Liechtensteiner Bank muss Steuersünder nicht entschädigen

Liechtensteiner Bank muss Steuersünder nicht entschädigen

Kernaussage

Ein ehemaliger Mitarbeiter der Liechtensteiner Fürstenbank LGT hatte seinerzeit eine CD mit den Kundendaten gestohlen und diese für 4,5 Mio. Euro an den Bundesnachrichtendienst verkauft. Der Fürstliche Oberste Gerichthof Liechtenstein (OGH Liechtenstein) hatte sich nunmehr mit der Frage zu befassen, ob die Fürstenbank einem deutschen Steuersünder zum Schadensersatz verpflichtet ist, weil sie diesen nicht frühzeitig vom dem Diebstahl unterrichtete.

Sachverhalt

Der klagende Immobilienhändler aus Bad Homburg war wegen der Datenentwendung bei der Liechtensteiner Fürstenbank LGT Treuhand bei der deutschen Steuerfahndung auffällig geworden. Er wurde im Juli 2008 vom Landgericht Bochum wegen Steuerhinterziehung zu einer Bewährungsauflage von 7,5 Mio. EUR verurteilt. Mit Steuernachzahlungen und Rechtsanwaltskosten musste er insgesamt rd. 20 Mio. EUR bezahlen. Der Kläger warf der Liechtensteinischen Bank später vor, er sei zu spät über den Datendiebstahl informiert worden. Wäre dies rechtzeitig geschehen, hätte er sich selbst beim deutschen Fiskus anzeigen oder von einer zeitweiligen Amnestie profitieren können. Seiner Ansicht nach wäre dann die Geldstrafe geringer ausgefallen. Der Fürstliche Oberste Gerichtshof Liechtenstein wies die Schadensersatzklage schließlich ab.

Entscheidung

Nach Ansicht des Gerichts ist ein Bankkunde für die Einhaltung der Steuergesetze in seinem Heimatland selbst verantwortlich. ein Abwälzen der Verantwortung käme nicht in Betracht, so dass die Liechtensteiner Fürstenbank LGT nicht für den Schaden eines deutschen Steuersünders aufkommen müsse.

Konsequenz

Das bisher noch beim Landgericht Vaduz anhängige halbe Dutzend weiterer Klagen dürfte damit ebenfalls keinen Erfolg haben.

Gleichbehandlung von Ehegatten/eingetragenen Lebenspartnern bei Grunderwerbsteuer

Kernaussage

Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten unterliegen nicht der Grunderwerbsteuer (§ 3 Nr. 4 GrEStG). Die Befreiungsvorschrift wurde mit dem Jahressteuergesetz 2010 auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften ausgedehnt. Anders als die vergleichbaren Regelungen zum Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht jedoch nicht rückwirkend, sondern erst ab Inkrafttreten des Jahressteuergesetz 2010 am 14.12.2010.

Sachverhalt

Der Antragsteller trennte sich im Jahr 2009 von seinem Lebenspartner. Im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung erhielt der Antragsteller von seinem Lebenspartner dessen Miteigentumsanteil an einem Hausgrundstück und beantragte die Befreiung von der Grunderwerbsteuer. Das Finanzamt verweigert die Befreiung und verwies auf den seiner Meinung nach eindeutigen Wortlaut der grunderwerbsteuerlichen Vorschrift (§ 3 Nr. 4 GrEStG), der eine Steuerbefreiung im Streitjahr nur für „Ehegatten“ vorsehe und diese nicht auf „Lebenspartner“ ausdehne.

Entscheidung

Das niedersächsische Finanzgericht gewährte dem Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz in Form der Aufhebung der Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheids. Es folgt dabei den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnern und Ehegatten bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer und überträgt die dort vorgebrachten Gründe vollumfänglich auf die Grunderwerbsteuer. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgericht zur Gleichbehandlung zielen nach Ansicht des Finanzgerichts auf die gesamte Rechtsordnung ab, mithin auch auf das Steuerrecht und damit auf das Grunderwerbsteuerrecht und nicht allein auf das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht. Nach Ansicht des Finanzgerichts sei es zumindest „grenzwertig“, wenn der Gesetzgeber die noch offenen Lebenspartner-Altfälle (Erwerbsvorgänge zwischen dem 1.8.2001 und dem 13.12.2010) bei der Grunderwerbsteuer nicht den Ehegattenerwerbsvorgängen gleichstelle und damit nicht von der Besteuerung befreit.

Konsequenz

Das Gericht fordert in seinem Beschluss den Gesetzgeber unmissverständlich auf, eine entsprechende Gesetzeskorrektur bei der Grunderwerbsteuer mit einer Anwendungsregelung für die Vergangenheit, wie etwa bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer, vornehmen. Andernfalls werde man die Angelegenheit dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegen.

 

BVerfG: Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern im Grunderwerbsteuerrecht verfassungswidrig

BVerfG Beschluss vom 18.07.2012 – 1 BvL 16/11

Pressemitteilung Nr. 62/2012 des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG):

“Mit dem am 14. Dezember 2010 in Kraft getretenen Jahressteuergesetz 2010 hat der Gesetzgeber die eingetragenen Lebenspartner den Ehegatten hinsichtlich sämtlicher für sie geltenden grunderwerbsteuerlichen Befreiungen gleichgestellt. Diese Neufassung des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) gilt jedoch nicht rückwirkend, sondern ist auf Erwerbsvorgänge nach dem 13. Dezember 2010 beschränkt. Für alle noch nicht bestandskräftigen Altfälle ab Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes am 1. August 2001 gelten daher weiterhin die Bestimmungen des Grunderwerbsteuergesetzes in der Fassung von 1997 (GrEStG a. F.), das für eingetragene Lebenspartner – anders als für Ehegatten – keine Ausnahme von der Besteuerung des Grunderwerbs vorsieht. Nach der für das Ausgangsverfahren maßgebenden Regelung des § 3 Nr. 4 GrEStG a. F. ist der Grundstückserwerb durch den Ehegatten des Veräußerers von der Grunderwerbsteuer befreit. Von der Besteuerung ausgenommen ist auch der Grundstückserwerb im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung durch den früheren Ehegatten des Veräußerers (§ 3 Nr. 5 GrEStG a. F.). Ferner sieht § 3 GrEStG a. F. – vorwiegend aus güterrechtlichen Gründen – weitere Befreiungsvorschriften für Ehegatten vor.

Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind eingetragene Lebenspartner und schlossen im Rahmen ihrer Trennung im Jahre 2009 eine Auseinandersetzungsvereinbarung, mit der sie sich wechselseitig ihre Miteigentumsanteile an zwei jeweils zur Hälfte in ihrem Eigentum stehenden Immobilien zum Zwecke des jeweiligen Alleineigentums übertrugen. Ihre gegen die jeweils festgesetzte Grunderwerbsteuer gerichteten Klagen führten zur Vorlage durch das Finanzgericht, das die Vorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG a. F. wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz für verfassungswidrig hält. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass § 3 Nr. 4 GrEStG a. F. sowie auch die übrigen Befreiungsvorschriften des § 3 GrEStG a. F. mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind, soweit sie eingetragene Lebenspartner nicht wie Ehegatten von der Grunderwerbsteuer befreien. Der Gesetzgeber hat bis zum 31. Dezember 2012 eine Neuregelung für die Altfälle zu treffen, die die Gleichheitsverstöße rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Einführung des Instituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft zum 1. August 2001 bis zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2010 beseitigt.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

1. Die Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern hinsichtlich der Befreiung von der Grunderwerbsteuer muss sich – neben den spezifisch steuerrechtlichen Ausprägungen des Gleichheitssatzes – an strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen messen lassen, weil die Differenzierung an die sexuelle Orientierung von Personen anknüpft. Hinreichend gewichtige Unterschiede, welche die Schlechterstellung der Lebenspartner im Grunderwerbsteuergesetz in der Fassung von 1997 rechtfertigen könnten, bestehen nicht.

Die Privilegierung der Ehegatten gegenüber den Lebenspartnern lässt sich nicht unter familien- und erbrechtlichen Gesichtspunkten rechtfertigen. Eingetragene Lebenspartner sind Ehegatten familien- und erbrechtlich gleichgestellt sowie persönlich und wirtschaftlich in gleicher Weise in einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft miteinander verbunden. Die der Steuerbefreiung zugrundeliegende gesetzgeberische Vermutung, dass Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten wie bei den ebenfalls steuerbefreiten nahen Verwandten häufig zur Regelung familienrechtlicher Ansprüche der Ehegatten untereinander oder in Vorwegnahme eines Erbfalls erfolgen, gilt daher ebenso für eingetragene Lebenspartner. Des Weiteren begründet die eingetragene Lebenspartnerschaft ebenso wie die Ehe eine gegenseitige Unterhalts- und Einstandspflicht, so dass die Ungleichbehandlung auch nicht mit einem aus besonderen rechtlichen Bindungen gespeisten Familienprinzip zu rechtfertigen ist.

Schließlich kann die Schlechterstellung der Lebenspartner gegenüber den Ehegatten auch nicht mit der in der Art. 6 Abs. 1 GG verankerten Pflicht des Staates, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern, gerechtfertigt werden. Geht die Förderung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zielen der Ehe vergleichbar sind, rechtfertigt die bloße Verweisung auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung nicht.

2. Es besteht keine Veranlassung, den Gesetzgeber von der Pflicht zur rückwirkenden Beseitigung der verfassungswidrigen Rechtslage zu entbinden. Insbesondere ist die Weitergeltung der für verfassungswidrig erklärten Befreiungsvorschriften nicht wegen einer zuvor nicht hinreichend geklärten Verfassungsrechtslage anzuordnen. Eine solche, von der grundsätzlichen Rückwirkung sowohl einer Nichtigkeits- als auch Unvereinbarkeitserklärung abweichende Anordnung kommt nur im Ausnahmefall in Betracht und bedarf einer besonderen Rechtfertigung. Allein die Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts, dass ein Gesetz gegen Bestimmungen des Grundgesetzes verstößt, vermag indessen nicht ohne weiteres eine in diesem Sinne zuvor ungeklärte Verfassungsrechtslage zu indizieren und damit den Gesetzgeber von einer Pflicht zur rückwirkenden Behebung verfassungswidriger Zustände zu befreien.”

Bundesverfassungsgericht (BVerfG)

Heterologe künstliche Befruchtungen sind steuerlich absetzbar

Heterologe künstliche Befruchtungen sind steuerlich absetzbar

Kernproblem

Die Rechtsprechung im Zusammenhang mit außergewöhnlichen Belastungen ist im Wandel. Kürzlich hatte der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) die Nachweispflichten von Krankheitskosten erleichtert und von dem Erfordernis eines amtsärztlichen Gutachtens unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung abgesehen. Gleiches widerfuhr jetzt einem Ehepaar, das Aufwendungen für eine heterologe künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastung geltend machte, aber zunächst beim Finanzamt mit seinem Anliegen scheiterte.

Sachverhalt und bisherige Rechtsprechung

Im entschiedenen Fall war der Ehemann wegen einer inoperablen organisch bedingten Sterilität zeugungsunfähig. Das Ehepaar wollte den Kinderwunsch durch eine künstliche Befruchtung mit Samen eines anonymen Spenders verwirklichen (heterologe Befruchtung). Die Kosten der Behandlung von etwa 21.000 EUR ließ das Finanzamt unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung des BFH nicht zum Abzug zu, weil diese Art der Befruchtung keine Heilbehandlung sei. In der Vergangenheit hatte der BFH jedoch bereits Aufwendungen einer zeugungsunfähigen Frau für eine homologe künstliche Befruchtung (d. h. mit den Samen des Ehepartners oder Partners) nicht nur bei Ehepaaren, sondern seit dem Jahr 2007 auch im Fall einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zum Abzug zugelassen. Dagegen sah man die künstliche Befruchtung der gesunden Frau mit Fremdsamen nicht als gezielte medizinische Behandlung zum Zwecke der Heilung oder Linderung einer Krankheit an.

Änderung der Rechtsprechung

Der BFH begründet seine geänderte Auffassung damit, dass die künstliche Befruchtung der gesunden Ehefrau mit Fremdsamen zwar nicht die Beseitigung der Unfruchtbarkeit des Ehemannes bezwecke. Sie ziele aber auf die Beseitigung der Kinderlosigkeit eines Paares ab, der zwar nicht selbst ein Krankheitswert zukomme, die aber unmittelbare Folge der Erkrankung des Ehemannes sei. Damit werde die durch Krankheit behinderte Körperfunktion durch eine medizinische Maßnahme ersetzt. Entgegen der bisherigen Auffassung sei hierin eine Heilbehandlung zu sehen.

Konsequenz

Zwar hinkt der Vergleich, aber der BFH sieht einen Zusammenhang mit Zahnersatz, Brillen, Hörgeräten oder Rollstühlen. Auch diese werden steuerlich anerkannt, obwohl durch sie der körperliche Mangel nicht behoben, sondern ebenfalls umgangen oder kompensiert werde. Ein Fall fehlt jetzt noch in der Rechtsprechung. Es ist jedoch anzunehmen, dass Elton John nicht dem deutschen Einkommensteuergesetz unterliegt.

Verletzt Eintrag „–“ auf der LSt-Karte die Religionsfreiheit?

Verletzt Eintrag „–“ auf der LSt-Karte die Religionsfreiheit?

Kernproblem

Die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte dienen dem richtigen Steuerabzug. Ist in der Rubrik „Kirchensteuerabzug“ ein „–“ ausgefüllt, dann bedeutet das in der Sache nichts anderes, als dass für den Arbeitnehmer keine Kirchensteuer einzubehalten ist. Es mag merkwürdig klingen, wenn sich hier ein konfessionsloser Arbeitnehmer in seinen Rechten verletzt fühlt und mit seinem Anliegen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anhängig wird.

Sachverhalt

Ein deutscher Lektor und Rechtsanwalt hatte vergeblich in mehreren Jahren vor dem Finanzgericht geklagt, der Eintrag „–“ verletze ihn in seinem Recht, seine religiösen Überzeugungen nicht preiszugeben. Für ihn als Homosexuellen sei nicht zumutbar, an einem Steuererhebungsverfahren teilzunehmen, das gesellschaftlichen Gruppen – den Kirchen – diene, die erklärtermaßen einen wichtigen Aspekt seiner Persönlichkeit in Frage stellten und herabwürdigten. Er trage mit der Angabe dazu bei, dass das Erhebungsverfahren für die Kirchensteuer reibungslos funktioniere und unterstütze so indirekt die Kirchen, deren Standpunkte er ablehne. Revisionen beim BFH blieben ohne Erfolg und auch das BVerfG nahm eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an.

Entscheidung des EGMR

Die Beschwerde scheiterte. Für das Gericht war die Verpflichtung, die Behörden über eine Nichtzugehörigkeit zu einer kirchensteuererhebungsberechtigten Kirche oder Religionsgemeinschaft zu informieren, zwar ein Eingriff in die negative Religionsfreiheit. Der Eingriff sei aber nach deutschem Recht gesetzlich vorgesehen und verfolgte den legitimen Zweck, die Erhebung der Kirchensteuer zu gewährleisten. Der Eingriff sei auch verhältnismäßig, zumal der Eintrag auf der Lohnsteuerkarte nur einen beschränkten Informationswert habe und darüber informiere, dass der Steuerzahler keiner der Kirchen und Religionsgemeinschaften angehöre, die Kirchensteuer erheben. Zudem erfolge keine öffentliche Verwendung der Lohnsteuerkarte, außer im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und dem Finanzamt.

Konsequenz

Das Gericht führt aus, dass es in der Vergangenheit durchaus Verletzungen der Religionsfreiheit festgestellt hat. Anders als im Fall des Lohnsteuerkarteneintrags habe hier jedoch ein Verlangen nach einer Erläuterung zur Nichtangehörigkeit einer Religionsgemeinschaft oder die Überprüfung der religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung vorgelegen.

Falsche LSt-Bescheinigung 2010: Angeblich kein Nachteil

Falsche LSt-Bescheinigung 2010: Angeblich kein Nachteil

Fehlerhafte Lohnsteuerbescheinigung 2010: Wer ist betroffen?

Zuletzt erst hat der Boulevard zahlreiche falsche Steuerbescheide zuungunsten der Steuerbürger angekündigt, denn Folgendes war passiert: In einigen Fällen sind die vom Arbeitgeber erstellten Lohnsteuerbescheinigungen 2010 auf Grund eines Programmfehlers der Software-Anbieter fehlerhaft ausgestellt worden. Betroffen sind Arbeitnehmer, die freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sind. Hier gilt es schon einmal für einen Großteil der Arbeitnehmer aufzuatmen, denn freiwillig versichert sind überwiegend solche, die in 2010 über ein regelmäßiges Einkommen von mindestens 3.750 EUR monatlich verfügt haben. Darunter ist man in aller Regel gesetzlich versichert.

Wo liegt das Problem?

Die Lohnsteuerbescheinigung wird vom Arbeitgeber an die Finanzverwaltung übermittelt und bildet die Grundlage einer späteren Einkommensteuerveranlagung. Nach einer für den Steuerzahler günstigen Gesetzesänderung sind seit 2010 Krankenversicherungsbeiträge (ohne Wahlleistungen und nach einem Abschlag von 4 %, wenn Anspruch auf Krankengeld besteht) in voller Höhe als Sonderausgabe abzugsfähig. Beim Arbeitnehmer mindern sich die berücksichtigungsfähigen Gesamtbeiträge um die steuerfreien Zuschüsse des Arbeitgebers, so dass sich unterm Strich nur sein „eigener Anteil“ auswirkt (in 2010: allgemeiner Beitragssatz 14,9 %, davon AN-Anteil 7,9 %). Durch den Programmfehler wurde in der Lohnsteuerbescheinigung (Zeilen 25/26) anstatt des kompletten Arbeitnehmeranteils der um den Arbeitgeberanteil geminderte Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung ausgewiesen. Weil sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Beiträge annähernd zur Hälfte teilen, weist auch die Bescheinigung nicht viel mehr als etwa die Hälfte des Arbeitnehmeranteils aus. Zieht man jetzt in der Steuerveranlagung davon noch die Arbeitgeberanteile ab (berücksichtigt sie also zweimal), bleibt fast nichts mehr übrig.

Was meint das Bundesfinanzministerium?

Nachdem das BMF zunächst die Arbeitgeber verpflichten wollte (soweit wirtschaftlich zumutbar – was immer das heißen mag), korrigierte Lohnsteuerbescheinigungen an die Finanzämter zu übermitteln und dem Arbeitnehmer einen Ausdruck auszuhändigen, erfolgte jetzt ein Rückzieher. Demnach sollen die fehlerhaften Bescheinigungen maschinell erkannt und die Beiträge in zutreffender Höhe bei der Veranlagung zur Einkommensteuer berücksichtigt werden.

Konsequenz

Betroffene sollten ihren Einkommensteuerbescheid 2010 peinlichst genau prüfen.

Gleiche Erbschaftssteuer-Sätze bei Steuerklassen II+III nicht verfassungswidrig

Gleiche ErbSt-Sätze bei Steuerklassen II+III nicht verfassungswidrig

Kernfrage/Rechtslage

Eine Kernänderung der Erbschaftsteuerreform zum 1.1.2009 war, dass die Steuersätze der Erbschaftsteuerklasse II (entferntere Verwandtschaft bspw. Geschwister) und Erbschaftsteuerklasse III (jeder sonstige Dritte) gleichgesetzt wurden. Diese – inzwischen durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz rückgängig gemachte – Regelung war Bestandteil der Gegenfinanzierung der weitgehenden Erbschaftsteuerfreistellung von Betriebsvermögen. Die Regelung war seit jeher – wie andere Bestandteile der Erbschaftsteuerreform – im Hinblick auf ihre Verfassungsmäßigkeit umstritten. Das Finanzgericht Düsseldorf hat hierzu nunmehr erstmals entschieden.

Entscheidung

Der Kläger ist Neffe des Erblassers. Er wurde mit dem Steuersatz von 30 % zur Erbschaftsteuer veranlagt. Gegen den Erbschaftsteuerbescheid klagte er und begründete die Klage mit der Verfassungswidrigkeit der Gleichstellung der Personen in Steuerklasse II und III. Das Finanzgericht wies die Klage ab, lies jedoch die Revision zum BFH zu. Die Gleichstellung der Erwerber der Steuerklasse II mit Erwerbern der Steuerklasse III verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz der Verfassung, nach dem wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln sei. Zwar habe der Gesetzgeber Erwerber der Steuerklasse II und Steuerklasse III gleichgestellt, obgleich die erstgenannte Personengruppe im Gegensatz zur letztgenannten Personengruppe regelmäßig eine verwandtschaftliche Nähe zum Erblasser aufweise, diese Gleichstellung lasse sich jedoch mit einer verfassungsrechtlich zulässigen Typisierung rechtfertigen. Denn beide Erwerberklassen stünden regelmäßig nicht in einer Lebens-, Erziehungs- und Hausgemeinschaft mit dem Erblasser, so dass ein geringerer Schutz bestehe. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass der Gesetzgeber die Gleichstellung wieder rückgängig gemacht habe. Der Gesetzgeber habe die Rückgängigmachung an einen Stichtag knüpfen können, so dass auf den Kläger zulässigerweise der gleichgestellte Rechtszustand Anwendung finde.

Konsequenz

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, die Revision zum BFH ist ausdrücklich zugelassen worden. Für Übertragungsvorgänge bzw. Erbfälle des Jahres 2009 bedeutet sie, dass Veranlagungen weiterhin offen zu halten sind.

Zahlung festgesetzter ausländischer Schenkungsteuer als rückwirkendes Ereignis

Zahlung festgesetzter ausländischer Schenkungsteuer als rückwirkendes Ereignis

Kernfrage

Bei Erbschaften oder Schenkungen „über die Grenze“ kann es möglich sein, dass in mehreren Ländern Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer anfällt. Besteht mit dem anderen Land ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), ist üblicherweise eine Freistellungs- oder Anrechnungsmethode vereinbart, d. h. das übertragene Vermögen wird in Deutschland komplett von einer Besteuerung freigestellt oder aber die im Ausland gezahlte Steuer wird angerechnet. Das deutsche Erbschaftsteuergesetz (gilt auch für Schenkungen) sieht für die Anrechnung der ausländischen Steuer eine gesetzliche Bestimmung vor. Ärgerlich nur, wenn die ausländische Steuer zum Zeitpunkt des in Deutschland erlassenen Steuerbescheids noch nicht absehbar ist und der Bescheid bestandskräftig wird. Ist dies später noch korrigierbar oder kommt es zu einer echten Doppelbesteuerung?

Sachverhalt

Die in der Schweiz lebende Mutter hatte ihrem Sohn Geld geschenkt, dass dieser ordnungsgemäß in Deutschland deklariert und hierauf die Schenkungsteuer gezahlt hatte. Erst viele Jahre später wurde auch der Kanton Tessin tätig und setzte Schenkungsteuer fest, die der Sohn entrichtete und anschließend zur Anrechnung in Deutschland bringen wollte. Das beklagte Finanzamt sah jedoch keine verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage für eine Änderung des bestandskräftig gewordenen Bescheids, obwohl es materiell keine Zweifel an einer Anrechnung gab. Der klagende Beschenkte war in allen Instanzen erfolgreich.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Zahlung der ausländischen Schenkungsteuer als rückwirkendes Ereignis angesehen, das die Anrechnung zulässt. Beim Erwerb von Todes wegen sei die Erbschaftsteuer so festzusetzen, wie sie im Zeitpunkt des Todes des Erblassers entstanden ist. Der Todeszeitpunkt bestimme auch die Wertermittlung. Da eine ausländische Steuer denklogisch erst nach dem Tod des Erblassers festgesetzt und gezahlt werden könne, müsse die Festsetzung und Zahlung der ausländischen Steuer auf den Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaftsteuer im Moment des Todes des Erblassers zurückwirken. Für die Schenkungsteuer könne nichts anderes gelten.

Konsequenz

Die Anrechnung hat demnach nach § 175 AO für ein rückwirkendes Ereignis zu erfolgen. Die Zahlung der ausländischen Schenkungsteuer stellt das Ereignis dar, für welches wiederum eine neue Verjährungsfrist von regelmäßig 4 Jahren gilt. Im Übrigen wird auch im Ertragsteuerrecht nach ganz herrschender Meinung in der Zahlung ausländischer Steuer ein rückwirkendes Ereignis gesehen.

Abschaffung der Arbeitslosenhilfe ist verfassungsgemäß

Abschaffung der Arbeitslosenhilfe ist verfassungsgemäß

Kernfrage

Mit Wirkung zum 1.1.2005 wurde die ehemalige Arbeitslosenhilfe abgeschafft. Die Arbeitslosenhilfe wurde seinerzeit als Sozialleistung im Anschluss an das Arbeitslosengeld gezahlt und basierte auf dem ehemaligen Einkommen. Sie wurde ersetzt durch das Arbeitslosengeld II, das bedarfsorientiert gewährt wird. Das Bundesverfassungsgericht hatte jetzt über die Verfassungsmäßigkeit der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zu entscheiden.

Sachverhalt

Der Kläger hatte bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe erhalten und verlangte ab dem 1.1.2005 die Zahlung von Arbeitslosengeld II. Sein Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, das anzurechnende Einkommen (die Ehefrau war berufstätig) übersteige den Familienbedarf im Rahmen des Arbeitslosengeldes II. Der Kläger klagte darauf hin auf die Weiterzahlung der Arbeitslosenhilfe mit der Begründung, ihre Abschaffung verletze ihn in seiner verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsfreiheit. Er verlor zuletzt vor dem Bundesverfassungsgericht.

Entscheidung

Nach Ansicht der Richter sind die Ansprüche des Klägers auf Sozialleistungen nicht durch die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes geschützt. Verfassungsrechtlicher Schutz komme nur dort in Frage, wo Existenzsicherung betroffen sei. Insbesondere habe die Arbeitslosenhilfe nicht im Zusammenhang mit den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung gestanden. Diese finanzierten das Arbeitslosengeld; die Arbeitslosenhilfe sei aber steuerfinanziert gewesen. Außerdem sei die Arbeitslosenhilfe stets abschnittsweise gewährt worden, so dass die Abschaffung auch nicht unzulässigerweise in eine vertrauensgeschützte Rechtsposition eingreife.

Konsequenz

Die Entscheidung stellt die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Einführung des Arbeitslosengelds II dar. Darüber hinaus wird man aus ihr aber wohl auch schließen können, dass Sozialleistungen nur im Ausnahmefall verfassungsrechtlich geschützt sind und für die Zukunft in der Regel kein Vertrauen auf ihre Gewährung besteht.

Rückzahlung von Weiterbildungskosten

Rückzahlung von Weiterbildungskosten

Rechtslage

Übernimmt der Arbeitgeber die Kosten für Weiterbildungsmaßnahmen eines Arbeitnehmers, vereinbaren die Parteien regelmäßig die Rückzahlung solcher Weiterbildungskosten für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis während oder in einem bestimmten Zeitrahmen nach Beendigung der Weiterbildungsmaßnahme endet. Für die Zulässigkeit solcher Rückzahlungsvereinbarungen haben die Arbeitsgerichte Rahmenbedingungen abgesteckt, die die Zulässigkeit an die Dauer und die Kosten der Fortbildungsmaßnahme und den Zeitraum der Bindung koppeln. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat über diese Zulässigkeitsparameter in einer jüngeren Entscheidung geurteilt.

Sachverhalt

Der klagende Arbeitgeber hatte für einen Mitarbeiter die Kosten eines Aufbaustudiums übernommen und sich verpflichtet, den Mitarbeiter unter Fortzahlung seiner Vergütung für die insgesamt 3 Studienblöcke freizustellen. Gleichzeitig vereinbarten die Parteien die Rückzahlung der Weiterbildungskosten für den Fall, dass der Mitarbeiter auf eigenen Wunsch vor Ablauf der Fortbildungsmaßnahme das Arbeitsverhältnis beenden würde. Der Mitarbeiter absolvierte 2 Studienblöcke, kündigte sein Anstellungsverhältnis und brach die Fortbildung ab. Der auf Rückzahlung der Fortbildungskosten klagende Arbeitgeber obsiegte in allen Instanzen.

Entscheidung

Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs ist es zulässig, dass die berufliche Bindung durch die Dauer und die Ausgestaltung der Fortbildungsmaßnahme selber bedingt werde, wenn ein entsprechender beruflicher Vorteil in Aussicht steht. Diese Zulässigkeit besteht unabhängig davon, dass Rückzahlungsvereinbarungen nur dann wirksam sind, wenn die berufliche Bindung und der Vorteil aus der Weiterbildung in einem angemessenen Verhältnis stehen.

Konsequenz

Der Entscheidung ist zuzustimmen. Sie ergänzt die bisherige Rechtsprechung und stellt klar, dass die Wirksamkeit von Rückzahlungsklauseln nicht deshalb gefährdet ist, weil die Dauer einer Fortbildungsmaßnahme bereits zu einer beruflichen Bindung an den Arbeitgeber führt.

Schenkungsteuer bei Verzicht auf Wohnungsrecht

Schenkungsteuer bei Verzicht auf Wohnungsrecht

Rechtslage

Als Schenkung sowohl nach altem (bis 31.12.2008) als auch nach neuem (ab 1.1.2009) Erbschaftsteuerrecht gilt jede freigiebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert ist. Dieser Definition unterfallen auch regelmäßig Verzichtserklärungen, die eine Person gegenüber einer anderen ausspricht. Das Finanzgericht Niedersachsen hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob auch der Verzicht auf ein dinglich abgesichertes Wohnrecht steuerlich als Schenkung zu betrachten ist.

Sachverhalt

Ein Erblasser hatte seiner Lebensgefährtin an einer Wohnung ein dinglich abgesichertes Wohnrecht vermacht. Die Lebensgefährtin übte dieses Wohnrecht, das alleine ihr höchstpersönlich eingeräumt war, allerdings nur kurze Zeit aus, verzog aus der Wohnung und verzichtete auf das Wohnrecht. Gegen die Veranlagung der vom Wohnrecht befreiten Erben zur Schenkungsteuer wandten diese ein, dass die Wohnung für die Lebensgefährtin eine Belastung gewesen sei; insoweit fehle es am Merkmal „auf Kosten des Zuwendenden“ für die Schenkung. Sie unterlagen vor dem Finanzgericht Niedersachsen.

Entscheidung

Die Voraussetzungen für die Annahme einer Schenkung seien, so das Gericht, erfüllt, wenn objektiv eine Bereicherung und subjektiv das Bewusstsein vorhanden ist, unentgeltlich zu handeln. Beide Kriterien seien erfüllt. Insbesondere sei es nicht erforderlich, dass ein Wille zur Bereicherung bestehe. Ausreichend sei es, wenn der Verfügende in dem Bewusstsein handele, zur Verfügung nicht verpflichtet zu sein.

Konsequenz

Die Entscheidung überrascht nicht und ist im Ergebnis auch zutreffend, nachdem die Erben im konkreten Fall mindestens um den Wegfall des Wohnrechts bereichert worden sind. Allerdings haben die unterlegenen Erben Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof eingelegt, so dass die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin