Ordnungsmäßigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung

Niedersächsisches Finanzgericht 1. Senat, Urteil vom 17.04.2018, 1 K 233/17, ECLI:DE:FGNI:2018:0417.1K233.17.00

§ 110 Abs 1 AO, § 356 AO

TATBESTAND

1
Streitig ist, ob ein Einspruch zutreffend wegen Fristversäumnis als unzulässig verworfen wurde.
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Der Kläger ist Vater dreier Töchter, für die er seit deren Geburt Kindergeld erhielt. Er ist Arzt. In den Monaten Mai bis Oktober ist er seit mehreren Jahren als selbständiger Arzt im Ausland tätig.
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Mit Bescheid vom 3. Juli 2017 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für die Kinder ab November 2010 auf und forderte die Rückzahlung des für den Zeitraum November 2010 bis April 2017 gezahlten Kindergeldes.
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Die Rechtsbehelfsbelehrung zu diesem Bescheid lautete auszugsweise wie folgt:
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„(…) Der Einspruch ist bei der Familienkasse mit Sitz in X-Stadt schriftlich einzureichen, dieser elektronisch zu übermitteln oder dort zur Niederschrift zu erklären.(…) Bei Zusendung durch einfachen Brief oder Zustellung mittels Einschreiben durch Übergabe gilt die Bekanntgabe mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post bzw. bei Übermittlung im Ausland einen Monat nach Aufgabe zur Post als bewirkt, es sei denn, dass der Bescheid zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. (…)“
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Auf der ersten Seite des Bescheides ist als Postanschrift „Familienkasse, PLZ X-Stadt“ aufgeführt. Darunter steht unter Besuchsadresse „A-Straße 5, Y-Stadt“.
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Gegen den Bescheid vom 3. Juli 2017 erhob der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 18. August 2017 Einspruch und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
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Der Kläger verwies im Einspruch darauf, dass er urlaubsbedingt und aufgrund Aufenthaltes im Ausland erst zu dem Zeitpunkt einer Reise nach Y-Stadt am 17. August 2017 Kenntnis vom Aufhebungsbescheid erhalten habe. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides vom 3. Juli 2017 würde zudem den gesetzlichen Anforderungen nicht genügen. Es sei nicht vermerkt, dass die Bekanntgabefiktion nach § 122 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) dann nicht greife, wenn der Verwaltungsakt nicht zugegangen sei. Die Rechtsbehelfsbelehrung enthalte im weiteren zwar den Hinweis, dass der Einspruch auch zur Niederschrift erklärt werden könne. Unter der im Bescheid angegebenen postalischen Anschrift der Familienkasse in X-Stadt sei eine Einlegung des Widerspruchs durch Erklärung zur Niederschrift mangels Angabe einer Straße und Hausnummer jedoch nicht möglich. Zwar sei im Bescheid eine Besuchsadresse in Y-Stadt angegeben. In der Rechtsbehelfsbelehrung werde die Einlegung des Widerspruchs mittels Erklärung zur Niederschrift jedoch bei der Familienkasse in X-Stadt gefordert.
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Mit einem weiteren Schriftsatz vom 28. August 2017 begründete der Kläger den Wiedereinsetzungsantrag. Er habe seine Wohnung in Y-Stadt, an die der streitige Bescheid gesandt wurde, letztmalig am 7. Mai 2017 aufgesucht. In der nachfolgenden Zeit bis zum 16. August 2017 habe der Kläger seine Wohnung deshalb nicht aufsuchen können, da er aufgrund der Arbeitsbelastung an seinem Arbeitsort auf Mallorca diesen nicht hätte verlassen können. Der Umstand der Abwesenheit des Klägers sei der Familienkasse aufgrund entsprechender Angaben des Klägers im Antragsverfahren wegen Kindergeld bekannt gewesen. Er habe auch die Anhörung vor dem Aufhebungsbescheid nicht erhalten und deswegen keine Veranlassung gehabt, in kürzeren Intervallen seine Wohnung in Y-Stadt aufzusuchen.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 6. September 2017 verwarf die Beklagte den Einspruch als unzulässig. Der Einspruch sei nicht fristgemäß erhoben worden und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht gewährt werden.
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Mit der Klage begehrt der Kläger die Aufhebung der Einspruchsentscheidung.
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Der Einspruch sei nicht verspätet erhoben worden. Die Rechtsbehelfsbelehrung sei nicht ordnungsgemäß, deshalb würde die Jahresfrist gem. § 356 Abs. 2 AO gelten. In der Rechtsbehelfsbelehrung sei die Angabe der vollen postalischen Anschrift erforderlich. Daran würde der streitige Bescheid mangeln. Insbesondere hätte der Kläger die ihm zustehende Möglichkeit der Einlegung des Einspruchs durch Erklärung zur Niederschrift nicht nutzen können, da er die Behörde Familienkasse mit Sitz in X-Stadt nicht kannte. Diese hätte er nie angeschrieben und von dort auch zu keinem Zeitpunkt schriftliche Korrespondenz erhalten. Die angegebene Besucheradresse in Y-Stadt vermöge die postalische Anschrift zur Erklärung des Einspruchs zur Niederschrift nicht zu ersetzen, da in der Rechtsbehelfsbelehrung ausdrücklich die Einlegung in X-Stadt gefordert werde.
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Der Wiedereinsetzungsantrag sei begründet. Er habe erst nach Ablauf der einmonatigen Einspruchsfrist überhaupt Kenntnis von dem Bescheid erhalten und einen rechtzeitigen Einspruch daher auch nicht einlegen können. Hierzu wiederholt er sein Vorbringen aus der Einspruchsbegründung. Üblicherweise hätte er in den Jahren zuvor die Wohnung in Y-Stadt Ende Juni oder Anfang Juli aufgesucht. Dies sei ihm im Streitjahr jedoch nicht möglich gewesen, da sein Arbeitsort sein Verlassen nicht gestattet hätte und eine Anreise über den Flughafen Hamburg wegen des G 20-Gipfels zu unsicher gewesen sei.
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Die Beklagte habe sich jedenfalls treuwidrig verhalten, wenn sie gerade in Kenntnis des Umstandes des Auslandsaufenthalts des Klägers die Bekanntgabe des Bescheides zu einem Zeitpunkt veranlasste, zu dem er dem Adressaten nicht zur Kenntnis gelangen konnte. Es sei zu berücksichtigen, dass der Beklagten der Auslandsaufenthalt des Klägers aufgrund der von ihm zuvor gemachten Angaben bekannt gewesen sei. Hierauf habe er bereits mit Schreiben vom 9. Oktober 2007 und auch in den Folgejahren mehrfach hingewiesen.
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Der Kläger beantragt,
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die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 6. September 2017 aufzuheben,
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hilfsweise für den Fall, dass das Gericht die isolierte Anfechtungsklage für unzulässig hält, den Bescheid der Beklagten vom 3. Juli 2017 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 6. September 2017 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
20
Der angefochtene Bescheid sei mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehen. Wiedereinsetzungsgründe lägen nicht vor. Auch die geltend gemachte Arbeitsüberlastung sei kein hinreichender Wiedereinsetzungsgrund.
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Auf den Inhalt der Kindergeldakte (bis Blatt 92) und die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten wird Bezug genommen.
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Die Beteiligten haben übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

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I. Die Klage hat keinen Erfolg.
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1. Die Klage ist im Hauptantrag mit ihrem eingeschränkten Antrag auf Aufhebung der Einspruchsentscheidung zulässig.
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Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren ist nach § 44 Abs 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) zwar grundsätzlich der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung im Vorverfahren gefunden hat. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat aber bereits in seinem Urteil vom 18. Oktober 1972 II R 110/69 (BFHE 107, 409, BStBl II 1973, 187) anerkannt, dass es Fälle gibt, in denen der Kläger ein berechtigtes Interesse daran haben kann, dass durch Kassation einer verfahrensfehlerhaften Einspruchsentscheidung der Weg für die im Einspruchsverfahren begehrte sachliche Nachprüfung des ursprünglichen Verwaltungsaktes wieder eröffnet wird (vgl auch BFH-Urteil vom 4. September 1959 III 286/57 U, BFHE 69, 569, BStBl 3 1959, 472, von Beckerath in Beermann/Gosch, AO/FGO, 1. Aufl. 1995, 136. Lieferung, § 44 FGO, Rz 187 m.w.N.). Der BFH hat dies insbesondere damit begründet, dass es einem berechtigten Interesse des Steuerpflichtigen entspreche, nicht infolge eines Verfahrensfehlers des Beklagten eine außergerichtliche Tatsacheninstanz zu verlieren. Dies liegt insbesondere vor, wenn ein Einspruch zu Unrecht als unzulässig verworfen wurde (vgl. Gräber/Levedag, FGO, 8. Auflage 2015 Rz 45 f.)
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Danach ist die Klage zulässig, da die Beklagte den Einspruch des Klägers ohne sachliche Prüfung als unzulässig verworfen hat.
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2. Die Klage ist in ihrem Hauptantrag nicht begründet.
28
Die Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat den Einspruch des Klägers vom 18. August 2017 zu Recht als unzulässig verworfen, weil er verspätet erhoben wurde.
29
a) Der Einspruch wurde verspätet erhoben.
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Gem. § 355 AO ist ein Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 1 AO innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen.
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Der Kläger hat die Frist für die Einlegung des Einspruchs versäumt. Nach § 122 Abs.2 Nr.1 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der, wie im vorliegenden Fall, durch die Post übermittelt worden ist, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugegangen. Diese Vermutung gilt nur dann nicht, wenn der Verwaltungsakt tatsächlich nicht oder verspätet zugegangen ist. Bestehen insoweit Zweifel, muss die Behörde den Zugang und den Zeitpunkt des Zugangs nachweisen (BFH-Beschluss vom 21. Januar 1992 VII B 234/91, BFH/NV 1992, 578).
32
Der Bescheid vom 3. Juli 2017 wurde von der Beklagten spätestens am 4. Juli 2017 abgesandt, wie es der Poststempel auf dem vom Kläger übersandten Briefumschlag zeigt.
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Nach der Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt der Bescheid der Beklagten dem Kläger am 7. Juli 2017 als bekannt gegeben. Die Einspruchsfrist begann damit am 8. Juli 2017 zu laufen und endete mit Ablauf des 7. August 2017. Der am 18. August 2017 vom Kläger erhobene Einspruch war damit verspätet.
34
b) Die Einspruchsfrist ist auch nicht gemäß § 356 Abs. 2 Satz 1 AO auf ein Jahr seit Bekanntgabe des Bescheides verlängert worden, da die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides vom 3. Juli 2017 vollständig und richtig erteilt worden ist.
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Die Rechtsbehelfsbelehrung muss dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes – GG -; Art. 19 Abs. 4 GG) Rechnung tragen, soll aber auch so einfach und klar wie möglich sein (BFH-Urteil vom 7. März 2006 X R 18/05, BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455). Unrichtig ist eine Belehrung daher erst dann, wenn sie in wesentlichen Aussagen unzutreffend oder derart unvollständig oder missverständlich gefasst ist, dass hierdurch bei objektiver Betrachtung die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint (BFH-Urteil vom 29. Juli 1998 X R 3/96, BFHE 186, 324, BStBl II 1998, 742; BFH-Beschluss vom 9. November 2009 IV B 54/09, BFH/NV 2010, 448, jeweils m.w.N. und BFH-Urteil vom 20. November 2013 X R 2/12 BFHE 243, 158, BStBl II 2014, 236). Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Rechtsbehelfsbelehrung richtig und vollständig, wenn sie den Wortlaut des § 357 Abs. 1 AO wiedergibt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. Februar 2010 III B 20/09 BFH/NV 2010, 830 und vom 12. Dezember 2012 I B 127/12, BFHE 239, 25, BStBl II 2013, 272 und BFH-Urteil vom 20. November 2013 X R 2/12, BFHE 243, 158, BStBl II 2014, 236).
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Gem. § 356 Abs. 1 AO muss der Beteiligte neben der einzuhaltenden Frist und der Form des Einspruchs auch über den Sitz der Finanzbehörde (in diesem Fall der Familienkasse), bei der der Einspruch einzulegen ist, belehrt werden. Nach der Rechtsprechung des BFH folgt daraus, dass eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung die Behörde und deren Sitz so genau bezeichnen muss, dass der Rechtsbehelf dort fristgerecht angebracht werden kann (BFH-Urteil vom 20. Februar 1976 VI R 150/73, BFHE 118, 417, BStBl II 19 76, 477). Zwar ist diese Rechtsprechung noch zu der alten Norm des § 232 Abs. 1 Satz 1 AO 1931 (Reichsabgabenordnung) ergangen. Der Anwendung dieser Rechtsprechung stehen jedoch keine Bedenken entgegen (vgl. BFH-Beschluss vom 7. Dezember 1994 I B 68/94, BFH/NV 1995, 849). Der Wortlaut des heutigen § 356 Abs. 1 AO entspricht nahezu wortgleich der vorherigen Regelung in § 237 Abs. 1 Satz 1 AO 1931. Jedenfalls wird in beiden Normen nur die Angabe des Sitzes der Behörde verlangt. Die Angaben von Straße und Hausnummer in der Rechtsbehelfsbelehrung sind ausdrücklich nicht vorgeschrieben.
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Als Sitz der Behörde ist der geographische Ort anzugeben, an dem die Behörde räumlich untergebracht ist (BFH-Urteil vom 20. Februar 1976 VI R 51/73, a.a.O; Siegers in Hübschmann/Hepp/Spitaler – HHSp – AO/FGO, § 356 AO Rz 23).
38
In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, es sei die Angabe der vollen postalischen Anschrift erforderlich (König/Cöster, AO, 3. Auflage, § 356 Rz 13). Allerdings reicht es auch nach dieser Ansicht aus, wenn sich die Anschrift aus dem Verwaltungsakt selbst ergibt (vgl. König/Cöster a.a.O., Siegers in HHSp, a.a.O. m.w.N.).
39
Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen ist die Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 3. Juli 2017 nicht fehlerhaft. Insbesondere wurde die Behörde, bei der der Einspruch einzulegen ist, mit der Angabe Familienkasse mit Sitz in X-Stadt ausreichend bezeichnet.
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Ungeachtet dessen, dass die Rechtsbehelfsbelehrung Straße und Hausnummer der Beklagten nicht ausweisen musste, ergibt sich die Hausanschrift aus dem Bescheid an sich. Dort ist auf Seite eins zunächst oben rechts vermerkt, dass Absender des Bescheides die Familienkasse ist. In der Fußzeile auf Seite eins des Bescheides ist unter Postanschrift zwar eine Adresse in X-Stadt ohne Straße und Hausnummer angegeben. Darunter wird jedoch als Besuchsadresse A-Straße 5 in Y-Stadt aufgeführt. Aus dem direkten beieinander von Postanschrift und Besucheradresse ergibt sich für den objektiven Betrachter des Briefkopfes ohne Zweifel, dass sich beide Angaben auf die den Bescheid erlassene Behörde – die Familienkasse – beziehen. Es ist für jedermann erkennbar, dass diese Behörde persönlich in Y-Stadt in der A-Straße 5 aufgesucht werden kann. Dies wird insbesondere dadurch unterstützt, dass in der Fußzeile auf der rechten Seite auch noch die Öffnungszeiten angegeben sind. Diese können sich denklogisch nur auf die Besucheradresse und nicht auf die Postanschrift beziehen, da die Postanschrift eben keine Straße und Hausnummer enthält. Aus dem Bescheid ergibt sich somit, dass die Möglichkeit besteht, bei der Familienkasse, die den Sitz in X-Stadt hat, jedoch in der A-Straße 5 in Y-Stadt besucht werden kann, persönlich zu erscheinen und den Einspruch zur Niederschrift zu erklären.
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Dies alles war dem Kläger auch bekannt. Bereits am 9. Oktober 2007 und am 21. November 2007 hat er Schriftsätze an die Familienkasse unter der Anschrift A-Straße 5, PLZ Y-Stadt gesandt. Dies ist die Adresse, unter der er auch persönlich zur Erklärung des Einspruchs hätte erscheinen können.
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Die Rechtsbehelfsbelehrung enthält auch keine sonstigen Mängel. Insbesondere muss sie keinen Hinweis darauf erhalten, dass eine Bekanntgabefiktion dann nicht greife, wenn der Bescheid tatsächlich nicht zugegangen sei. Wie bereits ausgeführt, soll die Rechtsbehelfsbelehrung so klar und einfach wie möglich gefasst sein. Es ist nicht nötig, dass sie jede denkbare rechtliche Alternative abbildet. Ein Adressat, dem der Bescheid tatsächlich nicht zugegangen ist, würde auch von der Rechtsbehelfsbelehrung keine Kenntnis erhalten.
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2. Dem Kläger war keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
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Wiedereinsetzung ist gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 AO zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist gehindert war. Dies setzt in formeller Hinsicht voraus, dass innerhalb einer Frist von einem Monat nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll. Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind innerhalb dieser Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen (vgl. BFH-Beschluss vom 24. Januar 2005 III R 43/03, BFH/NV 2005, 1312). Hiernach schließt jedes Verschulden die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Allerdings schließt bereits jede Art fahrlässigen Verhaltens das Recht auf Wiedereinsetzung aus, wenn also die nach den jeweils gegebenen Lebensumständen und den persönlichen Verhältnissen gebotene und zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen wird. Ohne Verschulden handelt daher nur, wer die Fristsäumnis auch nicht bei äußerster, den Umständen des Falles angemessener und vernünftigerweise zu erwartender Sorgfalt hätte verhindern können (st. Rspr, vgl. BFH-Urteil vom 8. Oktober 1981 IV R 108/81, BStBl II 1982, 165).
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Bei kurzfristiger Abwesenheit des Steuerpflichtigen während des Jahresurlaubs von höchstens 6 Wochen muss der Steuerpflichtige nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich keine besonderen Vorkehrungen für eventuelle Zustellungen treffen (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Februar 1976 2 BvR 849/75, BVerfGE 41,332, Klein/Rätke, AO, 13. Aufl. 2016, § 110 Rz 11).
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Im Streitfall steht einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein Verschulden des Klägers an der verspäteten Kenntnisnahme von dem streitigen Bescheid entgegen.
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Der Kläger war vom 7. Mai bis zum 16. August 2017 und damit länger als sechs Wochen von der Wohnung in Y-Stadt abwesend, ohne Vorkehrungen für eventuelle Zustellungen zu treffen.
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Die vom Kläger für die Überschreitung der Sechs-Wochen-Frist angegebenen Gründe entschuldigen ihn nicht. Weder die – im Übrigen auch nur behauptete und nicht glaubhaft gemachte – Arbeitsüberlastung noch der G 20-Gipfel traten plötzlich und unvorhersehbar auf. Der G 20-Gipfel mag zwar für einige Tage eine Anreise über den Hamburger Flughafen nach Y-Stadt erschwert haben. Eine Anreise über andere Flughäfen wäre aber jedenfalls problemlos möglich gewesen. Erst recht kann der Kläger sich nicht darauf berufen, er sei davon ausgegangen, wegen der Betreuung der Mutter die Wohnung in Y-Stadt in kürzeren Abständen regelmäßig aufzusuchen. Wenn die Betreuung der Mutter die Anreise des Klägers mehrere Wochen nicht erforderte, hätte er nach sechs Wochen allein zur Kontrolle des Briefkastens nach Y-Stadt reisen müssen, um dem Vorwurf der schuldhaften Fristversäumung zu entgehen. Wer nicht bereit ist, der Verpflichtung, alle sechs Wochen zur Wohnung zurückzukehren, Priorität einzuräumen, muss Vorkehrungen für eventuelle Zustellungen treffen.
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Der Kläger wusste bereits im Vorfeld seiner Abreise nach Mallorca, dass er für längere Zeit von seiner Wohnung in Y-Stadt abwesend seien und dass es sich um keine kurzfristige urlaubsbedingte Abwesenheit handeln würde. Jedenfalls musste ihm angesichts seiner Erwerbstätigkeit auf Mallorca klar sein, dass eine längere Abwesenheit zumindest möglich ist. Er konnte sich nicht darauf verlassen, dass es ihm – wie das in den Vorjahren vielleicht gewesen sein mag – möglich sein würde, regelmäßig seine Wohnung in Y-Stadt aufzusuchen. Zwar ließ es die Übernahme der Betreuung seiner in Y-Stadt wohnenden Mutter als möglich erscheinen, dass der Kläger Y-Stadt mehr oder weniger jederzeit hätte aufsuchen müssen. Ob dieser Fall eintritt oder nicht war jedoch nicht absehbar. Er trat auch tatsächlich nach dem 7. Mai 2017 bis zum 17. August 2017 nicht ein. Ein Verschulden des Klägers liegt bereits darin, dass er meinte, sich darauf verlassen zu können, seine Wohnung in Y-Stadt – wie möglicherweise in den Vorjahren geschehen – aufsuchen zu können. Der tatsächlich verwirklichte Geschehensablauf spricht eben dafür, dass er sich darauf nicht verlassen konnte. Im Übrigen war auch der G 20-Gipfel in Hamburg ein im Vorfeld bekanntes Ereignis und für Y-Stadt ist Hamburg keineswegs der am nächsten gelegene Flughafen, der von Mallorca aus angeflogen werden kann.
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Ein Wiedereinsetzungsgrund ist auch nicht darin zu erkennen, dass die Beklagte den Einspruchsbescheid an die Anschrift in Y-Stadt gesandt hat, obwohl sie davon ausgehen konnte, der Kläger halte sich tatsächlich im Ausland auf. Sie hat die Post an die ihr vom Kläger mitgeteilte Anschrift übersandt. Es wäre Sache des Klägers gewesen, dafür zu sorgen, dass er diese Post rechtzeitig zur Kenntnis nehmen kann oder der Familienkasse eine abweichende, wenn auch möglicherweise nur für einen Teil des Jahres geltende, Anschrift mitzuteilen.
51
II. Über den Hilfsantrag ist nicht zu entscheiden, da dieser nur für den Fall gestellt wurde, dass das Gericht die isolierte Anfechtungsklage für unzulässig hält, was nicht der Fall ist.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

BFH: Kein deutsches Besteuerungsrecht für die Pension eines in Ungarn ansässigen Beamten mit deutscher Staatsangehörigkeit

Leitsatz

Eine Pension, die ein zum Zeitpunkt des Austausches der Ratifikationsurkunden zum DBA-Ungarn 2011 in Ungarn ansässiger deutscher Beamter bezieht, kann nach Art. 17 Abs. 1 DBA-Ungarn 2011 nur in Ungarn besteuert werden.

https://www.steuerschroeder.de/steuer/i-r-49-16-kein-deutsches-besteuerungsrecht-fuer-die-pension-eines-in-ungarn-ansaessigen-beamten-mit-deutscher-staatsangehoerigkeit/

 

BFH zur Erdienbarkeit bei Barlohnumwandlung

Leitsatz

  1. Werden bestehende Gehaltsansprüche des Gesellschafter-Geschäftsführers in eine Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung umgewandelt, dann scheitert die steuerrechtliche Anerkennung der Versorgungszusage regelmäßig nicht an der fehlenden Erdienbarkeit.
  2. Wird bei einer bestehenden Versorgungszusage lediglich der Durchführungsweg gewechselt (wertgleiche Umstellung einer Direktzusage in eine Unterstützungskassenzusage), so löst allein diese Änderung keine erneute Erdienbarkeitsprüfung aus.

https://www.steuerschroeder.de/steuer/i-r-89-15-erdienbarkeit-bei-barlohnumwandlung/

BFH: Kein Verlustausgleich bei echten (ungedeckten) Daytrading-Geschäften

Verluste aus sog. echten (ungedeckten) Daytrading-Geschäften mit Devisen mindern nicht die körperschaftsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 21. Februar 2018 I R 60/16 zu § 15 Abs. 4 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes – EStG – (i. V. m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes) entschieden.

Nach § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG sind Verluste aus Termingeschäften vom Verlustausgleich ausgeschlossen, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt. Ein Termingeschäft liegt vor, wenn ein Vertrag z. B. über Devisen geschlossen wird, der von beiden Seiten erst zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt zu erfüllen ist und der eine Beziehung zu einem Terminmarkt hat, der es ermöglicht, jederzeit ein Gegengeschäft abzuschließen.

Im Streitfall bejahte der BFH das Vorliegen eines derartigen Termingeschäfts: Die Geschäfte wurden bei einer Spezial-Bank mit sog. Stop-Loss-Order sowie mit Take-Profit-Order abgeschlossen und entsprechend der vertraglichen Vereinbarung (zwingend) am selben Tag durch deckungsgleiche Gegengeschäfte „glattgestellt“. Die Devisenkäufe und -verkäufe wurden dabei nicht effektiv durch den Austausch von Devisen und Kaufpreis durchgeführt; dies war weder der Klägerin mit eigenen Mitteln möglich noch Gegenstand der Geschäftsvereinbarungen mit der Bank (die die Lieferung der Devisen ausgeschlossen haben). Die Geschäfte waren nur auf dem jeweiligen Kundenkonto bei der Bank verbucht und am Ende des Geschäftstages mit einem Differenzbetrag zugunsten oder zulasten des Kontos abgeschlossen worden. Diese sog. echten (ungedeckten) Daytrading-Geschäfte ermöglichen somit keinen Verlustausgleich.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 34/18 vom 27.06.2018 zum Urteil I R 60/16 vom 21.02.2018

 

I R 60/16 – Daytrading-Geschäfte als Termingeschäfte

BFH: Verbilligte Überlassung von GmbH-Anteilen als Arbeitslohn

Leitsatz

  1. Der verbilligte Erwerb einer GmbH-Beteiligung durch einen leitenden Arbeitnehmer des Arbeitgebers kann auch dann zu Arbeitslohn führen, wenn nicht der Arbeitgeber selbst, sondern ein Gesellschafter des Arbeitgebers die Beteiligung veräußert.
  2. Veräußert der Arbeitgeber oder eine diesem nahestehende Person eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft an einen Arbeitnehmer und umgekehrt, handelte es sich in der Regel nicht um eine Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, da ein Einfluss des Arbeitsverhältnisses auf die Verkaufsmodalitäten jedenfalls nahe liegt. Eine Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen kommt in diesem Fall regelmäßig nicht in Betracht.
  3. Ist der gemeine Wert einer Beteiligung unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten zu schätzen, ohne dass das Stuttgarter Verfahren in Betracht kommt, hat das Finanzgericht regelmäßig ein Sachverständigengutachten zur Wertermittlung einzuholen, wenn der Steuerpflichtige die Anteilsbewertung durch das Finanzamt substantiiert bestreitet und es nicht ausnahmsweise selbst über die erforderliche Sachkunde verfügt.

VI R 8/16 – Verbilligte Überlassung von GmbH-Anteilen als Arbeitslohn

Familienentlastungsgesetz: Bundeskabinett beschließt Steuerentlastungen

Bis zu zehn Milliarden Euro für Familien

Familien weiter stärken, Steuerzahler spürbar entlasten. Diese Anliegen sind der Bundesregierung sehr wichtig. Sie hat deshalb das Familienentlastungsgesetz auf den Weg gebracht und damit finanzielle Erleichterungen von rund zehn Milliarden Euro jährlich beschlossen.

Gute Nachrichten für Familien: Ab dem 1. Juli 2019 steigen Kindergeld und Freibeträge.

Eltern sind aufgrund ihrer Familienpflichten finanziell oft weniger leistungsfähig als kinderlose Menschen. Das muss bei der Bemessung der Einkommensteuer – vor allem beim Kinderfreibetrag und Kindergeld – angemessen berücksichtigt werden. Mit dem Familienentlastungsgesetz geht die Bundesregierung über das verfassungsrechtlich Notwendige deutlich hinaus und leistet – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – einen spürbaren Beitrag zur finanziellen Stärkung von Familien.

Kindergeld und Freibeträge steigen

Das Kindergeld steigt um rund fünf Prozent.

Ab 1. Juli 2019 steigt das Kindergeld in der ersten Stufe um zehn Euro monatlich. Das entspricht einer Erhöhung von rund fünf Prozent. Eine zweite Stufe ist zum 1. Januar 2021 vorgesehen.

Die Kindergelderhöhung wird beim steuerlichen Kinderfreibetrag nachvollzogen. Als Jahresbetrag wächst er daher in zwei gleichen Teilen zum 1. Januar 2019 und zum 1. Januar 2020 um jeweils 192 Euro.

Auch für Erwachsene steigt der Grundfreibetrag: 2019 auf 9.168 Euro und 2020 auf 9.408 Euro. Auf diesen Teil des Einkommens muss keine Einkommensteuer gezahlt werden.

Eine Beispielrechnung: Eine Familie mit einem Bruttojahresgehalt von 60.000 Euro wird ab 2019 um 9,36 Prozent entlastet, das bedeutet für sie 251 Euro mehr im Jahr. Bei einem Familieneinkommen von 120.000 Euro brutto soll die Entlastung 380 Euro im Jahr betragen.

aktuell
in Euro
ab 2019
in Euro
ab 2020
in Euro
Grundfreibetrag und Unterhaltshöchstbetrag 9.000 9.168 9.408
Kinderfreibetrag 7.428 7.620 7.812
Kindergeld (monatlich)
1. und 2. Kind
3. Kind
4. Kind und weitere
194
200
225
204
210
235
204
210
235

„Kalte Progression“ eingedämmt

Die sogenannte „kalte Progression“ soll künftig nicht mehr zu einer höheren Steuerlast führen. Es kommt vor, dass manche trotz Lohnerhöhung real nicht mehr Geld zur Verfügung haben. Hintergrund ist die Berechnung der Einkommensteuer mittels Einkommensstufen. Diese Belastungswirkung bereinigt die Bundesregierung und passt den Grundfreibetrag und den Kinderfreibetrag für 2019 und 2020 entsprechend an.

Bundestag und der Bundesrat müssen dem Familienentlastungsgesetz noch zustimmen.

Verfassungsrechtlich geboten sind die Anpassung von Grundfreibetrag und Kinderfreibetrag an die Vorgaben des jährlichen Existenzminimumberichts. Der Koalitionsvertrag sieht vor, den Kinderfreibetrag an die Kindergeld-Erhöhung zu koppeln. Der Freibetrag steigt 2019 und 2020 deshalb stärker als das Kindes-Existenzminimum. Bedingt durch den Abbau der kalten Progression geht auch die Grundfreibetrags-Erhöhung für 2019 über das Existenzminimum für Erwachsene hinaus. Als Basis für die Erhöhungen des Grundfreibetrags für Erwachsene und für den Umfang der Inflation dienen aktuell noch vorläufige Daten.

Quelle: Bundesregierung, Pressemitteilung vom 27.06.2018

Ermittlung der Bewertungsreserve in der Lebensversicherung

Der u. a. für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Neuregelung zur Beteiligung des Versicherungsnehmers an Bewertungsreserven (sog. stille Reserven) in der Lebensversicherung gemäß § 153 Absatz 3 Satz 3 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) in der Fassung des Lebensversicherungsreformgesetzes vom 1. August 2014, in Kraft getreten am 7. August 2014, nicht verfassungswidrig ist.

Sachverhalt:

Der Kläger, ein gemeinnütziger Verbraucherschutzverein, begehrt von dem beklagten Lebensversicherer die Auszahlung von Bewertungsreserven aus abgetretenem Recht des Versicherungsnehmers nach Ablauf einer kapitalbildenden Lebensversicherung. Dieser unterhielt bei der Beklagten seit dem 1. September 1999 eine zum 1. September 2014 planmäßig beendete kapitalbildende Lebensversicherung. Mit Schreiben vom 1. Juli 2014 kündigte die Beklagte dem Versicherungsnehmer zum Vertragsablauf eine Versicherungsleistung in Höhe von 50.274,17 Euro an, wovon auf die Beteiligung an den Bewertungsreserven 2.821,35 Euro entfielen. Hinsichtlich der Beteiligung an den Bewertungsreserven wies die Beklagte darauf hin, dass diese endgültig erst zum Fälligkeitstermin feststünden und gegebenenfalls auch niedriger ausfallen könnten. Am 22. August 2014 teilte die Beklagte dem Versicherungsnehmer die endgültige Versicherungsleistung in Höhe von 47.601,77 Euro mit und erläuterte dies später unter Berufung auf ihren Sicherungsbedarf gem. § 153 Absatz 3 Satz 3 VVG dahin, dass auf die Bewertungsreserve ein Betrag von 148,95 Euro entfalle.

Der Versicherungsnehmer trat in der Folge seine sämtlichen gegen die Beklagte aus dem streitbefangenen Lebensversicherungsvertrag in Betracht kommenden Rechte und Ansprüche an den Kläger ab. Mit seinem Hauptantrag begehrt der Kläger Zahlung von 2.672,40 Euro, nämlich den Differenzbetrag zwischen der im Schreiben der Beklagten vom 1. Juli 2014 angegebenen sowie der tatsächlich zur Auszahlung gelangten Bewertungsreserve. Hilfsweise begehrt er Auskunft über die mathematische Berechnung des Anteils der auf den Versicherungsnehmer entfallenden Beteiligungen an dem Überschuss und an den Bewertungsreserven einschließlich ihrer Berechnungsgrundlagen sowie anschließend Auszahlung der ihm zustehenden Überschussbeteiligung.

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

Die Entscheidung des Senats:

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Nach Auffassung des Senats ist die Neuregelung des § 153 Abs. 3 Satz 3 VVG allerdings nicht verfassungswidrig. Sie führt im Ergebnis dazu, dass ein Versicherer Bewertungsreserven aus direkt oder indirekt vom Versicherungsunternehmen gehaltenen festverzinslichen Anlagen und Zinsabsicherungsgeschäften bei der Beteiligung der Versicherungsnehmer an Bewertungsreserven nur insoweit berücksichtigen darf, als sie einen etwaigen Sicherungsbedarf aus den Verträgen mit Zinsgarantie überschreiten. Grund für diese Neuregelung war, dass nach Auffassung des Gesetzgebers ein lang anhaltendes Niedrigzinsumfeld mittel- bis langfristig die Fähigkeit der privaten Lebensversicherungsunternehmen bedrohen würde, die den Versicherten zugesagten Zinsgarantien zu erbringen (BT-Drucks. 18/1772 S. 1). Die gesetzliche Neuregelung des § 153 Abs. 3 Satz 3 VVG enthält zunächst eine unter dem Gesichtspunkt der Normenbestimmtheit und -klarheit präzisere Regelung gegenüber der Vorgängervorschrift des § 153 Abs. 3 Satz 3 VVG a. F., die lediglich bestimmte, dass aufsichtsrechtliche Regelungen zur Kapitalausstattung unberührt bleiben. Sie stellt auch keine unzulässige Rückwirkung auf bereits abgeschlossene Lebenssachverhalte dar. Inhaltlich hat der Gesetzgeber ferner verschiedene Maßnahmen getroffen, die sowohl die Interessen der ausscheidenden Versicherungsnehmer als auch derjenigen, die ihre Verträge noch in der Zukunft fortführen, sowie diejenigen der Anteilseigner berücksichtigen. Unter anderem hat er Änderungen der Mindestzuführungsverordnung vorgenommen, die zu einer höheren Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Risikoüberschüssen führen. Ferner hat er den Höchstsatz für die bilanzielle Anrechnung von Abschlusskosten herabgesetzt, um Vertriebskosten zu senken. Schließlich darf ein Bilanzgewinn an Anteileigner nur ausgeschüttet werden, wenn er einen etwaigen Sicherungsbedarf übersteigt. Verfassungsrechtliche Bedenken an der Wirksamkeit der gesetzlichen Neuregelung bestehen nach alledem auch unter Berücksichtigung des Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht. Im Einzelfall auftretende Härten führen nicht zur Verfassungswidrigkeit der Regelung insgesamt.

Gleichwohl hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses hat nämlich keine Feststellungen zu der zwischen den Parteien streitigen Frage getroffen, ob die einfach-rechtlichen Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Bewertungsreserve wegen eines Sicherungsbedarfs der Beklagten bestanden.

Hinweise zur Rechtslage

Versicherungsvertragsgesetz (VVG) (in der Fassung vom 1. August 2014, gültig bis 31. Dezember 2015)

§ 153 Überschussbeteiligung

(1) Dem Versicherungsnehmer steht eine Beteiligung an dem Überschuss und an den Bewertungsreserven (Überschussbeteiligung) zu, es sei denn, die Überschussbeteiligung ist durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen; …

(2) …

(3) Der Versicherer hat die Bewertungsreserven jährlich neu zu ermitteln und nach einem verursachungsorientierten Verfahren rechnerisch zuzuordnen. Bei der Beendigung des Vertrags wird der für diesen Zeitpunkt zu ermittelnde Betrag zur Hälfte zugeteilt und an den Versicherungsnehmer ausgezahlt; eine frühere Zuteilung kann vereinbart werden. Aufsichtsrechtliche Regelungen zur Sicherstellung der dauernden Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungen, insbesondere § 53c, § 54 Absatz 1 und 2, § 56a Absatz 3 und 4 sowie § 81c Absatz 1 und 3 des Versicherungsaufsichtsgesetzes bleiben unberührt.

Quelle: BGH, Pressemitteilung vom 27.06.2018 zum Urteil IV ZR 201/17 vom 27.06.2018

Einkommensteuer: Anforderungen an die Dokumentation des Widmungsakts bei der Willkürung von Wertpapieren als Sonderbetriebsvermögen

Finanzgericht Köln, 1 K 1896/17

Datum:
26.04.2018
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 1896/17
ECLI:
ECLI:DE:FGK:2018:0426.1K1896.17.00
Nachinstanz:
Bundesfinanzhof, IV R 17/18
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens, trägt die Klägerin.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

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Gewerbesteuer: Tätigkeit als Werbefilm-Produzentin ist keine freiberufliche Tätigkeit und deshalb gewerbesteuerpflichtig

Finanzgericht Köln, 3 K 265/15

Datum:
25.04.2018
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 265/15
ECLI:
ECLI:DE:FGK:2018:0425.3K265.15.00
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

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Scheidungsfolgenvereinbarung: Abfindungszahlung zur Vermeidung eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleiches keine Sonderausgaben

Finanzgericht Köln, 11 K 1494/14

Datum:
16.02.2018
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 1494/14
ECLI:
ECLI:DE:FGK:2018:0216.11K1494.14.00
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

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