Archiv der Kategorie: Erbschaft- / Schenkungsteuer

Kein Wegfall des verminderten Wertansatzes bei Veräußerung von Wirtschaftsgütern einer Unterpersonengesellschaft

Die Mutter des Klägers war Kommanditistin der A-KG, die wiederum als alleinige Kommanditistin der B-KG fungierte. Mit Wirkung zum 10.04.2008 übertrug die Klägerin einen Teilanteil des Kommanditanteils an der A-KG gegen Zahlung einer lebenslänglichen Rente von 3.000 Euro pro Monat, im Übrigen schenkweise auf den Kläger. Mit Bescheid vom 01.09.2010 stellte das beklagte Finanzamt den Wert des übertragenen Anteils an der A-KG auf den 10.04.2008 fest.

Am 01.08.2012 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B-KG eröffnet. Der Insolvenzverwalter veräußerte am 18.09.2012 die – nicht mit Rechten Dritter belasteten – Maschinen, Betriebsvorrichtungen und Vorräte sowie das Recht, die Firma der B-KG führen zu dürfen, und sonstige immaterielle Wirtschaftsgüter. Die Betriebsgrundstücke veräußerte er nicht, sondern vermietete sie an die Käuferin.

Im Hinblick auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B-KG setzte das beklagte Finanzamt die gegen den Kläger festgesetzte Schenkungsteuer mit Bescheid vom 29.07.2013 neu fest. Dabei berücksichtigte es nur noch einen verminderten Bewertungsabschlag.

Der dagegen gerichtete Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung berücksichtigte das beklagte Finanzamt gar keinen Bewertungsabschlag mehr.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat der Klage stattgegeben und dabei darauf hingewiesen, dass der verminderte Wertansatz (nur) mit Wirkung für die Vergangenheit wegfalle, soweit der Erwerber den Gesellschaftsanteil innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb veräußere oder der Gewerbebetrieb aufgegeben werde. Der Aufgabe des Gewerbebetriebs stehe zwar die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Kommanditgesellschaft gleich. Über das Vermögen der A-KG sei jedoch nicht das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Auch die Insolvenz der B-KG wirke nicht als Aufgabe des Betriebs der A-KG.

Zudem habe die A-KG innerhalb der fünfjährigen Frist nicht ihre wesentlichen Betriebsgrundlagen veräußert. Zwar könne man in der vom Insolvenzverwalter bewirkten Veräußerung von Wirtschaftsgütern eine Veräußerung – funktional – wesentlicher Betriebsgrundlagen sehen. Gleichwohl sei die Veräußerung von Vermögensgegenständen der B-KG nicht zugleich als – schädliche – Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen der A-KG zu beurteilen. Denn insbesondere die Betriebsgrundstücke, die einen Großteil des Werts der B-KG ausmachten, habe der Insolvenzverwalter nicht veräußert. Zudem habe das Vermögen der A-KG nicht zu einem überwiegenden Teil aus dem Anteil an der B-KG bestanden.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Düsseldorf, Mitteilung vom 08.03.2018 zu den Urteilen 4 K 1043/17 und 4 K 1044/17 vom 24.01.2018

 

BFH zum Zuwendungsverhältnis bei Zahlung eines überhöhten Entgelts durch eine GmbH an eine dem Gesellschafter nahestehende Person

Zahlt eine GmbH unter Mitwirkung des Gesellschafters einen überhöhten Mietzins oder Kaufpreis an eine dem Gesellschafter nahestehende Person, liegt hierin keine Schenkung der GmbH an die nahestehende Person. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit drei Urteilen vom 13. September 2017 II R 54/15, II R 32/16 und II R 42/16 unter Änderung der rechtlichen Beurteilung entschieden hat, kann vielmehr eine Schenkung des Gesellschafters an die ihm z. B. als Ehegatte nahestehende Person gegeben sein.

In den Streitfällen II R 54/15 und II R 32/16 hatten die Kläger Grundstücke an eine GmbH vermietet. Sie waren jeweils die Ehegatten der Gesellschafter der GmbH. Die Gesellschafter hatten die Verträge mit unterschrieben oder als Gesellschafter-Geschäftsführer abgeschlossen. Im Streitfall II R 42/16 veräußerte der Kläger Aktien an eine GmbH. Er war der Bruder des Gesellschafters, der den Kaufpreis bestimmt hatte. Die bei den GmbHs durchgeführten Außenprüfungen ergaben, dass Mietzins und Kaufpreis überhöht waren und insoweit ertragsteuerrechtlich verdeckte Gewinnausschüttungen der GmbHs an ihre Gesellschafter vorlagen. Die Finanzämter sahen die überhöhten Zahlungen zudem schenkungsteuerrechtlich als gemischte freigebige Zuwendungen der GmbHs an die nahestehenden Personen an und besteuerten diese nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG).

Der BFH ist dem aufgrund einer geänderten Beurteilung nicht gefolgt (vgl. zur bisherigen Rechtsprechung BFH-Urteil vom 7. November 2007 II R 28/06, BFHE 218, 414, BStBl II 2008, 258). Die Zahlung überhöhter vertraglicher Entgelte durch eine GmbH an eine dem Gesellschafter nahestehende Person ist danach keine gemischte freigebige Zuwendung der GmbH i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an die nahestehende Person, wenn der Gesellschafter beim Abschluss der Vereinbarung zwischen der GmbH und der nahestehenden Person mitgewirkt hat. Die Mitwirkung des Gesellschafters kann darin bestehen, dass er den Vertrag zwischen GmbH und nahestehender Person als Gesellschafter-Geschäftsführer abschließt, als Gesellschafter mit unterzeichnet, dem Geschäftsführer eine Anweisung zum Vertragsabschluss erteilt, in sonstiger Weise auf den Vertragsabschluss hinwirkt oder diesem zustimmt.

Grund für die Zahlung des überhöhten Mietzinses oder Kaufpreises durch die GmbH an den Ehegatten oder Bruder ist in einem solchen Fall das bestehende Gesellschaftsverhältnis zwischen der GmbH und ihrem Gesellschafter. Dies gilt auch, wenn mehrere Gesellschafter an der GmbH beteiligt sind und zumindest einer bei der Vereinbarung zwischen der GmbH und der ihm nahestehenden Person mitgewirkt hat. Ist ein Gesellschafter über eine Muttergesellschaft an der GmbH beteiligt, gelten die Rechtsgrundsätze entsprechend, wenn er an dem Vertragsabschluss zwischen der GmbH und der ihm nahestehenden Person mitgewirkt hat.

In diesen Fällen kann jedoch der Gesellschafter selbst Schenker i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sein. Ob tatsächlich eine Schenkung zwischen dem Gesellschafter und der nahestehenden Person vorliegt, hängt von der Ausgestaltung der zwischen ihnen bestehenden Rechtsbeziehung ab. Hier sind verschiedene Gestaltungen denkbar (z. B. Schenkungsabrede, Darlehen, Kaufvertrag). Hierüber hatte der BFH in den Streitfällen nicht abschließend zu entscheiden.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 5/18 vom 24.01.2018 zu den Urteilen II R 54/15, II R 32/16 und II R 42/16 vom 13.09.2017

 

Pflichtteil mit Darlehensschuld verrechnet – Erbin muss nicht zahlen

Kann eine Erbin gegenüber einem Pflichtteilsanspruch mit einer zum Nachlass gehörenden Darlehensforderung gegen den Pflichtteilsberechtigten aufrechnen, muss sie keinen Pflichtteil zahlen. Das hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14.03.2017 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 13.07.2016 (Az. 5 O 248/14 LG Bielefeld) bestätigt.

Die Parteien, der heute 68 Jahre alte Kläger aus Lübbecke und die heute 59 Jahre alte Beklagte aus Kirchlengern, sind Geschwister. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger den Pflichtteil nach der im September 2011 im Alter von 86 Jahren verstorbenen Mutter der Parteien. Nach dem Tode ihres 74-jährigen Ehemanns im Jahre 1994 war die ihren Mann allein beerbende Mutter Alleineigentümerin eines Hausgrundstücks in Kirchlengern. Auf diesem hatte der Kläger in den 1970er-Jahren einen Anbau an das Wohnhaus seiner Eltern errichtet. Im Rahmen einer Umschuldung des Klägers Anfang der 1990er-Jahre erwarb sein im Jahre 1970 geborener Sohn das Teilgrundstück mit dem Anbau. Von seinen Eltern erhielt der Kläger nach einem notariell beurkundeten Vertrag aus dem Jahre 1992 ein Darlehen, welches in Höhe von 95.000 DM (entspricht 48.572,73 Euro) noch nicht getilgt ist. Mit einem im Jahre 1998 errichteten Testament bestimmte die ihren Ehemann allein beerbende Mutter die Beklagte zu ihrer Alleinerbin und ordnete an, dass sich der Kläger den nicht zurückgezahlten Darlehensbetrag auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen müsse.

Nach dem Tode der Mutter hat der Kläger von der Beklagten einen mit ca. 44.650 Euro berechneten Pflichtteil geltend gemacht, dessen Zahlung die Beklagte nach Aufrechnung mit dem zwischenzeitlich gekündigten Darlehen verweigerte. Zur Begründung seiner gegen die Beklagte erhobenen Zahlungsklage hat der Kläger unter anderem vorgetragen, keine Darlehensrückzahlung zu schulden. Der Darlehensvertrag aus dem Jahre 1992 sei ein Scheingeschäft gewesen, von seiner damaligen Bank erzwungen worden. Seine Bankschulden hätten seine Eltern gegen seinen Willen bezahlt und eine Erstattung von ihm, dem Kläger, nie eingefordert. Die Zahlungsklage des Klägers ist erfolglos geblieben. Nach der Entscheidung des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm stand dem Kläger zwar ein Pflichtteilsanspruch in der geltend gemachten Höhe zu. Dieser sei jedoch, so der Senat, durch die Aufrechnung der Beklagten mit der Darlehensrückzahlungsforderung erloschen.

Als Sohn der Erblasserin sei der Kläger pflichtteilsberechtigt. Die Erblasserin habe die Beklagte als Alleinerbin eingesetzt und den Kläger so enterbt.

Die Erblasserin habe ein Nachlass im Wert von ca. 178.600 Euro hinterlassen, aus dem sich – ausgehend von einem hälftigen gesetzlichen Erbteil – ein Pflichtteilsanspruch des Klägers in Höhe von ca. 44.650 Euro errechne.

Dieser Anspruch sei allerdings aufgrund der von der Beklagten erklärten Aufrechnung erloschen. Infolge des Erbfalls habe die Beklagte den Darlehensrückzahlungsanspruch ihrer Mutter gegen den Kläger erworben.

Mit diesem Rückzahlungsanspruch könne sie gegenüber dem Pflichtteilsanspruch aufrechnen. Dem Kläger sei 1992 von seinen Eltern ein Darlehen zur Ablösung seiner Schulden gewährt worden, das in Höhe von 95.000 DM (48.572,73 Euro) noch nicht getilgt sei. Die notarielle Vereinbarung aus dem Jahre 1992 bestätige diese Rückzahlungsverpflichtung, die der Kläger in der Urkunde anerkannt habe. Dass die beurkundete Vereinbarung ein Scheingeschäft gewesen oder vom Kläger seinerzeit durch ein unlauteres Verhalten seiner Bank erzwungen worden sei, habe der Kläger nicht bewiesen. Insoweit folge der Senat der vom Landgericht vorgenommenen Beweiswürdigung. Das Landgericht habe sich nach der Vernehmung des Sohnes des Klägers und des den Vertrag aus dem Jahre 1992 beurkundenden Notars von der Richtigkeit der Darstellung des Klägers nicht überzeugen können.

Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilung vom 26.01.2018 zum Urteil 10 U 62/16 vom 14.03.2017 (nrkr – BGH-Az.: IV ZR 118/17)

 

BFH zum Zuwendungsverhältnis bei Zahlung eines überhöhten Entgelts durch eine GmbH an eine dem Gesellschafter nahestehende Person

Zahlt eine GmbH unter Mitwirkung des Gesellschafters einen überhöhten Mietzins oder Kaufpreis an eine dem Gesellschafter nahestehende Person, liegt hierin keine Schenkung der GmbH an die nahestehende Person. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit drei Urteilen vom 13. September 2017 II R 54/15, II R 32/16 und II R 42/16 unter Änderung der rechtlichen Beurteilung entschieden hat, kann vielmehr eine Schenkung des Gesellschafters an die ihm z. B. als Ehegatte nahestehende Person gegeben sein.

In den Streitfällen II R 54/15 und II R 32/16 hatten die Kläger Grundstücke an eine GmbH vermietet. Sie waren jeweils die Ehegatten der Gesellschafter der GmbH. Die Gesellschafter hatten die Verträge mit unterschrieben oder als Gesellschafter-Geschäftsführer abgeschlossen. Im Streitfall II R 42/16 veräußerte der Kläger Aktien an eine GmbH. Er war der Bruder des Gesellschafters, der den Kaufpreis bestimmt hatte. Die bei den GmbHs durchgeführten Außenprüfungen ergaben, dass Mietzins und Kaufpreis überhöht waren und insoweit ertragsteuerrechtlich verdeckte Gewinnausschüttungen der GmbHs an ihre Gesellschafter vorlagen. Die Finanzämter sahen die überhöhten Zahlungen zudem schenkungsteuerrechtlich als gemischte freigebige Zuwendungen der GmbHs an die nahestehenden Personen an und besteuerten diese nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG).

Der BFH ist dem aufgrund einer geänderten Beurteilung nicht gefolgt (vgl. zur bisherigen Rechtsprechung BFH-Urteil vom 7. November 2007 II R 28/06, BFHE 218, 414, BStBl II 2008, 258). Die Zahlung überhöhter vertraglicher Entgelte durch eine GmbH an eine dem Gesellschafter nahestehende Person ist danach keine gemischte freigebige Zuwendung der GmbH i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an die nahestehende Person, wenn der Gesellschafter beim Abschluss der Vereinbarung zwischen der GmbH und der nahestehenden Person mitgewirkt hat. Die Mitwirkung des Gesellschafters kann darin bestehen, dass er den Vertrag zwischen GmbH und nahestehender Person als Gesellschafter-Geschäftsführer abschließt, als Gesellschafter mit unterzeichnet, dem Geschäftsführer eine Anweisung zum Vertragsabschluss erteilt, in sonstiger Weise auf den Vertragsabschluss hinwirkt oder diesem zustimmt.

Grund für die Zahlung des überhöhten Mietzinses oder Kaufpreises durch die GmbH an den Ehegatten oder Bruder ist in einem solchen Fall das bestehende Gesellschaftsverhältnis zwischen der GmbH und ihrem Gesellschafter. Dies gilt auch, wenn mehrere Gesellschafter an der GmbH beteiligt sind und zumindest einer bei der Vereinbarung zwischen der GmbH und der ihm nahestehenden Person mitgewirkt hat. Ist ein Gesellschafter über eine Muttergesellschaft an der GmbH beteiligt, gelten die Rechtsgrundsätze entsprechend, wenn er an dem Vertragsabschluss zwischen der GmbH und der ihm nahestehenden Person mitgewirkt hat.

In diesen Fällen kann jedoch der Gesellschafter selbst Schenker i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sein. Ob tatsächlich eine Schenkung zwischen dem Gesellschafter und der nahestehenden Person vorliegt, hängt von der Ausgestaltung der zwischen ihnen bestehenden Rechtsbeziehung ab. Hier sind verschiedene Gestaltungen denkbar (z. B. Schenkungsabrede, Darlehen, Kaufvertrag). Hierüber hatte der BFH in den Streitfällen nicht abschließend zu entscheiden.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 5/18 vom 24.01.2018 zu den Urteilen II R 54/15, II R 32/16 und II R 42/16 vom 13.09.2017

 

Erbt ein Erbe die Leibrente, die der Erblasser nicht haben wollte?

Macht ein Erblasser zu Lebzeiten ihm zustehende Rentenansprüche nicht geltend, kann der Zahlungspflichtige dem Erben die ihm gegen den Erblasser zustehenden Einwände geltend machen und auch die Einrede der Verjährung erheben. Die Voraussetzungen einer die Verjährung hemmenden Stundungsabrede zwischen den Zahlungspflichtigen und dem Erblasser hat hierbei der Erbe nachzuweisen. Das hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 24.10.2017 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 29.12.2016 (Az. 18 O 137/15 LG Bielefeld) abgeändert.

Die heute 60 Jahre alte Klägerin aus Oberhausen und der heute 68 Jahre alte Beklagte aus einer Gemeinde in Ostwestfalen-Lippe sind die Kinder des im Jahr 2014 im Alter von 93 Jahren verstorbenen Erblassers. Dieser war Inhaber eines Unternehmens, das im Bielefelder Raum Industrieverpackungen produziert. Die Ehefrau des Erblassers und Mutter der Parteien verstarb im Jahre 2008.

Bereits zu Lebzeiten, mit notariellem Vertrag aus dem Jahr 1996, übertrug der Erblasser die von ihm gehaltenen Unternehmensanteile an den Beklagten, der sich zur Sicherstellung der Versorgung seiner Eltern verpflichtete, dem Erblasser ab 1997 eine monatliche Leibrente von 10.000 DM zu zahlen. Mit einem Testament aus dem Jahre 1996 setzte der Erblasser die Klägerin zu seiner Alleinerbin ein.

Ab dem Jahre 2001 reduzierte der Beklagte seine monatlichen Leibrentenzahlungen an den Erblasser. Bezogen auf die – zunächst vertraglich vereinbarte – Rente in Höhe von 10.000 DM ergab sich bis zum Tod des Erblassers eine Minderzahlung des Beklagten in Höhe von ca. 295.000 Euro. Zu seinen Lebzeiten verlangte der Erblasser vom Beklagten keinen Ausgleich der Fehlbeträge. Diese forderte die Klägerin nach dem Tode des Erblassers vom Beklagten ein. Nach ihrer Auffassung waren die Fehlbeträge ihrem Bruder zwar gestundet, aber nicht erlassen worden. Der Beklagte verweigerte die Zahlung unter anderem mit der Begründung, der Erblasser habe ohne Absprache mit ihm, dem Beklagten die Reduzierung der monatlichen Rentenbeiträge veranlasst. Zudem hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung des vollen Rückstandes verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm die vom Beklagten auszugleichende Forderung auf ca. 53.000 Euro reduziert und der Klägerin nur die ab dem Jahre 2012 aufgelaufenen Rückstände zugesprochen.

Als Alleinerbin ihres Vaters könne der Klägerin zwar die Zahlung der vom Beklagten noch nicht erfüllten Leibrentenansprüche des Erblassers verlangen, so der Senat. Der Nachlassforderung könne der Beklagte aber ihm zustehende, auch zu Lebzeiten des Erblassers begründete Einwände entgegenhalten.

Dass der Erblasser und der Beklagte einen Erlass der Leibrentenrückstände vereinbart hätten, lasse sich zwar nicht feststellen. Die vor dem Jahre 2012 fällig gewordenen Leibrentenansprüche seien hingegen verjährt. In Bezug auf diese Ansprüche sei die dreijährige Verjährungsfrist vor Klageerhebung abgelaufen.

Dass der Ablauf der Verjährungsfrist durch eine Stundungsabrede zwischen dem Erblasser und dem Beklagten gehemmt gewesen sei, lasse sich entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht feststellen.

Das Zustandekommen einer Stundungsabrede habe die Klägerin vorzutragen und nachzuweisen, was ihr im vorliegenden Fall nicht gelungen sei. So habe die Klägerin bereits nicht schlüssig dargelegt, dass sich der Beklagte und der Erblasser auf ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten vertraglich verständigt hatten. Nach dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten wies der Erblasser einen mit der Verwaltung der Leibrentenzahlungen betrauten Familienangehörigen jeweils ohne nähere Erklärung an, die Höhe einer Rentenzahlung zu kürzen. Hieraus ergebe sich keine Stundungsvereinbarung zwischen dem Erblasser und dem Beklagten.

Auf eine solche sei auch nicht aus einer vom Ehemann der Klägerin bestätigten Äußerung des Erblassers der Klägerin gegenüber zu schließen, nach welcher Zahlungen, die ihr Bruder während der finanziellen Lage der Firma im Moment nicht leisten müsse, später nachgeholt werden sollten. Grundlage dieser Äußerung könne auch ein einseitiger Entschluss des Erblassers gewesen sein, dem keine Stundungsvereinbarung mit dem Beklagten zu Grunde gelegen habe.

Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilung vom 15.01.2018 zum Urteil 10 U 14/17 vom 24.10.2017 (rkr)

 

Anwendung des Erbschaftssteuergesetzes 2009 auf Erbfälle vor Ablauf der Fortgeltungsanordnung (30. Juni 2016) bei Erlass des Erbschaftsteuerbescheides nach Fristablauf

In seinem Urteil vom 28. April 2017 bestätigt der 3. Senat die bisherige Rechtsprechung, wonach ein Gesetz, das das Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt hat, für das aber eine Frist für die Fortgeltung und Neuregelung angeordnet wurde, auf „Altfälle“ weiterhin anzuwenden ist. Im Falle des Erbschaftsteuerrechts ist dabei zeitlich der Eintritt des Erbfalls maßgeblich und nicht die Festsetzung der Erbschaftsteuer.

Im entschiedenen Fall hatte die Klägerin von der 2013 verstorbenen Erblasserin ein Mietgrundstück und ein Einfamilienhaus geerbt. Das Finanzamt setzte die Erbschaftsteuerursprünglich mit Bescheid vom 28. Juli 2015 fest, und zwar vorläufig mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2014 zur Erbschaftsteuer und der angeordneten Neuregelung (1 BvL 21/12). Wegen einer Reduzierung der Grundbesitzwerte der Immobilien ergingen Änderungsbescheide zur Erbschaftsteuer, zuletzt am 19. Juli 2016, d. h. nach Ablauf der Fortgeltungsfrist. Die Klägerin war der Ansicht, dass über den 30. Juni 2016 hinaus das ErbStG 2009 nicht mehr angewandt werden dürfe, die Fortgeltungsanordnung sei zudem ebenso verfassungswidrig wie die in § 31 BVerfGG ausgesprochene Bindungswirkung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Dem ist das Gericht nicht gefolgt. Für die Beurteilung sei bei Steuern in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung und der Auffassung im Schrifttum allein auf den Veranlagungszeitraum abzustellen, in dem sich der zu besteuernde Sachverhalt verwirklicht habe. Dies war im Streitfall der Eintritt des Erbfalls 2013. Aufgrund der Fortgeltungsanordnung sei das ErbStG 2009 daher unzweifelhaft anwendbar. Auch die weiteren verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Fortgeltungsanordnung und der Bindungswirkung der verfassungsgerichtlichen Entscheidungen hat der Senat ebenfalls nicht geteilt. Auch eine erneute Vorlage des ErbStG an das Bundesverfassungsgericht ist abgelehnt worden.

Gegen das Urteil vom 28. April 2017 (3 K 293/16) ist Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden (II B 108/17).

 Quelle: FG Hamburg, Newsletter 4/2017, Mitteilung vom 29.12.2017 zum Urteil 3 K 293/16 vom 28.04.2017

Koordinierter Ländererlass zur Erbschaftsteuer

Zur Anwendung der geänderten Vorschriften des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts haben die obersten Finanzbehörden der Länder vor kurzem einen koordinierten Ländererlass verabschiedet. Aufgrund der abweichenden Haltung Bayerns zu einigen Erlassregelungen konnte kein „gleichlautender“ Erlass verabschiedet werden.

Im Detail erläutert wird darin die Anwendung praktisch wichtiger erbschaft- und schenkungsteuerrechtlicher Vorschriften, etwa § 13a ErbStG, der die Steuerbefreiung von Betriebsvermögen regelt, § 13b ErbStG, der die Bestimmung des begünstigungsfähigen Vermögens regelt oder zum Abschmelzmodell des § 13c ErbStG. Erläutert werden ferner die Regelungen zur Stundung (§ 28 ErbStG) sowie zur Verschonung (§ 28a ErbStG).Dass Bayern die Regelungen eventuell weniger streng auslegen könnte, muss das Bundesfinanzministerium hinnehmen, denn die Erbschaftsteuer ist weder Bundes- noch Gemeinschaftssteuer; sie wird von den Ländern eingezogen. Um einen Kompromiss zur erbschaftsteuerlichen Behandlung von Firmenerben war bereits seit Herbst 2016 gerungen worden. Die neuen Regelungen traten bereits rückwirkend zum 01.07.2016 in Kraft, der Anwendungserlass wurde wegen des Dissenses mit Bayern erst jetzt verabschiedet.

Koordinierter Ländererlass zur Erbschaftsteuer vom 22.06.2017

Quelle: BRAK, Nachrichten aus Berlin 16/2017

Erbschaftsteuer: Schweizer Erbe hat Anspruch auf denselben Freibetrag wie ein in Deutschland lebender Erbe

Das Finanzgericht Düsseldorf hat entschieden, dass ein in der Schweiz lebender Erbe, der nur hinsichtlich eines in Deutschland belegenen Grundstücks (beschränkt) erbschaftsteuerpflichtig ist, Anspruch auf denselben Freibetrag hat wie ein Erbe, der in Deutschland wohnt und deshalb unbeschränkt steuerpflichtig ist.

Der Kläger ist Schweizer Staatsangehöriger. Seine Ehefrau war ebenfalls Schweizer Staatsangehörige. Beide hatten ihren Wohnsitz in der Schweiz. Die Ehefrau des Klägers verstarb im Jahr 2009 und wurde vom Kläger beerbt. Sie war Eigentümerin eines in Deutschland belegenen Grundstücks, darüber hinaus Inhaberin von Bankkonten in Deutschland und in der Schweiz. Das Finanzamt setzte gegen den Kläger Erbschaftsteuer für das in Deutschland belegene Grundstück fest. Dabei berücksichtigte es einen Freibetrag von 2.000 €, der nach dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz für beschränkt Steuerpflichtige vorgesehen ist. Für unbeschränkt steuerpflichtige überlebende Ehegatten gilt ein Freibetrag von 500.000 €.

Das Finanzgericht Düsseldorf hatte dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob die gesetzlich vorgesehene Ungleichbehandlung des beschränkt steuerpflichtigen Klägers im Vergleich zu unbeschränkt Steuerpflichtigen mit der Kapitalverkehrsfreiheit zu vereinbaren ist. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 17. Oktober 2013 (Rs. C-181/12) verneint. Darüber hinaus hat er entschieden, dass sich auch ein Staatsangehöriger eines Drittstaats – wie hier der Schweiz – auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen kann. Vor diesem Hintergrund hat das Finanzgericht Düsseldorf der Klage nunmehr stattgegeben.

Die Entscheidung im Volltext: 4 K 689/12 Erb

 

Finanzgericht Düsseldorf, 4 K 689/12 Erb

Datum:
27.11.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 689/12 Erb
Tenor:

Der Erbschaftsteuerbescheid vom 31. Oktober 2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2012 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

1T a t b e s t a n d:

2Der Kläger ist Schweizer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Schweiz. Der Kläger schloss mit der in Deutschland geborenen Erblasserin WS am … Juni 1981 in der Schweiz die Ehe. Dadurch erwarb die Erblasserin die Staatsangehörigkeit der Schweiz. Seit der Eheschließung lebten der Kläger und die Erblasserin in der Schweiz.

3Die Erblasserin verstarb am … März 2009 in der Schweiz. Sie wurde vom Kläger allein beerbt. Die Erblasserin war Eigentümerin eines in X belegenen Grundstücks. Den Grundbesitzwert für das Grundstück stellte das Finanzamt X auf den Todestag der Erblasserin mit 329.200 Euro fest. Ferner war die Erblasserin Inhaberin von Konten bei zwei Banken in Deutschland, die Guthaben von insgesamt 33.689,72 Euro aufwiesen. Darüber hinaus war sie Inhaberin von Konten bei Schweizer Banken, die Guthaben von insgesamt umgerechnet 169.508,04 Euro aufwiesen.

4Von dem Kläger wurde in der Schweiz keine Erbschaftsteuer erhoben.

5Das beklagte Finanzamt setzte gegen den Kläger erstmals mit Bescheid vom 1. März 2010 Erbschaftsteuer fest. Dabei unterwarf es nur das in X belegene Grundstück der Erblasserin einer Besteuerung und berücksichtigte einen persönlichen Freibetrag von lediglich 2.000 Euro. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein.

6Mit Bescheid vom 31. Oktober 2011 setzte das beklagte Finanzamt die Erbschaftsteuer auf 41.450 Euro neu fest. Dabei unterwarf es das in X belegene Grundstück der Erblasserin mit einem Wert von 329.200 Euro abzüglich einer Pauschale für Erbfallkosten von 10.300 Euro einer Besteuerung. Von der sich hiernach ergebenden Bemessungsgrundlage von 318.900 Euro zog es wiederum nur einen persönlichen Freibetrag von 2.000 Euro ab.

7Den Einspruch des Klägers wies das beklagte Finanzamt mit Entscheidung vom 23. Januar 2012 zurück. Zur Begründung führte es aus: Der Kläger unterliege mit seinem Erwerb von Todes wegen hinsichtlich des in X belegenen Grundstücks der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht. Daher könne ihm nach § 16 Abs. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) nur ein Freibetrag von 2.000 Euro gewährt werden.

8Der Kläger trägt mit seiner Klage vor: Die Ungleichbehandlung von gebietsansässigen und gebietsfremden Steuerpflichtigen verstoße gegen die durch den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit.

9Der Kläger beantragt sinngemäß,

10den Erbschaftsteuerbescheid vom 31. Oktober 2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2012 aufzuheben.

11Das beklagte Finanzamt beantragt,

12die Klage abzuweisen.

13Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat auf Vorlagebeschluss des Senats vom 2. April 2012 mit Urteil vom 17. Oktober 2013 (Rs. C-181/12) entschieden, dass die Art. 56 EG und 58 EG dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats über die Berechnung von Erbschaftsteuer entgegenstehen, die für den Fall des Erwerbs eines im Gebiet dieses Staates belegenen Grundstücks durch Erbanfall vorsieht, dass der Freibetrag auf die Steuerbemessungsgrundlage dann, wenn der Erblasser und der Erwerber zum Zeitpunkt des Erbfalls ihren Wohnsitz in einem Drittland wie der Schweizerischen Eidgenossenschaft hatten, niedriger ist als der Freibetrag, der zur Anwendung gekommen wäre, wenn zumindest eine dieser beiden Personen zu diesem Zeitpunkt ihren Wohnsitz in dem genannten Mitgliedstaat gehabt hätte.

14Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

16Die Klage ist begründet. Der Erbschaftsteuerbescheid vom 31. Oktober 2011, der nach § 365 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden ist, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -). Das beklagte Finanzamt hat die Erbschaftsteuer zu Unrecht gegen den Kläger festgesetzt.

17Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, das im Streitfall in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 24. Dezember 2008 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 3018) anzuwenden ist, gilt als steuerpflichtiger Erwerb die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist. Der Erwerb des Klägers von Todes wegen (§§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) ist steuerfrei. Das ergibt sich aus § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Danach bleibt der Erwerb des Ehegatten in Höhe von 500.000 Euro steuerfrei. Obgleich dies nach dem Wortlaut der Bestimmung nur in den Fällen der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) gelten soll, kann der Kläger nicht nur auf den Freibetrag des § 16 Abs. 2 ErbStG von 2.000 Euro verwiesen werden. Dem steht das Urteil des EuGH vom 17. Oktober 2013 (Rs. C-181/12) entgegen. Nach diesem Urteil (insbesondere Randnr. 68 der Entscheidung) kann die einschränkende Regelung des § 16 Abs. 2 ErbStG im Streitfall nicht angewendet werden.

18Da der steuerpflichtige Erwerb des Klägers (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG i.V.m. § 121 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes) bei Berücksichtigung des Freibetrags des § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bereits steuerfrei ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob dem Kläger hieran anknüpfend auch der Versorgungsfreibetrag des § 17 Abs. 1 Satz 1 ErbStG zusteht.

19Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch das Urteil des EuGH vom 17. Oktober 2013 – Rs. C-181/12 – geklärt.

Keine Schenkungsteuerpflicht bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zum Nennwert

Die Beteiligten stritten um die Frage, ob Schenkungsteuer entsteht, wenn ein Gesellschafter unter Auszahlung nur des Nennbetrags seines Geschäftsanteils aus einer Kapitalgesellschaft ausscheidet, die nach dem sog. Managermodell organisiert ist. Die Frage hat insbesondere für Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften große praktische Bedeutung. Das Managermodell zeichnet sich dadurch aus, dass den Seniorpartnern der Gesellschaft regelmäßig eine Gesellschafterstellung eingeräumt wird, für die sie nur ein Entgelt in Höhe des Nennwerts zu zahlen haben und die sie bei Beendigung ihrer Gesellschafterstellung gegen eine der Höhe nach begrenzte Abfindung zurück zu übertragen haben.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat der Klage stattgegeben und eine Schenkungsteuerpflicht verneint. Im Streitfall war der Geschäftsanteil des ausscheidenden Gesellschafters zum Nennwert auf einen Treuhänder übertragen worden, der den Anteil bis zum Eintritt eines neuen Gesellschafters in die Gesellschaft für die verbliebenen Altgesellschafter zu halten hatte. Maßgebend für die Entscheidung des Gerichts war, dass es an einer Bereicherung der Gesellschaft und der verbleibenden Gesellschafter fehle. Der Treuhänder habe weder für die klagende Gesellschaft noch für die anderen Gesellschafter frei über den Geschäftsanteil verfügen können. Es sei nicht zu einem Übergang der Vermögenssubstanz auf die Gesellschaft oder die anderen Gesellschafter gekommen.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Die Entscheidungen im Volltext: 4 K 834/13 Erb und 4 K 788/13 Erb

 

Finanzgericht Düsseldorf, 4 K 834/13 Erb

Datum:
13.11.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 834/13 Erb
Tenor:

Der Schenkungsteuerbescheid vom 13. November 2013 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

1T a t b e s t a n d:

2Die Klägerin ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit beschränkter Haftung, die durch Umwandlung der A KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Jahr 2001 entstanden ist. Nach § 15 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin vom 30. Juni 2004 bedarf die Abtretung von Geschäftsanteilen der Zustimmung der Gesellschafterversammlung und der Gesellschaft. Neben dem Gesellschaftsvertrag haben die Gesellschafter der Klägerin, die Geschäftsanteile von jeweils 50.000 € halten, einen notariell beurkundeten Poolvertrag vom 30. Juni 2004 abgeschlossen. Gegenstand des Poolvertrags ist nach dessen § 1 Abs. 1 die Regelung der Verhältnisse der Gesellschafter untereinander sowie die gemeinschaftliche Ausübung der Gesellschafterrechte. Parteien des Poolvertrags können nach dessen § 2 Abs. 1 nur Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte sowie sonstige Personen sein, die nach dem Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüferordnung) als Geschäftsführer einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zugelassen werden können. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 des Poolvertrags endet die Mitgliedschaft unter anderem aus Altersgründen gemäß § 14 des Vertrags. Nach § 14 Abs. 1 des Poolvertrags verkauft und überträgt ein Poolmitglied mit Vollendung seines 63. Lebensjahres mit schuldrechtlicher Wirkung zum Ende des Tages der Beschlussfassung über die Feststellung des Jahresabschlusses der Klägerin sowie über die Rechnungslegung über die Gewinnverteilung und die Nebenrechnung nach § 10 Abs. 4 des Vertrags für das Geschäftsjahr, in dem es das 63. Lebensjahr vollendet hat, seinen Geschäftsanteil an einen Pooltreuhänder. Der Pooltreuhänder hat unter anderem die Aufgabe, die Geschäftsanteile, die für die Aufnahme neuer Poolmitglieder vorgesehen sind, bis zu ihrer Übertragung treuhänderisch für alle Poolmitglieder zu halten, sowie die Geschäftsanteile ausscheidender Poolmitglieder treuhänderisch für alle in der Klägerin verbleidenden Poolmitglieder zu erwerben und zu halten. Die Einzelheiten sind in einem Treuhandvertrag (Anlage 13 zum Poolvertrag) geregelt (§ 19 Abs. 9 des Poolvertrags). Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Treuhandvertrags hält der Treuhänder die Geschäftsanteile ausscheidender Poolmitglieder für die verbleibenden Poolmitglieder als fremdnütziger Treuhänder. Im Außenverhältnis ist der Pooltreuhänder Vollrechtsinhaber (§ 1 Abs. 3 des Treuhandvertrags). Für die Übertragung des Geschäftsanteils ausscheidender Gesellschafter sieht § 13 Abs. 1 des Poolvertrags i.V.m. § 3 des Kauf- und Übertragungsvertrags – Typ A – (Anlage 8 zum Poolvertrag) vor, dass der Pooltreuhänder an den Verkäufer ein Entgelt in Höhe des Nennbetrags des Geschäftsanteils zu zahlen hat. Ein Anspruch auf stille Reserven oder einen Goodwill besteht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 des Kauf- und Übertragungsvertrags – Typ A – (Anlage 8 zum Poolvertrag) nicht.

3Gesellschafter der Klägerin war unter anderem X, der nach der Umwandlung der A KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in die Klägerin einen Geschäftsanteil von 50.000 € hielt. X kündigte aus Altersgründen und übertrug seinen Geschäftsanteil auf der Grundlage der für ihn geltenden Übergangsregelung für Gesellschafter der vormaligen A KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (Anlage 5 zum Poolvertrag) zum 30. Juni 2005 auf den Pooltreuhänder. Hierfür erhielt er ein Entgelt von 50.000 €.

4Das beklagte Finanzamt erlangte am 3. April 2007 Kenntnis von der Übertragung. Es forderte die Klägerin mit Schreiben vom 21. Oktober 2011 auf, eine Schenkungsteuererklärung abzugeben. Dem kam die Klägerin am 22. November 2011 nach.

5Das beklagte Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, dass die Übertragung des Geschäftsanteils des X gegen Zahlung eines Kaufpreises von 50.000 € nach § 7 Abs. 7 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) der Schenkungsteuer unterliege. Es setzte deshalb gegen die Klägerin mit Bescheid vom 25. November 2011  513.730 € Schenkungsteuer fest. Dabei schätzte es den gemeinen Wert des übertragenen Geschäftsanteils mit 1.473.000 €, wovon es den Kaufpreis von 50.000 € abzog.

6Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein, den sie mit Schreiben vom 15. März 2012 begründete.

7Das beklagte Finanzamt wies die Klägerin mit Schreiben vom 22. August 2012 darauf hin, dass der gemeine Wert des übertragenen Geschäftsanteils mit 4.296,85 € je 100 €-Geschäftsanteil anzusetzen sei, so dass der Wert ihres Erwerbs mit 2.098.425 € anzunehmen sei. Demgemäß setzte das beklagte Finanzamt die Schenkungsteuer gegen die Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2013 auf 585.445 € neu fest. Zur Begründung führte es aus: Die Übertragung des Geschäftsanteils beruhe auf einem Gesellschaftsvertrag, obgleich dies nach § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG in der im Streitfall anzuwendenden Fassung nicht mehr erforderlich sei. Der Poolvertrag enthalte den Gesellschaftsvertrag der Klägerin ergänzende wesentliche Regelungen und betreffe damit die Grundlagen der Gesellschaft. § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG finde auch bei sog. Managermodellen Anwendung, bei denen eine zeitlich befristete Beteiligung an einer GmbH vorgesehen sei und der Erwerb sowie die spätere Veräußerung eines Geschäftsanteils nur zum Nennwert erfolge. Bei dem an X gezahlten Kaufpreis handele es sich um eine Abfindung, weil das Entgelt nicht frei ausgehandelt worden sei. Ein Wille zur Unentgeltlichkeit des Zuwendenden müsse nicht vorliegen. Die Klägerin sei als Erwerberin auch Steuerschuldnerin, weil das Ausscheiden des X ihre Beziehung zu ihm betreffe. Unerheblich sei, dass der Geschäftsanteil an den Pooltreuhänder veräußert worden sei. Hierdurch sei nur der Leistungsweg abgekürzt worden.

8Die Klägerin trägt mit ihrer Klage vor: Die Übertragung des Geschäftsanteils des X unterliege nicht nach § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG der Schenkungsteuer, weil sie nicht auf Gesetz oder Gesellschaftsvertrag beruhe. Die Übertragung beruhe vielmehr auf dem Poolvertrag sowie auf dem Kauf- und Übertragungsvertrag. Hierbei handele es sich um schuldrechtliche Vereinbarungen. Entsprechendes gelte für den gezahlten Kaufpreis, der deshalb keine Abfindung sei. Jedenfalls sei § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG im Streitfall nicht anwendbar, weil bei einem Managermodell andere Grundsätze zu gelten hätten als bei einer gewöhnlichen kapitalistisch geprägten Beteiligung. Bei dem vorliegenden Managermodell sei eine Gesellschafterstellung nur auf Zeit eingeräumt und gleichzeitig eine Kaufpreisbeschränkung für den Rückkauf vereinbart worden. Im Vordergrund stehe nicht die Überlassung von Kapital, sondern die Zurverfügungstellung von Arbeitskraft. Durch die Kapitalbeteiligung werde dem Gesellschafter ein zusätzliches Arbeitsentgelt in Gestalt von Gewinnausschüttungen gewährt. Demgemäß bringe die Rückübertragung der Beteiligung nur zum Ausdruck, dass der Gesellschafter nicht mehr Geschäftsführer sei und keinen Vergütungsanspruch für seine Tätigkeit mehr habe. Ein Zugriff auf stille Reserven sei ausgeschlossen, weil diese in nennenswertem Umfang ohnehin nicht vorhanden seien. Die Gewinne würden vollständig ausgeschüttet. Zudem fehle einem neu eintretenden Gesellschafter nach dem Poolvertrag die freie Verfügungsmöglichkeit über seinen Geschäftsanteil. Die Besteuerung führe zu einem nicht zu rechtfertigenden Eingriff in das ihr zustehende Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes. Bei ihr komme es laufend zu einem Wechsel von Gesellschaftern, um die Nachfolge von hoch qualifizierten Berufsträgern zu sichern. Die vom beklagten Finanzamt aufgegriffenen Fälle führten zu einer Schenkungsteuer von insgesamt etwa 13.000.000 €. Ihre wirtschaftliche Existenz stehe deshalb auf dem Spiel. In Anbetracht der drohenden Steuerbelastung sei es für sie überdies schwer, neue qualifizierte Gesellschafter zu finden. Aus diesen Gründen sei § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass für eine Besteuerung eine objektive Unentgeltlichkeit und eine Bereicherungsabsicht erforderlich seien. Sie sei jedenfalls nicht Steuerschuldnerin. Parteien des Kauf- und Übertragungsvertrags seien nur  X und der Pooltreuhänder, der den Geschäftsanteil für die Gesellschafter halte. X habe in Bezug auf sie auch keinen Zuwendungswillen gehabt. Selbst wenn man sie als Erwerberin ansähe, sei zu berücksichtigen, dass sie den Geschäftsanteil nur vorübergehend bis zum Eintritt eines neuen Gesellschafters halten würde, der den Anteil zum Nennwert erwerben werde. Der gemeine Wert des übertragenen Geschäftsanteils betrage allenfalls 50.000 €. Die Übertragungen anderer Gesellschafter zum Nennwert ein Jahr vor dem 30. Juni 2005 stellten Verkäufe dar, die Vorrang vor einer Schätzung des gemeinen Werts hätten. Im Übrigen sei die Schätzung des beklagten Finanzamts unzutreffend und führe zu einer krassen Überbewertung. Der gemeine Wert des übertragenen Geschäftsanteils betrage bei einer Anwendung des Stuttgarter Verfahrens höchstens 1.151.500 €.

9Das beklagte Finanzamt hat die Schenkungsteuer gegen die Klägerin mit Bescheid vom 13. November 2013 auf 416.780 € neu festgesetzt. Dabei ist es von einem gemeinen Wert des übertragenen Geschäftsanteils von 1.246.000 € ausgegangen, wovon es den Kaufpreis von 50.000 € abgezogen hat.

10Die Klägerin beantragt,

11

  • 121 den Schenkungsteuerbescheid vom 13. November 2013 aufzuheben;
  • 132 hilfsweise die Revision zu zulassen.

14Das beklagte Finanzamt beantragt,

15

  • 161 die Klage abzuweisen;
  • 172 hilfsweise die Revision zuzulassen.

18Zur Begründung verweist es im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung. Darüber hinaus trägt es vor: Der gemeine Wert des übertragenen Geschäftsanteils betrage unter teilweiser Berücksichtigung der Einwendungen der Klägerin 1.246.000 €.

19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

20Die Klage ist begründet. Der Schenkungsteuerbescheid vom 13. November 2013, der gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das beklagte Finanzamt hat die Schenkungsteuer zu Unrecht gegen die Klägerin festgesetzt.

21Die Klägerin ist schon nicht Steuerschuldnerin für den vom beklagten Finanzamt besteuerten Vorgang. Steuerschuldner ist nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG unter anderem der Erwerber. Nach § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG gilt als Schenkung auch der auf dem Ausscheiden eines Gesellschafters beruhende Übergang des Anteils oder des Teils eines Anteils eines Gesellschafters einer Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft auf die anderen Gesellschafter oder die Gesellschaft, soweit der Wert, der sich für seinen Anteil zur Zeit seines Ausscheidens nach § 12 ErbStG ergibt, den Abfindungsanspruch übersteigt. Bei der Prüfung der Frage, wer als Zuwendender und Bedachter an einer freigebigen Zuwendung beteiligt ist, kommt es ausschließlich auf die Zivilrechtslage und nicht darauf an, wem nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise Vermögen zuzurechnen ist (vgl. Bundesfinanzhof – BFH -, Urteile vom 9. Juli 2009 II R 47/07, BFHE 226, 399, BStBl II 2010, 74 sowie vom 9. Dezember 2009 II R 22/08, BFHE 228, 165, BStBl II 2010, 363).

22Der Geschäftsanteil des X ist nicht auf die Klägerin übergegangen. X hat seinen Geschäftsanteil vielmehr gemäß § 17 Abs. 1 des Poolvertrags i.V.m. den §§ 1 Abs. 1, 2 Buchst. a und 13 Abs. 1 der Anlage 8 zum Poolvertrag an den Pooltreuhänder verkauft und abgetreten (§ 15 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung). Nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 des Poolvertrags und § 2 Abs. 1 Satz 1 des Treuhandvertrags (Anlage 13 zum Poolvertrag) hält der Treuhänder die Geschäftsanteile ausscheidender Poolmitglieder für die verbleibenden Poolmitglieder – d.h. für die Gesellschafter der Klägerin – als fremdnütziger Treuhänder. Im Außenverhältnis ist der Pooltreuhänder Vollrechtsinhaber (§ 1 Abs. 3 des Treuhandvertrags). Die Poolmitglieder und nicht die Klägerin sind nach § 19 Abs. 4 des Poolvertrags und nach § 3 Abs. 2 des Treuhandvertrags verpflichtet, dem Treuhänder das für den Erwerb des Geschäftsanteils zu zahlende Entgelt zur Verfügung zu stellen. Der Erwerb des Geschäftsanteils des X kann daher schenkungsteuerrechtlich nicht der Klägerin zugerechnet werden, die weder Partei des Poolvertrags noch Partei des Kauf- und Übertragungsvertrags (Anlage 8 zum Poolvertrag) war.

23Der Senat kann nicht der vom beklagten Finanzamt vertretenen Auffassung folgen, dass die Übertragung des Geschäftsanteils auf den Pooltreuhänder der Klägerin zuzurechnen sei, weil das Ausscheiden des X ihre Beziehung zu ihm betreffe (vgl. ähnlich: Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG § 7 Randnr. 410; Fischer in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 4. Aufl., § 7 Randnr. 547; Ostermeyer/Riedel, BB 2006, 1662, 1664). Der Senat vermag keine Rechtsgrundlage für eine solche Zurechnung zu erkennen. Es würde zudem der maßgeblichen Zivilrechtslage widersprechen, der Klägerin den Erwerb des Pooltreuhänders schenkungsteuerrechtlich zuzurechnen.

24Nicht zu entscheiden hat der Senat, ob der Erwerb des Geschäftsanteils den Gesellschaftern der Klägerin zuzurechnen ist, die sich durch den Abschluss des Poolvertrags zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 705 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) zusammengeschlossen haben (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. September 1986 II ZR 272/85, NJW 1987, 890).

25Unbeschadet dessen ist der angefochtene Steuerbescheid auch deshalb rechtswidrig, weil es im Streitfall an einem Übergang des Geschäftsanteils i.S. des § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG auf die anderen Gesellschafter oder die Klägerin fehlt. Die vorgenannte Bestimmung enthält zwar eine Fiktion. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sie eine objektive Bereicherung der anderen Gesellschafter oder der Gesellschaft voraussetzt (vgl. BFH, Urteil vom 1. Juli 1992 II R 12/90, BFHE 168, 390, BStBl II 1992, 925; Fischer in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 4. Aufl., § 7 Randnr. 542). Erforderlich für die Annahme einer Bereicherung ist eine Vermögensverschiebung, die sich auf die Vermögenssubstanz beziehen muss (vgl. BFH, Urteil vom 30. Januar 2013 II R 38/11, BFHE 240, 287). Der Bedachte muss über den Gegenstand der Zuwendung tatsächlich und rechtlich frei verfügen können (vgl. Urteil vom 22. August 2007 II R 33/06, BFHE 218, 403, BStBl II 2008, 28).

26Hiervon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden. Der Pooltreuhänder hält den von X erworbenen Geschäftsanteil nur treuhänderisch auf Zeit bis zur Aufnahme neuer Gesellschafter (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 des Poolvertrags; §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 1 Satz 1 des Treuhandvertrags; Vortrag der Klägerin auf Bl. 136 GA), die den Anteil zum Nennwert erwerben werden. Der Treuhänder kann mithin weder für die Klägerin noch für die anderen Gesellschafter frei über den Geschäftsanteil verfügen. Mangels Realisierbarkeit eines über den Nennwert des Geschäftsanteils hinausgehenden Wertes ist es nicht zu einem Übergang der Vermögenssubstanz auf die Klägerin oder die anderen Gesellschafter gekommen.

27Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 138 Abs. 2 Satz 1, 135 Abs. 1, 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

Erbschaftsteuer: Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung, hier Direktversicherung

Erbschaftsteuer: Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung, hier Direktversicherung, an einen vertraglich bezugsberechtigten Lebenspartner als Hinterbliebenen sind nicht als Erwerb von Todes wegen steuerbar; die Versorgungsleistungen stammen wirtschaftlich aus dem Vermögen des Arbeitgebers oder aus dem dienst- bzw. arbeitsvertraglichen Deckungsverhältnis. Für den Fall der Leistung aufgrund des vereinbarten Bezugsrechts ist die daneben geregelte Vererblichkeit erbschaftsteuerlich zumindest bei Altverträgen vor 2000 unschädlich, Urteil des 3. Senats vom 31.110.2012, 3 K 24/12, Revision eingelegt, Az. des BFH II R 55/12.

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FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 3 K 24/12
Urteil des Senats vom 31.10.2012
Rechtskraft: Revision eingelegt, Az. des BFH: II R 55/12
Normen: BetrAVG § 1 Abs. 1 S. 1, BetrAVG § § 1 Abs. 2 Nr. 3, BetrAVG § 1b Abs. 2 S. 1 HS 1, ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 4, GG Art. 2, GG Art. 20 Abs. 3

Leitsatz:

1. Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung, hier Direktversicherung, an einen vertraglich bezugsberechtigten Lebenspartner als Hinterbliebenen sind nicht als Erwerb von Todes wegen steuerbar; die Versorgungsleistungen stammen wirtschaftlich aus dem Vermögen des Arbeitgebers oder aus dem dienst- bzw. arbeitsvertraglichen Deckungsverhältnis.

2. Für den Fall der Leistung aufgrund des vereinbarten Bezugsrechts ist die daneben geregelte Vererblichkeit erbschaftsteuerlich zumindest bei Altverträgen vor 2000 unschädlich.
Überschrift: Erbschaft- und Schenkungsteuer: Betriebliche Altersversorgung für Lebenspartner

Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Steuerbarkeit von durch den Kläger als Begünstigtem auf Grund Bezugsrechtseinräumung im Todesfall erhaltenen Versicherungsleistungen aus einer Direktversicherung. Diese Direktversicherung hatte der Arbeitgeber (ArbG) des verstorbenen Lebensgefährten des Klägers für seinen Arbeitnehmer (ArbN), den Lebensgefährten, zu dessen Lebzeiten abgeschlossen.

I.
1. Mit Schreiben vom 01. Januar 1984 bot der ArbG, eine GmbH, dem ArbN auf Grund der Dauer seiner Firmenzugehörigkeit als betriebliche Altersversorgung den Abschluss einer Direktversicherung für ihn bei einer Versicherungsaktiengesellschaft (V-AG) an.
Diesem Schreiben fügte der ArbG eine vorformulierte Vereinbarung über eine entsprechende Entgeltumwandlung bei, die der ArbN unterzeichnete und in der es unter anderem heißt:
„3. Die [ArbG] wird Herrn [ArbN] ein unwiderrufliches Bezugsrecht einräumen. …“
(Finanzgerichtsakte Anlagenband –FG-A Anl-Bd.– Bl. 26).
2. Mit Wirkung ab dem … 1984 schloss der ArbG dementsprechend eine Direktversicherung für den ArbN bei der V-AG unter der Versicherungsnummer -1 (auch: Nr. -2) ab (FG-A Anl-Bd. Bl. 66).
3. Mit Wirkung ab dem … 1990 schloss der ArbG im Einvernehmen mit dem ArbN eine die ursprüngliche Versicherung ergänzende Direktversicherung für den ArbN bei der V-AG unter der Versicherungsnummer -3 (auch: Nr. -4) ab (FG-A Anl-Bd. Bl. 67,
vgl. Bl. 68).
4. Den genannten Versicherungsverträgen (im Folgenden zusammengefasst als: die Direktversicherung) lagen zu Grunde:
a) Der Gruppenversicherungsvertrag Nr. -5 (auch: KL-FG -5) zwischen dem ArbG und der V-AG vom … 1977, in dem es unter anderem heißt:
㤠8 Versicherungsnehmer, Bezugsberechtigung
1. Versicherungsnehmer aller Versicherungen ist die Firma.
Es wird unwiderruflich vereinbart, daß während der Dauer des Dienstverhältnisses eine Übertragung der Versicherungsnehmer-Eigenschaft und eine Abtretung von Rechten aus diesem Vertrag auf den versicherten Arbeitnehmer bis zu dem Zeitpunkt, in dem der versicherte Arbeitnehmer sein 59. Lebensjahr vollendet, insoweit ausgeschlossen ist, als die Beiträge vom Versicherungsnehmer (Firma) entrichtet worden sind.
2. Die versicherte Person ist aus der auf ihr Leben genommenen Versicherung sowohl für den Todes- als auch für den Erlebensfall unwiderruflich bezugsberechtigt:
[…]
Für den Todesfall ist die Versicherungsleistung in nachstehender Reihenfolge zu zahlen an:
a) den überlebenden Ehegatten,
b) die ehelichen und die ihnen gesetzlich gleichgestellten Kinder zu gleichen Teilen,
c) die Eltern,
d) die Erben“
(FG-A Anl-Bd. Bl. 34 ff.).
b) Der Nachtrag Nr. 1 zum Gruppenversicherungsvertrag KL-FG -5 vom … 1981, durch den der Gruppenversicherungsvertrag mit Wirkung vom … 1981 unter anderem wie folgt geändert wurde:
„Paragraph 8
Versicherungsnehmer, Bezugsberechtigung
1. Versicherungsnehmer aller Versicherungen ist die Firma. Es wird unwiderruflich vereinbart, daß während der Dauer des Dienstverhältnisses eine Übertragung der Versicherungsnehmer-Eigenschaft und eine Abtretung von Rechten aus diesem Vertrag auf den versicherten Arbeitnehmer bis zu dem Zeitpunkt, in dem der versicherte Arbeitnehmer sein 59. Lebensjahr vollendet, insoweit ausgeschlossen ist, als die Beiträge vom Versicherungsnehmer (Firma) entrichtet worden sind.
Es wird vereinbart, daß, abgesehen von der Einräumung eines nicht übertragbaren und nicht beleihbaren Bezugsrechts an die nach dem Vertrag zu
begünstigenden Personen, die Übertragung der Ansprüche auf die versicherten Leistungen an Dritte – auch in Form von anderen Bezugsrechten – ausgeschlossen ist.
2. Der versicherten Person wird auf die Leistung aus der auf ihr Leben genommenen Versicherung sowohl für den Todes- als auch für den Erlebensfall ein nicht übertragbares und nicht beleihbares unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt.
Für den Todesfall ist die Versicherungsleistung in nachstehender Rangfolge zu zahlen an:
a) den überlebenden Ehegatten, mit dem der Versicherte im Zeitpunkt seines Ablebens verheiratet war,
b) die ehelichen und die ihnen gesetzlich gleichgestellten Kinder zu gleichen Teilen,
c) die Eltern,
d) die Erben.
Das verfügte Bezugsrecht bezieht sich auch auf die Überschußanteile. …“
(FG-A Anl-Bd. Bl 43 f.).
c) Der Nachtrag Nr. 2 zum Gruppenversicherungsvertrag KL-FG -5 vom … 1990, durch den der Gruppenversicherungsvertrag mit Wirkung vom … 1990 unter anderem wie folgt geändert wurde:
㤠7 Versicherungsnehmer, Bezugsberechtigung
[…]
2. Der versicherten Person wird auf die Leistung der auf ihr Leben genommenen Versicherung sowohl für den Todes- als auch für den Erlebensfall ein nicht übertragbares und nicht beleihbares unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt.
Im Todesfall ist die Versicherungsleistung, sofern nichts anderes bestimmt ist (Hervorhebung des Gerichts), in nachstehender Rangfolge zu zahlen an:
a) den überlebenden Ehegatten, mit dem die versicherte Person im Zeitpunkt ihres Ablebens verheiratet war,
b) die ehelichen und die ihnen gesetzlich gleichgestellten Kinder der versicherten Person zu gleichen Teilen,
c) die Eltern der versicherten Person zu gleichen Teilen,
d) die Erben der versicherten Person.
Das verfügte Bezugsrecht bezieht sich auch auf die Überschußanteile. …“
(FG-A Anl-Bd. Bl. 45 ff.).
d) Die Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen (AVB) für die Firmengruppenversicherung der V-AG, und zwar bis 1987 in der Fassung von 1967 und ab 1987 bis zum Tode des versicherten ArbN in der Fassung von 1987. In den AVB von 1987 heißt es unter anderem:
„§ 13 Wer erhält die Versicherungsleistung?
(1) Die Leistung aus der Versicherung erbringen wir an Sie als unseren Versicherungsnehmer, falls Sie uns keine andere Person benannt haben, die bei Eintritt des Versicherungsfalls die Ansprüche aus der Versicherung erwerben soll (Bezugsberechtigter). Bis zum Eintritt des Versicherungsfalls können Sie das Bezugsrecht jederzeit widerrufen.
(2) Wenn Sie ausdrücklich bestimmen, daß der Bezugsberechtigte die Ansprüche aus der Versicherung unwiderruflich und damit sofort erwerben soll, werden wir Ihnen schriftlich bestätigen, daß der Widerruf des Bezugsrechts ausgeschlossen ist. Sobald Ihnen unsere Bestätigung zugegangen ist, kann das bis zu diesem Zeitpunkt noch widerrufliche Bezugsrecht nur noch mit Zustimmung des von Ihnen Benannten aufgehoben werden.
(3) Sie können Ihre Rechte aus der Versicherung weder abtreten noch verpfänden.
(4) Die Einräumung und der Widerruf eines widerruflichen Bezugsrechts (vgl. Absatz 1) sind uns gegenüber nur und erst dann wirksam, wenn sie uns schriftlich angezeigt worden sind. …“
(FG-A Anl-Bd. Bl. 92 ff.).
II.
1. Der Kläger war seit den 1980er Jahren der Lebensgefährte (nicht eingetragener Lebenspartner) des verstorbenen ArbN. Beide unterhielten zwar je eine Wohnung, verbrachten jedoch ihre Freizeit zusammen und fuhren auch gemeinsam in den Urlaub. Dazu hatten sie eine gemeinsame Kasse (Finanzgerichtsakte –FG-A– Bl. 175 ff.).
Im Sommer 2001 erkrankte der ArbN an … Der Kläger betreute und pflegte ihn von da an in dessen Wohnung. Der Kläger erhielt 2001 vom ArbN Generalvollmacht und 2002 zusätzlich Vollmacht für dessen Bankkonto. Im Frühjahr 2002 wurde der ArbN ins Krankenhaus eingeliefert. Auch dort betreute ihn der Kläger täglich (FG-A Bl. 175 ff.).
2. Ebenfalls im Frühjahr 2002 besprach der ArbN die Möglichkeit einer Bezugsrechtsänderung für den Todesfall zu Gunsten des Klägers mit seinem ArbG. Dieser war mit einer solchen Bezugsrechtsänderung einverstanden (FG-A Anl-Bd. Bl. 87).
Mit zwei Schreiben vom 20. Juni 2002 verfügte der ArbN eine widerrufliche Bezugsrechtsänderung für die Todesfallleistung der Direktversicherung zu Gunsten und mit Zustimmung des Klägers gegenüber der V-AG; zugleich im Einverständnis mit seinem ArbG und mit Zustimmung der V-AG, seitens letzterer spätestens nach dortigem Eingang der Schreiben am 26. Juni 2002 (FG-A Anl-Bd. Bl. 33, 34, 87).
Die Schreiben sind bis auf die im Betreff jeweils genannte Versicherungsnummer (-1 bzw. -3) wortgleich und lauten:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit verfüge ich, bis auf Widerruf, die Begünstigung im Todesfall zu Gunsten von:
Herrn [Name des Klägers]
[Adresse des Klägers]
[Geburtsdatum des Klägers]
Ich bitte Sie, mir die Änderung der Begünstigung schriftlich zu bestätigen.
[Name und Unterschrift des ArbN]“
3. Am 25. September 2002 errichtete der ArbN ein handschriftliches Testament und setzte darin den Kläger als seinen Alleinerben ein (Erbschaftsteuerakten –ErbSt-A– Bl. 4).
4. Am … 2003 verstarb der ArbN auf Grund seines … (ErbSt-A Bl. 3).
5. Spätestens zum 30. Januar 2003 zahlte die V-AG an den Kläger als Begünstigten aus der Versicherung Nr. -2 den Betrag von 35.370,00 € und aus der Versicherung Nr. -4 den Betrag von 4.235,98 €, insgesamt also 39.605,98 €, aus (ErbSt-A Bl. 6, 7).
III.
1. Mit Schreiben vom 21. Juli 2003 forderte der Beklagte (das Finanzamt –FA–) den Kläger zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung auf. Am 10. Oktober 2003 gab der Kläger eine solche Erklärung ab, in der er den genannten Betrag in der Anlage Erwerber in der Zeile 28 „Erwerb auf Grund eines Vertrags zu Gunsten Dritter“ aufführte (ErbSt-A Bl. 8, 9 ff.).
2. Mit Erbschaftsteuerbescheid vom 03. November 2003 setzte der Beklagte (das Finanzamt –FA–) eine Erbschaftsteuer in Höhe von 3.077,00 € aufgrund § 3 Abs. 1 Nr. 4 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) fest (FG-A Anl-Bd. Bl. 2 ff.).
3. Mit Schreiben vom 22. November 2003 legte der Kläger gegen den Erbschaftsteuerbescheid Einspruch ein. Es fehle bei der Direktversicherung bereits an einem für eine Besteuerung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG notwendigen Vertragsschluss des Verstorbenen (FG-A Anl-Bd. Bl. 13).
4. Mit Einspruchsentscheidung vom 02. Januar 2012 (per einfacher Post) wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Der Abschluss der Direktversicherung seitens des ArbG sei Ausfluss aus dem Arbeitsverhältnis des ArbN. Die Bezüge aus der Direktversicherung seien damit auf ein Dienstverhältnis zurückzuführen. Solche Bezüge unterlägen nur dann nicht der Erbschaftsteuer, wenn der Empfänger ein Hinterbliebener sei. Der Einspruchsführer sei jedoch kein Hinterbliebener (FG-A Bl. 51 ff.).
IV.
1. Der Kläger hat am 03. Februar 2012 Klage vor dem Finanzgericht (FG) erhoben und trägt zur Begründung vor (FG-A Bl. 1 ff., 13 ff., 38 ff., 52 ff.):
Die Leistungen aus der Direktversicherung des ArbN seien als Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung an einen Hinterbliebenen nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerbar. Der Hinterbliebenenbegriff sei im Gesetz zur Verbesserung der betriebliche Altersversorgung (BetrAVG) nicht festgeschrieben und könne auch andere Personen als Ehegatten und Kinder umfassen.
Der Kläger beantragt sinngemäß (FG-A Bl. 1 f.),
den Erbschaftsteuerbescheid vom 03. November 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02. Januar 2012 aufzuheben.
2. Das FA beantragt (FG-A Bl. 35),
die Klage abzuweisen.
Das FA trägt in Ergänzung seiner Einspruchsentscheidung vor (FG-A Bl. 35 ff., 47 ff.):
Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung seien nur dann nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerbar, wenn Empfänger der Leistungen ein Hinterbliebener im Sinne der hier anwendbaren R. 8 Abs. 2, 3 Erbschaftsteuerrichtlinie (ErbStR) zu § 3 ErbStG sei. Dieser Hinterbliebenenbegriff umfasse keine – im vorliegenden Fall: nicht eingetragenen – Lebenspartner (Lebensgefährten). Ein Lebensgefährte könne kein Hinterbliebener bei einer betrieblichen Altersversorgung in Form einer Direktversicherung sein. Dies ergebe sich auch schon aus dem allgemeinen Sprachgebrauch.
Weiterhin erfülle die Direktversicherung in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht die Voraussetzung der Unvererblichkeit nach den jetzt einschlägigen einkommensteuerlichen bzw. lohnsteuerlichen Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) betreffend die betriebliche Altersversorgung.
V.
1. Die Beteiligten haben sich im telefonischen Erörterungstermin am 04. Juli 2012 dahingehend tatsächlich verständigt, dass sie sich über sämtliche Voraussetzungen dafür einig sind, dass es sich bei der Direktversicherung um eine betriebliche Altersversorgung handelt und zwar auch gemäß den einkommensteuerlichen bzw. lohnsteuerlichen BMF-Schreiben vom 31. März 2010 (BStBl 2010 I 270) und vor dem Stichtag 10. Januar 2003 nach den BMF-Schreiben vom 05. August 2002 (BStBl I 2002, 767) und vom 04. Februar 2000 (BStBl I 2000, 354).
Nicht umfasst von dieser tatsächlichen Verständigung sind nur zwei Punkte, und zwar erstens der Hinterbliebenenbegriff im Sinne von R. 8 Abs. 2, 3 ErbStR zu § 3 ErbStG, mit anderen Worten, ob als Hinterbliebener bei einer betrieblichen Altersversorgung in Form der Direktversicherung auch ein – nicht eingetragener – Lebensgefährte gilt.
Zweitens ist die in den vorgenannten einkommensteuerlichen bzw. lohnsteuerlichen Schreiben genannte Voraussetzung der Unvererblichkeit streitig (vgl. BMF-Schreiben vom 31. März 2010, BStBl I 2010, 270, Tz. 252, BMF-Schreiben vom 05. August
2002, BStBl I 2002, 767, Tz. 148 und BMF-Schreiben vom 04. Februar 2000, BStBl I 2000, 354), während diese Voraussetzung im koordinierten Ländererlass Schleswig-Holstein vom 02. März 1995 (Juris; Hamburg vom 16. Mai 1995 n. v.) noch nicht enthalten war (FG-A Bl. 181).
2. Beide Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet (FG-A Bl. 181).
3. Das FG hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 26. April 2012 (FG-A Bl. 133 ff.) durch schriftliche und mündliche (telefonische) Zeugenerklärung der Personalleiterin des ArbG des verstorbenen ArbN (FG-A Anl-Bd. Bl. 60 ff., FG-A Bl. 166), gemäß Beweisbeschluss vom 19. April 2012 (FG-A Bl. 61 f.) durch schriftliche Zeugenerklärung der Sachbearbeiterin der V-AG (FG-A Anl-Bd. Bl. 32 ff.) und gemäß Beweisbeschluss vom 22. Mai 2012 (FG-A Bl. 150 ff.) durch schriftliche und mündliche (telefonische) Zeugenerklärung des Rechtsabteilungs-Volljuristen der V-AG als sachverständigem Zeugen (FG-A Anl-Bd. Bl. 88 ff.).
4. Das FG hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten teilweise telefonisch am 20. April 2012 (Protokoll FG-A Bl. 117 ff.) sowie telefonisch am 26. April 2012 (Protokoll FG-A Bl. 131 ff.), am 18. Juni 2012 (Protokoll FG-A Bl. 165 ff.), am 22. Juni 2012 (Protokoll FG-A Bl. 172 ff.), am 28. Juni 2012 (Protokoll FG-A Bl. 175 ff.) und am 04. Juli 2012 (Protokoll FG-A Bl. 180 ff.) erörtert.
5. Ergänzend wird Bezug genommen auf die genannten Sitzungsprotokolle, die durchgeführten Beweisaufnahmen und die damit zusammenhängenden Unterlagen aus der Finanzgerichts-Akte (FG-A) nebst Anlagenband (FG-A Anl-Bd.) sowie aus der Erbschaftsteuerakte (ErbSt-A).
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Erbschaftsteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger als Adressaten in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung –FGO–).
I.
Die im Streit stehenden Leistungen aus der Direktversicherung des ArbN sind nicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG als Erwerb von Todes wegen steuerbar.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer. Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG bestimmt, dass jeder Vermögensvorteil, der auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags bei dessen Tode von einem Dritten unmittelbar erworben wird, als Erwerb von Todes wegen gilt.
1. Nach ihrem Wortlaut könnte letztere Vorschrift auch auf eine Direktversicherung anzuwenden sein, die ein Arbeitgeber zu Gunsten seines Arbeitnehmers auf Grund des bestehenden Arbeitsverhältnisses für diesen abschließt und aus der eine andere Person beim Tode des Arbeitnehmers Leistungen erhält.
2. Den Erwerb von Hinterbliebenenbezügen, die auf einem Arbeits- oder Dienstverhältnis des Erblassers beruhen, hat der Bundesfinanzhof (BFH) jedoch in ständiger Rechtsprechung von der Steuerpflicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG durch teleologische Reduktion der Vorschrift ausgenommen und damit insbesondere den Bezügen der Hinterbliebenen der Beamten gleichgestellt, die mangels eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages (sondern Beamtenernennung) schon nicht unter den Wortlaut der Vorschrift fallen (BFH vom 16. Januar 2008 II R 30/06, BFHE 220, 518, BStBl II 2008, 626; vom 24. Mai 2005 II B 40/04, BFH/NV 2005, 1571; vom 15. Juli 1998 II R 80/96, BFH/NV 1999, 311, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst –DStRE– 1999, 401; vom 13. Dezember 1989 II R 23/85, BFHE 159, 228, BStBl II 1990, 322; vom 27. November 1974 II 175/64, BFHE 115, 540, BStBl II 1975, 539).
Zur Begründung hat der BFH ausgeführt, es könne „bei einer am Gleichheitssatz unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung orientierten Auslegung dieser Vorschrift keinen Unterschied machen, ob die Hinterbliebenenversorgung auf einem Gesetz, einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung, einer Ruhegeldordnung, einer betrieblichen Übung, auf dem Gleichbehandlungsgrundsatz oder auf einem Einzelvertrag“ beruhe (BFH vom 20. Mai 1981 II R 11/81, BFHE 133, 426, BStBl II 1981, 715; vom 20. Mai 1981 II R 33/78, BFHE 134, 156, BStBl II 1982, 27).
3. Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) auch mit den durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) gezogenen Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung für vereinbar erklärt (BVerfG vom 09. November 1988 1 BvR 234/86, BStBl II 1989, 938; vom 05. Mai 1994 2 BvR 397/90, BStBl II 1994, 547).
4. Unter Beachtung der BFH-Rechtsprechung sind somit Bezüge nicht erbschaftsteuerbar, die eine Person aus einer betrieblichen Altersversorgung als Hinterbliebene erhält.
5. Es handelt sich bei der Direktversicherung um eine betriebliche Altersversorgung.
a) Eine betriebliche Altersversorgung liegt vor, wenn einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt werden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG).
Eine betriebliche Altersversorgung kann auch so ausgestaltet sein, dass eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen wird und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistungen des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind (Direktversicherung, § 1b Abs. 2 Satz 1 HS 1 BetrAVG).
Alleinig entscheidendes Merkmal für die fehlende Erbschaftsteuerbarkeit der betrieblichen Altersversorgung ist, dass die Versorgungsleistungen bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise aus dem Vermögen des Arbeitgebers erbracht werden, es sich also beim Deckungsverhältnis der Versorgung um einen Arbeits- oder Dienstvertrag handelt (BFH vom 20. Mai 1981 II R 11/81, BFHE 133, 426, BStBl II 1981, 715; vom 20. Mai 1981 II R 33/78, BFHE 134, 156, BStBl II 1982, 27; Viskorf/Knobel/Schuck, Kommentar zum Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 3. Auflage 2009, § 3 Rz. 174 ff. m. w. N).
So liegt der Fall hier.
b) Unschädlich für die Beurteilung einer Direktversicherung als betriebliche Altersversorgung ist es, wenn – wie hier – zur Finanzierung der Versicherung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber eine Entgeltumwandlung vereinbart wird (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG; BFH vom 29. Juli 2010 VI R 39/09, BFH/NV 2010, 2296; vgl. auch BMF-Schreiben vom 31. März 2010, BStBl I 2010, 270 Tz. 254 ff.).
c) Ebenfalls unschädlich ist es, wenn – wie hier – die Leistung aus der Direktversicherung nicht in einer Rente, sondern in einer Einmalzahlung besteht (FG Baden-Württemberg vom 23. Februar 2010 11 K 498/07 m. w. N., EFG 2010, 1144).
d) Insbesondere kommt es danach nicht darauf an, dass die betriebliche Altersversorgung unvererblich ist, solange die Leistungen nicht auf Grund Erbrechts gezahlt werden (unten 6). Die fehlende Erbschaftsteuerbarkeit ist außerdem unabhängig von einer Abgrenzung des Hinterbliebenenkreises, wie er arbeitsrechtlich ausgehandelt ist (unten 7).
6. Davon abgesehen wird eine betriebliche Altersversorgung nicht schon allein deswegen zur bloßen Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand und verliert nicht dadurch ihren Charakter als Hinterbliebenenversorgung, dass sie vererblich ist.
a) Soweit heute die Finanzverwaltung in den einschlägigen einkommensteuerlichen bzw. lohnsteuerlichen BMF-Schreiben die Auffassung vertritt, Voraussetzung einer betrieblichen Altersversorgung sei die Unvererblichkeit (vgl. BMF-Schreiben vom 31. März 2010, BStBl I 2010, 270, Tz. 252, BMF-Schreiben vom 05. August 2002, BStBl I 2002, 767, Tz. 148 und BMF-Schreiben vom 04. Februar 2000, BStBl I 2000, 354), muss nicht entschieden werden, ob diese Ansicht nicht bereits einkommensteuer-rechtlich angreifbar ist.
In der Literatur ist vorgebracht worden, sie entspreche nicht der geltenden Gesetzeslage. Zu den nach §§ 10a, 79 ff. Einkommensteuergesetz (EStG) steuerlich geförderten Altersvorsorgebeiträgen gehörten gemäß § 82 Abs. 2 EStG auch Beiträge zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung. Die Vorschrift des § 82 Abs. 2 EStG enthalte eine Verweisung auf § 93 EStG. Letztere Norm gehe eindeutig von der Vererblichkeit geförderten Altersvorsorgevermögens aus. Die Auszahlung des Kapitals an die Erben sei gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 EStG möglich, auch wenn dann steuerliche Vorteile entfielen. Weiterhin sei die Auffassung der Finanzverwaltung auch im Hinblick auf Art. 14 GG, der neben dem Eigentum auch das Erbrecht gewährleiste, bedenklich (Hanau/Arteaga/Rieble, Entgeltumwandlung, 2. Auflage 2006, D Rz. 783 m. w. N).
Hier ist die vorliegende Direktversicherung jedoch aus erbschaftsteuerlicher, nicht aus einkommensteuerlicher, Sicht zu beurteilen.
b) Davon abgesehen gilt das jetzige einkommensteuer-rechtliche Kriterium der Unvererblichkeit zumindest nicht für Vertragsschlüsse vor dem BMF-Schreiben vom 04. Februar 2000 (BStBl I 2000, 354).
Gerade die langjährige Bindung von Vereinbarungen zur betrieblichen Altersversorgung erfordert hinsichtlich des Regelungsinhalts Schutz des Vertrauens in die Rechtslage bei Vertragsschluss. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz folgen aus dem Rechtsstaatgebot gemäß Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. BFH, Beschluss des Großen Senats vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608, zu D IV 2 b bb Juris Rd. 99; zur Anerkennung von Altverträgen durch das BAG – in Abgrenzung zur Durchführung – vgl. unten c cc).
Zur Zeit des Vertragsschlusses der vorliegenden Direktversicherung gab es weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur oder in der Auffassung der Finanzverwaltung ein Kriterium der Unvererblichkeit zur Anerkennung eines Versicherungsvertrages als betriebliche Altersversorgung. Auch im koordinierten Ländererlass Schleswig-Holstein vom 02. März 1995 (Juris; vgl. Hamburg vom 16. Mai 1995 n. v.) war ein solches Kriterium nicht enthalten.
c) Auch arbeitsrechtlich kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) bezüglich betrieblicher Altersversorgung und Insolvenzschutz (§§ 7 ff. BetrAVG) für die Einordnung eines Vertrages als betriebliche Altersversorgung, mindestens für Altverträge, nicht darauf an, dass die Leistungen unvererblich sind.
aa) Das BAG ist in seiner Rechtsprechung zum Zeitpunkt des Abschlusses der vorliegenden Direktversicherung davon ausgegangen, dass eine Leistung aus einer betrieblichen Altersversorgung ohne weiteres auch dann vorlag, wenn das Versprochene im Falle des Todes an die Erben auszuzahlen war. Es komme vielmehr darauf an, dass der Versorgungszweck zur Absicherung eines biometrischen Risikos die Leistung und ihre Regelung präge; dazu sei es nicht notwendig, dass eine Zusage ausschließlich dem Versorgungszweck diene, vielmehr könnten einzelne Regelungen ohne Versorgungscharakter die rechtliche Einordnung einer Zusage als betriebliche Altersversorgung nicht beeinflussen (BAG vom 30. Oktober 1980 3 AZR 805/79, BAGE 34, 242; vom 30. September 1986 3 AZR 22/85, BAGE 53, 131).
bb) Diese Ansicht des BAG wird im Übrigen dadurch gestützt, dass insbesondere die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung stets die bei der betrieblichen Altersversorgung bestehende Formenvielfalt betont und Arbeitgebern und Arbeitnehmern einen weitreichenden Gestaltungsspielraum zugestanden hat, der dem Arbeitgeber erlaubt, die Reichweite seiner Zusage nach seinen eigenen betrieblichen Erfordernissen und den bestehenden Versorgungsinteressen zu bestimmen (BAG vom 30. Oktober 1980 3 AZR 805/79, BAGE 34, 242, Gewinnbeteiligung; vom 30. September 1986 3 AZR 22/85, BAGE 53, 131, Kapitalzusage; Bundessozialgericht –BSG– vom 30. Januar 1997 12 RK 17/96, Deutsches Steuerrecht –DStR– 1997, 1418, Abschluss einer Direktversicherung bei jedem Lebensversicherer; Landesarbeitsgericht –LAG– Hamm vom 22. Juni 2010 9 Sa 1261/09M, Juris, Jeweiligkeitsklausel).
cc) In einer neueren Entscheidung hat das BAG in Kenntnis der einkommensteuerrechtlichen Auffassung der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 05. August 2002 (BStBl I 2002, 767) seine bisherige Rechtsprechung aufrechterhalten. Maßgeblich ist noch immer der im Vordergrund des Vertrages stehende Versorgungszweck. Dieser entfällt durch eine Vererblichkeit von Leistungen jedenfalls dann nicht, wenn – wie hier – bei der Durchführung des
Vertrages die Leistungen nicht auf Grund Erbrechts gezahlt werden (BAG vom 18. März 2003 3 AZR 313/02, BAGE 105, 240).
dd) Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Leistungen nicht auf Grund Erbrechts sondern als Bezugsberechtigter erhalten (oben A II 5). Die Bezugsberechtigung konnte nach dem Vertrag („sofern nichts anderes bestimmt“, oben A I 4 c) auch nicht einseitig durch den ArbN übertragen werden (vgl. BMF-Schreiben vom 31. März 2010, BStBl I 2010, 270, Tz. 251), sondern wurde mit Zustimmung des ArbG und der V-AG vorgenommen (oben A II 2).
d) Der erkennende Senat weicht mit dieser Qualifizierung als betriebliche Altersversorgung auch nicht von bisheriger finanzgerichtlicher Rechtsprechung ab.
Bis heute ist, soweit ersichtlich, zu dem einkommensteuerlichen Unvererblichkeitskriterium der Finanzverwaltung nur ein Urteil des FG Rheinland-Pfalz ergangen (vom 01. Oktober 2008 1 K 1454/05, Juris). Dort hat das FG im Rahmen der Einkommensteuer 2000 zur Beurteilung einer Vereinbarung vom 24. März 1999 / 08. März 2000 das BMF-Schreiben vom 17. November 2004 (BStBl I 2004, 1065), Tz. 158, herangezogen und eine steuerschädliche Vererblichkeit angenommen, weil in der Vereinbarung die Möglichkeit zur Benennung einer anderen Person als einer Hinterbliebenen eingeräumt war. Der BFH hat dieses Urteil aufgehoben, weil der Kläger nicht mit seinem Vorbringen gehört worden war, dass die Vereinbarung vom 08. März 2000 bereits vor der Verkündung des BMF-Schreibens vom 04. Februar 2000 getroffen worden sei und vor dem genannten BMF-Schreiben eine andere Rechtsauffassung geherrscht habe (BFH vom 29. Juli 2010 VI R 39/09, BFH/NV 2010, 2296).
Ein vorangehendes Urteil des FG Rheinland-Pfalz stellt fest, dass die Vererblichkeit zwar bei Rentenansprüchen ungewöhnlich, dagegen bei Einmalzahlungen aus Lebensversicherungen üblich war (FG Rheinland-Pfalz vom 26. März 1996 2 K 2791/93, EFG 1996, 1103).
7. Davon abgesehen, dass es nach Ansicht des Senats für die Beurteilung der Erbschaftsteuerbarkeit von Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung ohnehin nicht auf die Abgrenzung des Hinterbliebenenkreises ankommt (oben 5 a nebst Hinweis u. a. auf Viskorf/Knobel/Schuck aaO), würde ein auch für die steuerliche Betrachtung maßgeblicher arbeitsrechtlicher Hinterbliebenenbegriff gleichgeschlechtliche Lebensgefährten wie den Kläger einschließen.
a) Das Steuerrecht kennt zwar eine gesetzliche Definition des Angehörigen (§ 15 Abgabenordnung –AO–), nicht jedoch des Hinterbliebenen.
b) Soweit das FA einen besonderen erbschaftsteuerlichen Hinterbliebenenbegriff aus der R. 8 ErbStR zu § 3 ErbStG herleiten will, kann diese Überlegung schon deswegen nicht durchgreifen, weil dort keine Definition des Begriffs allgemein für alle dort behandelten Formen der Hinterbliebenenversorgung systematisch vorangestellt ist.
Vielmehr heißt es in Abs. 1 der Richtlinie:
„Die kraft Gesetzes entstehenden Versorgungsansprüche Hinterbliebener unterliegen nicht der Erbschaftsteuer. Hinterbliebene in diesem Sinne sind nur der
mit dem Erblasser bei dessen Tod rechtsgültig verheiratete Ehegatte oder Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes und die Kinder des Erblassers“ (Hervorhebungen des Gerichts).
Daraus lässt sich nicht ableiten, dass dieser Hinterbliebenenbegriff auch für solche Hinterbliebenenbezüge gelten soll, die auf Tarifvertrag, Betriebsordnung, Betriebsvereinbarung, betrieblicher Übung oder dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Abs. 2) beziehungsweise auf Einzelvertrag (Abs. 3) beruhen. In den Absätzen 2 und 3 der Richtlinie wird der Ausdruck „Hinterbliebener“ ohne eine einschränkende nähere Definition wie im Absatz 1 verwendet.
Aus den Erbschaftsteuerrichtlinien ergibt sich damit gerade keine Eingrenzung des Hinterbliebenenbegriffs für den hier interessierenden Fall der betrieblichen Altersversorgung im Wege einer einzelvertraglich abgeschlossenen Direktversicherung. Dieses Ergebnis entspricht dem Recht der betrieblichen Altersversorgung.
c) Das BetrAVG enthält ebenso wenig wie das Steuerrecht eine gesetzliche Definition des Hinterbliebenenbegriffs. Das Arbeitsrecht sieht vielmehr, wie bereits dargelegt, für den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung vor (oben 6 c bb).
Insbesondere steht es dem Arbeitgeber im Rahmen der Vertragsfreiheit frei, welche Personen er in den Kreis der Versorgungsberechtigten aufnehmen oder gezielt aus ihm ausschließen will, z. B. über Spätehen-, Getrenntlebend- oder Wiederverheiratungsklauseln (BAG vom 28. März 1995 3 AZR 343/94, Der Betrieb –DB– 1995, 1666, Getrenntlebendklausel; vom 26. August 1997 3 AZR 235/96, DB 1998, 1114, Spätehenklausel; vom 19. Dezember 2000 3 AZR 186/00, DB 2001, 2303, Spätehenklausel; vom 19. Februar 2002 3 AZR 99/01, Neue Juristische Wochenschrift –NJW– 2002, 2339 Beschränkung auf Begünstigte ab 50 Jahren, Privatrechtliche Gestaltungsfreiheit, s. insb. Juris Rz. 25; vom 18. November 2008 3 AZR 277/07, DB 2009, 294, Privatrechtliche Einschränkung des Hinterbliebenkreises; vom 15. September 2009 3 AZR 797/08, DB 2010, 231, Spätehenklausel auch bei eing. Lebenspartnern; vom 20. April 2010 3 AZR 509/08; BAGE 134, 89, Spätehenklausel; Privatrechtliche Gestaltungsfreiheit, s. insb. Juris Rz. 74 f.; Bundesgerichtshof –BGH– vom 07. Dezember 2005 XII ZB 39/01, Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungsreport –NJW-RR– 2006, 190, Wiederverheiratungsklausel; dagegen LAG Rheinland-Pfalz vom 21. Januar 1999 11 Sa 786/98, Juris, Ausschluss nichtehelicher Kinder nicht vom Grundsatz der Vertragsfreiheit gedeckt).
Durch die ständige Rechtsprechung des BAG überholt ist damit eine ältere Entscheidung des Arbeitsgerichts (ArbG) Wiesbaden, das unter den Hinterbliebenen nur Ehefrau und Kinder des verstorbenen Arbeitnehmers unter 18 Jahren verstehen wollte (ArbG Wiesbaden vom 09. Januar 1980 6 Ca 5289/79, Juris).
d) Ebenso überholt ist die einzige bekannte steuerrechtliche Entscheidung des FG Münster zum Hinterbliebenenbegriff. Im Rahmen der hier interessierenden Prüfung der Steuerbarkeit einer betrieblichen Altersversorgung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG hat es den vertraglich begünstigten Bruder des Verstorbenen nicht als
Hinterbliebenen angesehen (FG Münster vom 02. Juni 1987 III 8787/86 Erb, EFG 1987 570).
aa) Zur Begründung hat sich das FG auf das Sozialversicherungsrecht sowie das Beamtenrecht bezogen, die Regelungen zur Hinterbliebenenversorgung enthielten, welche den Schluss rechtfertigten, dass nach allgemeinem Sprachgebrauch grundsätzlich nur die überlebenden und früheren Ehegatten sowie die Waisen zu rechnen seien. So bestimme die (inzwischen entfallene) Vorschrift des § 1263 Reichsversicherungsordnung (RVO), dass Hinterbliebenenrenten die Witwen-, Witwer-, und Waisenrenten seien, und weist das FG auf andere wortgleiche (ebenfalls inzwischen außer Kraft getretene) Normen hin. Weiterhin hat sich das FG bezogen auf Regelungen des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und auf das Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG).
Wenn diese Regelungen in bestimmten Fällen ein Sterbegeld für Geschwister vorsehen, sei dies der besondere Zweckbestimmung des Sterbegeldes geschuldet und bilde eine Ausnahme von dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass als Hinterbliebene lediglich Witwen, Witwer und Waisen anzusehen seien.
Weiterhin hat das FG ausgeführt, schon der Reichsminister der Finanzen (RdF) habe im Erlass vom 09. Juni 1941 (RStBl 1941, 417) angeordnet, „steuerfrei zu lassen Ruhegehälter und ähnliche Zuwendungen, die ein Erblasser oder Schenker früheren oder noch bei ihm in Dienst befindlichen Angestellten oder Bediensteten oder deren Witwen und Waisen gewährt, soweit die Zuwendungen das Maß eines angemessenen Ruhegehalts nicht übersteigen“. In dem Erlass vom 07. Januar 1942 (DB 1961, 1004) habe der RdF im Anschluss daran hervorgehoben, es entspreche diesem Grundgedanken, den „Erwerb von Ansprüchen auf Ruhegehälter und ähnliche Zuwendungen“ steuerfrei zu lassen, wenn sie „Witwen und Waisen eines früheren Angestellten oder Bediensteten auf Grund eines von ihm geschlossenen Vertrags gegen den Betriebsinhaber oder eine Pensions- oder Unterstützungskasse seines Betriebs zustehen.“
bb) Der Argumentation des FG Münster kann schon deswegen nicht ohne weiteres gefolgt werden, weil sämtliche der zur Begründung herangezogenen Vorschriften inzwischen entweder außer Kraft getreten oder dahingehend geändert worden sind, dass sie jedenfalls den eingetragenen Lebenspartner dem Ehegatten gleichstellen (vgl. § 38 ff. BVG und § 1a BeamtVG).
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass der Rückgriff des FG auf die geschichtliche Entwicklung des Hinterbliebenenbegriffs in der Finanzverwaltung um 1940 nicht nur wegen der unterschiedlichen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sondern auch wegen der Verfolgung von Homosexuellen im Unrechtsregime des Nationalsozialismus für die Definition des heute gültigen Hinterbliebenenbegriffs keine Hilfestellung geben kann. Auch noch zum Entscheidungszeitpunkt des FG Münster im Jahre 1980 dürften gleichgeschlechtliche Partner als mögliche Hinterbliebene weder im Bewusstsein der Öffentlichkeit noch des FG gewesen sein. Erst 1969 beziehungsweise 1973 war der § 175 Strafgesetzbuch (StGB), der einvernehmliche homosexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte, im Hinblick auf das Schutzalter reformiert worden. Endgültig abgeschafft wurde die Vorschrift erst 1994.
Weiterhin ergibt sich aus den Festlegungen des Hinterbliebenenbegriffs in den genannten Normen kein allgemeiner Rechtsgedanke, dass als Hinterbliebene auch in anderen Rechtsgebieten lediglich Ehegatten (bzw. eingetragene Lebenspartner) und Kinder anzusehen seien; zumal der Gesetzgeber im BetrAVG auf eine ausdrückliche Legaldefinition verzichtet hat, obwohl eine solche gesetzestechnisch unproblematisch hätte vorgesehen werden können.
e) Damit kommt es nicht mehr darauf an, ob oder inwieweit die Entscheidung des FG Münster auch versicherungsrechtlich überholt ist, weil das Landgericht (LG) Mönchengladbach in einer Entscheidung aus dem Jahre 1997 einen sehr weitgehenden Hinterbliebenenbegriff vertreten hat.
Das LG hat eine (bloße) Freundin des Verstorbenen als Hinterbliebene betrachtet. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, „hinterbleiben“ bedeute schlichtes Zurückbleiben. Somit könne jede Person Hinterbliebene sein, die nach dem Tod des Verstorbenen zurückbleibe, auch ohne, dass ein besonderes Näheverhältnis erforderlich sei. Wolle man ein solches verlangen, so genüge jedoch bereits eine enge Freundschaft. Es habe der beklagten Versicherung freigestanden, eine andere, engere Definition des Hinterbliebenenbegriffs im Vertrag festzulegen. Bei Lebensversicherungen gelte insoweit ein anderer Hinterbliebenenbegriff als im Sozialversicherungsrecht (LG Mönchengladbach vom 15. 02. 1996 10 O 407/95, Versicherungsrecht VersR 1997, 478).
f) Aus der Sicht des Erbschaftsteuersenats bleibt für den Hinterbliebenenbegriff die bereits angesprochene Rechtsprechung des BAG zur Gestaltungsfreiheit bei der betrieblichen Altersversorgung maßgeblich (oben c). Danach kann auch ein Lebensgefährte – wie der Kläger – Hinterbliebener sein.
Das BAG ist davon ausgegangen, dass der Kreis der potentiellen Hinterbliebenen nicht auf den Ehegatten und die Kinder des Arbeitnehmers begrenzt ist. Voraussetzung für die Anerkennung der Hinterbliebeneneigenschaft ist, dass dem Arbeitnehmer bezogen auf die begünstigte Person bei typisierender Betrachtung ein Versorgungsinteresse unterstellt werden kann. Dieses typische Versorgungsinteresse hängt nicht mit der Frage einer etwaigen Erbberechtigung zusammen. Will der Arbeitgeber dagegen den Kreis der möglichen Hinterbliebenen beschränken, so steht ihm dies im Rahmen und in den Grenzen der Vertragsfreiheit zu. Entscheidend ist damit vor allem die privatrechtliche Ausgestaltung der Versorgungszusage (BAG vom 18. November 2008 3 AZR 277/07, DB 2009, 294; vom 28. März 1995 3 AZR 343/94, DB 1995, 1666).
g) Insoweit hat auch das FG Rheinland-Pfalz in dem bereits erwähnten (aus anderen Gründen aufgehobenen) Urteil nicht nur Ehegatten und Kinder sondern auch die Lebensgefährtin oder den Lebensgefährten als mögliche Hinterbliebene anerkannt. Der Begriff Lebensgefährte ist danach als Oberbegriff zu verstehen, der auch gleichgeschlechtliche Partner umfasst (FG Rheinland-Pfalz vom 01. Oktober 2008 1 K 1454/05, Juris; vgl. ebenso Wälzholz in Viskorf/Knobel/Schuck, ErbStG/BewG, 3. A., § 3 ErbStG, Rd. 180).
h) Im Ergebnis entspricht die Entscheidung des Senats im Übrigen auch der Auffassung der Finanzverwaltung im einkommensteuerlichen BMF-Schreiben vom 31. März 2010 (BStBl I 2010, 270), wonach eine Hinterbliebenenversorgung im steuerlichen Sinne auch Leistungen an die Lebensgefährtin oder den
Lebensgefährten vorsehen kann. Umfasst sind vom Oberbegriff des Lebensgefährten dabei auch gleichgeschlechtliche Partner. Dies gilt auch dann, wenn es sich nicht um eine Lebenspartnerschaft nach dem Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (LPartG) handelt. Ist die Partnerschaft nicht eingetragen, wird gemäß dem BMF-Schreiben vom 25. Juli 2002 (BStBl I 2002, 706) die Hinterbliebenenversorgung anerkannt, wenn die Partner in eheähnlicher Gemeinschaft (vgl. § 1353 Abs. 1 BGB, § 2 LPartG) leben – wie hier (oben A II 1, 2, 3, V 1).
II.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
2. Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 151, 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
3. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 FGO zugelassen.