte ein Berufsfeuerwehrmann, der bei der Stadt A beschäftigt und im Streitjahr ausschließlich der Hauptfeuerwehrwache zugeordnet war. Die Wache fuhr der Kläger im Rahmen seines Schichtdienstes, den er in der Regel von 7:30 Uhr bis 7:30 Uhr am darauffolgenden Tag ableistete, im Streitjahr von seinem Wohnort aus an 83 Tagen an. Von der Feuerwehrwache aus nahm der Kläger an Einsätzen zur Lebensrettung, zum Löschen von Bränden oder zur Gefahrgutbeseitigung teil. Nach Beendigung der Einsätze kehrte er regelmäßig zur Wache zurück. Ansonsten verrichtete er während der Dienstzeit nach einem genauen Dienstplan auf der Wache Werkstattdienste, machte Fahrzeugkontrollen und Fahrzeugreinigung sowie Wachreinigung. Ferner nahm er an Ausbildungs- und Sporteinheiten teil. In den Abend- und Nachtstunden – am Wochenende zum Teil auch tagsüber – sah der Dienstplan für den Kläger Bereitschaftszeit vor.

In seiner Einkommensteuererklärung hatte der Kläger für die insgesamt 83 Fahrten zur Hauptfeuerwehrwache Werbungskosten als Reisekosten bei Auswärtstätigkeit geltend gemacht und seiner Berechnung die Entfernungskilometer für Hin- und Rückfahrt zu Grunde gelegt. Er war der Auffassung, dass die Feuerwehrwache nach der neueren Rechtsprechung des BFH nicht seine regelmäßige Arbeitsstätte darstelle. Der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit bestimme sich nach den qualitativen Merkmalen der Arbeitsleistung. Der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit eines Berufsfeuerwehrmanns liege aber vor Ort bei den jeweiligen Einsätzen. Demgegenüber fielen die Bereitschaftszeit und die in der Feuerwehrwache ausgeübten Tätigkeiten qualitativ nicht ins Gewicht.

Dem sind das Finanzamt und der 5. Senat des Finanzgerichts nicht gefolgt. Sie sahen die Feuerwehrwache als regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG an, so dass lediglich die Entfernungspauschale für die Fahrten zwischen Wohnung und Feuerwehrwache angesetzt wurde. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei der Feuerwehrwache um eine ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers des Klägers, die der Kläger auch mit Nachhaltigkeit aufgesucht habe. Die Wache sei auch der ortsgebundene Mittelpunkt der Tätigkeit des Klägers, an der er typischerweise schwerpunktmäßig tätig geworden sei. Er müsse während der gesamten 24-Stunden Schicht grundsätzlich in der Wache anwesend sein; dort würden auch wichtige Arbeiten zur Erhaltung der Einsatzfähigkeit der Feuerwehr verrichtet. Meldungen für die Einsätze liefen in der Wache auf; nach Beendigung eines Einsatzes kehre der Kläger auch regelmäßig zur Wache zurück. Auch in zeitlicher Hinsicht verbringe der Kläger in der Regel mehr Zeit auf der Wache als in den Einsätzen. Erst die ständige, nur durch die Einsätze unterbrochene Anwesenheit des Klägers und seiner Berufskollegen auf der Wache gewährleiste die Funktionsfähigkeit und ständige sofortige Einsatzbereitschaft der Berufsfeuerwehr. Anders als beispielsweise ein Betriebsprüfer im Finanzamt suche der Kläger daher die Wache auch nicht nur gelegentlich auf, um etwa in geringfügigem Umfang an Dienstbesprechungen oder Verwaltungstätigkeiten teilzunehmen. Vor diesem Hintergrund liege der ortsgebundene qualitative Mittelpunkt der Tätigkeit in der Feuerwehrwache, auch wenn das Außenbild eines Feuerwehrmanns von der eigentlichen Einsatztätigkeit des Löschens von Bränden, der Lebensrettung oder der Gefahrgutbeseitigung geprägt sei. Auch dann, wenn man als ein weiteres Kriterium für eine „regelmäßige Arbeitsstätte“ darauf abstellte, ob der Arbeitnehmer sich in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und auf eine Minderung seiner Wegekosten – beispielsweise durch Bildung von Fahrgemeinschaften, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder gegebenenfalls durch Wohnsitznahme – hinwirken könne, sei dieses Kriterium im Streitfall erfüllt.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein

Mietaufwendungen für eine selbstgenutzte Wohnung; gemischte Veranlassung

 Leitsatz

Unter das von der Rechtsprechung entwickelte Gebot der Aufteilung gemischt veranlasster (privater / der Einkünfteerzielung dienender) Aufwendungen könnten grundsätzlich auch Mietaufwendungen für eine selbstgenutzte Wohnung fallen, die im Veranlassungszusammenhang mit Einkünften aus VuV für die bisher bewohnte eigene Wohnung stehen. Einer – teilweisen – Berücksichtigung der Mietaufwendungen als Werbungskosten steht jedoch entgegen, dass derartige Aufwendungen bereits nach Maßgabe des subjektiven Nettoprinzips durch die Vorschriften über das steuerliche Existenzminimum (Grundfreibetrag) von der Einkommensteuer freigestellt werden, so dass, um eine doppelte Berücksichtigung zu vermeiden, der Anwendungsbereich des § 9 EStG nicht eröffnet ist.

 Gesetze

§ 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1
EStG

 Instanzenzug

BFH 21.08.2013 – IX R 24/13

 Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von Werbungskosten bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der – im Oktober 2007 verstorbenen – Ehefrau des Klägers.

Die Ehefrau des Klägers war Alleineigentümerin eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks in A. Das Haus wies zwei Wohnungen auf. In der Erdgeschosswohnung ging der Kläger einer freiberuflichen Tätigkeit nach. Die obere Wohnung wurde von der Familie des Klägers bewohnt. Nachdem die beiden Kinder aus dem Haus ausgezogen waren und da die … Straße sehr stark befahren und dementsprechend laut war, entschlossen sich die Eheleute „ins Grüne” zu ziehen. Sie mieteten deshalb ein Haus in B zu einer Kaltmiete von 3.000,- DM monatlich und zogen zum 01. Dezember 1999 dorthin um. Gleichzeitig entstand bei den Eheleuten bzw. der Ehefrau des Klägers als Alleineigentümerin die Absicht, die nun frei werdende bzw. bereits gewordene obere Wohnung in A zu vermieten. Dies erfolgte ab dem 01. Februar 2002. Gemietet wurde die obere Wohnung von dem gleichen Mieter, der die nach Aufgabe der freiberuflichen Tätigkeit frei gewordene Wohnung im Erdgeschoss des Hauses mietete.

Im Streitjahr 2004 erklärte die Ehefrau des Klägers in der gemeinsamen Einkommensteuer-Erklärung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Einnahmen aus der Vermietung des Hauses A in Höhe von rund 18.600,- € (Mieten und Nebenkosten). Die Ausgaben in Höhe von rund 24.600,- € enthielten unter anderem eine Position „negative Eigenmiete” in Höhe von 9.000,- €. Insgesamt ergab sich hieraus ein Verlust in Höhe von rund 6.000, – €. Das Finanzamt veranlagte insoweit erklärungsgemäß. Der Bescheid erging gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

In der gemeinsamen Steuererklärung für das Streitjahr 2005 machte die Ehefrau des Klägers ebenfalls 9.000,- € negative Eigenmiete als Werbungskosten bei den Einkünften aus der Vermietung des Objektes in A geltend. Bei der Veranlagung versagte der Beklagte die Anerkennung der Position „negative Eigenmiete” und setzte mit Bescheid vom 12. Juli 2007 die Einkommensteuer für das Jahr 2005 gegenüber den Eheleuten mit … € fest. Zur Begründung führte der Beklagte in den Erläuterungen des Bescheides hierzu aus, dass es sich bei der angesetzten „negativen Eigenmiete” eindeutig nicht um Werbungskosten handele. Auf den Inhalt des Bescheides, der ebenfalls gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, wird ergänzend Bezug genommen. Gleichzeitig änderte der Beklagte den zuvor schon einmal geänderten Einkommensteuerbescheid für das vorangegangene Jahr 2004 gemäß § 164 Abs. 2 AO entsprechend und setzte die Einkommensteuer gegenüber den Eheleuten mit Bescheid vom 12. Juli 2007 auf … € fest. Der Bescheid enthält hinsichtlich der nicht mehr anerkannten Position „negative Eigenmiete” einen dem Jahr 2005 entsprechenden Hinweis in den Erläuterungen. Auf den Inhalt des Bescheides im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen.

Gegen diese beiden Bescheide vom 12. Juli 2007 legte der Kläger namens und im Auftrag seiner Ehefrau für diese fristgemäß Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass der Ansatz der negativen Eigenmiete den das Einkommensteuerrecht prägenden Gedanken der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (objektives Nettoprinzip) berücksichtige. Danach seien alle Ausgaben von den Einnahmen abzuziehen, die bei Erzielung dieser Einnahmen entstanden seien. Solange das Haus in A zum Teil selbst genutzt und zum Teil vermietet gewesen sei, sei die Leistungsfähigkeit als Basis der Steuerberechnung durch die Höhe der Einkünfte aus der Vermietung definiert gewesen. Durch die Vermietung des bisher selbst genutzten Teils des Hauses und gleichzeitige Anmietung eines Einfamilienhauses sei die Leistungsfähigkeit unverändert geblieben, denn in Höhe der Mieteinkünfte fließe nunmehr gleichzeitig die hierfür gezahlte Miete ab. Bei bloßem Ansatz der „erhöhten” Mieteinkünfte ohne Abzug der negativen Eigenmiete würde so getan, als wäre die Leistungsfähigkeit erhöht, was gerade nicht der Fall sei. Daher sei der Ansatz von Werbungskosten erforderlich, um diesen Irrtum zu beseitigen. Schließlich seien die Aufwendungen für das gemietete Wohnhaus auch erforderlich, um mit der Vermietung des Hauses A (höhere) Einkünfte erzielen zu können.

Mit Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2009 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Der Bescheid erging an den Kläger als Rechtsnachfolger der inzwischen verstorbenen Ehefrau. Auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung wird ergänzend Bezug genommen.

Hiergegen erhob der Kläger als Alleinerbe seiner Ehefrau Klage. Er trägt im Wesentlichen Folgendes vor:

In der Nichtanerkennung der „negativen Eigenmiete” in Höhe von jeweils 9.000,- € je Veranlagungsjahr läge ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit. Durch den Umzug von A nach B bei gleichzeitiger Vermietung der bisherigen Wohnung sei die finanzielle Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen nicht gestiegen: Denn die zusätzlich vereinnahmte Miete werde sogleich als Miete für das gemietete Wohnhaus wieder ausgegeben. Gleichzeitig sei die Einkommensteuer aufgrund der hinzugekommenen Einkünfte aus der Vermietung der oberen Wohnung in A erhöht worden; durch die Erklärung der negativen Eigenmiete als Werbungskosten in der Einkommensteuererklärung werde dieser Fehler dem Grunde nach neutralisiert.

Der Grundsatz der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit werde aus dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes hergeleitet. Der Kläger bezieht sich hierbei auf die Begründung des Bundesverfassungsgerichts in dessen Entscheidung vom 09. Dezember 2008 zur Pendlerpauschale, aus der er umfangreich zitiert.

Hinzu komme, dass sich die Rechtslage während der Dauer des Rechtsstreits entscheidend geändert habe. Im Jahr 2009 habe der BFH weitere grundlegende Entscheidungen getroffen, mit denen er seine bisherige ständige Rechtsprechung nicht nur leicht modifiziert, sondern ausdrücklich aufgegeben und geändert habe. In den Urteilen vom 05. März 2009 (VI R 23/07 und VI R 58/06) habe der BFH nämlich selbst für den Fall, dass jemand aus privaten Gründen seinen Wohnsitz vom Arbeitsort wegverlegt, für Recht erkannt, dass die Kosten dieser bisherigen Privatwohnung steuerlich als Werbungskosten anerkannt werden, wenn er weiterhin von dieser Wohnung aus seinem Beruf nachgehe. Bis zu diesen beiden Urteilen sei es undenkbar gewesen, dass die Hemmschwelle des Abzugsverbots privater Lebenshaltungskosten hätte überwunden werden können. Es sei nicht zu verkennen, dass der BFH in einer rechtlichen zulässigen und nicht zu beanstandenden Weise dem Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse Rechnung trage und damit insbesondere die aus beruflichen Gründen notwendige Mobilität steuerlich berücksichtige, indem er dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit in Form des objektiven Nettoprinzips Geltung verschaffe.

Schließlich habe der Große Senat des BFH am 21. September 2009 in seinem Beschluss zur Abzugsfähigkeit privat/beruflich verursachter Reisekosten das bis dahin eiserne Aufteilungsverbot von vermischten Kosten aufgegeben und stattdessen ein Aufteilungsgebot aus derselben Vorschrift gelesen. Dies eröffne die steuerliche Anerkennung der beruflichen Teile von vermischten Kosten, was durch das bisherige Dogma des Aufteilungsverbots unmöglich gewesen sei.

In allen Entscheidungen gehe es um die Problematik vermischter privater/beruflicher Aufwendungen und deren steuerlicher Abzugsfähigkeit. Die bisher strikte Ablehnung jeglicher Flexibilität bei vermischten privaten/beruflichen Aufwendungen wandle sich dadurch zu einer größeren Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalls. Die Rechtsprechung habe damit geradezu einen Paradigmenwechsel vollzogen. Dies erfordere und erlaube ein Überdenken des bisherigen Verwaltungshandelns und der Rechtsprechung für diesen Bereich.

In diesem Zusammenhang füge sich zwangslos das vorliegende Klagebegehren. Es beschreite den vorgezeichneten Weg. Für einen Teil der Miete eines privat genutzten Wohnhauses (die „negative Eigenmiete”) werde der steuerliche Abzug als Werbungskosten begehrt. Denn nur so lasse sich das objektive Nettoprinzip verwirklichen.

Für die Frage, ob die negative Eigenmiete Werbungskosten für die Einkünfte aus Vermietung des Hausgrundstücks A sein könne, komme es vorwiegend auf den objektiven Zusammenhang zwischen Aufwand und der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit an, „während die subjektive Absicht kein notwendiges Merkmal des Werbungskosten-Begriffs ist” (Hinweis auf Loschelder in Schmidt, EStG , § 9 Rz. 7). Unstreitig sei der Auszug aus der Wohnung nicht allein erfolgt, um daraus Mieterträge zu erzielen. Das Ineinandergreifen der – für sich gesehen jeweils nicht unbedeutenden – beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge (beruflich/private Doppelmotivation) schließe als solche jedoch grundsätzlich den Abzug von gemischt verursachten Aufwendungen als Werbungskosten nicht (mehr) aus (Hinweis auf die bereits benannten BFH-Urteile vom 05. März 2009 zur doppelten Haushaltsführung).

Vorliegend bestehe ein derart enger tatsächlicher Zusammenhang zwischen dem Aufwand für eine eigene Mietwohnung und dem Mietertrag aus der Eigentumswohnung. Denn man könne sich den Mietertrag daraus nicht vorstellen, ohne zugleich deren Eigennutzung aufgegeben zu haben, indem eine andere Wohnung bezogen worden sei. Das Finanzamt weise zwar auf den fehlenden zeitlichen Zusammenhang zwischen Auszug und Vermietungsertrag hin. Es schließe daraus auf einen fehlenden Veranlassungszusammenhang. Dabei verkenne es aber die rechtliche Bedeutung des objektiven Zusammenhangs. Im Übrigen habe das aus zwei zusammenhängenden (Eigentums-)Wohnungen bestehende Haus seit dem Auszug zur Vermietung frei gestanden. Allerdings habe sich die Vermietung wegen der baulichen Eigenheit als schwierig dargestellt. Schließlich sei die Vermietung beider Wohnungen auch durch einen einheitlichen und gesonderten Vertrag für beide Wohnungen erfolgt. Hierauf könne es für die vorliegende Rechtsfrage jedoch nicht ankommen.

Das Finanzamt habe in der Klagerwiderung ferner den Abzug der negativen Eigenmiete als Werbungskosten auch unter Hinweis auf § 12 Nr. 1 EStG verweigert. Seit dem Beschluss des BFH vom 21. September 2009 (GrS 1/06), den das Finanzamt noch nicht habe berücksichtigen können, werde das bisherige Aufteilungsverbot dieser Vorschrift bei gemischt verursachten Aufwendungen jetzt als Aufteilungsgebot verstanden (Hinweis auf die – im Einzelnen zitierten – Tz. 93 und 94 des genannten BFH-Beschlusses).

Das Finanzamt verwende die Begrifflichkeit „Veranlassungszusammenhang” oder „Veranlassung” irrig im Sinne einer natürlichen Sprachauffassung. Nach Meinung des Finanzamts sei eine Veranlassung nur als ursprünglicher Impuls für eine Handlung zu verstehen.

Diese Auffassung berühre die innere Tatseite. Dies sei jedoch im Allgemeinen nur schwer feststellbar. Auch verkenne das Finanzamt den objektiv wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Erträgen und Aufwendungen als tragenden Gesichtspunkt. Im Übrigen würde auch entgegen der Auffassung des Finanzamts, das einen direkten Veranlassungszusammenhang verneine, ein mittelbarer Zusammenhang genügen (Hinweis auf Loschelder in Schmidt, EStG , § 9 Rz. 8). Wie in den neueren Entscheidungen des BFH vom 05. März 2009 zur doppelten Haushaltsführung im Wegzugsfall dargestellt, komme es auf die private (Mit-)Motivation überhaupt nicht (mehr) an.

Das Finanzamt leugne auch die Verletzung des Gleichheitssatzes. Dabei verwende das Finanzamt ein Vergleichspaar aus ganz anders gearteten Sachverhalten. Dies solle das folgende Beispiel verdeutlichen:

Zwei Angestellte/zwei Beamte, die jeweils im selbstgenutzten Eigenheim wohnen, werden von ihrem Unternehmen/von ihrem Dienstherrn für einen von vornherein befristeten Zeitraum an einen anderen Dienstort vergleichbarer Größe abgeordnet, der wegen der Entfernung einen Umzug (mit ihrer Familie) erfordere. Sie wüssten, dass sie nach diesem Zeitraum wieder an ihren bisherigen Dienstort zurückkehren werden. Der eine verkaufe sein bisher selbstgenutztes Eigenheim und erwerbe am neuen Dienstort ein neues Eigenheim, das er (mit seiner Familie) beziehe. Wirtschaftlich und ertragsteuerlich habe sich für ihn nichts geändert.

Der andere vermiete sein bisher selbstgenutztes Eigenheim und miete am neuen Dienstort (für sich und seine Familie) ein Einfamilienhaus, für das er Miete in der Höhe bezahle, die er selbst aus der Vermietung erziele. Wirtschaftlich hat sich auch für ihn nichts geändert. Ertragsteuerlich müsse er nach Auffassung des Finanzamts jedoch die Einkünfte aus der Vermietung des bisher selbstgenutzten Hauses zusätzlich versteuern, weil seine eigenen Mietkosten als „privat veranlasst” steuerlich neutral seien.

Maßstab dafür, Aufwendungen als (steuerlich neutrale) Lebenshaltungskosten zu qualifizieren, sei die freie Verwendbarkeit der hierfür aufgewandten Mittel. Eine freie Verwendbarkeit lasse sich aber im vorgetragenen Sachverhalt gerade nicht feststellen. Denn die Mieterträge aus dem bisher selbstgenutzten Familienheim stünden nur theoretisch zur freien Verfügung. Denn unter Berücksichtigung der Lebenswirklichkeit müssten sie für die Neumiete verwandt werden. Die Versteuerung der Mieterträge aus dem bisher selbstgenutzten Familienheim lasse sich mit dem objektiven Nettoprinzip folglich nicht vereinbaren und stelle einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot dar (Hinweis auf den BFH-Beschluss zum Reisekostenrecht vom 21. September 2009 GrS 1/06; Tz. 109, 110 und 115).

Das Finanzamt begründe schließlich seine ablehnende Auffassung auch damit, dass das System von Grundfreibetrag und Familienleistungsausgleich die Kosten für das private Wohnen ausreichend berücksichtigten. Daher kämen die Kosten des Wohnens im gemieteten Haus auf keinen Fall als Werbungskosten in Betracht. Denn diese Kosten seien steuerlich im Existenzminimum enthalten. Demgegenüber wünsche er, der Kläger, aber gar nicht den Abzug der Kosten des Wohnens im gemieteten Haus als Werbungskosten, sondern nur den Abzug des durch die Einkünfteerzielungsabsicht veranlassten Anteils. Mit seiner Argumentation folge das Finanzamt demgegenüber noch der traditionellen, ständigen Rechtsprechung, die bis zum Beschluss des Großen Senats vom 21. September 2009 galt. Hiervon habe sich der Große Senat jedoch ausdrücklich distanziert (Hinweis auf Tz. 114 und 116 des BFH-Beschlusses vom 21. September 2009 ). Dessen Ausführungen zu § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG entsprächen in ihrer inneren Logik auch dem Gedanken, die der Abziehbarkeit der Kosten für die berufsbedingte doppelte Haushaltsführung zugrunde lägen. Bei folgerichtiger Anwendung träfen diese Überlegungen auch auf den vorliegenden Sachverhalt zu. Denn in beiden Fällen handele es sich um Wohnen, das grundsätzlich zunächst einmal privat und damit steuerlich neutral sei. Hier wäre nach der früheren ständigen Rechtsprechung eine steuerliche Berücksichtigung grundsätzlich nicht möglich gewesen. Daher habe das Gesetz den Werbungskostenabzug der Kosten für die berufsbedingte doppelte Haushaltsführung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Ziff. 5 EStG ausdrücklich festgelegt. Die Kosten der doppelten Haushaltsführung (und der negativen Eigenmiete) würden auf einer beruflich/privaten Doppelmotivation beruhen. Bei beiden Fallgruppen bestünde allerdings ein tatsächlicher Zusammenhang zwischen dem Aufwand für die doppelte Haushaltsführung und die Berufsausübung bzw. Mietaufwand und Mietertrag (berufliche Veranlassung). Nach dem bis zum 21. September 2009 geltenden Grundsatz des Aufteilungsverbots des § 12 EStG wäre ein entsprechender Aufwand ohne die gesetzliche Regelung steuerlich nicht abzugsfähig. Diese enge Auffassung habe nach Erkenntnis des Großen Senats ihre Bedeutung verloren. Der Grundsatz der Folgerichtigkeit verlange nach einer steuerlichen Gleichbehandlung beider Sachverhalte. Solange das Gesetz dies nicht positiv regele, was nach seiner Ansicht entbehrlich sei, sei die Rechtsprechung aufgerufen, der vorgetragenen Auslegung des Begriffs „Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen” Geltung zu verschaffen.

Es bestünden danach keine durchgreifenden Zweifel daran, dass ein abgrenzbarer Anteil der Aufwendungen für Wohnen im gemieteten Haus, die „negative Eigenmiete”, durch die Einkünfteerzielungsabsicht veranlasst sei. Soweit dessen Quantifizierbarkeit Schwierigkeiten verursache, sei dieser Anteil unter Berücksichtigung aller maßgebenden Umstände zu schätzen (§ 162 AO , § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ). In seinem Urteil zur doppelten Haushaltsführung habe der BFH einen zwar praktikablen, dogmatisch aber schwer begründbaren Aufteilungsmaßstab vorgegeben. Danach seien Unterkunftskosten am Beschäftigungsort nur insoweit notwendig im Sinne des Gesetzes, wie sie den durchschnittlichen Mietzins einer 60 m-Wohnung am Beschäftigungsort nicht überschritten. Hieran orientiere sich sein Vorschlag.

Mit der Klage werde lediglich begehrt, steuerlich so gestellt zu werden, dass Einkünfte aus der Vermietung der früher selbstgenutzten Wohnung steuerlich neutralisiert würden. Das Klageziel werde pragmatisch also dadurch erreicht, dass die Schätzung der Höhe der negativen Eigenmiete den Betrag der Einkünfte aus der Vermietung dieser Wohnung ausmache.

Der Kläger beantragt,

den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2004 und den Einkommensteuerbescheid für 2005, jeweils vom 12. Juli 2007, letztgenannter in Gestalt des Änderungsbescheides vom 24. November 2008 und die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 12. Juni 2009 zu ändern und die Einkommensteuer jeweils unter Berücksichtigung einer negativen Eigenmiete bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Objekts in A nach Rechtsauffassung des Gerichts jeweils niedriger festzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es tritt dem Vorbringen des Klägers mit Rechtsausführungen entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der beigezogenen Akten ergänzend Bezug genommen.

 Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

Die angegriffenen Einkommensteuerbescheide für 2004, zuletzt geändert am 12. 7. 2007, und für 2005, zuletzt geändert am 24. 11. 2008, sowie die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 12. 6. 2009 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO ). Das Finanzamt hat zu Recht die geltend gemachte Position „negative Eigenmiete” nicht als Werbungskosten bei den Einkünften der verstorbenen Ehefrau des Klägers aus Vermietung des Hauses in A steuerlich berücksichtigt.

Weder das objektive Nettoprinzip, noch das „Gebot” der Aufteilung gemischt (beruflich/privat) veranlasster Aufwendungen rechtfertigen die begehrte steuerliche Anerkennung der in Ansatz gebrachten „negativen Eigenmiete”.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG ) verfassungsrechtliche Einschränkungen bei der Bestimmung der Besteuerungstatbestände des Einkommensteuerrechts, die der Gesetzgeber zu beachten hat. Dazu zählen vor allem das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und das eng damit verbundene Gebot der Folgerichtigkeit (BVerfG-Beschluss vom 4.12.2002 2 BvR 400/98 u. a., BVerfGE 107, 27 , BStBl II 2003, 534).

Im Interesse der verfassungsrechtlich gebotenen Lastengleichheit (vgl. Urteile des BVerfG vom 27. 6. 1991 2 BvR 1493/89 , BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654; vom 7. 12. 1999 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 , BStBl II 2000, 162) hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, im Einkommensteuerrecht die objektive finanzielle Leistungsfähigkeit nach dem Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den (beruflichen) Erwerbsaufwendungen andererseits zu bemessen (objektives Nettoprinzip; vgl. Beschluss des BVerfG vom 11. 11. 1998 2 BvL 10/95 , BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502; BFH-Urteile vom 11.5.2005 VI R 7/02 , BFHE 209, 502 , BStBl II 2005, 782; vom 4. 12. 2002 VI R 120/01, BFHE 201, 156 , BStBl II 2003, 403).

Das objektive Nettoprinzip wird durch das Gebot der Folgerichtigkeit im Einkommensteuerrecht geprägt. Zu den gesetzgeberischen Grundentscheidungen, die im gesamten Einkommensteuerrecht folgerichtig umgesetzt werden müssen, gehört die Beschränkung des steuerlichen Zugriffs nach Maßgabe des objektiven Nettoprinzips als Ausgangstatbestand der Einkommensteuer. Hat der Gesetzgeber, wie im Einkommensteuerrecht, den Steuergegenstand ausgewählt und in einer Bemessungsgrundlage definiert, so muss er die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umsetzen (BFH-Beschluss vom 10. 1. 2008 VI R 17/07 , BFHE 219, 358 ; BStBl II 2008, 234).

Das objektive Nettoprinzip wird durch das Veranlassungsprinzip konkretisiert (Lang, StuW 2007, 3). § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG definiert Werbungskosten zwar als Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Die Rechtsprechung hat den Werbungskostenbegriff allerdings dem Begriff der Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG angeglichen. Werbungskosten liegen danach vor, wenn sie durch den Beruf bzw. durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden (BFH-Entscheidungen vom 20. 7. 2006 VI R 94/01, BFHE 214, 354 , BStBl II 2007, 121; vom 4. 12. 2002 VI R 120/01, BFHE 201, 156 , BStBl II 2003, 403; vom 28. 11. 1980 VI R 193/77, BFHE 132, 431 , BStBl II 1981, 368; vom 20. 11. 1979 VI R 25/78, BFHE 129, 149 , BStBl II 1980, 75; vom 28. 11. 1977 GrS 2-3/77, BFHE 124, 43 , BStBl II 1978, 105; vom 27. 11. 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533 , BStBl II 1979, 213; vgl. auch von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG , § 9 Rz. B 152 ff.; Kreft in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG /KStG, § 9 EStG, Rz. 115 ff.; Loschelder in Schmidt, EStG , 32. Aufl., § 9 Rz. 7 ff.). Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob die Aufwendungen notwendig, üblich oder zweckmäßig sind (BFH-Urteil vom 12. 1. 1990 VI R 29/86 , BFHE 159, 341 , BStBl II 1990, 423; Kreft in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG /KStG, § 9 EStG Rz. 201).

Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers hat sich diese Rechtsprechung auch nicht dahin fortentwickelt, dass es zur Erfüllung des objektiven Nettoprinzips grundsätzlich nicht (mehr) auf die subjektive Absicht („zur Förderung der steuerlich relevanten Tätigkeit”) ankommen würde. Soweit der Kläger Loschelder in Schmidt (EStG , 32. Aufl., § 9 Rz. 7) zitiert, wonach der objektive Zusammenhang stets zwingend vorliegen müsse, während die subjektive Absicht kein notwendiges Merkmal des Werbungskosten-Begriffs sei, übersieht er, dass eine Reduzierung des Veranlassungszusammenhangs auf die objektive Seite lediglich für derartige Fälle erfolgt, in denen beispielsweise wie bei „unfreiwilligen Ausgaben oder Zwangsaufwendungen” der subjektive Veranlassungszusammenhang nicht vorliegen kann. So hat der BFH u. a. entschieden, dass Verzugs- oder Prozesszinsen aus ertragsteuerlicher Sicht keinen Schadensersatz für die Verletzung privater Güter darstellen, sondern Entgelt für die unfreiwillige Vorenthaltung des dem Steuerpflichtigen zustehenden Kapitals sind. Die von dem Steuerpflichtigen aufgrund des unfreiwillig vorenthaltenen Kapitals selbst aufgewendeten Zinsen sind bei den Einnahmen aus dieser „Kapitalnutzung” als Werbungskosten abzuziehen (vgl. BFH-Urteil vom 24. 5. 2001 VIII R 3/09 , BFHE 235, 197 , BStBl II 2012, 254, m. w. N.). In derartigen Fällen erfordert die Abzugsfähigkeit keine besondere subjektive Bestimmung der Schuldzinsen für Zwecke der Erzielung von Verzugszinsen. Bei einer erzwungenen Kapitalüberlassung kommt es hinsichtlich der deswegen an den Überlassenden gezahlten Zinsen nur auf den objektiven Tatbestand einer Steigerung der Leistungsfähigkeit an.

Eine vergleichbare, die (Miet-)Aufwendungen unfreiwillig bzw. zwangsweise auslösende Situation ist vorliegend erkennbar nicht gegeben. Die – später vermietete – Wohnung in A wurde den Eheleuten nicht „unfreiwillig vorenthalten”, so dass sie gezwungen gewesen wären, eine andere Wohnung zu mieten. Vielmehr sind sie „freiwillig” aus dem der Ehefrau des Klägers gehörenden Objekt in A ausgezogen.

Sofern den Ausführungen des Klägers ferner zu entnehmen sein sollte, dass aus seiner Sicht sich auch aus den Urteilen des BFH zur doppelten Haushaltsführung in sog. Wegverlegungsfällen (BFH-Urteile vom 5. 3. 2009 VI R 23/07 , BFHE 224, 420 , BStBl II 2009, 1016 und VI R 58/06, BFHE 224, 413 , BStBl II 2009, 1012) die Aufgabe des subjektiven Veranlassungszusammenhangs ergeben würde, vermag der erkennende Senat dem nicht zu folgen. Denn der BFH ist in den Entscheidungen gerade dazu gekommen, dass die Begründung einer doppelten Haushaltsführung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG einen sowohl objektiv als auch subjektiv ausschließlich beruflichen Veranlassungszusammenhang aufweise – und zwar unabhängig davon, ob der zweite Haushalt am Beschäftigungsort neu begründet wurde oder durch privat motivierte Wegverlegung des eigenen Haupthaushalts, wenn aus beruflicher Veranlassung in einer Wohnung am Beschäftigungsort ein zweiter (doppelter) Haushalt zum Hausstand des Steuerpflichtigen hinzutrete. Das ist der Fall, wenn ihn der Steuerpflichtige nutzt, um seinen Arbeitsplatz von dort aus erreichen zu können. Entscheidend ist, ob die Errichtung des Zweithaushalts am Beschäftigungsort konkreten beruflichen Zwecken dient. Dann sind dieser zweite Haushalt am Beschäftigungsort und damit auch die doppelte Haushaltsführung ausschließlich beruflich veranlasst. Die private Wahl des Haupthausstandes macht aus der beruflich veranlassten Errichtung des Zweithaushalts am Beschäftigungsort und damit aus der aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung keine privat veranlasste. Die privat motivierte Wahl des Ortes des Haupthausstandes ist einkommensteuerrechtlich unerheblich. Die Frage des subjektiven Veranlassungszusammenhangs der beruflich begründeten Zweitwohnung ist eine andere als die Frage der aus privaten Gründen veranlassten Lage des Haupthausstandes. Letztere spielt bei der Prüfung des Veranlassungszusammenhangs keine Rolle.

Unter Berücksichtigung dieser (Rechtsprechungs-)Grundsätze erscheint es fraglich, ob die Klage vorliegend nicht bereits daran scheitert, dass die – teilweise – geltend gemachten Aufwendungen für die Anmietung der anderen, in B gelegenen Wohnung – von dem Kläger als „negative Eigenmiete” bezeichnet – subjektiv nicht zur Förderung der Erzielung steuerpflichtiger (Vermietungs-)Einnahmen getätigt worden sind. Denn der Kläger hat im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage gegenüber dem Berichterstatter dargetan, dass die Idee des Umzugs in eine andere Wohnung nach Auszug der Kinder aus der gemeinsamen Wohnung in A entstanden war, zumal die …Straße in A sehr befahren und dementsprechend laut war und er und seine Ehefrau den Wunsch hatten, ins Grüne zu ziehen. Im Zuge dessen bzw. des dann erfolgten Umzugs entstand nach Darstellung des Klägers auch die Überlegung, die Wohnung in A zu vermieten. Insofern sprechen gewichtige Gründe dafür, dass nicht die Absicht der Vermietung, sondern die private Entscheidung der räumlichen Veränderung Anlass und Hintergrund für den Umzug nach B waren, so dass der subjektive Veranlassungszusammenhang zu den Vermietungseinkünften zu verneinen wäre. Der erkennende Senat kann diese Frage jedoch dahingestellt sein lassen.

Denn auch dann, wenn das weitere Vorbringen des Klägers, wonach „der Auszug aus der Wohnung nicht allein erfolgt (sei), um daraus Mieterträge zu erzielen”, so zu verstehen ist, dass der privat motivierte Umzug „ins Grüne” und die Frage der Nutzung (Vermietung) der freiwerdenden bisherigen Wohnung derart eng miteinander verknüpft war, dass von einer doppelten Veranlassung (private/berufliche bzw. der Einnahmeerzielung dienende Veranlassung) auszugehen ist, hat die Klage keinen Erfolg. Zwar wäre dann der subjektive Veranlassungszusammenhang der Mietaufwendungen (auch) mit den Vermietungseinkünften gegeben. Auch würden nicht nur die reinen Umzugskosten, die bereits vor den Streitjahren angefallen sein dürften, die Voraussetzungen des objektiven Veranlassungszusammenhangs erfüllen (vgl. BFH-Urteil vom 17. 1. 1974 IV R 100/70 , BFHE 112, 3  120, BStBl II 1974, 449, wonach nur die Umzugskosten ausschließlich betrieblich veranlasst sein können), sondern auch – jedenfalls mittelbar und im Sinne eine conditio sine qua non sowie im Wege einer (gemischten) Mitveranlassung – die laufenden Mietaufwendungen für ein „Ersatzobjekt”. Denn der – wenn auch freiwillige – Verlust der Behausung führt zur Notwendigkeit der Beschaffung einer anderen Wohnstätte, da das Wohnen in einer Wohnung, worauf der Kläger zu Recht hinweist, in unserer Region als unabdingbar – im Sinne des auch einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigenden Existenzminimums – anzusehen ist.

Dem Kläger ist auch zuzubilligen, dass aufgrund des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 21. 9. 2009 GrS 1/06 (BFHE 227 /1, BStBl II 2010, 672) die höchstrichterliche Rechtsprechung, der der erkennende Senat insoweit folgt, aus § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot von gemischt veranlassten Kosten (mehr) herleitet. Das Gebot der Steuergerechtigkeit (Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit) vermag, so der Große Senat, ein generelles Aufteilungs- und Abzugsverbot, das auch einen zweifelsfrei nachgewiesenen beruflichen Kostenanteil nicht zum Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zulässt, nicht zu rechtfertigen; vielmehr gebietet das Leistungsfähigkeitsprinzip die Berücksichtigung des beruflichen Anteils durch Aufteilung, notfalls durch Schätzung.

Vorliegend kommt nach Auffassung des erkennenden Senats als Aufteilungsmaßstab im Schätzwege jedoch nur eine Berücksichtigung derjenigen Mietaufwendungen als beruflich bzw. durch die Einkünfteerzielung veranlasst in Betracht, die denjenigen des existenziellen (Wohn-)Bedarfs entsprechen. Dies folgt zum einen daraus, dass ein objektiver Aufteilungsmaßstab für das grundsätzlich der privaten Lebensführung zuzurechnende Wohnen nicht vorhanden ist. Denn das individuelle Wohnbedürfnis der Steuerpflichtigen ist grundverschieden. Es betrifft nicht nur die Lage und den Zuschnitt der Wohnung, sondern reicht auch vom sehr einfachen bis zum exklusiven Wohnen. Zum anderen ist, wie bereits ausgeführt, der objektive Veranlassungszusammenhang zwischen den Mietaufwendungen für die neue Wohnung (in B) und den Einnahmen für die vermietete bisherige Wohnung (in A) nur deshalb gegeben, weil das existenziell notwendige Wohnen in einer dieses gewährleistenden Behausung (Wohnung) unabdingbar ist. Besteht aber die berufliche/der Einkünfteerzielung dienende (Mit-)Veranlassung nur insoweit, können auch die Aufwendungen nur insoweit bei der Aufteilung der gemischten Kosten Berücksichtigung finden. Dies entspricht letztlich dem, was der Kläger auch begehrt, nämlich die Berücksichtigung, d. h. den grundsätzlichen Abzug des durch die Einkünfteerzielungsabsicht veranlassten Anteils.

Derartige Aufwendungen sind aber, wenn sie, wie im vorliegenden Fall des unabdingbaren Wohnbedarfs, nach Maßgabe des subjektiven Nettoprinzips durch die Vorschriften zur Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums (§ 32a Abs. 1 Nr. 1 , § 32 Abs. 6 EStG , Grund- bzw. (sächlicher) Kinderfreibetrag) pauschal erfasst werden (oder als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind), grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4 EStG (Betriebsausgaben) und des § 9 EStG (Werbungskosten) entzogen, um eine doppelte Berücksichtigung zu vermeiden (BFH-Beschluss vom 21. 9. 2009 GrS 1/06, BFHE 227, 1 , BStBl II 2010, 672).

Soweit der Kläger hinsichtlich des Aufteilungsmaßstabes demgegenüber auf die Rechtsprechung des BFH zur doppelten Haushaltsführung verweist, wonach der durchschnittliche Mietzins einer 60 m-Wohnung am Beschäftigungsort berücksichtigungsfähig ist, jedoch nicht überschritten werden darf, ist dies vorliegend nicht Ziel führend. Denn eine doppelte Haushaltsführung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG ist – wie bereits dargestellt – ausschließlich beruflich veranlasst. Eine Aufteilung gemischter Aufwendungen ist insoweit nicht erforderlich. Insoweit käme es grundsätzlich auch nicht darauf an, ob die Aufwendungen notwendig, üblich oder zweckmäßig sind. Demgegenüber hat der Gesetzgeber bei der doppelten Haushaltsführung jedoch nur die Möglichkeit eröffnet, die „notwendigen” Mehraufwendungen steuerlich geltend zu machen (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG ). Diesen unbestimmten Rechtsbegriff hat der BFH mit der von dem Kläger angeführten und auf den vorliegenden Fall nicht übertragbaren Rechtsprechung ausgefüllt.

Ob und inwieweit über die steuerrechtliche Berücksichtigung des existenziellen (Wohn-)Bedarfs hinaus gleichwohl ein etwa gegebener beruflicher Mehraufwand zu berücksichtigen ist, bleibt danach in erster Linie der Entscheidung des Gesetzgebers überlassen (vgl. z. B. § 4 Abs. 5 Nr. 5 EStG ; § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG : „typische Berufskleidung”; BFH-Beschluss vom 21. 9. 2009 GrS 1/06, BFHE 227, 1 , BStBl II 2010, 672). Gründe dafür, hiervon vorliegend abzuweichen, ergeben sich für den erkennenden Senat nicht.

Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass entgegen der Auffassung des Klägers ein Verstoß gegen das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit (Nettoprinzip) im Übrigen nicht feststellbar ist. Denn durch die Einkünfteerzielung aufgrund der Vermietung der bisher selbst bewohnten Wohnung in A ist die finanzielle Leistungsfähigkeit des Klägers bzw. seiner Ehefrau – bis auf die durch den Grundfreibetrag bereits steuerlich freigestellten Aufwendungen für den existenziell notwendigen Wohnbedarf – gesteigert. Dies folgt bereits daraus, dass entsprechend der erzielten Einkünfte mehr „flüssige” Geldbeträge zur Verfügung standen, die die Eheleute – nur beispielhaft – für die „im Grünen gelegene und ruhigere” Wohnung in B verwenden konnten. Die Befriedigung dieses individuellen Wohnbedürfnisses kann, entgegen der Auffassung des Klägers, nicht mit dem Bewohnen der eigenen Wohnung in A dergestalt gleichgesetzt werden, dass eine Steigerung der finanziellen Leistungsfähigkeit zu verneinen wäre. Vielmehr war es dem Kläger bzw. dessen Ehefrau bei ansonsten unveränderter Mittelverwendung nunmehr möglich, die positiven Mieteinkünfte beispielsweise für die Wohnung in B zu verwenden. Dies beinhaltet eine Einkommensverwendung, die auf einer gesteigerten Leistungsfähigkeit beruht.

Die Mittel stehen, entgegen der Auffassung des Klägers, auch nicht nur „theoretisch” zur freien Verfügung. Soweit die Anmietung einer anderen Wohnung nicht zwangsläufig ist, um den existenziell notwendigen Wohnbedarf befriedigen zu können, liegt ihr eine freie und beliebige Einkommensverwendung zu Grunde. Grundlage hierfür ist die aufgrund positiver Vermietungseinkünfte vergrößerte Leistungsfähigkeit.

Insofern lässt sich auch aus dem von dem Kläger angeführten Beispiel kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG ableiten. Denn weder die rechtliche, noch die wirtschaftliche Situation desjenigen, der sein bisheriges Haus verkauft und am neuen Arbeitsort ein anderes Haus zum Selbstbewohnen erwirbt ist vergleichbar mit der Situation desjenigen, der sein bisheriges Haus behält und vermietet und daneben am neuen Ort des Wirkens ein anderes Haus mietet. Die – im Rahmen des Art 3 Abs. 1 GG zu berücksichtigende – wesentliche Ungleichheit liegt nicht nur darin begründet, dass im letztgenannten Fall neben dem – weiterhin bestehenden – Eigentum an dem bisherigen Haus ein weiteres gemietet wird, sondern auch in der Erzielung von (positiven) Einkünften aus der Vermietung. Dass diese (positiven) Einkünfte der Besteuerung unterliegen, ist Ausfluss des objektiven Nettoprinzips und damit gerade auch des Gleichheitssatzes, nach dessen Grundsätzen wesentlich Ungleiches steuerlich auch nicht gleich behandelt werden darf (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 21.6.2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 , 180 ; vom 16.3.2005 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 , 279 ).

Dabei liegt hier die Ungleichheit letztlich in dem verfassungsrechtlich gebotenen Grundsatz, (lediglich) das Existenzminimum von der Einkommensbesteuerung freizustellen (subjektives Nettoprinzip). Die Entscheidung des Einzelnen, wie er demgegenüber sein privates Wohnen tatsächlich ausgestaltet, vermag zusätzliche Vermietungseinkünfte im vorliegenden Sinn steuerlich nicht zu neutralisieren. Denn anderenfalls würde die steuerliche Freistellung nur der unverzichtbaren Aufwendungen für die Lebensführung (Existenzminimum) unterlaufen und würden darüber hinausgehende Aufwendungen für das individuelle private Wohnen über den Umweg der Einkünfteminderung bzw. -neutralisation steuerliche Berücksichtigung finden, was gegen das objektive Nettoprinzip verstoßen würde. Dies folgt klarstellend auch (weiterhin) aus § 12 Abs. 1 EStG (vgl. Loschelder in Schmidt, EStG , 32. Aufl., § 12 Rz. 1).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO .

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

  Fundstelle(n):
NWB DokID: KAAAE-40195

 

Umrechnungskurse September 2013 (BMF)

Umsatzsteuer-Umrechnungskurse; Monatlich fortgeschriebene Gesamtübersicht für das Jahr 2013

entsprechend BMF-Schreiben vom 1. Oktober 2013 – IV D 3 – S 7329/13/10001 (2013/0903882) –

Gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 UStG wird die monatlich fortgeschriebene Gesamtübersicht für das Jahr 2013 über die bekannt gegebenen Umsatzsteuer-Umrechnungskurse veröffentlicht.

Herunterladen (PDF, 65,7 KB)

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin