Dienstwagen: 1 %-Regel trotz fehlender Privatnutzung?

Dienstwagen: 1 %-Regel trotz fehlender Privatnutzung?

Kernproblem

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in den letzten Monaten die Rechtsprechung zur 1 %-Regel bei der Überlassung von Firmenwagen kräftig durcheinander gewirbelt. Mittlerweile muss zwischen der Behandlung bei Arbeitnehmern (zu denen steuerlich neben den Fremdgeschäftsführern auch Gesellschafter-Geschäftsführer gehören) und den Unternehmern strikt unterschieden werden. Nach neuer Rechtsprechung hat der Unternehmer die Möglichkeit, die Privatnutzung eines betrieblichen Fahrzeugs durch im Status und Gebrauchswert gleichwertige Fahrzeuge des Privatvermögens zu widerlegen. Wir erinnern uns an den Rechtsanwalt, der so die 1 %-Regel bei seinem betrieblichen Sportwagen vermeiden konnte, weil er privat einen Wagen gleichen Fabrikats nutzte. Beim Arbeitnehmer kommt es jetzt nach einem neuen Urteil auf die tatsächliche Privatnutzung nicht mehr an und erschwert die Lage für den Steuerpflichtigen. Dafür kann sich das Finanzamt nicht mehr darauf berufen, dass der Beweis des ersten Anscheins immer für die Privatnutzung des Dienstwagens spricht.

Sachverhalt

Der Geschäftsführer einer Steuerberatungs-GmbH konnte nach seinem Anstellungsvertrag den Dienstwagen auch privat nutzen. Dafür versteuerte die GmbH eine monatliche Kostenpauschale für 250 km als geldwerten Vorteil. Im Rahmen einer Lohnsteuer-Prüfung wurde das vom Geschäftsführer geführte Fahrtenbuch verworfen und die GmbH auf Basis der 1 %-Regel (abzüglich der bisher versteuerten Kostenpauschale) zur Lohnsteuer in Haftung genommen. Der Geschäftsführer verwies darauf, für private Fahrten nur ein Motorrad und das Auto der Lebensgefährtin genutzt zu haben. Nachdem die Berufung auf den Anscheinsbeweis nicht mehr ausreichend ist, konnte man auf die Entscheidung des BFH gespannt sein.

Entscheidung

Der BFH änderte hier seine Rechtsprechung: Allein die vom Arbeitgeber gewährte Möglichkeit der Privatnutzung des Dienstwagens führt bei einem Arbeitnehmer zu einem geldwerten Vorteil. Ob der Arbeitnehmer von der Möglichkeit Gebrauch macht, ist dafür unerheblich. Den Vorteil sieht der BFH in der Ersparnis nutzungsunabhängiger Kosten, die ohne das Vorhalten eines betriebsbereiten Fahrzeugs verausgabt werden müssten. Bei solchen Fallgestaltungen kommt es zukünftig nicht mehr darauf an, ob der Arbeitnehmer den Beweis des ersten Anscheins durch einen Gegenbeweis widerlegen kann.

Konsequenz

Will man die zuletzt positive Entwicklung beim BFH nutzen und ist eine Privatnutzung des Dienstwagens auch nicht beabsichtigt, darf der Steuerpflichtige dazu auch nicht länger befugt sein. Tut er es dann trotz Verbots und ist zugleich Gesellschafter-Geschäftsführer, liegt kein Arbeitslohn vor, sondern eine verdeckte Gewinnausschüttung. Das hat der BFH in weiteren Entscheidungen ebenso klargestellt und sich gegen die Annahme verwehrt, dass ein Privatnutzungsverbot beim Gesellschafter-Geschäftsführer nur zum Schein ausgesprochen würde.

Betriebsbedingte Kündigung trotz freien Arbeitsplatzes im Ausland?

Betriebsbedingte Kündigung trotz freien Arbeitsplatzes im Ausland?

Kernfrage

Will ein Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen, ist im Rahmen der Sozialauswahl angesichts des sogenannten „ultima ratio Prinzips“ einer Kündigung stets zu fragen, ob nicht ein anderer gleichwertiger bzw. vergleichbarer Arbeitsplatz für den zu kündigenden Arbeitnehmer zur Verfügung steht. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob dieser vergleichbare Arbeitsplatz auch im (EU)Ausland liegen könnte.

Sachverhalt

Der beklagte Arbeitgeber, der ein Zweitwerk in einem anderen Mitgliedstaat der EU unterhielt, schloss seine Produktionsstätte in Deutschland und verlagerte die Produktion ins EU-Ausland. Der in der Produktion beschäftigte Kläger machte im Rahmen seiner Kündigungsschutzklage geltend, die betriebsbedingte Kündigung sei unwirksam, weil ihm nicht wenigstens die Gelegenheit gegeben worden sei, über einen Umzug an den anderen ausländischen Standort nachzudenken; insoweit wäre eine Änderungskündigung möglich gewesen.

Entscheidung

Das BAG wies die Klage ab. Zur Begründung führten die Richter aus, dass das Kündigungsschutzgesetz alleine auf Betriebe im Inland Anwendung finde. Der Arbeitgeber hatte aber keine Möglichkeit, den Kläger in einem inländischen Betrieb weiter zu beschäftigen. Insoweit sei der Grundsatz der Änderungskündigung vor Beendigungskündigung dann nicht anzuwenden, wenn der freie Arbeitsplatz im Ausland liege. Ungeklärt ließ das BAG dabei aber die Frage, ob sich die Rechtslage dann ändere, wenn es nicht zu einer Betriebsstilllegung komme, sondern der Betrieb oder ein Teilbetrieb als Ganzes ins Ausland verlagert werden würde, also die Lage mit einem Betriebsübergang vergleichbar sei.

Konsequenz

Die Entscheidung des BAG erleichtert im internationalisierten Geschäft die Frage von Produktionsverlagerungen bei bestehenden Betriebsstätten im In- und Ausland. Abzuwarten bleibt, wie das BAG den Fall einer echten Betriebsverlagerung bei Neueröffnung einer ausländischen Betriebsstätte entscheidet.

Vorabverwaltungsgebühr als Umgehung des Werbungskosten-Abzugsverbots

Vorabverwaltungsgebühr als Umgehung des Werbungskosten-Abzugsverbots

Kernproblem

Zum Jahr 2009 wurde die Abgeltungssteuer auf private Kapitalerträge eingeführt. Für viele hat die Abgeltungssteuer Vorteile gebracht, insbesondere wenn der persönliche Steuersatz höher als der Abgeltungssteuersatz von 25 % ist. Für andere verbleibt im Rahmen der Einkommensteuererklärung eine Veranlagungsoption. Einen großen Nachteil hat die Einführung jedoch mit sich gebracht: Ein Abzug tatsächlicher Werbungskosten ist nicht mehr möglich. Lediglich der Sparer-Pauschbetrag von 801 EUR je Person ist abzugsfähig. Derzeit mehren sich die Verfahren vor Finanzgerichten, in denen es um den Abzug von Werbungskosten und deren Zurechnung in die Zeit vor oder nach Einführung der Abgeltungssteuer geht.

Sachverhalt

Ein Kapitalanleger hatte im Juni 2007 einen Anlagevertrag abgeschlossen und sich zur Zahlung einer Einmaleinlage und eines monatlichen Anlagebetrages mit Laufzeit über 30 Jahre verpflichtet. Für die Vertragsbindung sollten ihm zum Ende der Laufzeit im Jahr 2037 zusätzlich 18.400 EUR gutgeschrieben werden. Mit der ersten Depoteinzahlung im November 2007 wurde dem Anleger eine Vorabverwaltungsgebühr von 17.339 EUR belastet, die er als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend machte. Das Finanzamt berücksichtigte die Gebühr nur zeitanteilig für 1 Jahr mit 578 EUR und vertrat die Auffassung, mit dem Anlageprogramm würde überwiegend eine Wertsteigerung angestrebt und die Zahlung der Vorabgebühr sei zur Umgehung (des im Mai 2007 vom Bundestag verabschiedeten) Werbungskostenabzugsverbots geleistet worden.

Entscheidung

Das Niedersächsische Finanzgericht hat die komplette Gebühr zum Werbungskostenabzug zugelassen und einen Gestaltungsmissbrauch verneint. Die Richter verglichen die Üblichkeit der gezahlten Gebühr mit anderen Kapitalanlage- und Versicherungsverträgen (oder Bausparkassen) sowie deren Informationspflichten zur Höhe und Laufzeit der eingeplanten Abschlusskosten. Zudem stehe die zu beurteilende Gebühr nach Auffassung des Finanzgerichts in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Verwaltung der Anlage und diene der Einnahmeerzielung. Eine Kürzung der Aufwendungen mit Verweis auf steuerfreie Vorteile sei nicht zulässig, soweit der Steuerpflichtige einen Einnahmeüberschuss der Kapitalerträge anstrebe. Dagegen sei die Zuordnung zu den Anschaffungsnebenkosten abzulehnen, weil kein konkreter Bezug mit noch zu beschaffenden Kapitalanlagen erkennbar sei.

Konsequenz

Das Urteil steht im Widerspruch zu einer Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz, das nicht den Abfluss der Aufwendungen, sondern den Zeitpunkt des Zuflusses der damit zusammenhängenden Kapitalerträge als für die Zuordnung entscheidend ansieht. Mit einer ähnlichen Begründung hat das Finanzgericht Köln zugunsten des Steuerpflichtigen die Aufwendungen einer Selbstanzeige für vor dem Jahr 2009 liegende Kapitalerträge als Werbungskosten zugelassen. Die Revision der Finanzverwaltung zum Urteil aus Niedersachen ist bereits beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.

Keine Heilung v. Ermessensfehlern bei erstmaliger Ermessenserwägung

Keine Heilung v. Ermessensfehlern bei erstmaliger Ermessenserwägung

Kernaussage

In einem Revisionsverfahren erstmalig angestellte Ermessenserwägungen können nicht mehr berücksichtigt werden.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH, deren alleinige Gesellschafterin zugleich Geschäftsführerin war. Durch Geschäftsführervertrag wurde dieser eine Weihnachtsgratifikation zugesagt. Die GmbH behielt sich jedoch das Recht zum Widerruf vor. Im Oktober 2002 hat die Alleingesellschafter-Geschäftsführerin beschlossen, für das Streitjahr 2002 keine Weihnachtsgratifikation zu zahlen, was auch unterblieb. Das beklagte Finanzamt nahm die GmbH mit Haftungsbescheid wegen der auf die Weihnachtsgratifikation entfallenden Lohnsteuer, die von der GmbH nicht einbehalten worden war, in Anspruch. Das Finanzgericht gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Während des Revisionsverfahrens hat das Finanzamt den Haftungsbescheid unter gleichzeitigem Erlass eines neuen Bescheides zurückgenommen, da das Auswahlermessen nicht hinreichend dokumentiert war.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Revision des Finanzamts als unbegründet zurück. Für die vom Arbeitnehmer geschuldete und vom Arbeitgeber einzubehaltende Lohnsteuer kann das Finanzamt die Steuer- oder Haftungsschuld gegenüber Arbeitnehmer oder Arbeitgeber als Gesamtschuldner geltend machen. Hierbei hat es das Auswahlermessen pflichtgemäß auszuüben. Vorliegend unterblieb bei Erlass des ursprünglichen Haftungsbescheids die gebotene Ermessensausübung, denn das Finanzamt war sich dieser Verpflichtung nicht bewusst. Bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens kann das Finanzamt zwar seine Ermessenserwägungen ergänzen. Das setzt aber voraus, dass zumindest ansatzweise zuvor Ermessenserwägungen angestellt worden sind. Diese wurden aber erstmals während des Revisionsverfahrens aufgeführt.

Konsequenz

Die Rechtsfrage, ob ein dem Gesellschafter-Geschäftsführer zugesagtes aber nicht ausgezahltes Weihnachtsgeld als zugeflossen gilt, konnte im Streitfall offen bleiben. Zu der Frage entschied der BFH jedoch in einem Parallelverfahren, dass die Grundsätze über den Zufluss von Einnahmen bei einem beherrschenden Gesellschafter nicht eingreifen, wenn die Zusage vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Sonderzuwendungen einvernehmlich aufgehoben wird.

Probezeitkündigung am 1. Tag wegen Zigarettengeruchs unwirksam

Probezeitkündigung am 1. Tag wegen Zigarettengeruchs unwirksam

Kernfrage

Innerhalb der Probezeit können Arbeitsverhältnisse auch ohne Angabe von Gründen und grundsätzlich ohne weitere Begründungspflicht, soweit dies arbeitsvertraglich vereinbart worden ist, jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Frist von 2 Wochen beendet werden. Allerdings kann eine solche Probezeitkündigung mit Kündigungsschutzklage angegriffen werden, wobei das Gericht die Kündigung dann nur darauf hin überprüfen kann, ob die Kündigung willkürlich ist bzw. gegen Treu und Glauben verstößt. Einen solchen Fall hat jetzt das Arbeitsgericht Saarlouis entschieden.

Sachverhalt

Der Arbeitnehmer war unter Hinweis auf ein bestehendes Rauchverbot eingestellt worden. Als er zu seinem ersten Arbeitstag erschien, rauchte er vor Arbeitsantritt außerhalb des Betriebs noch eine Zigarette. Bei Arbeitsantritt wurde er vom Geschäftsführer danach gefragt, ob er bereits geraucht habe. Diese Frage beantwortete der Arbeitnehmer wahrheitsgemäß und erhielt nach 2 Stunden die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses in der Probezeit.

Entscheidung

Der gegen die Kündigung gerichteten Kündigungsschutzklage entsprach das Arbeitsgericht Saarlouis. Zwar sei die Kündigung als Probezeitkündigung grundsätzlich außerhalb des Kündigungsschutzgesetz zulässig, sie verstoße aber gegen die Grundsätze aus Treu und Glauben. Zum einen habe der Arbeitnehmer sich an die Vorgaben des geltenden Rauchverbots am Arbeitsplatz gehalten, zum anderen und dies sei entscheidend, sei auch das Probearbeitsverhältnis auf eine dauerhafte Zusammenarbeit angelegt. Aus diesem Grund hätte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Gelegenheit geben müssen, sein Verhalten zu ändern.

Konsequenz

Die Entscheidung ist zutreffend. Unabhängig davon, ob ein Arbeitgeber nicht rauchende Mitarbeiter bevorzugt, kann ein Probezeit-Arbeitsverhältnis, ohne dass es zu einer echten Pflichtverletzung gekommen wäre, nicht nach 2 Stunden beendet werden. Es bleibt abzuwarten, ob die Berufung gegen das Urteil zum Landesarbeitsgericht geführt wird.

Arbeitgeber darf Hund im Büro verbieten

Arbeitgeber darf Hund im Büro verbieten

Kernfrage

Im Arbeitsrecht gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz, nach dem miteinander vergleichbare Arbeitnehmer nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt werden dürfen. Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz betrifft nicht nur arbeitsvertragliche Konditionen, sondern alle Umstände, die das Arbeitsverhältnis prägen. Das Arbeitsgericht Düsseldorf hatte jetzt zu einer besondere Ausprägung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu entscheiden.

Sachverhalt

Eine Werbeagentur gestattete es ihren Mitarbeitern, ihre Hunde mit ins Büro zu bringen. Davon machte eine Mitarbeiterin Gebrauch, die einen schwer traumatisierten Hund aus einem Tierheim aufgenommen hatte. Nachdem sie den Hund zunächst 3 Jahre mit in das Büro gebracht hatte, entzog ihr der Arbeitgeber die Berechtigung hierzu, weil die Traumata des Hundes so stark ausgeprägt gewesen seien, dass er Kollegen, die in das Büro der Mitarbeiterin wollten, anknurrte und aggressiv reagierte.

Entscheidung

Das Arbeitsgericht Düsseldorf wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Der Arbeitgeber habe zu Recht auch alleine gegenüber der Klägerin die Genehmigung zum Mitbringen ihres Hundes widerrufen können. Angesichts des Verhaltens des Hundes und der Tatsache, dass dadurch die betrieblichen Abläufe nicht unerheblich beeinträchtigt worden seien, sei es gerechtfertigt, das Mitbringen dieses Hundes zu untersagen.

Konsequenz

Auch wenn die Entscheidung zu einer Nebenfrage eines Arbeitsverhältnisses ergangen ist, zeigt sie doch die Systematik des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Wenn vergleichbare Arbeitnehmer ungleich behandelt werden, dann bedarf dies eines auch objektiv nachzuweisenden wichtigen Grundes.

§ 613a: Freiwerden von Tarifbindung bei Betriebsübergang

§ 613a: Freiwerden von Tarifbindung bei Betriebsübergang

Kernfrage

Kommt es zu einem Betriebsübergang, gilt, dass der übernehmende Arbeitgeber verpflichtet ist, die Arbeitsverhältnisse in der Form zu übernehmen, wie sie zum Zeitpunkt des Übergangs bestanden. Hinzu kommt, dass Tarifverträge ihre Wirksamkeit behalten. Der Europäische Gerichtshof hatte nunmehr in einem britischen Verfahren in diesem Spannungskreis zu entscheiden. Unabhängig von den Fragen der gesetzlichen Tarifbindung galt es, darüber zu befinden, ob arbeitsvertragliche Verweisungsklauseln zur „ewigen“ Anwendbarkeit von Tarifverträgen führen können.

Sachverhalt

Ein Betrieb war von der öffentlichen Hand an ein Privatunternehmen veräußert worden. Die Regelungen zum Betriebsübergang waren anwendbar. Die übergegangenen Arbeitsverträge sahen eine sogenannte dynamische Bezugnahmeklausel vor. Das heißt, aus dem Arbeitsvertrag selber heraus sollte der öffentliche Tarifvertrag in Gestalt seiner jeweils geltenden Fassung Anwendung finden. Als dieser Tarifvertrag neu geregelt wurde, verweigerte der neue Arbeitgeber dessen Umsetzung mit der Begründung, auf ihn könne kein Tarifvertrag Anwendung finden, wenn er nicht Partei des Tarifvertrages werden könne.

Entscheidung

Der Europäische Gerichtshof gab dem Arbeitgeber Recht. Entscheidendes Kriterium für die Anwendung eines vor Betriebsübergang geltenden Tarifvertrages, auf den die Arbeitsverträge dynamisch verweisen, sei, dass auch der neue Arbeitgeber zumindest die Möglichkeit haben müsse, Tarifvertragspartei zu werden. Dies war im konkreten Fall gerade nicht möglich, weil der private neue Eigentümer nicht Partei des öffentlichen Tarifvertrages werden konnte. Es sei dem neuen Arbeitgeber daher verwehrt, an den Verhandlungen über die neuen Tarifvertragskonditionen teilzunehmen.

Konsequenz

Die Entscheidung stärkt die Arbeitgeberposition im Bereich des Betriebsübergangs. Tarifverträge werden, selbst wenn ihre Geltung dynamisch über Arbeitsverträge gesichert ist, nur dann anwendbar, wenn es dem Betriebserwerber möglich ist, Tarifvertragspartei zu werden. Davon unabhängig ist allerdings die Frage, ob der letzte Tarifvertrag, der bei Übergang wirksam war, dauerhaft Bestand hat oder durch einen anderen Tarifvertrag in der Branche, in der der Erwerber tätig ist, ersetzt wird.

Haftung des Alleingesellschafters nach Zustimmung des Finanzamts zum Insolvenzplan

Haftung des Alleingesellschafters nach Zustimmung des Finanzamts zum Insolvenzplan

Kernaussage

Erfüllt ein Alleingesellschafter die Haftungsvoraussetzungen der Abgabenordnung (AO) für Steuern der Gesellschaft dem Grunde und der Höhe nach, steht einer Inanspruchnahme als Haftungsschuldner auch nicht entgegen, dass das Finanzamt dem Insolvenzplan für die Gesellschaft zugestimmt hat.

Sachverhalt

Der Kläger war alleiniger Anteilseigner und Vorstand einer Aktiengesellschaft (AG). Wegen rückständiger Umsatzsteuer und Säumniszuschlägen der AG nahm das beklagte Finanzamt den Kläger in Februar 2007 in Haftung. In dem über das Vermögen der AG eröffneten Insolvenzverfahren stimmte das beklagte Finanzamt im Juni 2007 einem Insolvenzplan zu, wonach die Gläubiger mit einer Quote von 0,5 % ihrer Forderungen befriedigt werden sollten. An dem Haftungsbescheid hielt das Finanzamt fest. Der Kläger ist der Auffassung, dass der Haftungsbescheid wegen der Zustimmung des Finanzamts zum Insolvenzplan gegen Treu und Glauben verstoße. Durch seine Inanspruchnahme werde die mit dem Insolvenzplan verfolgte Sanierung des Unternehmens unmöglich gemacht. Denn die Gesellschaft sei entscheidend von seiner Person abhängig und daher tatsächlich mit einem Einzelunternehmen gleichzustellen. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Entscheidung

Entgegen der Auffassung des Klägers steht seiner Inanspruchnahme nicht entgegen, dass das Finanzamt dem Insolvenzplan für die AG zugestimmt hat. Der Insolvenzplan wirkt nur zwischen den Planbeteiligten. Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner werden durch den Plan nicht berührt. Auch mit einem auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützten Anspruch auf Schutz des Vertrauens des Gesellschafters in den im Insolvenzplan vereinbarten Teilerlass des Finanzamts kann die Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheids nicht begründet werden. Ein solches Vertrauen ist wegen der schuldhaften Verletzung der steuerlichen Pflichten als gesetzlicher Vertreter der AG nicht zu berücksichtigen. Zudem sind die faktischen Auswirkungen der Inanspruchnahme des Alleingesellschafters auf die Sanierung der AG nicht als widersprüchliches Verhalten des Finanzamts zu beanstanden.

Konsequenz

Das Planverfahren kann eine Unternehmensentschuldung ermöglichen. Ansprüche der Gläubiger gegen Dritte, z. B. aus Bürgschaft oder Mitschuld oder wegen Haftung, bleiben unberührt. Das Urteil verdeutlicht, dass eine Freizeichnung der Geschäftsführer bzw. Vorstände bei solchen Fallgestaltungen regelmäßig misslingt.

Wann ist eine GmbH nach Eigenkapitalersatzrecht überlassungsunwürdig?

Wann ist eine GmbH nach Eigenkapitalersatzrecht überlassungsunwürdig?

Rechtslage

Nach früherem Eigenkapitalersatzrecht ist im Fall der eigenkapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung von einer Überlassungsunwürdigkeit im Zusammenhang mit der Insolvenzreife die Rede. Hierbei ist zu untersuchen, ob ein vernünftig und wirtschaftlich handelnder Dritter dazu bereit wäre, der Gesellschaft den Gegenstand zu überlassen. Für die Bestimmung der Überlassungsunwürdigkeit ist die Bonität der Gesellschaft entscheidend und nicht, ob der vereinbarte Mietzins für den Vermieter günstig ist.

Sachverhalt

Der Kläger war als alleiniger Gesellschafter über eine GmbH mittelbar an der Schuldnerin, einer weiteren GmbH, beteiligt. Er vermietete der Schuldnerin seit 1994 das ihm gehörende Betriebsgrundstück sowie bewegliches Anlagevermögen. Der Mietzins wurde von der Schuldnerin bis einschließlich April 2005 bezahlt. Im Mai 2005 geriet die Schuldnerin in Insolvenz und der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger verlangt Zahlung der rückständigen Mietzinsen bis Juni 2006. Der Beklagte fordert widerklagend die Rückzahlung der zwischen November 2004 bis April 2005 gezahlten Mietzinsen wegen eigenkapitalersetzender Nutzungsüberlassung. Der Kläger hatte in den ersten beiden Instanzen Erfolg. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück.

Entscheidung

Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft die Überlassungsunwürdigkeit verneint. Überlassungsunwürdigkeit besteht, wenn ein Dritter einen entsprechenden Nutzungsüberlassungsvertrag über die Betriebseinrichtungen unter den gegebenen Umständen mit der Gesellschaft nicht schließen würde. Für die Bestimmung der Überlassungsunwürdigkeit ist die Bonität der Gesellschaft als Mieter oder Pächter entscheidend und nicht, ob der vereinbarte Miet- oder Pachtzins für den Vermieter oder Verpächter günstig ist, die Vermietung oder Verpachtung demnach vorteilhaft ist. Überlassungsunwürdigkeit liegt nicht vor, wenn die Gesellschaft über die Mittel verfügt oder sich diese im Kapitalmarkt verschaffen kann, um den betreffenden Gegenstand selbst zu erwerben.

Konsequenz

Die Entscheidung bezieht sich auf Altfälle, in denen das Insolvenzverfahren vor dem 23.10.2008 eröffnet worden ist. Insolvenzreife, d. h. Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung und Kredit- bzw. Überlassungsunwürdigkeit sind eigenständige Tatbestände der Krise im Sinne des Eigenkapitalersatzrechts, welches durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) entfallen ist.

Miteigentumsfiktion bei Zwangsvollstreckung aus Erbrecht

Miteigentumsfiktion bei Zwangsvollstreckung aus Erbrecht

Kernfrage

Das Erbrecht eröffnet Ansprüche des erbrechtlichen Anspruchsinhabers gegen den Empfänger einer Schenkung; und zwar dergestalt, dass der Schenkungsempfänger verpflichtet ist, die erbrechtlichen Ansprüche aus dem Geschenk heraus zu bedienen. Insbesondere dann, wenn die Schenkung dazu geführt hat, dass beim Schenkungsempfänger Alleineigentum entstanden ist, stellt sich die Frage, ob der Schenkungsgegenstand, den der Schenkungsempfänger zur Bedienung der erbrechtlichen Ansprüche einsetzen muss, überhaupt noch vorhanden ist. Deutlich wird dies bei Grundstücken, wenn ein Miteigentumsanteil an einen Miteigentümer geschenkt wird. Im Grundbuch werden dann nämlich die Miteigentumsanteile gelöscht und lediglich noch Alleineigentum ausgewiesen. In dieser Konstellation hatte der Bundesgerichthof (BGH) jetzt über die Zulässigkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu entscheiden.

Sachverhalt

Ein Pflichtteilsberechtigter hatte gegen einen Schenkungsempfänger ein Urteil erstritten, dass ihm Zahlungsansprüche zusprach. Diese Zahlungsansprüche, die daraus resultierten, dass der Erblasser dem Schenkungsempfänger einen halben Miteigentumsanteil an einem Grundstück geschenkt hatte, wodurch der Schenkungsempfänger Alleineigentümer geworden war, wollte der Pflichtteilsberechtigte durch Eintragung einer Sicherungshypothek an dem geschenkten halben Miteigentumsanteil sichern. Das Grundbuchamt lehnte die Eintragung der Sicherungshypothek aber deshalb ab, weil der Miteigentumsanteil, dessen Verwertung der Schenkungsempfänger hätte dulden müssen, nicht mehr vorhanden war, nach dem jetzt Alleineigentum bestand.

Entscheidung

Der BGH entschied nun, dass für Zwecke der Zwangsvollstreckung des erbrechtlichen Anspruchsinhabers das Fortbestehen des Miteigentumsanteils, in den die Zwangsvollstreckung zulässig gewesen wäre, wenn er nicht durch Vereinigung „untergegangen“ wäre, fingiert wird, um die Zwangsvollstreckung zu ermöglichen. Begründung hierfür sei, dass eine solche Zwangsvollstreckung darauf gerichtet sei, die Zwangsvollstreckung als solche zu dulden.

Konsequenz

Die Konsequenzen der Entscheidung können weitreichend sein, weil die Zwangsvollstreckung in einer vergleichbaren Grundbuch- bzw. Eigentumssituation nicht zwingend aus erbrechtlichen Ansprüchen erfolgen muss. Entscheidend ist, dass der BGH abweichend von der Eigentums- und Grundbuchlage eine dingliche Rechtsposition fingiert.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin