Darf der Steuerberater der Buchführung durch den Mandanten vertrauen?

Hintergrund

Immer häufiger übernehmen Mandanten ihre Buchführung selbst – sei es mithilfe von Softwarelösungen oder durch eigenes Personal. Für Steuerberater stellt sich dabei die Frage: Muss er die Buchführung des Mandanten auf Richtigkeit prüfen oder darf er sich darauf verlassen?

Entscheidung des LG Hamburg

Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil vom 05.12.2024 (Az. 322 O 129/24) klargestellt:

  • Erstellt der Mandant seine Buchführung selbst, darf der Steuerberater grundsätzlich von deren Richtigkeit ausgehen.
  • Eine Kontrollpflicht des Beraters besteht nicht.
  • Eine Pflichtverletzung kommt nur dann in Betracht, wenn der Steuerberater den Fehler des Mandanten hätte erkennen müssen – also wenn der Fehler offensichtlich oder grob erkennbar war.

Bedeutung für die Praxis

Für Steuerberater bedeutet das Urteil eine Entlastung: Sie müssen die Buchführung des Mandanten nicht lückenlos überprüfen. Gleichwohl bleibt Wachsamkeit erforderlich:

  • Auffälligkeiten, Unstimmigkeiten oder ungewöhnliche Sachverhalte dürfen nicht ignoriert werden.
  • Bei erkennbaren Fehlern entsteht eine Hinweispflicht.
  • Eine enge Abstimmung mit dem Mandanten ist ratsam, um Risiken zu vermeiden.

Fazit

Der Steuerberater darf auf die ordnungsgemäße Buchführung des Mandanten vertrauen – aber nicht blind. Werden grobe Fehler erkennbar, muss er reagieren und den Mandanten darauf hinweisen.


📌 Fundstelle: LG Hamburg, Urteil vom 05.12.2024 – 322 O 129/24

Erste Tätigkeitsstätte und Reisekosten bei Vermietungseinkünften

Hintergrund

Die Frage, ob Fahrten zu einem Vermietungsobjekt als Reisekosten oder nur nach den Regeln zur Entfernungspauschale abziehbar sind, beschäftigt seit Jahren Steuerpflichtige und Finanzverwaltung. Nun hat das Finanzgericht Münster (Urteil vom 15.05.2025 – 12 K 1916/21 F, Revision zugelassen) wichtige Klarstellungen getroffen.

Der Streitfall

Ein Steuerpflichtiger erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Streitpunkt war, ob Fahrten von seiner Wohnung zum Vermietungsobjekt nach den Reisekostengrundsätzen oder nach den strengeren Regeln zur ersten Tätigkeitsstätte (§ 9 Abs. 3, 4 EStG) zu behandeln sind.

Die Besonderheit: Die Einkünfte wurden im Rahmen einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft erzielt.

Die Entscheidung des FG Münster

Das Gericht stellte klar:

  • Gleichstellung mit Arbeitnehmern: Auch bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist § 9 Abs. 4 EStG über § 9 Abs. 3 EStG anwendbar.
  • Objektbezogene Betrachtung: Die erste Tätigkeitsstätte ist objektbezogen zu bestimmen – das Vermietungsobjekt selbst kann eine Tätigkeitsstätte darstellen.
  • Keine freie Bestimmung durch Vermieter: Steuerpflichtige können nicht frei festlegen, was ihre „erste Tätigkeitsstätte“ ist. Andernfalls würde die gesetzliche Regelung leerlaufen.
  • Quantitative Kriterien: Eine erste Tätigkeitsstätte liegt jedenfalls dann vor, wenn der Steuerpflichtige mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit am Objekt verbringt.
  • Nachweisführung: Bei der Prüfung, ob Fahrten beruflich oder privat veranlasst sind, ist die Beweislast hoch. Erholungsaufenthalte im Anschluss an Arbeiten (z. B. Urlaub im Ferienobjekt) können steuerliche Abzüge gefährden.

Praktische Konsequenzen

  • Fahrten zum Objekt: Liegt eine erste Tätigkeitsstätte vor, sind die Kosten nur in Höhe der Entfernungspauschale abziehbar – nicht die tatsächlichen Reisekosten.
  • Reisekostenabzug: Nur wenn keine erste Tätigkeitsstätte vorliegt, kommt der volle Werbungskostenabzug nach Reisekostengrundsätzen in Betracht.
  • Dokumentation: Steuerpflichtige müssen klar dokumentieren, dass Aufenthalte am Vermietungsobjekt überwiegend durch die Vermietung veranlasst waren. Eine private (Mit-)Nutzung kann zum Wegfall des Werbungskostenabzugs führen.

Fazit

Das FG Münster stärkt die Linie der Finanzverwaltung: Auch Vermieter müssen sich an die Regelungen zur ersten Tätigkeitsstätte halten. Der Ausgang des zugelassenen Revisionsverfahrens bleibt abzuwarten. Bis dahin gilt: Sorgfältige Nachweise und klare Trennung von beruflicher und privater Veranlassung sind unerlässlich.

Splittingtarif: Keine Anwendung für Alleinerziehende – Aufforderungen zur Einspruchs-Rücknahme

Hintergrund

Seit vielen Jahren wird darüber gestritten, ob Alleinerziehende im Steuerrecht verfassungsrechtlich benachteiligt sind, da sie – anders als verheiratete Paare – nicht vom Splittingtarif profitieren. Der Bundesfinanzhof (BFH) und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) haben jedoch bereits mehrfach entschieden, dass hierin keine Verfassungswidrigkeit liegt.

Mit Urteil vom 23.01.2025 (Az. III R 33/24) hat der BFH diese Rechtsprechung nun erneut bestätigt:
👉 Alleinerziehende haben keinen Anspruch auf Besteuerung nach dem Splittingtarif.

Folgen für Einspruchsverfahren

Die Finanzämter reagieren unmittelbar:

  • Die Rechtsbehelfsstellen wurden angewiesen, bislang ruhende Einspruchsverfahren wieder aufzunehmen.
  • Betroffene erhalten in der Regel zunächst eine Aufforderung zur Rücknahme des Einspruchs.
  • Erfolgt keine Rücknahme, wird voraussichtlich zeitnah eine automatisierte Einspruchsentscheidung ergehen – mit Hinweis auf das aktuelle BFH-Urteil.

Praxistipp

Da derzeit kein weiteres Verfahren zu dieser Thematik beim BFH oder BVerfG anhängig ist und die Rechtsprechung seit Jahren gefestigt ist, bestehen für Alleinerziehende keine realistischen Erfolgsaussichten.
👉 Daher spricht steuerlich nichts dagegen, den Einspruch zurückzunehmen, um unnötige Verwaltungsakte zu vermeiden.


📌 Fundstelle: BFH-Urteil vom 23.01.2025 – III R 33/24

Abfindung richtig gestalten: Steuerliche Chancen und Fallstricke im Überblick

Wer eine Abfindung erhält, steht häufig vor komplexen steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Fragen. Eine kluge Gestaltung kann erhebliche Vorteile bringen – sowohl steuerlich als auch im Hinblick auf Rente und Sozialleistungen. Im Folgenden erhalten Sie einen strukturierten Überblick über die wichtigsten Themenfelder.


A. Abfindung – Ausgangslage und Kernproblematik

Abfindungen werden in der Regel gezahlt, wenn ein Arbeitsverhältnis durch Arbeitgeberinitiative beendet wird – etwa bei betriebsbedingten Kündigungen oder Aufhebungsverträgen.

Warum Abfindungen steuerlich relevant sind

  1. Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit: Abfindungen gelten steuerlich als solche und ihre Behandlung hängt stark von der jeweiligen Rechtsgrundlage ab.
  2. Einfluss von Freibeträgen und Progression: Abfindungen können zu einer erheblichen Steuermehrbelastung führen, wenn sie das Einkommen in einem Jahr „auf einen Schlag“ erhöhen.
  3. Prüfungsthemen: Relevante Felder sind u. a. die Rechtsgrundlage der Zahlung, die Bewertung der Steuerfolgen (Lohn- und Einkommensteuer, ggf. sogar Gewerbesteuer bei Sonderkonstellationen) sowie die Auswirkungen auf die Sozialversicherung.

Typische Gestaltungsansätze und Risiken

  • Staffelung der Auszahlung über mehrere Jahre kann die Progression mindern.
  • Steuerbegünstigte Anteile (z. B. Fünftelregelung) sollten gezielt genutzt werden.
  • Klare vertragliche Regelungen sind notwendig, um spätere Streitigkeiten mit dem Finanzamt zu vermeiden.
  • Vermeiden sollten Betroffene: falsche steuerliche Zuordnungen, Berufung auf veraltete Rechtsgrundlagen und eine unvollständige Dokumentation.

Problemfelder im Überblick

  1. Steuerliche Behandlung – Einkommensteuer und ggf. Fünftelregelung.
  2. Kirchensteuer – Möglichkeiten des (Teil-)Erlasses.
  3. Arbeitslosengeld – Dispositionsjahr und Sperrzeiten.
  4. Sozialversicherung – Kranken- und Rentenversicherungspflichten.
  5. Rente – Einzahlungen und deren steuerliche Folgen.

B. Steuerliche Behandlung

I. Bedeutung des Auszahlungszeitpunkts

Der Zeitpunkt der Auszahlung kann entscheidend sein. Erfolgt die Zahlung noch im alten Jahr, kann dies die Steuerlast massiv beeinflussen. In vielen Fällen lohnt es sich, die Auszahlung in ein Jahr mit voraussichtlich geringeren Einkünften zu verschieben.

II. Anwendungsfragen bei der Zusammenveranlagung

Bei Ehegatten spielt die Veranlagungsart (Einzel- oder Zusammenveranlagung) eine große Rolle. Durch kluge Wahl lassen sich Progressionseffekte abfedern.

III. Folgen der Zusammenballung von Einkünften

Die steuerbegünstigende Fünftelregelung greift nur, wenn es zu einer einmaligen Zusammenballung kommt. Werden Abfindungen in Raten gezahlt, kann dies den Steuervorteil gefährden.

IV. Voraussetzungen und Folgen der Fünftelregelung

Die Fünftelregelung (§ 34 EStG) verteilt die Abfindung rechnerisch auf fünf Jahre, sodass die Steuerprogression gemildert wird. Sie setzt aber bestimmte Voraussetzungen voraus (u. a. keine laufende Fortzahlung von Arbeitslohn).


C. (Teil-)Erlass der Kirchensteuer

I. Voraussetzungen und mögliche Höhe

Einige Bundesländer gewähren auf Antrag einen Teilerlass der Kirchensteuer, wenn diese auf Abfindungen anfällt. In der Praxis können bis zu 50 % der Kirchensteuer erlassen werden.

II. Ehegatten-Konstellationen

Ist nur ein Ehegatte kirchensteuerpflichtig, kann die Belastung reduziert sein – es ist aber im Vorfeld genau zu prüfen, wie sich die Abfindung steuerlich und kirchensteuerlich auswirkt.


D. Arbeitslosengeld

I. Frühestmöglicher Auszahlungszeitpunkt

Wer Abfindung und Arbeitslosengeld optimal kombinieren möchte, sollte den zeitlichen Ablauf genau planen.

II. Arbeitslosen- und Arbeitssuchendmeldung

Die rechtzeitige Meldung bei der Agentur für Arbeit ist entscheidend, um Sperrzeiten zu vermeiden.

III. Dispositionsjahr – Vermeidung von Sperr- und Ruhezeiten

Durch das sogenannte Dispositionsjahr lässt sich der Anspruch auf Arbeitslosengeld verschieben, sodass Ruhezeiten umgangen und die Abfindung optimal genutzt werden kann.


E. Rente

I. Einzahlung in die betriebliche oder gesetzliche Rente

Ein Teil der Abfindung kann in die Rentenversicherung eingezahlt werden – dies kann steuerlich attraktiv sein, da Beiträge als Sonderausgaben abzugsfähig sind.

II. Auswirkung auf die Fünftelregelung

Rentenbeiträge mindern das steuerpflichtige Einkommen und können die Wirksamkeit der Fünftelregelung verbessern.

III. Auszahlungsvarianten und deren Besteuerung

Ob Einmalzahlung oder laufende Rentenzahlung: Die steuerliche Behandlung unterscheidet sich deutlich.

IV. Nachgelagerte Besteuerung

Einzahlungen in die gesetzliche Rente führen später zu einer nachgelagerten Besteuerung der Rentenleistungen.

V. Hinterbliebenen-Anspruch

Zusätzliche Einzahlungen können auch Ansprüche für Hinterbliebene verbessern.


F. Sozialversicherungsrechte/-pflichten

I. Anspruch auf Arbeitslosengeld

Durch Abfindungen kann der Anspruch auf Arbeitslosengeld beeinflusst werden, insbesondere im Hinblick auf Ruhezeiten.

II. Optimierungsmöglichkeiten durch Familienversicherungen

Wer durch den Wegfall der Beschäftigung nicht mehr gesetzlich pflichtversichert ist, sollte prüfen, ob eine kostenfreie Familienversicherung möglich ist.

III. Möglichkeiten zum Sonderausgabenabzug

Bestimmte Zahlungen im Zusammenhang mit Abfindungen (z. B. Altersvorsorgebeiträge) können steuerlich als Sonderausgaben geltend gemacht werden.


Fazit

Die Gestaltung einer Abfindung ist hochkomplex und hängt stark von den persönlichen Verhältnissen ab. Steuerliche Optimierung, Sozialversicherungsrecht, Kirchensteuer und Rentenfragen müssen zusammengedacht werden. Eine frühzeitige Beratung lohnt sich in nahezu jedem Fall, da Gestaltungsspielräume sonst verloren gehen.

Hinweisgeberschutz reloaded


Hintergrund

Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) hat am 16.09.2025 seine Stellungnahme zur Bewertung der EU-Hinweisgeberschutz-Richtlinie bei der EU-Kommission eingereicht. Kern der Forderung: Steuerberater müssen wie Rechtsanwälte vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden. Der Grund dafür liegt in einer irreführenden Übersetzung des Rechtsbegriffs legal professional privilege.

Zwei-Klassen-Gesellschaft beim Berufsgeheimnis

Die Umsetzung der EU-Richtlinie ((EU) 2019/1937) in das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz im Jahr 2023 sorgte für erhebliche Kritik.

  • Rechtsanwälte sind bei steuerlicher Beratung aufgrund ihres Berufsgeheimnisses von der Richtlinie ausgenommen.
  • Steuerberater hingegen nicht – obwohl sie ebenfalls rechtsberatend tätig sind.

Der DStV kritisierte diese Ungleichbehandlung als Schaffung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft beim Berufsgeheimnis.

Die Krux mit der Übersetzung

Das Problem liegt in der Übersetzung des englischen Begriffs legal professional privilege. Während er im EU-Recht regelmäßig als Synonym für das Berufsgeheimnis rechtsberatender Berufe dient, wurde er im Hinweisgeberschutz-Kontext ins Deutsche als „anwaltliches Berufsgeheimnis“ übertragen. Damit fielen Steuerberater aus der Regelung heraus – obwohl sie rechtlich betrachtet dazugehören müssten.

Blick nach Österreich

Ein Gegenbeispiel liefert Österreich: Dort werden Steuerberater und Wirtschaftsprüfer wie Rechtsanwälte vom Anwendungsbereich ausgenommen. Der österreichische Gesetzgeber hat damit den Sinn und Zweck der Richtlinie korrekt und praxisnah umgesetzt.

Forderung des DStV

Für die Zukunft hat die EU-Kommission aufgrund der Initiative der German Tax Advisers (DStV in Kooperation mit der Bundessteuerberaterkammer) zugesichert, den Begriff legal professional privilege künftig einheitlich und korrekt zu übersetzen.

Im Rahmen der laufenden Bewertung der Hinweisgeberschutz-Richtlinie hat der DStV erneut deutlich gemacht:

  • Die Übersetzung muss korrigiert werden.
  • Steuerberater sind dem Berufsgeheimnis nach gleichzustellen.
  • Die bestehende Zwei-Klassen-Gesellschaft darf nicht weiterbestehen.

Die Konsultation läuft bis Ende 2026 – dann sollen die Ergebnisse vorliegen.

Fazit

Für den Berufsstand der Steuerberater steht viel auf dem Spiel: Es geht um die Gleichbehandlung im Berufsgeheimnis und um die Wahrung der besonderen Vertrauensstellung gegenüber den Mandanten. Der DStV fordert zu Recht, dass mit der anstehenden Neubewertung endlich die bestehende Ungleichbehandlung beseitigt wird.

Änderungsbefugnis nach § 175b Abs. 1 AO bei zutreffender Berücksichtigung der ursprünglich übermittelten Daten


Hintergrund

Mit Urteil vom 7. November 2024 (Az.: 2 K 78/24, nicht rechtskräftig, Revision beim BFH anhängig unter X R 31/24) hat das Niedersächsische Finanzgericht (FG) entschieden, dass eine Änderungsbefugnis nach § 175b Abs. 1 AO auch dann besteht, wenn die ursprünglich übermittelten Daten korrekt berücksichtigt wurden, später aber durch den übermittlungspflichtigen Dritten korrigiert werden.

Der Sachverhalt

Die Klägerin wurde einzeln zur Einkommensteuer veranlagt und erzielte in den Streitjahren 2017 und 2018 Renten nach § 22 EStG.

  • Das Finanzamt übernahm die elektronischen Rentenbezugsmitteilungen und setzte die Leibrente mit einem Ertragsanteil von 7 % an.
  • Später übermittelte die Versorgungseinrichtung korrigierte Rentenbezugsmitteilungen. Diese betrafen nicht die Höhe, sondern ausschließlich Rechtsgrundlage und Rentenart.
  • Daraufhin änderte das Finanzamt die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide und besteuerte die Rente mit einem Besteuerungsanteil von 66 %.

Die Klägerin wandte sich gegen diese Änderung und argumentierte, § 175b AO sei nicht einschlägig, da die ursprünglichen Daten zutreffend berücksichtigt worden seien.

Die Entscheidung des FG Niedersachsen

Das Gericht wies die Klage ab. Nach Auffassung des 2. Senats:

  • Handelt es sich bei der Rechtsgrundlage und Rentenart um Daten i. S. d. § 175b Abs. 1 AO.
  • Dass der Rentenbetrag unverändert blieb, sei unerheblich.
  • § 175b Abs. 1 AO sei so auszulegen, dass eine Änderung auch dann zulässig ist, wenn die ursprünglichen Daten korrekt verarbeitet wurden, aber der übermittlungspflichtige Dritte nachträglich geänderte Daten meldet.

Damit konnte das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide zu Lasten der Klägerin ändern.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung verdeutlicht, dass bestandskräftige Steuerbescheide auch dann nach § 175b Abs. 1 AO geändert werden dürfen, wenn die erstmalige Datenübernahme korrekt war, jedoch eine spätere Korrektur durch die übermittelnde Stelle erfolgt. Für Steuerpflichtige kann dies zu nachträglichen Mehrbelastungen führen.

Da die Revision zugelassen wurde, bleibt die Rechtsfrage nun beim BFH (X R 31/24) anhängig. Steuerpflichtige mit ähnlichen Fällen sollten entsprechende Bescheide offenhalten bzw. Einspruch einlegen und Ruhen des Verfahrens beantragen.


📌 Quelle: Niedersächsisches Finanzgericht, Mitteilung vom 17.09.2025 zum Urteil 2 K 78/24 vom 07.11.2024 (Newsletter 10/2025).

FG Münster: Verluste durch Trickbetrug sind keine außergewöhnlichen Belastungen

Das Finanzgericht Münster (Urteil vom 02.09.2025, Az. 1 K 360/25 E) hat entschieden: Wer Opfer eines Trickbetrugs wird, kann den dadurch entstandenen Vermögensverlust nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG geltend machen.

Der Fall

Eine 77-jährige Klägerin wurde Opfer eines sogenannten „Schockanrufs“:

  • Ein angeblicher Rechtsanwalt behauptete, ihre Tochter habe einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht.
  • Eine drohende Untersuchungshaft könne nur durch Zahlung einer Kaution in Höhe von 50.000 € abgewendet werden.
  • Die Klägerin hob den Betrag ab und übergab ihn einem Boten.

Erst danach erkannte sie den Betrug. Strafanzeige führte nicht zur Ermittlung der Täter.

Die Klägerin machte den Verlust in ihrer Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt lehnte dies ab – und das FG Münster bestätigte die Entscheidung.

Gründe des Gerichts

  1. Kein außergewöhnlicher Vorgang
    • Es handele sich um ein allgemeines Lebensrisiko, von dem potenziell jeder betroffen sein könne.
    • Ein Vermögensverlust durch Betrug sei deshalb nicht „außergewöhnlich“ im Sinne des § 33 EStG.
  2. Keine lebensnotwendigen Aufwendungen
    • Der Verlust betraf liquide Mittel.
    • Die Klägerin war auf das Geld nicht existenziell angewiesen, sodass kein Fall lebensnotwendiger Bedarfsdeckung vorlag.
  3. Keine Zwangsläufigkeit
    • Nach der Rechtsprechung zu Erpressungen sei eine zweistufige Prüfung vorzunehmen.
    • Maßgeblich sei, ob es zumutbare Handlungsalternativen gegeben hätte.
    • Objektiv sei es der Klägerin zumutbar gewesen, zunächst Kontakt zur Tochter oder zur Polizei aufzunehmen.
    • Selbst bei einer tatsächlichen Verhaftung wäre keine Gefahr für Leib und Leben gegeben gewesen.

Das Gericht hat daher den Abzug als außergewöhnliche Belastung abgelehnt.

Bedeutung für die Praxis

  • Allgemeines Lebensrisiko: Verluste durch Betrug oder Diebstahl sind regelmäßig nicht steuerlich absetzbar.
  • Hohe Hürden für § 33 EStG: Nur Kosten, die wirklich existenznotwendig sind und denen sich Steuerpflichtige nicht entziehen können, sind abzugsfähig.
  • Schutz durch Prävention: Für Betroffene bleibt nur die Möglichkeit, sich durch Aufklärung und Vorsicht gegen Trickbetrug zu schützen – steuerlich ist der Schaden nicht kompensierbar.

Revision zugelassen

Das FG Münster hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. Damit besteht die Möglichkeit, dass der BFH (Az. noch offen) die Rechtsfrage abschließend klärt.


👉 Praxistipp: Steuerlich sind Vermögensverluste durch Betrug in aller Regel nicht abziehbar. Für Betroffene empfiehlt es sich, strafrechtlich aktiv zu werden und ggf. zivilrechtliche Ansprüche zu prüfen – eine steuerliche Entlastung ist jedoch kaum erreichbar.

Gemeinnützigkeit entfällt rückwirkend bei Verstoß gegen die Vermögensbindung

Das Finanzgericht Münster (Urteil vom 29.11.2023, Az. 13 K 1127/22 K; Revision beim BFH anhängig unter Az. V R 27/25) hat entschieden: Verstößt eine Stiftung gegen die satzungsmäßige Vermögensbindung, entfällt die Gemeinnützigkeit rückwirkend – mit gravierenden steuerlichen Folgen.

Der Fall

Eine Stiftung, die wissenschaftliche Projekte an Universitäten fördern sollte, wurde durch Erbvertrag als Erbin eingesetzt. Das Erbe war mit Auflagen verbunden:

  • monatliche Rentenzahlungen an die unter Betreuung stehende Tochter der Erblasser,
  • ein Nießbrauchsrecht an einem Grundstück.

Nach der Satzung war vorgesehen, dass im Fall der Auflösung das Stiftungsvermögen an eine steuerbegünstigte Gesellschaft fällt.

Aufgrund sinkender Kapitalerträge konnte die Stiftung ihre Zwecke nicht mehr erfüllen. 2018 wurde sie durch die Stiftungsaufsicht aufgehoben. Das Finanzamt setzte daraufhin rückwirkend für zehn Jahre Körperschaftsteuer auf die Kapitaleinkünfte fest. Begründung: Die satzungsmäßige Vermögensbindung (§ 61 AO) sei verletzt, da das Stiftungsvermögen nicht – wie vorgeschrieben – an die begünstigte Körperschaft ausgekehrt wurde.

Entscheidung des FG Münster

Das Gericht wies die Klage der Stiftung ab:

  • Verstoß gegen Vermögensbindung: Das Vermögen wurde nicht an die satzungsmäßige Anfallberechtigte übertragen.
  • Kein Ermessensspielraum: Die Nachversteuerung nach § 61 AO ist zwingend – unabhängig von Verschulden oder wirtschaftlichen Zwängen.
  • Folge: Verlust der Gemeinnützigkeit rückwirkend und Nachversteuerung sämtlicher Erträge der letzten zehn Jahre.

Selbst die schwierige Lage der Stiftung – etwa die fehlende Mitwirkung des Betreuers bei einer Ablösung der Rentenverpflichtung – änderte an der steuerlichen Konsequenz nichts.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil zeigt eindrücklich, wie streng die Finanzgerichte die Vermögensbindung bei gemeinnützigen Körperschaften handhaben:

  • Nachversteuerungspflicht: Der Entzug der Gemeinnützigkeit führt zu erheblichen Steuernachforderungen – unabhängig davon, ob die Körperschaft schuldhaft gehandelt hat.
  • Strikte Vermögenstrennung erforderlich: Gemeinnützige Mittel müssen strikt von Mitteln für Vermächtnisse oder andere Verpflichtungen getrennt werden.
  • Liquidation besonders kritisch: Im Fall der Auflösung muss das Vermögen unbedingt an die satzungsmäßig benannte Anfallberechtigte ausgekehrt werden.

Revision beim BFH

Der Bundesfinanzhof wird die Frage in der Revision (Az. V R 27/25) klären. Bis dahin bleibt offen, ob eine mildere Handhabung möglich ist.


👉 Praxistipp: Gemeinnützige Organisationen sollten ihre Satzung, Vermögensverwaltung und Liquidationsregelungen regelmäßig überprüfen. Schon organisatorische Versäumnisse können zu einer rückwirkenden Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen – mit hohen steuerlichen Risiken.

Steuerliche Vereinfachungen im Gemeinnützigkeitsrecht – Bundesregierung stärkt Ehrenamt

Die Bundesregierung hat am 10.09.2025 im Kabinett einen Gesetzentwurf beschlossen, der das Ehrenamt in Deutschland steuerlich entlastet und bürokratische Hürden abbauen soll. Ziel ist es, das bürgerschaftliche Engagement zu fördern und gemeinnützigen Vereinen mehr Handlungsspielraum zu verschaffen.

Wesentliche Änderungen im Überblick

1. Höhere Freibeträge für Ehrenamtliche

  • Übungsleiterpauschale: Anhebung von 3.000 € auf 3.300 € jährlich.
  • Ehrenamtspauschale: Anhebung von 840 € auf 960 € jährlich.

👉 Damit können Vereine leichter Ehrenamtliche gewinnen, und Engagierte erhalten mehr steuerfreie Aufwandsentschädigung.

2. Haftungsprivileg wird ausgeweitet

  • Bisher galt das Haftungsprivileg nur, wenn die Vergütung maximal 840 € jährlich betrug.
  • Künftig: Schutz bis 3.300 € jährlich.
  • Ehrenamtliche haften weiterhin nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.

3. Erhöhung der Freigrenze für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe

  • Neue Freigrenze: 50.000 € Umsatz.
  • Gewinne kleiner Geschäftsbetriebe werden damit von Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit.
  • Ziel: Entlastung kleinerer Vereine und weniger Bürokratie.

4. Abschaffung der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung

  • Gilt für steuerbegünstigte Körperschaften mit Einnahmen bis 100.000 € pro Jahr.
  • Vorteil: Kleine und mittlere Vereine gewinnen mehr Flexibilität bei der Mittelverwendung.

5. Keine Sphärenzuordnung bis 50.000 €

  • Einnahmen bis zu 50.000 € müssen nicht mehr aufgeteilt werden in Zweckbetrieb oder steuerpflichtigen Geschäftsbetrieb.
  • Vereinfacht die Buchführung erheblich.

6. Gemeinnützigkeit für E-Sport

  • E-Sport wird künftig als gemeinnützig anerkannt.
  • Vereine müssen zugleich auf Suchtprävention und einen gesunden Umgang mit dem Medium achten.

7. Photovoltaikanlagen unschädlich für Gemeinnützigkeit

  • Bau und Betrieb von PV-Anlagen gefährden künftig nicht mehr die Gemeinnützigkeit, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
  • Ziel: Beitrag von Vereinen zur Energiewende erleichtern.

Bedeutung für die Praxis

Die Änderungen bringen vor allem für kleine und mittlere Vereine deutliche Entlastungen:

  • Weniger Bürokratie durch höhere Freigrenzen und vereinfachte Abgrenzungen.
  • Mehr Flexibilität bei der Mittelverwendung.
  • Stärkung des ehrenamtlichen Engagements durch höhere steuerfreie Pauschalen und erweiterten Haftungsschutz.

👉 Praxistipp: Gemeinnützige Vereine sollten prüfen, wie sie von den neuen Freibeträgen und Erleichterungen profitieren können. Besonders die erhöhten Pauschalen und die neuen Umsatzfreigrenzen schaffen zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten.

FG Düsseldorf: Zweifel an Grunderwerbsteuerpflicht bei Erbauseinandersetzung über GmbH-Anteile

Das Finanzgericht Düsseldorf (Beschluss vom 15.07.2025, Az. 11 V 170/25 A(GE)) hat ernstliche Zweifel geäußert, ob eine Erbauseinandersetzung zu einer grunderwerbsteuerpflichtigen Änderung des Gesellschafterbestands i. S. v. § 1 Abs. 2b GrEStG führt.

Der Fall

Ein im Jahr 2018 verstorbener Gesellschafter hielt über 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden GmbH. Nach seinem Tod bildeten seine sechs Kinder eine Erbengemeinschaft. Im Jahr 2024 schlossen sie einen Erbauseinandersetzungsvertrag, wonach jeder Erbe gleich hohe Anteile an der GmbH erhielt.

Das Finanzamt sah hierin einen steuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 2b GrEStG und setzte Grunderwerbsteuer fest.

Die Erben argumentierten dagegen:

  • Die Anteilsübertragung sei Teil des Erwerbs von Todes wegen und daher nach § 1 Abs. 2b Satz 6 GrEStG außer Betracht zu lassen.
  • Hilfsweise greife die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG.

Das Finanzamt hielt dem entgegen, dass durch die Auseinandersetzung die Grundstücke nicht mehr Teil des Nachlasses seien.

Entscheidung des FG Düsseldorf

Das Gericht setzte die Vollziehung des Bescheids aus – wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit.

  • Es ließ offen, ob durch die Auseinandersetzung überhaupt ein Gesellschafterwechsel i. S. v. § 1 Abs. 2b GrEStG vorliegt, da die Erbengemeinschaft zivilrechtlich nicht rechtsfähig ist.
  • Jedenfalls seien die Erben bei quotenwahrender Auseinandersetzung nicht als „neue“ Gesellschafter anzusehen.
  • Der Zweck des § 1 Abs. 2b Satz 6 GrEStG spreche gegen eine Besteuerung: Es wäre systemwidrig, eine Erbauseinandersetzung zu belasten, wenn der Erwerb eines einzelnen Erben steuerfrei bleibt.
  • Auf die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG komme es deshalb nicht an.

Der Beschluss ist rechtskräftig.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung stärkt Erben, die eine quotenwahrende Erbauseinandersetzung durchführen:

  • Eine Grunderwerbsteuerpflicht nach § 1 Abs. 2b GrEStG ist in solchen Fällen zweifelhaft.
  • Wichtig ist, dass die Auseinandersetzung ohne Ausgleichszahlungen erfolgt.
  • Für die Gestaltungspraxis bedeutet dies mehr Rechtssicherheit bei der Verteilung von GmbH-Anteilen im Rahmen von Erbfällen.

👉 Praxistipp: Bei Erbfällen mit GmbH-Anteilen, die Grundbesitz halten, sollten Erben prüfen, ob eine quotenwahrende Auseinandersetzung grunderwerbsteuerneutral gestaltet werden kann. Eine frühzeitige steuerliche Beratung kann unnötige Steuerbelastungen verhindern.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin