Der EuGH hat mit Urteil vom 20. September 2018, BStBl II 2019 S. …, entschieden, dass die Voraussetzungen für die Kürzung nach § 9 Nr. 7 GewStG bei Gewinnen aus Anteilen an einer Tochtergesellschaft, die ihre Geschäftsleitung und ihren Sitz in einem Staat außerhalb der EU hat (Drittstaatensachverhalt), gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 ff. AEUV verstößt.
Nach dem Ergebnis einer Erörterung der obersten Finanzbehörden der Länder ist die geltende Gesetzesfassung des § 9 Nr. 7 GewStG auf Drittstaatensachverhalte mit folgenden Maßgaben anzuwenden:
Die Beteiligung von mindestens 15 % an der Tochtergesellschaft muss zu Beginn des Erhebungszeitraums bestehen, wenn die in § 9 Nr. 7 Satz 1 erster Halbsatz GewStG enthaltene Voraussetzung, nach der die Beteiligung seit Beginn des Erhebungszeitraums ununterbrochen bestehen muss, eine Kürzung ausschließen würde.
Die besonderen Voraussetzungen für die Bruttoerträge, die von der Tochtergesellschaft bezogen werden, nach § 9 Nr. 7 Satz 1 erster Halbsatz GewStG müssen nicht erfüllt sein.
Die besonderen Voraussetzungen für Gewinne aus Enkelgesellschaften, die über die Tochtergesellschaft bezogen werden, nach § 9 Nr. 7 Satz 4 bis 6 GewStG und die Nachweisvorschriften des § 9 Nr. 7 Satz 7 GewStG hierzu sind nicht anzuwenden.
Vorstehende Grundsätze gelten in allen offenen Fällen und bis zur Anwendung einer gesetzlichen Neuregelung des § 9 Nr. 7 GewStG.
Diese Erlasse ergehen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen.
Quelle: FinMin Baden-Württemberg, Erlass (koordinierter Ländererlass) 3 – G-142.5 / 44 vom 25.01.2019
Nach dem Ergebnis einer Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Auslegung des § 20 Abs. 1 Nr. 10 EStG, soweit Betriebe gewerblicher Art (BgA) Schuldner der in der Vorschrift genannten Kapitalerträge sind, Folgendes:
A. Allgemeines
1 Durch das Steuersenkungsgesetz (StSenkG) vom 23. Oktober 2000 (BStBl I S. 1428) und das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz (UntStFG) vom 20. Dezember 2001 (BStBl 2002 I S. 35) sind in § 20 Abs. 1 Nr. 10 EStG für juristische Personen des öffentlichen Rechts neue Einkommenstatbestände eingeführt worden.
2 Zu Kapitaleinkünften der Trägerkörperschaft werden qualifiziert
– nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a EStG:
Leistungen eines nicht von der Körperschaftsteuer befreiten BgA mit eigener Rechtspersönlichkeit, z. B. Sparkassen und
– nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG:
der durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte Gewinn eines nicht von der Körperschaftsteuer befreiten BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit (soweit der Gewinn nicht den Rücklagen zugeführt wird),
der nicht den Rücklagen zugeführte Gewinn eines nicht bilanzierenden nicht von der Körperschaftsteuer befreiten BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit, der die in § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG genannte Umsatz- oder Gewinngrenze überschreitet (vgl. auch Rdnrn. 16 bis 18),
verdeckte Gewinnausschüttungen,
die Auflösung von Rücklagen des BgA zu Zwecken außerhalb des BgA,
die Gewinne i. S. d. § 22 Abs. 4 UmwStG und
die Gewinne aus Werbesendungen durch inländische öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten.
3 Diese Einkunftstatbestände führen nach § 2 Nr. 2 KStG zu einer beschränkten Steuerpflicht mit einer Kapitalertragsteuerbelastung von 15 % (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7b und 7c i. V. m. § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Damit wird die wirtschaftliche Betätigung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts unabhängig davon, ob sie in der Form eines BgA oder einer Kapitalgesellschaft ausgeübt wird, im Ergebnis der gleichen Steuerbelastung unterworfen.
4 Die Körperschaftsteuer für diese – dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegenden – Einkünfte ist in der Regel nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG durch den Steuerabzug abgegolten. Die Kapitalertragsteuer von 15 % ist somit nicht anrechenbar (vgl. aber Rdnrn. 7 und 11). Erfüllt die Trägerkörperschaft des BgA die Voraussetzungen des § 44a Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 oder 3 EStG, ist der Kapitalertragsteuerabzug nicht vorzunehmen; bei steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben von steuerbegünstigten BgA richtet sich die Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug nach § 44a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 EStG.
Bekanntmachung einer vorläufigen Staatenaustauschliste im Sinne des § 1 Abs. 1 FKAustG für den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zum 30. September 2019
Nach den Vorgaben des Gesetzes zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen (Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz – FKAustG) werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zum 30. September 2019 zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates im Sinne des § 1 Abs. 1 FKAustG automatisch ausgetauscht (§ 27 Abs. 1 FKAustG).
Dem BZSt sind hierfür von den meldenden Finanzinstituten die Finanzkontendaten zu den meldepflichtigen Konten nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch im Wege der Datenfernübertragung zum 31. Juli 2019 zu übermitteln (§ 27 Abs. 2 FKAustG).
Zu den Staaten im Sinne des § 1 Abs. 1 FKAustG, mit denen der automatische Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen erfolgt, zählen
Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufgrund der Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG (ABl. L 64 vom 11. März 2011, Seite 1; Amtshilferichtlinie) in der Fassung der Richtlinie 2014/107/EU (ABl. L 359 vom 16. Dezember 2014, Seite 1),
Drittstaaten, die Vertragsparteien der von der Bundesrepublik Deutschland in Berlin unterzeichneten Mehrseitigen Vereinbarung vom 29. Oktober 2014 zwischen den zuständigen Behörden über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten (BGBl. 2015 II Seiten 1630, 1632) sind und diese in ihr nationales Recht verpflichtend aufgenommen haben sowie Vertragsparteien des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen (BGBl. 2015 II Seiten 966, 967) sind und die gewährleisten, dass sie die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1, insbesondere Buchstabe e der Mehrseitigen Vereinbarung vom 29. Oktober 2014 zwischen den zuständigen Behörden über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten erfüllen,
Drittstaaten, die Verträge mit der Europäischen Union zur Vereinbarung des automatischen Austauschs von Informationen über Finanzkonten im Sinne der unter Nummer 1 angeführten Richtlinie 2014/107/EU (ABl. L 359 vom 16. Dezember 2014, Seite 1) geschlossen haben, sowie
Drittstaaten, mit denen die Bundesrepublik Deutschland ein Abkommen über den steuerlichen Informationsaustausch geschlossen hat, nach dem ein automatischer Austausch von Informationen erfolgen kann.
Hiermit werden die Staaten im Sinne des § 1 Abs. 1 FKAustG bekannt gegeben, mit denen voraussichtlich der automatische Datenaustausch zum 30. September 2019 erfolgt und für welche die meldenden Finanzinstitute Finanzkontendaten zum 31. Juli 2019 dem BZSt zu übermitteln haben (vorläufige FKAustG-Staatenaustauschliste 2019).
Zunächst werden in die vorläufige FKAustG-Staatenaustauschliste 2019 alle Staaten aufgenommen, welche sich zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen international bekannt haben. Sofern diese alle rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten erfüllen, werden diese nach Prüfung in die finale FKAustG-Staatenaustauschliste 2019 übernommen.
Die Bekanntmachung einer finalen FKAustG-Staatenaustauschliste 2019 erfolgt im Rahmen eines weiteren BMF-Schreibens bis Ende Juni 2019.
Die vorläufige FKAustG-Staatenaustauschliste 2019 wird im Schreiben dargestellt.
Quelle: BMF, Schreiben IV B 6 – S-1315 / 13 / 10021 :052 vom 29.01.2019
Berlin: (hib/HLE) Die Bundesregierung bereitet sich mit Änderungsplanungen für den Finanzmarkt auf den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union vor. Dazu hat sie den Entwurf eines Gesetzes über steuerliche und weitere Begleitregelungen zum Austritt des Vereinigten Königsreiches Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (19/7377) eingebracht. In dem Brexit-Steuerbegleitgesetz (Brexit-StBG) heißt es, der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU werde auch auf die Unternehmen des Finanzsektors und deren Geschäfte vielfältige Auswirkungen haben. So würde ein ungeregelter Austritt Großbritanniens dazu führen, dass Unternehmen des Finanzsektors aus Großbritannien das Marktzutrittsrecht (Europäischer Pass) verlieren. Davon könnten zum Beispiel im Derivatebereich eine Vielzahl von Verträgen mit sehr großen Geschäftsvolumina betroffen sein. „Wären die betreffenden Finanzunternehmen aus dem Vereinigten Königreich ausnahmslos gezwungen, ihre grenzüberschreitenden Vertragsbeziehungen im Inland nach dem Brexit unverzüglich abzuwickeln, könnte dies absehbar in vielen Fällen nicht nur für diese Unternehmen, sondern auch für deren inländische Geschäftspartner machteilige Auswirkungen haben“, heißt es in dem Entwurf. Dadurch könnte die Funktion der Finanzmärkte beeinträchtigt werden. Eine massenweise Beendigung von Finanzmarktkontrakten könnte zu Marktverwerfungen und Risiken für die Finanzmarktstabilität führen.
Zur Sicherung der Funktionsfähigkeit und Stabilität der Finanzmärkte sieht der Gesetzentwurf unter anderem vor, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Möglichkeit bekommt, bestimmten Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich übergangsweise die weitere Nutzung des Europäischen Passes zu gestatten. „Diese Ermächtigung wird aber flexibel ausgestaltet, um auf Veränderungen etwa des Regulierungsumfeldes im Vereinigten Königreich oder bei den betreffenden Unternehmen adäquat reagieren zu können“, schreibt die Regierung in der Begründung des Gesetzentwurfs.
Zur Wahrung der Interessen von Versicherungsnehmern und der Begünstigten aus den Versicherungsverträgen kann die BaFin den betroffenen Versicherungsunternehmen aus dem Vereinigten Königreich erlauben, ihre bisherige Geschäftstätigkeit im Inland für einen Übergangszeitraum fortzuführen. Dies soll allerdings nur im Hinblick auf die Abwicklung des vor dem Zeitpunkt des Brexits abgeschlossenen Versicherungsgeschäfts möglich sein.
Die steuersatzbegünstigte Eintrittsberechtigung für Museen gilt auch für Kunstsammlungen, die eigens für die Ausstellung zusammengestellt wurden. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 22. November 2018 V R 29/17 zu einem sog. Eismuseum entschieden.
Der Kläger veranstaltete während der Wintermonate im Streitjahr 2010 zwei themenbezogene Ausstellungen mit Eisskulpturen, die von internationalen Künstlern eigens für die Ausstellung geschaffen und später witterungsbedingt zerstört wurden. Die Ausstellungen konnten gegen Eintrittsgeld besucht werden. Der Kläger begehrte die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von 7 %. Finanzamt und Finanzgericht lehnten dies ab. Zwar handelte es sich bei den Eisskulpturen um Kunstgegenstände, es liege aber keine Sammlung vor, die für den Museumsbegriff vorausgesetzt werde. Der Kläger unterhalte keine eigene Sammlung, sondern stelle nur vorübergehend aus. Der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes sei daher nicht anzuwenden.
Demgegenüber hob der BFH das Urteil der Vorinstanz auf und gab der Klage statt. Danach umfasst die Eintrittsberechtigung für Museen auch den Eintritt zu einer Sammlung von Kunstgegenständen, die eigens für die Ausstellung und damit nur vorübergehend, nicht aber dauerhaft zusammengestellt wurden. Der BFH weist ausdrücklich darauf hin, dass es für die Steuersatzermäßigung nicht darauf ankommt, ob z. B. Sonderausstellungen komplett aus den Sammlungsbeständen anderer Einrichtungen oder privater Leihgeber zusammengestellt sind oder aber nur zu einem geringen Anteil aus der eigenen Sammlung bestückt werden. Die Entscheidung des BFH kann auch für sog. Wanderausstellungen von Bedeutung sein, die an unterschiedlichen Orten gegen Eintrittsgeld zugänglich sind.
Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 4/19 vom 30.01.2019 zum Urteil V R 29/17 vom 22.11.2018
Rund 270 niedersächsische Steuerfahnderinnen und -fahnder haben für den Fiskus im Jahr 2018 rund 151 Millionen Euro Mehrsteuern festgestellt. „Diese Mittel wären ohne die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen in den Finanz- und Fahndungsämtern dem Gemeinwesen durch kriminelles Verhalten Einzelner vorenthalten geblieben. Steuerhinterziehung ist ein Vergehen gegen den Staat und seine Gesellschaft. Wer sich so unsolidarisch verhält schadet der gesamten Gesellschaft.“
Auch die konsequente Verfolgung missbräuchlicher Steuergestaltung sei Grundlage des staatlichen Anspruchs auf rechtskonformes Verhalten seiner Bürger und für das Gemeinwesen daher enorm wichtig, verdeutlichte Hilbers. Er wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch das Aufdecken bisher nicht bekannter Steuerfälle Teil des Verantwortungsbereichs der Steuerfahndung sei.
Nach wie vor erzeugen auch der wachsende internationale Datenaustausch in den letzten Jahren sowie die entsprechenden Abkommen Druck auf Steuerhinterzieher, die sich einer Entdeckung immer gewärtig sein müssten. Dies gelte insbesondere auch für die Auswertung von Datenträgern. Die gesamten Einnahmen Niedersachsens im Zusammenhang mit Ankäufen von Daten aus den Ländern Schweiz, Luxemburg sowie Liechtenstein betrugen (seit 2008) zum Jahresende 2018 insgesamt rund 379 Millionen Euro. Hierzu wurden in Niedersachsen rund 14.400 Vorgänge bearbeitet von denen über die Hälfte aus Selbstanzeigen resultierten. Dabei machen die Verfahren im Zusammenhang mit Kapitalanlagen in der Schweiz mit rund 284 Millionen Euro den Großteil aus. In vereinzelten Fällen führten die Verfahren auch zu Freiheitsstrafen. Niedersachsen hat sich bisher mit rund 900.000 Euro an den Datenankäufen beteiligt.
Finanzminister Hilbers: „Ich setze auch weiter auf effektive Regelungen zum internationalen Datenaustausch. Steuergerechtigkeit darf nicht von Zufälligkeiten abhängen.“
Insgesamt 827 Selbstanzeigen von Steuerhinterziehern haben die niedersächsischen Finanzbehörden im Jahr 2018 registriert. Damit ist die Anzahl der Selbstanzeigen nach den gesetzlichen Verschärfungen Anfang 2015 weiter rückläufig. „Der anhaltend rückläufige Trend bestätigt unsere Erwartungen und dient als Beleg dafür, dass die verschärften rechtlichen Sanktionen bei vielen Steuerhinterziehern zu einem Umdenken geführt haben und viele mit Blick auf die Zukunft den Weg zurück in die Steuerehrlichkeit gewählt haben. Denn zukünftig steuerehrliches Verhalten ist für Steuerhinterzieher in aller Regel nur nach vorheriger Selbstanzeige möglich. Niemand sollte heutzutage noch davon ausgehen, bis zum Ablauf der bei Steuerhinterziehungen verlängerten Verjährungsfrist noch unentdeckt bleiben zu können“, ergänzte Minister Hilbers.
Quelle: FinMin Niedersachsen, Pressemitteilung vom 29.01.2019
Auswirkungen des BFH-Urteils vom 27. September 2018 – V R 49/17
Mit Urteil vom 27. September 2018 – V R 49/17 -, BStBl II 2019 Seite xxx, hat der BFH entschieden, dass ein Bauträger, der aufgrund der rechtsirrigen Annahme seiner Steuerschuld als Leistungsempfänger von ihm bezogene Bauleistungen nach § 13b UStG versteuert hat, das Entfallen dieser rechtswidrigen Besteuerung entgegen der Verwaltungsauffassung (BMF-Schreiben vom 26. Juli 2017, BStBl I Seite 1001, Tz. 15a) geltend machen kann, ohne dass es darauf ankommt, dass er einen gegen ihn gerichteten Nachforderungsanspruch des leistenden Unternehmers erfüllt oder die Möglichkeit für eine Aufrechnung durch das Finanzamt besteht.
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird die Tz. 15a des o. g. BMF-Schreibens vom 26. Juli 2017 gestrichen.
Dieses Schreiben ist auf alle noch offenen Fälle anzuwenden.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) III C 3 – S-7279 / 19 / 10001 :001 // IV A 3 – S-0354 / 14 / 10001 :019 vom 24.01.2019
Durch Artikel 9 des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.Dezember 2018 (BGBl I S. 2338) wurden § 22f – Besondere Pflichten für Betreiber eines elektronischen Marktplatzes – und § 25e – Haftung beim Handel auf einem elektronischen Marktplatz – in das Umsatzsteuergesetz (UStG ) eingefügt. Zudem wurde in § 27 UStG – Allgemeine Übergangsvorschriften – ein neuer Abs. 25 eingefügt. Die vorgenannten Regelungen treten gemäß Artikel 20 Abs. 3 des o. g. Gesetzes am 1. Januar 2019 in Kraft.
Unter Bezugnahme auf die Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt Folgendes:
Aufzeichnungspflichten (§ 22f UStG )
[1] Gemäß § 22f Abs. 1 Satz 1 UStG hat der Betreiber eines elektronischen Markplatzes zu den auf seinem Marktplatz tätigen Unternehmern, die Lieferungen im Rahmen ihres Unternehmens ausführen, die auf dem von ihm bereitgestellten Marktplatz rechtlich begründet wurden und bei denen die Beförderung oder Versendung im Inland beginnt oder endet, folgende Grunddaten aufzuzeichnen:
a) den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des liefernden Unternehmers unter der dieser im Inland steuerlich erfasst ist oder die er im Antrag auf steuerliche Erfassung angegeben hat
b) die dem liefernden Unternehmer von dem nach § 21 Abgabenordnung (AO ) zuständigen Finanzamt erteilte Steuernummer (StNr.)
c) – soweit vorhanden – die vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.)
d) Beginn und Enddatum der Gültigkeit der nach § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG vom zuständigen Finanzamt erteilten Bescheinigung über die steuerliche Erfassung des Unternehmers.
Der Nachweis zu den unter Buchst. a) bis d) erforderlichen Angaben ist vom Betreiber des elektronischen Marktplatzes durch eine im Zeitpunkt der jeweiligen Lieferung vorliegende gültige Bescheinigung des nach § 21 AO zuständigen Finanzamtes über die steuerliche Erfassung des liefernden Unternehmers zu erbringen. Steuerliche Erfassung im Sinne dieser Regelung bedeutet, dass eine Erfassung für die Umsatzsteuer erfolgt ist (vgl. Rz. 4).
Zusätzlich zu den Grunddaten sind zu den o. g. Lieferungen folgende Angaben aufzuzeichnen:
e) Ort des Beginns der Beförderung oder Versendung sowie den Bestimmungsort Bezüglich der Ortsbestimmung gelten die allgemeinen Regelungen des UStG (vgl. § 3 Abs. 5a bis 8 UStG ). Die Ortsangabe des Bestimmungsortes ist als vollständige Anschrift aufzuzeichnen.
f) Zeitpunkt des Umsatzes Die Regelungen des § 3 Abs. 5a bis 8 UStG sind für die Bestimmung des Zeitpunktes der Lieferungen entsprechend anzuwenden.
g) Höhe des Umsatzes
Die Höhe des Umsatzes bemisst sich entsprechend § 10 UStG nach dem Entgelt. Dabei sind Entgeltminderungen, wenn dem Lieferempfänger Rabatte, Skonti, Preisnachlässe u. ä. gewährt werden, zu berücksichtigen. Die Entgeltminderung ist nicht gesondert aufzuzeichnen.
Eine Lieferung im umsatzsteuerlichen Sinne und damit ein Umsatz liegt nicht vor, wenn der Lieferempfänger die Ware nicht annimmt bzw. in der ihm gewährten Frist zurücksendet (Rückgabe).
[2 ] Erfolgte die Registrierung auf dem elektronischen Marktplatz nicht als Unternehmer im Sinne des UStG , gelten die o. g. Aufzeichnungspflichten zu Buchstaben a), e), f) und g) entsprechend (§ 22f Abs. 2 Satz 1 UStG ). Als Anschrift ist die Wohn- bzw. Meldeadresse aufzuzeichnen. In den Grunddaten ist für Zwecke der eindeutigen Identifizierung des Lieferers bei natürlichen Personen zusätzlich das Geburtsdatum aufzuzeichnen (§ 22f Abs. 2 Satz 2 UStG ).
[3 ] Für die unter Rz. 1 und 2 genannten aufzuzeichnenden Angaben gilt gemäß §147 Abs. 1 Nummer 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 AO eine Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren. Die Vorschriften der AO zu den Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten gelten entsprechend. Dies gilt insbesondere für § 146 AO und die Grundsätze zur ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff[1]. Verstöße gegen die bestehenden gesetzlichen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten können nach Maßgabe der AO als Ordnungswidrigkeit (§ 379 AO ) geahndet werden.
Bescheinigung über die steuerliche Erfassung (§ 22f Abs. 1 UStG )
[4 ] Die Bescheinigung über die steuerliche Erfassung nach § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG wird von dem nach § 21 AO zuständigen Finanzamt auf Antrag hin erteilt. Für den Antrag kann das bundeseinheitliche Vordruckmuster USt 1 TJ verwendet werden[2]. Wird das Vordruckmusterfür die Antragstellung nicht verwendet, sind die hierin verlangten Angaben in dem formlosen Antrag anzugeben. Der Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung ist schriftlich per Post oder E-Mail an das zuständige Finanzamt zu senden/übermitteln. Die Bescheinigung ist längstens bis zum 31. Dezember 2021 befristet[3]. Die Bescheinigung dient als Nachweis gegenüber dem Marktplatzbetreiber, dass der Unternehmer steuerlich erfasst ist. Die Beurteilung der umsatzsteuerlichen Zuverlässigkeit ist nicht Bestandteil dieser Bescheinigung. Vorliegende Anhaltspunkte, die darauf hinweisen, dass der Antragsteller seinen umsatzsteuerlichen Pflichten nicht oder nicht im wesentlichen Umfang nachkommt, stehen einer Erteilung der Bescheinigung nicht entgegen.
[5 ] Auch Kleinunternehmer nach § 19 UStG erhalten auf Antrag vom zuständigen Finanzamt eine Bescheinigung über ihre steuerliche Erfassung (§ 22f Abs. 1 Satz 2 UStG ) zur Vorlage bei den Marktplatzbetreibern.
[6 ] In Fällen, in denen der liefernde Unternehmer im Inland keine steuerbaren Umsätze ausführt und es somit keiner steuerlichen Erfassung bedarf, ist keine Bescheinigung nach § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG erforderlich. Dies trifft insbesondere auf folgende Fälle zu:
a) Unternehmer, die im Gemeinschaftsgebiet ausschließlich Lieferungen ausführen, die unter § 3c UStG fallen, die aber auf Grund der Anwendung der Lieferschwellein § 3c Abs. 3 UStG im Inland nicht steuerbar sind. In diesen Fällen kann der Betreibereines elektronischen Marktplatzes zum Nachweis der steuerlichen Erfassung die dem liefernden Unternehmer erteilte und zum Zeitpunkt der Lieferung gültige USt-IdNr. aufzeichnen. Soweit der liefernde Unternehmer nicht über eine USt-IdNr. verfügt, hat der Betreiber des elektronischen Marktplatzes in geeigneter Weise nachzuweisen, dass die von dem Unternehmer ausgeführten Lieferungen im Inland nicht steuerbar sind, weil die Lieferschwelle nach § 3c Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 UStG nicht überschritten ist (z. B. durch Abgabe einer entsprechenden Erklärung durch den betreffenden Unternehmer; vgl. Rz. 18).
Auf Antrag wird jedoch auch in diesen Fällen eine Bescheinigung nach§22f Abs. 1 Satz 2 UStG erteilt, wenn der Unternehmer im Inland steuerlich erfasst ist.
b) Unternehmer, die ausschließlich Lieferungen an Abnehmer im Inland ausführen, bei denen die Beförderung oder Versendung nach Abschluss des Kaufvertrages im Drittland beginnt(sog. Direktverkäufe) und für die keine Steuerpflicht (§ 3 Abs. 8 UStG ) bzw. Pflicht zur steuerlichen Erfassung im Inland besteht. Auch in diesen Fällen muss der Betreiber des elektronischen Marktplatzes einen entsprechenden Nachweis in geeigneter Weise vorhalten (z. B. durch Abgabe einer entsprechenden Erklärung durch den betreffenden Unternehmer).
[7] Bis zur Einrichtung eines elektronischen Verfahrens wird die Bescheinigung übergangsweise in Papierform (§ 27 Abs. 25 Satz 3 UStG ) nach dem bundeseinheitlichen Vordruckmuster USt 1 TI erteilt[4]. Unabhängig davon, ob der antragstellende Unternehmer angibt, dass er Waren auf mehr als einem elektronischen Marktplatz anbietet bzw. beabsichtigt anzubieten, wird jedem Unternehmer nur eine Bescheinigung erteilt. Diese kann, soweit erforderlich, vom Unternehmer in ein elektronisches Format überführt und elektronisch an den oder die Marktplatzbetreiber weitergeleitet werden.
[8] Für den Fall, dass ein Unternehmer, dem bereits eine Bescheinigung über seine steuerliche Erfassung vom zuständigen Finanzamt erteilt wurde (§ 22f Abs. 1 Satz 2 UStG ), gegenüber dem Finanzamt angibt, dass diese verloren gegangen sei, wird dem Unternehmer eine Ersatzbescheinigung erteilt. Soweit Änderungen der Grunddaten (z. B. Adresse oder StNr.) eintreten, wird dem Unternehmer auf Antrag eine neue Bescheinigung durch das zuständige Finanzamt erteilt.
[9] Hat der Betreiber eines elektronischen Marktplatzes begründete Zweifel an der Echtheit einer ihm von einem Unternehmer vorgelegten Bescheinigung nach § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG , hat das in der Bescheinigung genannte Finanzamt ihm auf Rückfrage Auskunft darüber zu erteilen, ob die Bescheinigung gültig ist (§ 22f Abs. 1 Satz 6 UStG ). Unterlässt der Betreiber des elektronischen Marktplatzes die Rückfrage, läuft er Gefahr, für die nicht entrichtete Umsatzsteuer des betreffenden Unternehmers für Lieferungen, die auf seinem Marktplatz rechtlich begründet wurden, in Haftung genommen zu werden (§ 25e Abs. 1 UStG ).
[10] Gemäß § 22f Abs. 1 Satz 4 UStG müssen Unternehmer ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder Geschäftsleitung im Inland, einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anwendbar ist, spätestens mit Stellen des Antrags auf Erteilung einer Bescheinigung über die umsatzsteuerliche Erfassung beim zuständigen Finanzamt nach § 21 AO einen Empfangsbevollmächtigten im Inland benennen. Der zu benennende Empfangsbevollmächtigte muss nicht zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen nach § 3 Steuerberatungsgesetz befugt sein. Unterbleibt die Benennung in den einschlägigen Fällen, wird dem Antragsteller auch bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen keine Bescheinigung über die umsatzsteuerliche Erfassung erteilt.
III. Haftung beim Handel auf einem elektronischen Marktplatz (§ 25e UStG )
[11] Der neu eingeführte Haftungstatbestand dient der Bekämpfung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren auf elektronischen Marktplätzen. Der Haftungstatbestand umfasst Fälle, in denen die Ware vor Abschluss des Kaufvertrages auf dem elektronischen Marktplatz zwischen dem Lieferer (unabhängig davon, ob dieser im Drittland, in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder im Inland ansässig ist) und dem Lieferempfänger im Inland oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet lagert, der Ort der Lieferung im Inland liegt und die Lieferung damit im Inland steuerbar und steuerpflichtig ist. Sogenannte Direktverkäufe, bei denen die Ware bei Abschluss des Kaufvertrages nicht im Inland lagert, die Beförderung oder Versendung im Drittland beginnt und der Ort der Lieferung nicht nach § 3 Abs. 8 UStG im Inland liegt, werden von dem Haftungstatbestand nicht erfasst. Die Aufzeichnungspflichten nach § 22f Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 4 und 5 UStG gelten jedoch auch für diese Lieferungen (vgl. Rz. 1).
[12] Nach § 25e Abs. 1 UStG haftet der Betreiber eines elektronischen Marktplatzes für die nicht entrichtete Umsatzsteuer aus der Lieferung von Gegenständen von Unternehmern, die auf dem von ihm bereitgestellten Marktplatz rechtlich begründet wurde. Grundlage für die rechtliche Begründung einer Lieferung ist ein Kaufvertrag. Zivilrechtlich kommt ein Kaufvertrag durch übereinstimmende Willenserklärung, Angebot und Annahme der den Vertrag schließenden Parteien (Verkäufer/Lieferer und Käufer/Lieferempfänger) zustande. Eine Lieferung gilt als auf einem elektronischen Marktplatz rechtlich begründet, wenn der Kaufvertrag mit Hilfe eines automatisierten Bestellvorgangs zustande gekommen ist, der auf dem elektronischen Marktplatz durchgeführt wurde.
[13] Für die Beurteilung der Frage zur Entstehung der Steuer gilt § 13 Abs. 1 UStG .
[14] Die Haftung nach § 25e Abs. 1 UStG tritt grundsätzlich nicht ein, wenn dem Betreiber des elektronischen Marktplatzes eine gültige Bescheinigung nach § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG vorliegt (vgl. Rz. 4).
[15] Die Haftung nach § 25e Abs. 1 UStG tritt abweichend von Rz. 14 ein, wenn davon auszugehen ist, dass der Betreiber eines elektronischen Marktplatzes davon Kenntnis hatte oder nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hätte haben müssen, dass der liefernde Unternehmer seinen umsatzsteuerlichen Pflichten nicht oder nicht im vollen Umfang nachkommt (§ 25e Abs. 2 Satz 2 UStG ). Unabhängig davon ist die Haftung immer dann möglich, wenn der Betreiber keine Bescheinigung nach § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG vorlegt. In diesen Fällen kommt es auf eine Kenntnis des Betreibers, ob der liefernde Unternehmer seinen umsatzsteuerlichen Pflichten nachkommt, nicht an.
[16] Von einer Kenntnis oder einem Kennenmüssen ist insbesondere auszugehen, wenn der Betreiber des elektronischen Marktplatzes ihm offensichtliche oder bekanntgewordene Tatsachen außer Acht lässt, die auf eine umsatzsteuerliche Pflichtverletzung des auf seinem Marktplatz tätigen Unternehmers schließen lassen. Ein aktives Ausforschen ist dazu nicht erforderlich. Das Kennenmüssen bezieht sich hierbei lediglich auf Sachverhalte, die dem Betreiber im Rahmen seines eigenen Unternehmens bekannt werden und auf eine umsatzsteuerliche Pflichtverletzung schlussfolgern lassen. In diesen Fällen haftet der Betreiber des elektronischen Marktplatzes nicht, wenn er den auf seinem Marktplatz tätigen Unternehmer auf die Pflichtverletzung hinweist und ihn auffordert, diese innerhalb einer Frist (längstens zwei Monate) abzustellen und der Unternehmer dieser Aufforderung nachkommt. In den Fällen, in denen der Unternehmer der vorgenannten Aufforderung des Markplatzbetreibers nicht nachkommt, scheidet eine Haftung nach § 25e Abs. 2 Satz 2 UStG nur aus, wenn der Marktplatzbetreiber den Unternehmer nach Ablauf der gesetzten Frist (längstens zwei Monate) vom weiteren Handel auf seinem Marktplatz ausschließt (Sperrung der Accounts). Gleiches gilt für die Frage, ob die Umsätze im Rahmen eines Unternehmens erbracht werden (§ 25e Abs. 3 UStG ), die Frage der Überschreitung der Lieferschwelle nach § 3c Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 UStG und die Frage, ob für die ausgeführte Lieferung eine Steuerpflicht im Inland besteht. In den Fällen, in denen der Unternehmer im Rahmen der vom Marktplatzbetreiber gesetzten Frist nicht der Aufforderung nachkommt, seine umsatzsteuerlichen Pflichten zu erfüllen und der Marktplatzbetreiber den betreffenden Unternehmer vom weiteren Handel auf seinem elektronischen Marktplatz ausschließt (Sperrung aller auf dem Marktplatz bestehenden Accounts), sollte der Marktplatzbetreiber die Finanzverwaltung informieren.
[17] Liegen die Voraussetzungen für eine Haftung nach § 25e Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 UStG vor, ist der Betreiber des elektronischen Marktplatzes zunächst anzuhören (§ 91 Abs. 1 Satz 1 AO ). Die Darlegungs- und Feststellungslast der Kenntnis oder des Kennenmüssens liegt grundsätzlich bei dem für den Erlass des Haftungsbescheids zuständigen Finanzamt. Zuständig für die Durchführung des Haftungsverfahrens ist das für den liefernden Unternehmer örtlich zuständige Finanzamt (§ 25e Abs. 7 UStG , § 21 AO ). Im Rahmen der Anhörung ist dem Marktplatzbetreiber Gelegenheit zu geben, die Kenntnis oder das Kennenmüssen zu widerlegen.
[18] Nach § 25e Abs. 3 UStG haftet der Betreiber eines elektronischen Marktplatzes nicht für die entstandene und nicht abgeführte Umsatzsteuer aus Lieferungen, die auf seinem Marktplatz rechtlich begründet wurden, wenn die Registrierung des Lieferers auf dem Markplatz nicht als Unternehmer erfolgt ist (folglich auch keine Bescheinigung nach § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG vorgelegt wurde) und der Betreiber des elektronischen Marktplatzes den hierfür geltenden Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten nach § 22f Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 UStG nachgekommen ist. Dies gilt nach § 25e Abs. 3 Satz 2 UStG nicht in Fällen, in denen der Marktplatzbetreiber nachweislich nach Art, Menge oder Höhe der Umsätze Kenntnis hatte oder nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hätte haben müssen, dass die Registrierung als Nichtunternehmer zu Unrecht erfolgt ist. § 2 Abs. 1 UStG gilt entsprechend. Für die Abgrenzung, ob es sich um eine unternehmerische Tätigkeit handelt, ist grundsätzlich nur die Tätigkeit auf dem eigenen Marktplatz maßgebend. Das Erreichen einer bestimmten Umsatzhöhe reicht für die Beurteilung der Frage, ob eine Tätigkeit unternehmerisch ausgeführt wird, allein nicht aus. Unabhängig davon ist ein deutliches Anzeichen dafür, dass die Registrierung auf einem elektronischen Marktplatz als Nichtunternehmer zu Unrecht erfolgte, wenn der auf dem Marktplatz erzielte Umsatz eine Höhe von 17.500 Euro innerhalb eines Kalenderjahres erreicht. Gleiches gilt für Fälle, in denen der Unternehmer dem Betreiber des elektronischen Marktplatzes mitgeteilt hat, dass keine Steuerpflicht im Inland nach § 3c Abs. 3 UStG besteht und die Höhe der Umsätze auf dem Marktplatz die Lieferschwelle nach § 3c Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UStG erreicht bzw. wenn dem Marktplatzbetreiber Erkenntnisse vorliegen, dass entgegen den Angaben des Unternehmers bei der Registrierung auf seinem Marktplatz im Inland steuerpflichtige Umsätze erbracht werden, eine steuerliche Erfassung durch das zuständige Finanzamt nicht erfolgt ist und damit auch keine Umsatzsteuer auf die erzielten Umsätze entrichtet wird.
[19] Liegen dem nach § 21 AO örtlich zuständigen Finanzamt Erkenntnisse vor, dass ein Unternehmer, der Umsätze auf einem elektronischen Markplatz ausführt, seinen umsatzsteuerlichen Pflichten nicht nachkommt und andere von ihm zu veranlassende Maßnahmen keinen unmittelbaren Erfolg versprechen, ist es nach § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG berechtigt, den betreffenden Betreiber eines elektronischen Marktplatzes hierüber zu informieren (Offenbarungsbefugnis). Mit dem Zugang dieser Mitteilung ist dem Marktplatzbetreiber die Möglichkeit einzuräumen, dass er innerhalb der vom Finanzamt gesetzten Frist auf den betreffenden Unternehmer einwirkt, dass dieser seinen umsatzsteuerlichen Pflichten nachkommt oder sicherstellt, dass der Unternehmer über seinen Marktplatz keine weiteren Umsätze ausführen kann (Sperrung der Accounts). Für die Frage, wann die Mitteilung zugegangen ist, gelten die Regelungen des § 122 AO entsprechend. Weist der Marktplatzbetreiber innerhalb der gesetzten Frist nach, dass der betreffende Unternehmer über seinen Marktplatz keine Waren mehr anbieten kann (Sperrung der Accounts), wird eine Inanspruchnahme nach § 25e Abs. 4 Satz 2 UStG für die nicht entrichtete Umsatzsteuer hinfällig. Wird dieser Nachweis vom Marktplatzbetreiber in der gesetzten Frist nicht erbracht, haftet er nach § 25e Abs. 4 Satz 2 UStG für die entstandene und nicht entrichtete Umsatzsteuer aus Umsätzen auf seinem Marktplatz, bei denen das Rechtsgeschäft nach Zustellung der Mitteilung vom Finanzamt abgeschlossen wurde. Gleiches gilt in Fällen, in denen die Registrierung auf dem elektronischen Marktplatz als Nichtunternehmer erfolgte und das nach § 21 AO örtlich zuständige Finanzamt dem Betreiber eines elektronischen Marktplatzes mitgeteilt hat, dass die Tätigkeit im Rahmen eines Unternehmens erfolgt.
[20] § 25e Abs. 5 UStG enthält die Definition des elektronischen Markplatzes, der unter die neu eingeführten gesetzlichen Regelungen fällt. Nicht unter die Regelungen fallen elektronische Marktplätze, die das vorgesehene Erfordernis, dass es einem Dritten, der nicht Betreiber des elektronischen Marktplatzes ist, ermöglicht wird, über diesen elektronischen Marktplatz Umsätze auszuführen, nicht erfüllen (sog. Vermittlungsmarktplatz, der die Funktion eines „Schwarzen Brettes“ übernimmt). In diesen Fällen kann sich der Nutzer über bestehende Angebote Dritter informieren und Kontakt zu einem möglichen Vertragspartner aufnehmen. Das für einen Umsatz i. S. d. UStG erforderliche Rechtsgeschäft wird nicht auf der Vermittlungsplattform rechtlich begründet, sondern über einen anderen Weg und zu einem anderen Zeitpunkt.
[21] Die Aufzeichnungspflichten nach § 22f Abs. 1 bis 3 UStG gelten gemäß § 27 Abs. 25 UStG ab dem 1. Januar 2019. Aus Vereinfachungsgründen wird es nicht beanstandet, wenn der Betreiber eines elektronischen Markplatzes diese für die in § 22f Abs. 1 Satz 4 UStG genannten Unternehmer erst zum 1. März 2019 und für die übrigen dort nicht genannten Unternehmer diese erst zum 1. Oktober 2019 erfüllt.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
Die Kommission hat am 24.01.2019 beschlossen, Deutschland vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen, weil das Land bestimmte Anträge auf Mehrwertsteuererstattung von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten abgelehnt hat.
Konkret weigert sich Deutschland in einigen Fällen, die Mehrwertsteuer zu erstatten, ohne zusätzliche Angaben beim Erstattungsantragsteller einzuholen, wenn nach Auffassung der deutschen Behörden die Informationen über die Art der gelieferten Gegenstände bzw. der erbrachten Dienstleistungen nicht ausreichen, um über eine Mehrwertsteuererstattung zu entscheiden.
Diese Praxis führt dazu, dass eine Mehrwertsteuererstattung an Antragsteller abgelehnt wird, die die wesentlichen Anforderungen erfüllen, wodurch Deutschland gegen das Recht auf eine Mehrwertsteuererstattung gemäß den EU-Rechtsvorschriften (Mehrwertsteuerrichtlinie, Richtlinie 2006/112/EG des Rates, Erstattungsrichtlinie, Richtlinie 2008/9/EG des Rates) verstößt.
Mit dem Beschluss nimmt die Europäische Kommission ihre Aufgabe als Hüterin der Verträge wahr und setzt EU-Recht durch. Der Fall wird an den Gerichtshof verwiesen, da Deutschland seine Rechtsvorschriften nach Übermittlung der mit Gründen versehenen Stellungnahme der Kommission nicht mit EU-Recht in Einklang gebracht hat.
Hintergrund
Die meisten Unternehmen, die Mehrwertsteuer im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten in einem EU-Land entrichten, in das sie normalerweise keine Gegenstände liefern bzw. in dem sie normalerweise keine Dienstleistungen erbringen (und daher nicht für MwSt-Zwecke registriert sein müssen), sind gemäß der Mehrwertsteuerrichtlinie (Richtlinie 2006/112/EG des Rates) dennoch zum Abzug dieser Mehrwertsteuer berechtigt. Dieser „Abzug“ erfolgt durch eine Erstattung aus dem EU-Land, in dem die Mehrwertsteuer entrichtet wurde.
Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 24.01.2019
Der Schwerpunkt der Berliner Finanzverwaltung bei den steuerlichen Überprüfungen lag 2018 auf dem Gastronomiebereich. Die verstärkten Betriebsprüfungen haben bislang zu einem Mehrergebnis von rund 15,9 Mio. Euro geführt. Bis zum 30. November 2018 wurden 1.021 Betriebsprüfungen nach § 193 Abgabenordnung abgeschlossen. Davon wurden bereits 689 Betriebsprüfungen ausgewertet. In 27 Fällen wurden bereits Strafbeziehungsweise Bußgeldverfahren eingeleitet.
Finanzsenator Dr. Matthias Kollatz betont: „Das Ergebnis der diesjährigen schwerpunktmäßigen Kontrollen zeigt, dass es richtig war, den Fokus auf den Gastronomiebereich zu legen. Allein aus den zehn Fällen mit dem höchsten Mehrergebnis resultieren rund 3,4 Mio. Euro. Das entspricht nicht unserer Vorstellung von Steuerehrlichkeit. Wir werden daher mit unseren Außenprüferinnen und Außenprüfern weiterhin präsent und konsequent sein. Wie alle anderen Branchen muss auch der Gastronomiesektor den gesetzlichen Steuerpflichten ordnungsgemäß nachkommen.“
Nachdem die Berliner Finanzverwaltung 2017 einen Schwerpunkt auf die Prüfung des Taxigewerbes gelegt hatte, lag der Fokus in diesem Jahr auf dem Gastronomiebereich. In Berlin gibt es rund 15.000 Gastronomiebetriebe. Hierzu zählen neben Gaststätten und Restaurants auch Imbissstuben, Cafés, Eissalons, Caterer oder Schankwirtschaften. Ziel war es, die Prüfquote in diesem Jahr zu verdoppeln und mindestens 1.000 Gastronomiebetriebe zu überprüfen. In den vergangenen Jahren wurden jeweils rund 3,5 Prozent der Gastronomiebetriebe von den Berliner Finanzämtern steuerlich überprüft.
Seit dem 1. Januar 2018 steht der Finanzverwaltung das rechtliche Instrument der Kassen-Nachschau zur Verfügung. Die gespeicherten Geldbewegungen der Kasse werden kontrolliert und die verzeichneten Einnahmen und Ausgaben auf Plausibilität geprüft. Gibt es keine elektronische Kasse, erfolgt ein sogenannter Kassensturz. Gemäß § 146b Abgabenordnung sind in diesem Jahr über 500 Nachschauen erfolgt. Diese liefern wichtige Erkenntnisse für die anschließende Betriebsprüfung.
Presseinformation der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen
Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin