Zum erleichterten Nachweis von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen

Zum erleichterten Nachweis von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen

Kernproblem

Krankheitskosten sind als außergewöhnliche Belastungen einkommensteuerlich absetzbar, soweit die zumutbare Eigenbelastung überschritten wird. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z. B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen. Für die mitunter schwierige Trennung von echten Krankheitskosten einerseits und lediglich gesundheitsfördernden Vorbeuge- oder Folgekosten andererseits, forderte der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung regelmäßig die Vorlage eines zeitlich vor der Leistung von Aufwendungen erstellten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens bzw. eines Attestes eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers. Diese Rechtsprechung ist jetzt überholt.

Sachverhalt

Dem BFH lagen 2 Streitfälle vor. Zum einen ging es um die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen zur Behandlung einer Lese- und Rechtschreibschwäche. Hier besuchte ein Kind auf ärztliches Anraten ein Internat mit integriertem Legastheniezentrum. Die Eltern machten den Schulbeitrag, Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie Therapiekosten als außergewöhnliche Belastungen erfolglos beim Finanzamt geltend. Auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen verzichteten sie. Hier verwies das Finanzgericht ebenso auf ein vor der Behandlung ausgestelltes amtsärztliches Attest oder eines Attestes des medizinischen Dienstes einer öffentlichen Krankenversicherung, wie im zweiten Fall. In dieser Sache war streitig, ob die durch Asthmabeschwerden eines Kindes hervorgerufene Anschaffung neuer Möbel abzugsfähig ist.

Änderung der Rechtsprechung des BFH

Für die Finanzgerichte wird es zukünftig schwieriger, denn der BFH hat von den bisherigen Nachweispflichten Abstand genommen. Ein solch formalisiertes Nachweisverlangen ergebe sich nicht aus dem Gesetz und widerspreche dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung, die dem Finanzgericht obliege. Dieses und nicht der Amtsarzt oder eine vergleichbare Institution habe die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Freilich verkennt der BFH dabei nicht, dass das FG nicht über eine medizinische Sachkunde verfügt und deshalb regelmäßig ein ärztliches Gutachten über die Indikation der streitigen Maßnahme einholen muss. Die Gefahr von Gefälligkeitsgutachten sieht der BFH nicht, da ein vorgelegtes Privatgutachten ohnehin nur als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen sei. Der Verzicht auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen stehe dem steuerlichen Abzug nicht entgegen.

Konsequenz

Die geänderte Sichtweise ist zu begrüßen. Der Steuerpflichtige trägt jedoch weiterhin die Feststellungslast, so dass die praktische Tragweite abzuwarten bleibt.

Duldungsbescheid bei Übertragung von Miteigentum wirksam?

Duldungsbescheid bei Übertragung von Miteigentum wirksam?

Rechtslage

Gerät ein Ehegatte in eine wirtschaftliche Notlage oder ist beabsichtigt, das Vermögen zur Minimierung eines Haftungsrisikos bei einem Ehegatten zu konzentrieren, sind Vermögensübertragungen von einem auf den anderen Ehegatten zivilrechtlich, wenn Gläubigerbenachteiligungsabsicht besteht, unter weiteren Voraussetzungen anfechtbar. Eine vergleichbare Vorschrift findet sich im Steuerrecht, wonach der Ehegatte die Inanspruchnahme für Steuerschulden des anderen Ehegatten bis zum Wert des übertragenen Vermögens dulden muss. Die steuerrechtliche Bestimmung lässt die Inanspruchnahme des Ehegatten jedoch unter erleichterten Bedingungen zu. Der Bundesfinanzhof hatte nunmehr zum Zusammentreffen der zivilrechtlichen Anfechtungs- und steuerlichen Duldungsregelungen zu entscheiden.

Sachverhalt

Nachdem das Finanzamt mit Vollstreckungsmaßnahmen gegen einen der steuerlich zusammen veranlagten Ehegatten keinen Erfolg hatte, nahm es die Ehefrau wegen einer ihr geschenkten Grundstückshälfte, gestützt auf die zivilrechtlichen Anfechtungsregelungen, auf Duldung der Inanspruchnahme wegen der Steuerschuld in Anspruch. Hiergegen verteidigte sich die Ehefrau im Klageverfahren vor dem Finanzgericht damit, dass die zivilrechtlichen Anfechtungsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten, unterlag jedoch, weil das Finanzgericht die Duldung auf die mit geringeren Anforderungen zulässige steuerlichen Anfechtungsvorschriften stützte. Danach musste insbesondere keine Gläubigerbenachteiligungsabsicht mehr nachgewiesen werden.

Entscheidung

Hiergegen legt die Ehefrau mit der Begründung Beschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) ein, dass das Finanzgericht seine Entscheidung nicht auf die steuerlichen Duldungsvorschriften hätte stützen dürfen, nachdem sich das Finanzamt zunächst auf die zivilrechtlichen Anfechtungsregelungen berufen habe. die Klägerin unterlag. Der BFH entschied, dass sich die Ehefrau gegen die unter erleichterten Voraussetzungen vorliegenden Duldungsvorschriften habe ausreichend verteidigen können; das Finanzgericht sei berechtigt gewesen, die Begründung der Duldung insoweit umzustellen. Außerdem sei die Reichweite der Rechtsfolgen der zivilrechtlichen Anfechtungsregelungen und der steuerlichen Duldungsregelungen vergleichbar.

Konsequenz

Ungeachtet der Begründung kann der duldungsverpflichtete Ehegatte bei einer zu seinen Gunsten erfolgten unentgeltlichen Vermögensübertragung bis zur Höhe des gemeinen Wertes der unentgeltlichen Zuwendung in Anspruch genommen werden; und zwar unabhängig davon, ob sich der Vermögenswert noch in seinem Vermögen befindet oder nicht.

Kein Entfall der Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung bei Wissen und Schweigen der Fahnder

Kein Entfall der Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung bei Wissen und Schweigen der Fahnder

Kernaussage

Der Tatbestand der Steuerhinterziehung ist nicht erst dann vollendet, wenn der Finanzbeamte erfolgreich getäuscht wurde. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied kürzlich, dass eine Strafbarkeit aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben nicht deshalb entfällt, weil der Finanzbehörde alle bedeutsamen Tatsachen bekannt und sämtliche Beweismittel verfügbar waren.

Sachverhalt

Der Angeklagte war als Einkäufer beschäftigt und hatte für seinen Arbeitgeber Elektronikbauteile aus dem europäischen Ausland gekauft. Der Bezug erfolgte über eine Personengruppe, deren in Deutschland ansässige Firmen nur zwischengeschaltet waren, um unberechtigte Vorsteuerabzüge zu erlangen. In diesem Wissen gab der Angeklagte Eingangsrechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis an die Buchhaltung weiter zum Zwecke der Verbuchung und Vornahme des Vorsteuerabzugs. So wurden insgesamt rd. 5,18 Mio. EUR hinterzogen, der Angeklagte wurde zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Mit seiner Revision macht er geltend, die Finanz- und Strafverfolgungsbehörde habe so früh Kenntnis von dem gesamten Sachverhalt gehabt, dass sie größeren Schaden hätte verhindern können. Statt dessen seien aber gar keine Maßnahmen ergriffen worden. Die Revision blieb ohne Erfolg.

Entscheidung

Eine Steuerhinterziehung setzt keine gelungene Täuschung des zuständigen Finanzbeamten voraus. Weder das Wissen des Ermittlungsbeamten, noch dessen Schweigen kann für den Strafausspruch berücksichtigt werden. Zur Verwirklichung des Straftatbestandes der Steuerhinterziehung reicht es aus, dass die unrichtigen oder unvollständigen Angaben in anderer Weise als durch Täuschung für die Steuerverkürzung oder das Erlangen ungerechtfertigter Steuervorteile ursächlich werden. Die Straftat liegt selbst dann vor, wenn der Veranlagungsbeamte von allen für die Veranlagung wichtigen Tatsachen Kenntnis hat und sämtliche Beweismittel vorliegen. Auf eine Kenntnis oder Unkenntnis kommt es nicht an.

Konsequenz

Der Erfolg der durch aktives Tun begangenen Steuerhinterziehung wäre auch bei Kenntnis der Behörde vom zutreffenden Besteuerungssachverhalt nicht ohne den vom Steuerpflichtigen in Gang gesetzten Geschehensablauf eingetreten. Anders als bei einer Unterlassungsstraftat birgt gerade das Machen von Falschangaben die unter Strafe gestellte Gefahr der Steuerverkürzung.

Liechtensteiner Bank muss Steuersünder nicht entschädigen

Liechtensteiner Bank muss Steuersünder nicht entschädigen

Kernaussage

Ein ehemaliger Mitarbeiter der Liechtensteiner Fürstenbank LGT hatte seinerzeit eine CD mit den Kundendaten gestohlen und diese für 4,5 Mio. Euro an den Bundesnachrichtendienst verkauft. Der Fürstliche Oberste Gerichthof Liechtenstein (OGH Liechtenstein) hatte sich nunmehr mit der Frage zu befassen, ob die Fürstenbank einem deutschen Steuersünder zum Schadensersatz verpflichtet ist, weil sie diesen nicht frühzeitig vom dem Diebstahl unterrichtete.

Sachverhalt

Der klagende Immobilienhändler aus Bad Homburg war wegen der Datenentwendung bei der Liechtensteiner Fürstenbank LGT Treuhand bei der deutschen Steuerfahndung auffällig geworden. Er wurde im Juli 2008 vom Landgericht Bochum wegen Steuerhinterziehung zu einer Bewährungsauflage von 7,5 Mio. EUR verurteilt. Mit Steuernachzahlungen und Rechtsanwaltskosten musste er insgesamt rd. 20 Mio. EUR bezahlen. Der Kläger warf der Liechtensteinischen Bank später vor, er sei zu spät über den Datendiebstahl informiert worden. Wäre dies rechtzeitig geschehen, hätte er sich selbst beim deutschen Fiskus anzeigen oder von einer zeitweiligen Amnestie profitieren können. Seiner Ansicht nach wäre dann die Geldstrafe geringer ausgefallen. Der Fürstliche Oberste Gerichtshof Liechtenstein wies die Schadensersatzklage schließlich ab.

Entscheidung

Nach Ansicht des Gerichts ist ein Bankkunde für die Einhaltung der Steuergesetze in seinem Heimatland selbst verantwortlich. ein Abwälzen der Verantwortung käme nicht in Betracht, so dass die Liechtensteiner Fürstenbank LGT nicht für den Schaden eines deutschen Steuersünders aufkommen müsse.

Konsequenz

Das bisher noch beim Landgericht Vaduz anhängige halbe Dutzend weiterer Klagen dürfte damit ebenfalls keinen Erfolg haben.

Gleichbehandlung von Ehegatten/eingetragenen Lebenspartnern bei Grunderwerbsteuer

Kernaussage

Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten unterliegen nicht der Grunderwerbsteuer (§ 3 Nr. 4 GrEStG). Die Befreiungsvorschrift wurde mit dem Jahressteuergesetz 2010 auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften ausgedehnt. Anders als die vergleichbaren Regelungen zum Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht jedoch nicht rückwirkend, sondern erst ab Inkrafttreten des Jahressteuergesetz 2010 am 14.12.2010.

Sachverhalt

Der Antragsteller trennte sich im Jahr 2009 von seinem Lebenspartner. Im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung erhielt der Antragsteller von seinem Lebenspartner dessen Miteigentumsanteil an einem Hausgrundstück und beantragte die Befreiung von der Grunderwerbsteuer. Das Finanzamt verweigert die Befreiung und verwies auf den seiner Meinung nach eindeutigen Wortlaut der grunderwerbsteuerlichen Vorschrift (§ 3 Nr. 4 GrEStG), der eine Steuerbefreiung im Streitjahr nur für „Ehegatten“ vorsehe und diese nicht auf „Lebenspartner“ ausdehne.

Entscheidung

Das niedersächsische Finanzgericht gewährte dem Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz in Form der Aufhebung der Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheids. Es folgt dabei den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnern und Ehegatten bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer und überträgt die dort vorgebrachten Gründe vollumfänglich auf die Grunderwerbsteuer. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgericht zur Gleichbehandlung zielen nach Ansicht des Finanzgerichts auf die gesamte Rechtsordnung ab, mithin auch auf das Steuerrecht und damit auf das Grunderwerbsteuerrecht und nicht allein auf das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht. Nach Ansicht des Finanzgerichts sei es zumindest „grenzwertig“, wenn der Gesetzgeber die noch offenen Lebenspartner-Altfälle (Erwerbsvorgänge zwischen dem 1.8.2001 und dem 13.12.2010) bei der Grunderwerbsteuer nicht den Ehegattenerwerbsvorgängen gleichstelle und damit nicht von der Besteuerung befreit.

Konsequenz

Das Gericht fordert in seinem Beschluss den Gesetzgeber unmissverständlich auf, eine entsprechende Gesetzeskorrektur bei der Grunderwerbsteuer mit einer Anwendungsregelung für die Vergangenheit, wie etwa bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer, vornehmen. Andernfalls werde man die Angelegenheit dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegen.

 

BVerfG: Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern im Grunderwerbsteuerrecht verfassungswidrig

BVerfG Beschluss vom 18.07.2012 – 1 BvL 16/11

Pressemitteilung Nr. 62/2012 des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG):

“Mit dem am 14. Dezember 2010 in Kraft getretenen Jahressteuergesetz 2010 hat der Gesetzgeber die eingetragenen Lebenspartner den Ehegatten hinsichtlich sämtlicher für sie geltenden grunderwerbsteuerlichen Befreiungen gleichgestellt. Diese Neufassung des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) gilt jedoch nicht rückwirkend, sondern ist auf Erwerbsvorgänge nach dem 13. Dezember 2010 beschränkt. Für alle noch nicht bestandskräftigen Altfälle ab Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes am 1. August 2001 gelten daher weiterhin die Bestimmungen des Grunderwerbsteuergesetzes in der Fassung von 1997 (GrEStG a. F.), das für eingetragene Lebenspartner – anders als für Ehegatten – keine Ausnahme von der Besteuerung des Grunderwerbs vorsieht. Nach der für das Ausgangsverfahren maßgebenden Regelung des § 3 Nr. 4 GrEStG a. F. ist der Grundstückserwerb durch den Ehegatten des Veräußerers von der Grunderwerbsteuer befreit. Von der Besteuerung ausgenommen ist auch der Grundstückserwerb im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung durch den früheren Ehegatten des Veräußerers (§ 3 Nr. 5 GrEStG a. F.). Ferner sieht § 3 GrEStG a. F. – vorwiegend aus güterrechtlichen Gründen – weitere Befreiungsvorschriften für Ehegatten vor.

Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind eingetragene Lebenspartner und schlossen im Rahmen ihrer Trennung im Jahre 2009 eine Auseinandersetzungsvereinbarung, mit der sie sich wechselseitig ihre Miteigentumsanteile an zwei jeweils zur Hälfte in ihrem Eigentum stehenden Immobilien zum Zwecke des jeweiligen Alleineigentums übertrugen. Ihre gegen die jeweils festgesetzte Grunderwerbsteuer gerichteten Klagen führten zur Vorlage durch das Finanzgericht, das die Vorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG a. F. wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz für verfassungswidrig hält. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass § 3 Nr. 4 GrEStG a. F. sowie auch die übrigen Befreiungsvorschriften des § 3 GrEStG a. F. mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind, soweit sie eingetragene Lebenspartner nicht wie Ehegatten von der Grunderwerbsteuer befreien. Der Gesetzgeber hat bis zum 31. Dezember 2012 eine Neuregelung für die Altfälle zu treffen, die die Gleichheitsverstöße rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Einführung des Instituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft zum 1. August 2001 bis zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2010 beseitigt.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

1. Die Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern hinsichtlich der Befreiung von der Grunderwerbsteuer muss sich – neben den spezifisch steuerrechtlichen Ausprägungen des Gleichheitssatzes – an strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen messen lassen, weil die Differenzierung an die sexuelle Orientierung von Personen anknüpft. Hinreichend gewichtige Unterschiede, welche die Schlechterstellung der Lebenspartner im Grunderwerbsteuergesetz in der Fassung von 1997 rechtfertigen könnten, bestehen nicht.

Die Privilegierung der Ehegatten gegenüber den Lebenspartnern lässt sich nicht unter familien- und erbrechtlichen Gesichtspunkten rechtfertigen. Eingetragene Lebenspartner sind Ehegatten familien- und erbrechtlich gleichgestellt sowie persönlich und wirtschaftlich in gleicher Weise in einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft miteinander verbunden. Die der Steuerbefreiung zugrundeliegende gesetzgeberische Vermutung, dass Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten wie bei den ebenfalls steuerbefreiten nahen Verwandten häufig zur Regelung familienrechtlicher Ansprüche der Ehegatten untereinander oder in Vorwegnahme eines Erbfalls erfolgen, gilt daher ebenso für eingetragene Lebenspartner. Des Weiteren begründet die eingetragene Lebenspartnerschaft ebenso wie die Ehe eine gegenseitige Unterhalts- und Einstandspflicht, so dass die Ungleichbehandlung auch nicht mit einem aus besonderen rechtlichen Bindungen gespeisten Familienprinzip zu rechtfertigen ist.

Schließlich kann die Schlechterstellung der Lebenspartner gegenüber den Ehegatten auch nicht mit der in der Art. 6 Abs. 1 GG verankerten Pflicht des Staates, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern, gerechtfertigt werden. Geht die Förderung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zielen der Ehe vergleichbar sind, rechtfertigt die bloße Verweisung auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung nicht.

2. Es besteht keine Veranlassung, den Gesetzgeber von der Pflicht zur rückwirkenden Beseitigung der verfassungswidrigen Rechtslage zu entbinden. Insbesondere ist die Weitergeltung der für verfassungswidrig erklärten Befreiungsvorschriften nicht wegen einer zuvor nicht hinreichend geklärten Verfassungsrechtslage anzuordnen. Eine solche, von der grundsätzlichen Rückwirkung sowohl einer Nichtigkeits- als auch Unvereinbarkeitserklärung abweichende Anordnung kommt nur im Ausnahmefall in Betracht und bedarf einer besonderen Rechtfertigung. Allein die Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts, dass ein Gesetz gegen Bestimmungen des Grundgesetzes verstößt, vermag indessen nicht ohne weiteres eine in diesem Sinne zuvor ungeklärte Verfassungsrechtslage zu indizieren und damit den Gesetzgeber von einer Pflicht zur rückwirkenden Behebung verfassungswidriger Zustände zu befreien.”

Bundesverfassungsgericht (BVerfG)

Heterologe künstliche Befruchtungen sind steuerlich absetzbar

Heterologe künstliche Befruchtungen sind steuerlich absetzbar

Kernproblem

Die Rechtsprechung im Zusammenhang mit außergewöhnlichen Belastungen ist im Wandel. Kürzlich hatte der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) die Nachweispflichten von Krankheitskosten erleichtert und von dem Erfordernis eines amtsärztlichen Gutachtens unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung abgesehen. Gleiches widerfuhr jetzt einem Ehepaar, das Aufwendungen für eine heterologe künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastung geltend machte, aber zunächst beim Finanzamt mit seinem Anliegen scheiterte.

Sachverhalt und bisherige Rechtsprechung

Im entschiedenen Fall war der Ehemann wegen einer inoperablen organisch bedingten Sterilität zeugungsunfähig. Das Ehepaar wollte den Kinderwunsch durch eine künstliche Befruchtung mit Samen eines anonymen Spenders verwirklichen (heterologe Befruchtung). Die Kosten der Behandlung von etwa 21.000 EUR ließ das Finanzamt unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung des BFH nicht zum Abzug zu, weil diese Art der Befruchtung keine Heilbehandlung sei. In der Vergangenheit hatte der BFH jedoch bereits Aufwendungen einer zeugungsunfähigen Frau für eine homologe künstliche Befruchtung (d. h. mit den Samen des Ehepartners oder Partners) nicht nur bei Ehepaaren, sondern seit dem Jahr 2007 auch im Fall einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zum Abzug zugelassen. Dagegen sah man die künstliche Befruchtung der gesunden Frau mit Fremdsamen nicht als gezielte medizinische Behandlung zum Zwecke der Heilung oder Linderung einer Krankheit an.

Änderung der Rechtsprechung

Der BFH begründet seine geänderte Auffassung damit, dass die künstliche Befruchtung der gesunden Ehefrau mit Fremdsamen zwar nicht die Beseitigung der Unfruchtbarkeit des Ehemannes bezwecke. Sie ziele aber auf die Beseitigung der Kinderlosigkeit eines Paares ab, der zwar nicht selbst ein Krankheitswert zukomme, die aber unmittelbare Folge der Erkrankung des Ehemannes sei. Damit werde die durch Krankheit behinderte Körperfunktion durch eine medizinische Maßnahme ersetzt. Entgegen der bisherigen Auffassung sei hierin eine Heilbehandlung zu sehen.

Konsequenz

Zwar hinkt der Vergleich, aber der BFH sieht einen Zusammenhang mit Zahnersatz, Brillen, Hörgeräten oder Rollstühlen. Auch diese werden steuerlich anerkannt, obwohl durch sie der körperliche Mangel nicht behoben, sondern ebenfalls umgangen oder kompensiert werde. Ein Fall fehlt jetzt noch in der Rechtsprechung. Es ist jedoch anzunehmen, dass Elton John nicht dem deutschen Einkommensteuergesetz unterliegt.

Verletzt Eintrag „–“ auf der LSt-Karte die Religionsfreiheit?

Verletzt Eintrag „–“ auf der LSt-Karte die Religionsfreiheit?

Kernproblem

Die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte dienen dem richtigen Steuerabzug. Ist in der Rubrik „Kirchensteuerabzug“ ein „–“ ausgefüllt, dann bedeutet das in der Sache nichts anderes, als dass für den Arbeitnehmer keine Kirchensteuer einzubehalten ist. Es mag merkwürdig klingen, wenn sich hier ein konfessionsloser Arbeitnehmer in seinen Rechten verletzt fühlt und mit seinem Anliegen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anhängig wird.

Sachverhalt

Ein deutscher Lektor und Rechtsanwalt hatte vergeblich in mehreren Jahren vor dem Finanzgericht geklagt, der Eintrag „–“ verletze ihn in seinem Recht, seine religiösen Überzeugungen nicht preiszugeben. Für ihn als Homosexuellen sei nicht zumutbar, an einem Steuererhebungsverfahren teilzunehmen, das gesellschaftlichen Gruppen – den Kirchen – diene, die erklärtermaßen einen wichtigen Aspekt seiner Persönlichkeit in Frage stellten und herabwürdigten. Er trage mit der Angabe dazu bei, dass das Erhebungsverfahren für die Kirchensteuer reibungslos funktioniere und unterstütze so indirekt die Kirchen, deren Standpunkte er ablehne. Revisionen beim BFH blieben ohne Erfolg und auch das BVerfG nahm eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an.

Entscheidung des EGMR

Die Beschwerde scheiterte. Für das Gericht war die Verpflichtung, die Behörden über eine Nichtzugehörigkeit zu einer kirchensteuererhebungsberechtigten Kirche oder Religionsgemeinschaft zu informieren, zwar ein Eingriff in die negative Religionsfreiheit. Der Eingriff sei aber nach deutschem Recht gesetzlich vorgesehen und verfolgte den legitimen Zweck, die Erhebung der Kirchensteuer zu gewährleisten. Der Eingriff sei auch verhältnismäßig, zumal der Eintrag auf der Lohnsteuerkarte nur einen beschränkten Informationswert habe und darüber informiere, dass der Steuerzahler keiner der Kirchen und Religionsgemeinschaften angehöre, die Kirchensteuer erheben. Zudem erfolge keine öffentliche Verwendung der Lohnsteuerkarte, außer im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und dem Finanzamt.

Konsequenz

Das Gericht führt aus, dass es in der Vergangenheit durchaus Verletzungen der Religionsfreiheit festgestellt hat. Anders als im Fall des Lohnsteuerkarteneintrags habe hier jedoch ein Verlangen nach einer Erläuterung zur Nichtangehörigkeit einer Religionsgemeinschaft oder die Überprüfung der religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung vorgelegen.

Falsche LSt-Bescheinigung 2010: Angeblich kein Nachteil

Falsche LSt-Bescheinigung 2010: Angeblich kein Nachteil

Fehlerhafte Lohnsteuerbescheinigung 2010: Wer ist betroffen?

Zuletzt erst hat der Boulevard zahlreiche falsche Steuerbescheide zuungunsten der Steuerbürger angekündigt, denn Folgendes war passiert: In einigen Fällen sind die vom Arbeitgeber erstellten Lohnsteuerbescheinigungen 2010 auf Grund eines Programmfehlers der Software-Anbieter fehlerhaft ausgestellt worden. Betroffen sind Arbeitnehmer, die freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sind. Hier gilt es schon einmal für einen Großteil der Arbeitnehmer aufzuatmen, denn freiwillig versichert sind überwiegend solche, die in 2010 über ein regelmäßiges Einkommen von mindestens 3.750 EUR monatlich verfügt haben. Darunter ist man in aller Regel gesetzlich versichert.

Wo liegt das Problem?

Die Lohnsteuerbescheinigung wird vom Arbeitgeber an die Finanzverwaltung übermittelt und bildet die Grundlage einer späteren Einkommensteuerveranlagung. Nach einer für den Steuerzahler günstigen Gesetzesänderung sind seit 2010 Krankenversicherungsbeiträge (ohne Wahlleistungen und nach einem Abschlag von 4 %, wenn Anspruch auf Krankengeld besteht) in voller Höhe als Sonderausgabe abzugsfähig. Beim Arbeitnehmer mindern sich die berücksichtigungsfähigen Gesamtbeiträge um die steuerfreien Zuschüsse des Arbeitgebers, so dass sich unterm Strich nur sein „eigener Anteil“ auswirkt (in 2010: allgemeiner Beitragssatz 14,9 %, davon AN-Anteil 7,9 %). Durch den Programmfehler wurde in der Lohnsteuerbescheinigung (Zeilen 25/26) anstatt des kompletten Arbeitnehmeranteils der um den Arbeitgeberanteil geminderte Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung ausgewiesen. Weil sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Beiträge annähernd zur Hälfte teilen, weist auch die Bescheinigung nicht viel mehr als etwa die Hälfte des Arbeitnehmeranteils aus. Zieht man jetzt in der Steuerveranlagung davon noch die Arbeitgeberanteile ab (berücksichtigt sie also zweimal), bleibt fast nichts mehr übrig.

Was meint das Bundesfinanzministerium?

Nachdem das BMF zunächst die Arbeitgeber verpflichten wollte (soweit wirtschaftlich zumutbar – was immer das heißen mag), korrigierte Lohnsteuerbescheinigungen an die Finanzämter zu übermitteln und dem Arbeitnehmer einen Ausdruck auszuhändigen, erfolgte jetzt ein Rückzieher. Demnach sollen die fehlerhaften Bescheinigungen maschinell erkannt und die Beiträge in zutreffender Höhe bei der Veranlagung zur Einkommensteuer berücksichtigt werden.

Konsequenz

Betroffene sollten ihren Einkommensteuerbescheid 2010 peinlichst genau prüfen.

Gleiche Erbschaftssteuer-Sätze bei Steuerklassen II+III nicht verfassungswidrig

Gleiche ErbSt-Sätze bei Steuerklassen II+III nicht verfassungswidrig

Kernfrage/Rechtslage

Eine Kernänderung der Erbschaftsteuerreform zum 1.1.2009 war, dass die Steuersätze der Erbschaftsteuerklasse II (entferntere Verwandtschaft bspw. Geschwister) und Erbschaftsteuerklasse III (jeder sonstige Dritte) gleichgesetzt wurden. Diese – inzwischen durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz rückgängig gemachte – Regelung war Bestandteil der Gegenfinanzierung der weitgehenden Erbschaftsteuerfreistellung von Betriebsvermögen. Die Regelung war seit jeher – wie andere Bestandteile der Erbschaftsteuerreform – im Hinblick auf ihre Verfassungsmäßigkeit umstritten. Das Finanzgericht Düsseldorf hat hierzu nunmehr erstmals entschieden.

Entscheidung

Der Kläger ist Neffe des Erblassers. Er wurde mit dem Steuersatz von 30 % zur Erbschaftsteuer veranlagt. Gegen den Erbschaftsteuerbescheid klagte er und begründete die Klage mit der Verfassungswidrigkeit der Gleichstellung der Personen in Steuerklasse II und III. Das Finanzgericht wies die Klage ab, lies jedoch die Revision zum BFH zu. Die Gleichstellung der Erwerber der Steuerklasse II mit Erwerbern der Steuerklasse III verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz der Verfassung, nach dem wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln sei. Zwar habe der Gesetzgeber Erwerber der Steuerklasse II und Steuerklasse III gleichgestellt, obgleich die erstgenannte Personengruppe im Gegensatz zur letztgenannten Personengruppe regelmäßig eine verwandtschaftliche Nähe zum Erblasser aufweise, diese Gleichstellung lasse sich jedoch mit einer verfassungsrechtlich zulässigen Typisierung rechtfertigen. Denn beide Erwerberklassen stünden regelmäßig nicht in einer Lebens-, Erziehungs- und Hausgemeinschaft mit dem Erblasser, so dass ein geringerer Schutz bestehe. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass der Gesetzgeber die Gleichstellung wieder rückgängig gemacht habe. Der Gesetzgeber habe die Rückgängigmachung an einen Stichtag knüpfen können, so dass auf den Kläger zulässigerweise der gleichgestellte Rechtszustand Anwendung finde.

Konsequenz

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, die Revision zum BFH ist ausdrücklich zugelassen worden. Für Übertragungsvorgänge bzw. Erbfälle des Jahres 2009 bedeutet sie, dass Veranlagungen weiterhin offen zu halten sind.

Zahlung festgesetzter ausländischer Schenkungsteuer als rückwirkendes Ereignis

Zahlung festgesetzter ausländischer Schenkungsteuer als rückwirkendes Ereignis

Kernfrage

Bei Erbschaften oder Schenkungen „über die Grenze“ kann es möglich sein, dass in mehreren Ländern Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer anfällt. Besteht mit dem anderen Land ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), ist üblicherweise eine Freistellungs- oder Anrechnungsmethode vereinbart, d. h. das übertragene Vermögen wird in Deutschland komplett von einer Besteuerung freigestellt oder aber die im Ausland gezahlte Steuer wird angerechnet. Das deutsche Erbschaftsteuergesetz (gilt auch für Schenkungen) sieht für die Anrechnung der ausländischen Steuer eine gesetzliche Bestimmung vor. Ärgerlich nur, wenn die ausländische Steuer zum Zeitpunkt des in Deutschland erlassenen Steuerbescheids noch nicht absehbar ist und der Bescheid bestandskräftig wird. Ist dies später noch korrigierbar oder kommt es zu einer echten Doppelbesteuerung?

Sachverhalt

Die in der Schweiz lebende Mutter hatte ihrem Sohn Geld geschenkt, dass dieser ordnungsgemäß in Deutschland deklariert und hierauf die Schenkungsteuer gezahlt hatte. Erst viele Jahre später wurde auch der Kanton Tessin tätig und setzte Schenkungsteuer fest, die der Sohn entrichtete und anschließend zur Anrechnung in Deutschland bringen wollte. Das beklagte Finanzamt sah jedoch keine verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage für eine Änderung des bestandskräftig gewordenen Bescheids, obwohl es materiell keine Zweifel an einer Anrechnung gab. Der klagende Beschenkte war in allen Instanzen erfolgreich.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Zahlung der ausländischen Schenkungsteuer als rückwirkendes Ereignis angesehen, das die Anrechnung zulässt. Beim Erwerb von Todes wegen sei die Erbschaftsteuer so festzusetzen, wie sie im Zeitpunkt des Todes des Erblassers entstanden ist. Der Todeszeitpunkt bestimme auch die Wertermittlung. Da eine ausländische Steuer denklogisch erst nach dem Tod des Erblassers festgesetzt und gezahlt werden könne, müsse die Festsetzung und Zahlung der ausländischen Steuer auf den Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaftsteuer im Moment des Todes des Erblassers zurückwirken. Für die Schenkungsteuer könne nichts anderes gelten.

Konsequenz

Die Anrechnung hat demnach nach § 175 AO für ein rückwirkendes Ereignis zu erfolgen. Die Zahlung der ausländischen Schenkungsteuer stellt das Ereignis dar, für welches wiederum eine neue Verjährungsfrist von regelmäßig 4 Jahren gilt. Im Übrigen wird auch im Ertragsteuerrecht nach ganz herrschender Meinung in der Zahlung ausländischer Steuer ein rückwirkendes Ereignis gesehen.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin