Keine Witwenrente nach Hochzeit am Krankenbett

Mann erliegt nach knapp achtmonatiger Ehe seinem Krebsleiden

Hat eine Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert, so besteht regelmäßig kein Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerrente. Nur wenn besondere Umstände die Annahme einer sogenannten Versorgungsehe widerlegen, kann eine entsprechende Rente beansprucht werden. Hiervon ist regelmäßig nicht auszugehen, wenn die tödlichen Folgen einer schweren Krankheit bei Eheschließung für den Verstorbenen vorhersehbar waren. Dies entschied der 5. Senat des Hessischen Landessozialgerichts in einem am 24.01.2018 veröffentlichten Urteil.

Rentenversicherung gewährt wegen Versorgungsehe keine Witwenrente

Eine 1951 geborene pflegebedürftige Frau aus Kassel beantragte bei der Deutschen Rentenversicherung Witwenrente, nachdem ihr 1949 geborener Ehemann im Juni 2013 an den Folgen eines Krebsleidens verstorben war. Die Eheleute waren bereits während der Jahre 1980 bis 2000 verheiratet. Im Jahr 2011 zogen sie wieder zusammen. Am 23. Oktober 2012 wurden bei dem Ehemann mehrere Metastasen in der Leber und den Lymphknoten diagnostiziert. Zehn Tage später heirateten die geschiedenen Eheleute im Krankenhaus erneut.

Die Rentenversicherung lehnte die von der Witwe beantragte Hinterbliebenenrente ab.

Die gesetzliche Vermutung einer sogenannten Versorgungsehe sei nicht widerlegt. Zum Zeitpunkt der erst fünf Tage zuvor beim Standesamt angemeldeten Eheschließung sei bereits abzusehen gewesen, dass eine ernstzunehmende Erkrankung vorliege.

Die Frau wandte hiergegen ein, dass bereits bei ihrer Verlobung im Oktober 2010 als Hochzeitstag der 31. Oktober 2012 – und damit der 33. Kennenlerntag – festgestanden habe. Zudem habe sie zum Zeitpunkt der Eheschließung die negativen Heilungsaussichten nicht gekannt. Somit hätten bei ihre keine Versorgungsabsichten bestanden.

Der Verstorbene wusste bei der Eheschließung bereits von seiner schweren Krebserkrankung

Die Richter beider Instanzen haben die Entscheidung der Rentenversicherung bestätigt.

Der Gesetzgeber habe im Jahr 2001 geregelt, dass ein Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerrente nicht bestehe, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe. Anders sei dies nur, wenn wegen besonderer Umstände nicht davon auszugehen sei, dass die Heirat allein oder überwiegend einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung bezwecken solle. Solche Umstände seien u. a. bei einem plötzlichen unvorhersehbaren Tod (z. B. infolge eines Unfalls) anzunehmen oder wenn die tödlichen Folgen einer Krankheit bei Eheschließung nicht vorhersehbar gewesen seien. Weiß ein Versicherter hingegen bei der Heirat bereits von seiner lebensbedrohlichen Erkrankung, so sei die gesetzliche Vermutung, dass es eine Versorgungsehe vorliege, in der Regel nicht widerlegt. Diese gelte umso mehr, je offenkundiger und lebensbedrohlicher die Krankheit gewesen sei.

Im vorliegenden Fall sei – so die Richter – von einer Versorgungsehe auszugehen. Dabei sei unbeachtlich, dass die Frau erst nach der Eheschließung über die schlechten Heilungsaussichten informiert gewesen sei. Denn jedenfalls habe ihr verstorbener Ehemann bereits zuvor von der Schwere seiner Krebserkrankung gewusst. Auch habe dieser auf eine Eheschließung noch im Krankenhaus gedrängt. Dies spreche dafür, dass er vorrangig eine Versorgung seiner pflegebedürftigen Frau angestrebt habe, was im konkreten Fall die Versagung der Witwenrente zur Folge hatte.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Hinweise zur Rechtslage

§ 46 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI)

(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

Quelle: LSG Hessen, Pressemitteilung vom 24.01.2018 zum Urteil L 5 R 51/17 vom 15.12.2017

BFH zum Zuwendungsverhältnis bei Zahlung eines überhöhten Entgelts durch eine GmbH an eine dem Gesellschafter nahestehende Person

Zahlt eine GmbH unter Mitwirkung des Gesellschafters einen überhöhten Mietzins oder Kaufpreis an eine dem Gesellschafter nahestehende Person, liegt hierin keine Schenkung der GmbH an die nahestehende Person. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit drei Urteilen vom 13. September 2017 II R 54/15, II R 32/16 und II R 42/16 unter Änderung der rechtlichen Beurteilung entschieden hat, kann vielmehr eine Schenkung des Gesellschafters an die ihm z. B. als Ehegatte nahestehende Person gegeben sein.

In den Streitfällen II R 54/15 und II R 32/16 hatten die Kläger Grundstücke an eine GmbH vermietet. Sie waren jeweils die Ehegatten der Gesellschafter der GmbH. Die Gesellschafter hatten die Verträge mit unterschrieben oder als Gesellschafter-Geschäftsführer abgeschlossen. Im Streitfall II R 42/16 veräußerte der Kläger Aktien an eine GmbH. Er war der Bruder des Gesellschafters, der den Kaufpreis bestimmt hatte. Die bei den GmbHs durchgeführten Außenprüfungen ergaben, dass Mietzins und Kaufpreis überhöht waren und insoweit ertragsteuerrechtlich verdeckte Gewinnausschüttungen der GmbHs an ihre Gesellschafter vorlagen. Die Finanzämter sahen die überhöhten Zahlungen zudem schenkungsteuerrechtlich als gemischte freigebige Zuwendungen der GmbHs an die nahestehenden Personen an und besteuerten diese nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG).

Der BFH ist dem aufgrund einer geänderten Beurteilung nicht gefolgt (vgl. zur bisherigen Rechtsprechung BFH-Urteil vom 7. November 2007 II R 28/06, BFHE 218, 414, BStBl II 2008, 258). Die Zahlung überhöhter vertraglicher Entgelte durch eine GmbH an eine dem Gesellschafter nahestehende Person ist danach keine gemischte freigebige Zuwendung der GmbH i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an die nahestehende Person, wenn der Gesellschafter beim Abschluss der Vereinbarung zwischen der GmbH und der nahestehenden Person mitgewirkt hat. Die Mitwirkung des Gesellschafters kann darin bestehen, dass er den Vertrag zwischen GmbH und nahestehender Person als Gesellschafter-Geschäftsführer abschließt, als Gesellschafter mit unterzeichnet, dem Geschäftsführer eine Anweisung zum Vertragsabschluss erteilt, in sonstiger Weise auf den Vertragsabschluss hinwirkt oder diesem zustimmt.

Grund für die Zahlung des überhöhten Mietzinses oder Kaufpreises durch die GmbH an den Ehegatten oder Bruder ist in einem solchen Fall das bestehende Gesellschaftsverhältnis zwischen der GmbH und ihrem Gesellschafter. Dies gilt auch, wenn mehrere Gesellschafter an der GmbH beteiligt sind und zumindest einer bei der Vereinbarung zwischen der GmbH und der ihm nahestehenden Person mitgewirkt hat. Ist ein Gesellschafter über eine Muttergesellschaft an der GmbH beteiligt, gelten die Rechtsgrundsätze entsprechend, wenn er an dem Vertragsabschluss zwischen der GmbH und der ihm nahestehenden Person mitgewirkt hat.

In diesen Fällen kann jedoch der Gesellschafter selbst Schenker i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sein. Ob tatsächlich eine Schenkung zwischen dem Gesellschafter und der nahestehenden Person vorliegt, hängt von der Ausgestaltung der zwischen ihnen bestehenden Rechtsbeziehung ab. Hier sind verschiedene Gestaltungen denkbar (z. B. Schenkungsabrede, Darlehen, Kaufvertrag). Hierüber hatte der BFH in den Streitfällen nicht abschließend zu entscheiden.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 5/18 vom 24.01.2018 zu den Urteilen II R 54/15, II R 32/16 und II R 42/16 vom 13.09.2017

 

Umsatzsteuer: Rechnung muss auch im Niedrigpreissegment immer eindeutige Identifizierung der Leistung ermöglichen

Auch beim massenhaften Handel von Kleidungsstücken und von Modeschmuck im Niedrigpreissegment kann ein Vorsteuerabzug nur vorgenommen werden, wenn die Rechnung eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung ermöglicht, über die abgerechnet wird. Das hat das Hessische Finanzgericht in zwei Verfahren klargestellt (Az. 1 K 547/14 und 1 K 2402/14).

Im Klageverfahren 1 K 547/14 war die Klägerin im Streitjahr im Textilhandel unternehmerisch tätig. Sie vertrieb Damenoberbekleidung (insbesondere T-Shirts und Blusen) im Niedrigpreissegment. Die Kleidungsstücke wurden jeweils in großen Mengen in verschiedenen Standardgrößen und in mehreren Farben von Großhändlern eingekauft. Die Einkaufspreise je Artikel bewegten sich jeweils im unteren einstelligen Eurobereich. Das Finanzamt versagte bei einigen Rechnungen zu Lasten der Klägerin den Vorsteuerabzug, weil sich die Bezeichnungen der gelieferten Gegenstände in den Rechnungen auf die pauschale Bezeichnung einer Warenklasse und die Angabe einer erheblichen Stückzahl im mindestens dreistelligen Bereich beschränke. Eine Konkretisierung der Leistungsbeschreibungen fehle.

Auch im Klageverfahren 1 K 2402/14, in dem die Klägerin im Bereich des Handels mit Modeschmuck und Accessoires im Niedrigpreissegment tätig war, lehnte das Finanzamt den Vorsteuerabzug ab, weil Rechnungen auch hier nur unzureichende Angaben wie „div. Modeschmuck“ (Armband, Ohrring, Kette etc.), den Netto-Einzelpreis sowie die Anzahl der gelieferten Artikel enthielten.

Der klägerische Einwand, dass die jeweiligen Leistungsbeschreibungen in den Rechnungen angesichts der BFH-Rechtsprechung und mit Blick auf die Besonderheiten im Massengeschäft mit Billigartikeln die Anforderungen an eine handelsübliche Bezeichnung der Art der gelieferten Gegenstände erfüllten und dass die Handelsüblichkeit letztendlich von der Umsatzstruktur bzw. vom Marktumfeld abhänge, verfing im Klageverfahren nicht. Ebenso der Hinweis, dass die Übertragung der Anforderungen bei Leistungsbeschreibungen für sonstige Leistungen auf die – hier vorliegenden – Abrechnungen von Lieferungen bei verschiedenen Warengruppen zur Unmöglichkeit des Vorsteuerabzugs führe und gegen die EuGH-Rechtsprechung verstoße.

Das Hessische Finanzgericht entschied vielmehr, dass die streitigen Rechnungen mangels hinreichender Leistungsbeschreibung und fehlender Identifikationsmöglichkeit den gesetzlichen Anforderungen zum Vorsteuerabzug aus Rechnungen nicht genügten. Innerhalb einer Branche sei hinsichtlich der Frage, welche Bezeichnung einer Leistung noch handelsüblich sei, nicht nach verschiedenen Verkehrskreisen – nämlich dem Handel mit Textilien im mittleren und oberen Preissegment einerseits und dem Handel mit Waren im Niedrigpreissegment andererseits – zu differenzieren. Die in den Rechnungen des Verfahrens 1 K 547/14 enthaltene bloße Angabe einer Gattung (z. B. Shirts, T-Shirts, Blusen, Kleider, Blusen, Jacken) stelle keine handelsübliche Bezeichnung dar. Die – hier fehlende – erforderliche weitergehende Umschreibung der Ware könne beispielsweise über die Herstellerangaben bzw. die Angabe einer etwaigen Eigenmarke oder über Modelltyp, Farbe und Größe sowie unter Bezugnahme auf eine Artikel- oder Chargennummer erfolgen. Auch die Benennung von Größe, Farbe, Material, gegebenenfalls Sommer-oder Winterware komme in Betracht.

Das Fehlen jeglicher weiterer Umschreibung der Artikel lasse vorliegend keine eindeutige und mit begrenztem Aufwand nachprüfbare Feststellung der Lieferungen, über die mit den Rechnungen abgerechnet worden sei, zu. Dabei bestehe angesichts der hohen Anzahl der in den Rechnungen aufgeführten Artikel auch die Gefahr einer willentlichen oder unwillkürlichen mehrfachen Abrechnung der Leistung in einer anderen Rechnung. All dies gelte auch für den Handel mit Modeschmuck, Uhren und Accessoires. Auch insoweit stelle die bloße Angabe einer Gattung (z. B. Armbänder, Ketten, Halsketten) keine handelsübliche Bezeichnung dar.

Das Hessische Finanzgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Gegen das Urteil im Verfahren 1 K 2402/14 wurde Revision eingelegt, die beim Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Aktenzeichen XI R 2/18 anhängig ist.

Quelle: FG Hessen, Pressemitteilung vom 23.01.2018 zu den Urteilen 1 K 547/14, 1 K 2402/14 vom 12.10.2017

 

Bewertungsgesetz Ermittlung des Gebäudesachwerts nach § 190 BewG

Baupreisindizes zur Anpassung der Regelherstellungskosten aus der Anlage 24 BewG für Bewertungsstichtage im Kalenderjahr 2018

Gemäß § 190 Abs. 2 Satz 4 BewG gebe ich die maßgebenden Baupreisindizes zur Anpassung der Regelherstellungskosten aus der Anlage 24, Teil II., BewG bekannt, die ausgehend von den vom Statistischen Bundesamt am 10. Januar 2018 veröffentlichten Preisindizes für die Bauwirtschaft (Preisindizes für den Neubau in konventioneller Bauart von Wohn- und Nichtwohngebäuden; Jahresdurchschnitt 2017; 2010 = 100) ermittelt wurden und für Bewertungsstichtage im Kalenderjahr 2018 anzuwenden sind.

Baupreisindizes (2010 = 100)

Gebäudearten*

  • 1.01. bis 5.1. Anlage 24, Teil II., BewG = 116,8
  • 5.2. bis 18.2. Anlage 24, Teil II., BewG = 117,4

*Die Bestimmungen in der Anlage 24, Teil II., BewG zum Teileigentum und zur Auffangklausel gelten analog.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben IV C 7 – S-3225 / 16 / 10001 vom 22.01.2018

 

Minderung des ALG II bei Kündigung eines Probearbeitsverhältnisses?

Die Kündigung eines Arbeitnehmers während der Probezeit ist ein „wichtiger Grund“ im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II.

Der Begriff „wichtiger Grund“ in § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist ein unbestimmter Gesetzesbegriff. Eine Sanktion tritt nur dann ein, wenn dem Leistungsberechtigten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen und den öffentlichen Interessen ein anderes Verhalten zugemutet werden kann.

Der Sachverhalt

Der Kläger bezog vom Jobcenter Wetterau Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Am 23.06.2016 nahm er ein Arbeitsverhältnis als Mitarbeiter in der Produktion bei einem Kunststoff verarbeitenden Betrieb auf. Das Arbeitsverhältnis sollte am 30.06.2018 enden. Am 22.07.2016 kündigte der Kläger und erklärte gegenüber dem Jobcenter, seine Aufgaben hätten ziemlich viel Konzentration und Schnelligkeit gefordert. Hierin lägen gerade seine Schwächen. Sein Chef sei ein Choleriker gewesen. Er sei mit dem Arbeitsklima nicht klargekommen und habe angefragt, ob es ein anderes Arbeiten für ihn gäbe. Dies sei abgelehnt worden. Mit den Bescheiden vom 11.08. und 06.09.2016 stellte das Jobcenter eine Minderung des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 01.09. bis zum 30.11.2016 fest.

Die Entscheidung

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Gericht wies darauf hin, dass ein berechtigter Grund für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Leistungsberechtigten vorliege, wenn ihm die Arbeit nach seinem körperlichen und geistigen Leistungsvermögen nicht zugemutet werden könne. Da die Angaben des Klägers plausibel seien, sei er überfordert gewesen. Bei dieser Situation müsse dem Kläger wie jedem anderen Arbeitnehmer das Recht zugestanden werden, solange er sich in einem Probearbeitsverhältnis befinde, dieses Arbeitsverhältnis zu lösen.

Arbeit im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II sei nicht unterschiedslos jedes Beschäftigungsverhältnis. Auch ein Probearbeitsverhältnis sei generell ein Arbeitsverhältnis, dieses Arbeitsverhältnis stelle aber bis zu einem Übergang in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis (Ende der Probefrist) bzw. zum Fristablauf ein Arbeitsverhältnis mit Sonderrechten dar. Dem Sonderrecht der begründungslosen Lösung eines Probearbeitsverhältnisses hätten auch die Vorschriften des SGB II Rechnung zu tragen. Es sei rechtlich nicht vertretbar, dass das Geltendmachen von Rechten eines Arbeitsnehmers – hier Kündigung während der Probezeit – davon abhängig sein solle, ob der Betroffene anschließend einen Grundsicherungsleistungsanspruch geltend machen wolle oder nicht. Dies gelte umso mehr, wenn die Vermittlung in eine solche Arbeit nicht durch das Jobcenter vorgenommen worden sei, sondern der Leistungsberechtigte sich die Beschäftigung selbst gesucht habe. Dem Steuerzahler entstehe im letzteren Fall kein Schaden, da der Leistungsberechtigte ohne diese Tätigkeit weiter Leistungsbezieher des Jobcenters gewesen wäre.

Der Kläger könne auch nicht darauf verwiesen werden, dass er eine Kündigung erst hätte vornehmen dürfen, wenn er einen Anschlussarbeitsplatz gefunden habe. Eine solche Handhabung der Vorschrift des § 31 Abs. 1 SGB II würde in Zeiten einer schwächeren Konjunktur zwangsläufig dazu führen, dass ein Leistungsberechtigter, der aus einer Arbeitslosigkeit heraus eine Arbeit aufnehme, grundsätzlich sein Beschäftigungsbeendigungsrecht im Rahmen eines Probearbeitsverhältnisses verlieren würde.

Da nicht ersichtlich sei, dass der Gesetzgeber durch § 31 Abs. 1 SGB II das arbeitsvertraglich unbestrittene Vertragsrecht auf eine Probezeit mit entsprechenden rechtlichen Folgen der Arbeitsvertragspartei einschränken wolle und ferner der Kläger infolge Überforderung auch einen „wichtigen Grund“ im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II gehabt habe, seien die Bescheide des Beklagten aufzuheben gewesen.

Quelle: SG Gießen, Pressemitteilung vom 22.01.2018 zum Urteil S 22 AS 734/16 vom 28.11.2017 (rkr)

 

Grundsteuer: Das BVerfG zwischen den politischen Fronten

Mit Blick auf die vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängigen Verfahren hatte die Politik viel Zeit, die Reformierung der Einheitsbewertung für die Grundsteuer zum Abschluss zu bringen: Verfassungsbeschwerden aus den Jahren 2011 und 2012 rügten, die Bewertungsgrundlagen für die Grundsteuer seien ab dem Stichtag 01.01.2002 bzw. 01.01.2006 verfassungswidrig (Az. 1 BvR 639/11 und 889/12). In 2014 legte der Bundesfinanzhof (BFH) nach: In seinen Vorlagebeschlüssen führte er aus, die Vorschriften über die Einheitsbewertung seien (spätestens) ab dem Bewertungsstichtag 01.01.2008 bzw. 2009 nicht mehr verfassungsgemäß (Az. 1 BvL 11/14, 12/14 und 1/15). Die Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse am Hauptfeststellungszeitpunkt 01.01.1964 führe für die Einheitsbewertung zu Folgen, die mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht mehr vereinbar seien.

BVerfG-Verfahren nähern sich dem Ende

Nun wird es für den Gesetzgeber eng: Der Erste Senat des BVerfG führte am 16.01.2018 eine mündliche Verhandlung über die Richtervorlagen und Verfassungsbeschwerden durch. Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) nahm als Sachverständiger, vertreten durch die Leiterin der Steuerabteilung RAin/StBin Sylvia Mein, an der Verhandlung teil. Die kontrovers geführten Erörterungen zeigten sehr deutlich, wohin die Reise gehen könnte. Im Fokus standen dabei Fragen zu Wertverzerrungen durch den Hauptfeststellungszeitpunkt 1964 und deren Rechtfertigung, zu einem etwaigen Vollzugsdefizit und zur Tenorierung. Nach der Verhandlung dürfte es nur noch wenige Monate bis zu den Urteilsverkündungen dauern.

Der Hauptfeststellungszeitpunkt 1935 sei angesichts der Sachverhalte der zu beurteilenden Verfahren nicht Gegenstand der Entscheidungen des BVerfG, so der Berichterstatter des BVerfG, BVR Prof. Dr. Michael Eichberger, in seinen einleitenden Worten. Das BVerfG sehe darüber hinaus keinen Erörterungsbedarf zu der Zweiteilung der Bewertungsmethoden in Ertrags- und Sachwertverfahren. Wie der DStV in seinen Stellungnahmen S 11/14 und S 08/15 zu den anhängigen Verfahren herausarbeitete, könne auch nach der Auffassung des BVerfG in der Differenzierung kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz gesehen werden. Insoweit verwies Prof. Dr. Eichberger auf die Ausführungen im BVerfG-Urteil vom 10.02.1987 (Az. 1 BvL 18/81, LEXinform 0074432 ).

Beschwerdeführer fordern teilweise die sofortige Einstellung der Steuererhebung

Der Bevollmächtigte eines Beschwerdeführers forderte in seinem Eingangsstatement, dass die Erhebung der Grundsteuer für den Fall, dass das BVerfG die gegenwärtige Rechtslage als verfassungswidrig einstuft, sofort eingestellt werden müsse. Damit den Gemeinden nicht abrupt der Geldhahn zugedreht werde, müssten Finanzausgleichsströme bewirkt werden. Nach dem Gesetzentwurf des Bundesrats zur Reformierung der Grundsteuer aus 2016 ( BT-Drs. 18/10753 ) könnte das neue Recht allerdings erst nach 10 Jahren seine praktische Wirkung entfalten. Ein weiterer Bevollmächtigter erachtete eine entsprechende, vom BVerfG auszusprechende Fortgeltungsdauer für die gegenwärtigen Vorschriften von 10 Jahren für nicht hinnehmbar. Würde das BVerfG einen entsprechenden Zeitraum anordnen, stelle dies eine massive Entwertung des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes dar. Nur eine kurze Frist werde den Gesetzgeber dazu bewegen, ein transparentes und einfaches Bewertungsverfahren für das Grundvermögen auf den Weg zu bringen. Ein langer Fortgeltungszeitraum provoziere hingegen ein erneut kompliziertes und komplexes Verfahren.

Bundesregierung verteidigt geltende Vorschriften

Die Bundesregierung wurde durch Dr. Michael Meister, den Parlamentarischen Staatssekretär beim BMF, vertreten. Nach seinem Eingangsstatement seien die Vorschriften zur Ermittlung des Einheitswerts gerade noch mit der Verfassung im Einklang. Der geringen Belastungswirkung für den einzelnen Steuerpflichtigen stehe die hohe finanzielle Bedeutung des Aufkommens für die Gemeinden und der hohe administrative Aufwand im Massenverfahren gegenüber. Mit einem weitgehend konjunkturunabhängigen Aufkommen von 13,7 Mrd. Euro in 2016 sei die Grundsteuer für die Gemeinden nach der Gewerbesteuer und dem Anteil an der Einkommensteuer die drittwichtigste Steuer. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass der technische Anpassungsbedarf zur Erfassung und Bewertung von mehr als 35 Millionen Einheiten mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sei. Diese Abwägungen führten zur Verhältnismäßigkeit der geltenden Rechtslage.

Im Zusammenhang mit der Frage nach einer etwaigen Fortgeltungsdauer betonte die Bundesregierung, dass gewährleistet werden müsse, dass die Gemeinden keine Jahre ohne Aufkommen aus der Grundsteuer treffen. Die Bundesregierung stellte zur Bestimmung der Dauer auf das Credo ab: Je komplexer die materiell-rechtlichen Vorgaben seien, umso länger sei der zeitliche Umsetzungsbedarf. Eine Fortgeltungsdauer von 10 Jahren rechtfertige sich durch die Mehrstufigkeit des Reformvorhabens: In einem ersten Schritt müssten die Bewertungsregelungen durch gesetzgeberische Maßnahmen angepasst werden. 5 bis 7 Jahre seien für die Automatisierung des Verfahrens notwendig. Erst wenn danach die Höhen der einzelnen Einheitswerte feststünden, könne mit der geplanten Anpassung der Steuermesszahlen und der Hebesätze im Sinne der von der Politik beabsichtigten Aufkommensneutralität nachjustiert werden.

Bundesländer stellen Reformvorhaben vor

Für die Bundesländer Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Berlin sprachen deren Finanzstaatssekretäre Dr. Stephan Weinberg, Dr. Patrick Opdenhövel und Dr. Margaretha Sudhof. Sie stellten die komplexen Reformüberlegungen des Bundesrats im Detail vor. Dabei arbeiteten sie anschaulich heraus, warum ein Umsetzungsprozess von 10 Jahren erforderlich sei. Dies liege maßgeblich an dem Aufbau einer neuen automationsgestützten Infrastruktur, der Einrichtung einer Grundstücksdatenbank und reibungslos laufender Verknüpfungen zwischen den unterschiedlichen IT-Landschaften der einzelnen Länder. Auf Basis der gegenwärtigen Rechtslage sei bereits vor einigen Jahren mit der Entwicklung technischer Systeme begonnen worden. Für sie sei eine Pilotierung in 2019 bzw. 2020 geplant.

Wertverzerrungen durch den Hauptfeststellungszeitpunkt 01.01.1964?

Deutliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gegenwärtigen Rechtslage zeigte das BVerfG durch seine Fragen zur Rechtfertigung etwaiger Wertverzerrungen aufgrund des Hauptfeststellungszeitpunkts 01.01.1964. Im Zentrum standen unter anderem die Fragen, ob die gegenwärtige Rechtslage überhaupt zu Wertverzerrungen führe und wie großzügig der Typisierungsspielraum des Gesetzgebers sei.

Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen, Ludwig-Maximilians-Universität München, hob als Vertreter der Bundesregierung hervor, dass es zur Beurteilung einer Wertverzerrung eines Bezugspunktes bedürfe. In der Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung werde unterstellt, dass dieser Bezugspunkt der Verkehrswert sein müsse. Nach der Rechtsprechung sei die Orientierung am Verkehrswert bei der Grundsteuer als Einvermögensteuer jedoch nicht zwingend. In diesem Bereich stehe dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungs- bzw. Typisierungsspielraum zu. Anfangs möge die Entscheidung zwar in Richtung Verkehrswert ausgefallen sein. Der Gesetzgeber habe seine Entscheidung jedoch im Laufe der Jahre schrittweise relativiert und den Typisierungsspielraum durch die Aussetzung der sechsjährigen Festsetzungsfrist genutzt. Darüber hinaus müsse nach Drüen nicht die Frage nach der Bewertungsgleichheit, sondern die nach der Belastungsgleichheit betrachtet werden. Der Einheitswert sei nur die erste Stufe auf dem Weg zur Belastungsgleichheit. Einzubeziehen seien darüber hinaus die korrigierende Wirkung durch die Steuermesszahl und die Hebesätze. Ziel des Gesetzgebers sei es bei Einführung des Systems gewesen, die Belastungsgleichheit durch das Zusammenwirken der drei Ebenen herzustellen.

Diese Begründungsansätze schienen das BVerfG nicht zu überzeugen: Zwar sei zutreffend, dass zur Beurteilung von Wertverzerrungen im Rahmen der Grundsteuer nicht der Verkehrswert zwingend als Bezugsgröße heranzuziehen sei. Dennoch liege dem geltenden System nach wie vor das Ziel zugrunde, ökonomisch realitätsgerechte Werte und in diesem Sinne den Verkehrswert abzubilden. So seien die Aktualisierung und eine periodische Feststellung der Werte nach wie vor im Gesetz angelegt. Die angeführte schrittweise Relativierung der Entscheidung des Gesetzgebers hätte nicht allein durch eine Aussetzung der Feststellungsfrist, sondern vielmehr durch eine Umstellung der materiell-rechtlichen Grundlagen erfolgen müssen. Das BVerfG suche – trotz der Ausführungen der Bundesregierung – immer noch arg nach einer Richtungsänderung im bestehenden System. Nach Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof, Vizepräsident des BVerfG und Vorsitzender des Ersten Senats, lasse sich wohl nicht bestreiten, dass eine ökonomisch realitätsgerechte Abbildung der Werte durch das Abstellen auf die Wertverhältnisse am 01.01.1964 nicht mehr gegeben sei. Die Steuermesszahl und die Hebesätze seien als Korrektiv nicht ausreichend.

Verfassungswidrigkeit durch ein strukturelles Vollzugsdefizit?

Weniger bedeutsam schien dem BVerfG die Frage nach einem strukturellen Vollzugsdefizit. Dieses könnte beispielsweise durch das Fehlen einer Deklarationspflicht des Steuerpflichtigen begründet sein. Nach dem Vertreter der Bundesregierung und der Vertreterin des Finanzministeriums Hamburg würden die verwaltungsinternen Informationsmöglichkeiten, wie die Angaben in den Steuererklärungen beispielsweise zu Anschaffungskosten oder zu Modernisierungsmaßnahmen, genutzt. Auch die Mitteilungen der Baubehörden würden Nachfeststellungen anstoßen. Es gäbe allenfalls Ineffizienzen, die das für das Massenverfahren übliche Maß nicht überstiegen. Weiteren Erörterungsbedarf sah das Gericht nicht.

Tenorierung bei unterstelltem Verfassungsverstoß?

Die Erörterungen über die Rechtsfolgen bei einem unterstellten Verfassungsverstoß offenbarten eindrucksvoll die Bedenken einzelner Richter des Ersten Senats angesichts der Untätigkeit des Gesetzgebers in den letzten 40 Jahren. Zudem brachte die mehrfach gestellte Frage, wie schnell eine Reform machbar wäre, die Zweifel an dem Wunsch nach einer Fortgeltungsdauer von 10 Jahren zum Ausdruck.

Nach Prof. Dr. Kirchhof hätte der Gesetzgeber über eine Zeitspanne von 10 Legislaturperioden längst handeln können. Jahressteuergesetze würden beispielsweise flott verabschiedet, sobald das Jahresende naht. BVR Prof. Dr. Andreas L. Paulus brachte auf den Punkt, dass es eine Fortgeltungsdauer von 10 Jahren bisher in der Rechtsprechung der BVerfG nicht gab. Sollte ein solches Exempel statuiert werden, würde dies das Vertrauen des BVerfG voraussetzen, dass „…die Reform gleich um die Ecke komme“. Dies sei eher nicht zu erwarten, da seit der Einbringung des Vorschlags des Bundesrats in den Deutschen Bundestag in 2016 wieder nichts passiert sei. Zudem seien sich die Länder nach wie vor untereinander nicht einig.

Die Bundesregierung und Vertreter der Länder gingen bei ihren Erwiderungen umfassend auf die Schwierigkeiten der Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens ein. Sie erklärten, welche Verfahrensschritte im Rahmen von KONSENS zu beachten seien. Weiter räumten sie ein, dass die personellen IT-Kapazitäten bisher vornehmlich für die großen Steuern, wie die Einkommensteuer, eingesetzt wurden. Zudem sei nicht die finanzielle Ausstattung das Problem, sondern vielmehr der Mangel an Spezialisten, die an der Schnittstelle von IT und Recht einsetzbar wären. Schließlich sei eine großzügige Fortgeltungsfrist erforderlich, weil im Falle eines kurzen Zeitraums eine Zwischenlösung gefunden werden müsse. Dies müsse unbedingt vermieden werden: Die erlangte politische Einigung auf Länderebene würde dann auf null zurückgesetzt. IT-Personal, welches für die langfristige Lösung benötigt werde, müsse für die Umsetzung der Zwischenlösung eingesetzt werden. Dies verzögere die angestrebte, langfristige Lösung.

Bemerkenswert klar deutete das BVerfG an, dass sowohl die Komplexität der neuen Rechtsgrundlagen als auch die damit verbundenen IT-Umsetzungsmaßnahmen verfassungsrechtlich nicht vorgegeben seien. Auch die Aufkommensneutralität, welche durch eine Reformierung des Steuermesszahlen-Systems und die Anpassung der Hebesätze erreicht werden soll, sei ein rein politisches Ziel. Denkbar wäre demgegenüber ein einfaches System, welches innerhalb einer kurzen Frist einführbar wäre.

In diesem Kontext erschienen die Schlussworte des Hamburger Finanzsenators, Dr. Peter Tschentscher, wie die Lösung aller Probleme: Nicht nur die IT-Umsetzungsmaßnahmen kennzeichnen die Schwierigkeiten des Gesetzentwurfes des Bundesrats. Anhand eines Rechenbeispiels zeigte er zudem auf, dass auf Mieter von Wohnungen in Ballungsräumen oder Großstädten massive Mehrkosten zukämen. In dem Hamburger Stadtteil Barmbek würden die Mietnebenkosten um rund 300 Euro pro Monat steigen. Ausweg aus dem Dilemma sei allein ein von Hamburg präferiertes Flächenmodell. Damit würde der für die Mieter unzumutbare Anstieg der Grundsteuer vermieden. Ein solcher Gesetzesvorschlag könnte gleichfalls in einer angemessen kurzen Frist umgesetzt werden.

Ausblick

Am Ende der intensiv geführten Verhandlung steht fest, dass das BVerfG mit seiner Entscheidung nicht nur grundlegende verfassungsrechtliche Fragestellungen beantworten wird. Durch die Untätigkeit und Gespaltenheit der gesetzgeberischen Entscheidungsträger gerät das BVerfG zwischen die politischen Fronten: Die Fortgeltungsdauer für die geltenden Regelungen bei einem unterstellten Verfassungsverstoß wird die politische Entscheidung für eines der diskutierten Reformmodelle maßgeblich bestimmen. Darüber hinaus bleibt abzuwarten, ob das BVerfG die grundsätzlich als Ausnahme konzipierte Anordnung der Fortgeltung auf ein bisher nicht da gewesenes Ausmaß ausweitet – dies aufgrund des politischen Unvermögens zur Einigung.

 Quelle: DStV, Mitteilung vom 22.01.2018

 

Arbeitslosengeld: Keine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe und Umzug zum Lebensgefährten

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat entschieden, dass die Aufgabe des Arbeitsplatzes zur erstmaligen Begründung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft an einem neuen Wohnort keine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld auslösen muss.

Die Klägerin (geb. 1955) war als Einzelhandelsverkäuferin in Schleswig-Holstein tägig. Im Jahre 2011 lernte sie ihren jetzigen Lebensgefährten kennen, der im Landkreis Nienburg als Hausmeister und Gärtner arbeitet. Sie verbrachten die gemeinsame Freizeit zusammen, wirtschafteten aus einem Topf und sorgten im Krankheitsfall für einander. Eine gemeinsame Wohnung war geplant. Nachdem mehrere Bewerbungen zunächst erfolglos waren, kündigte die Klägerin ihre Stelle, zog zu ihrem Lebensgefährten und meldete sich arbeitsuchend.

Die Bundesagentur für Arbeit verhängte eine Sperrzeit, da die Klägerin ohne „wichtigen Grund“ gekündigt habe. Sie stützte sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach ein wichtiger Grund beim erstmaligen Zusammenziehen nur vorliege, wenn ein Verlöbnis bestehe und eine baldige Eheschließung folge.

Das LSG ist der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht gefolgt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es nicht mehr zeitgemäß erscheine, die Anwendung der Sperrzeitvorschrift bei Arbeitsaufgabe wegen Umzugs an einen familienrechtlichen Status anzuknüpfen. Die Sperrzeit sei weder eine Strafvorschrift noch ein Instrument zur Durchsetzung von gesellschaftspolitischen Vorstellungen, sondern diene nur dem Schutz der Versichertengemeinschaft vor einer Manipulation des versicherten Risikos der Arbeitslosigkeit. Der wichtige Grund sei kein Privileg für Ehegatten, sondern gelte uneingeschränkt für alle Arbeitslosen in ihrer aktuellen und spezifischen Lebenssituation. Es seien gewichtige Umstände (z. B. finanzielle Situation, Scheidungsverfahren, gesundheitliche Gründe, Wohnungsmarkt, Schwangerschaft) denkbar, die unabhängig vom familiären Status einen Umzug zum Partner als vernünftig erscheinen lassen, sodass kein Interesse bestehe, die Arbeitsaufgabe als versicherungswidriges Verhalten zu sanktionieren. Die Partnerschaft der Klägerin sei erkennbar durch Kontinuität, Verantwortung und Fürsorge geprägt, so dass die Arbeitsaufgabe kein versicherungswidriges Verhalten darstelle.

Quelle: LSG Niedersachsen-Bremen, Pressemitteilung vom 22.01.2018 zum Urteil L 7 AL 36/14 vom 12.12.2017

 

Jährliche Inflationsrate im Dezember 2017 im Euroraum auf 1,4 % gesunken

Rückgang in der EU auf 1,7 %

Die jährliche Inflationsrate im Euroraum lag im Dezember 2017 bei 1,4 %, gegenüber 1,5 % im November. Ein Jahr zuvor hatte sie 1,1 % betragen. Die jährliche Inflationsrate in der Europäischen Union lag im Dezember 2017 bei 1,7 %, gegenüber 1,8 % im November. Ein Jahr zuvor hatte sie 1,2 % betragen. Diese Daten werden von Eurostat, dem statistischen Amt der Europäischen Union, veröffentlicht.

Die niedrigsten jährlichen Raten wurden in Zypern (-0,4 %), Irland und Finnland (je 0,5 %) sowie in Dänemark (0,8 %) gemessen. Die höchsten jährlichen Raten wurden in Litauen und Estland (je 3,8 %) sowie im Vereinigten Königreich (3,0 %) verzeichnet. Gegenüber November 2017 ging die jährliche Inflationsrate in dreiundzwanzig Mitgliedstaaten zurück, blieb in vier unverändert und stieg in einem an.

Der stärkste Aufwärtsimpuls für die jährliche Inflation im Euroraum kam von den Teilindizes Kraftstoffe für Verkehrsmittel (+0,11 Prozentpunkte, Pp.), Tabak (+0,06 Pp.) sowie Milch, Käse und Eier (+0,05 Pp.), während Telekommunikation (-0,10 Pp.), Bekleidungsartikel und Gemüse (je -0,05 Pp.) am stärksten senkend wirkten.

Quelle: Eurostat, Pressemitteilung vom 17.01.2018

 

BMWi stellt klar: Betriebswirtschaftliche Beratung durch Steuerberater ist förderungsfähig

Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), die sich von ihrem Steuerberater über die reine steuerliche Beratung hinaus auch in betriebswirtschaftlichen Fragen beraten lassen, können hierfür besondere Zuschüsse des Bundes im Rahmen des Programms „Förderung unternehmerischen Know-hows“ erhalten. Dies haben das zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) sowie das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), das über die Bewilligung der Zuschüsse entscheidet, auf Nachfrage des DStV nochmals ausdrücklich bestätigt.

Die betriebswirtschaftliche Beratung durch Steuerberater werde grundsätzlich als förderungsfähige Unternehmensberatung im Sinne der einschlägigen Förderrichtlinien gewertet. Eine gute Nachricht für die Berufsangehörigen und ihre Mandanten: Denn Steuerberater beraten nicht nur etablierte Unternehmen, sondern verstärkt auch junge Unternehmen in der Gründungsphase, die eine qualifizierte Beratung und Unterstützung in betriebswirtschaftlichen Fragen besonders benötigen. Aber auch Unternehmen, die sich in einer wirtschaftlichen Schieflage befinden, können von einer Förderung profitieren. Gerade mittelständisch geprägte Unternehmen sehen ihren Steuerberater als ihren ersten Ansprechpartner und engsten Vertrauten in Sanierungsfragen. Sein Wissen und die Kenntnis der Unternehmensstrukturen geben ihm die Möglichkeit, dem Mandanten zielgerichtet Anregungen für die Entwicklung des Unternehmens zu geben.

Der DStV begrüßt ausdrücklich, dass der Bund über seine öffentlichen Förderprogramme besondere Beratungszuschüsse für einen breiten Kreis von Unternehmen gewährt. Insbesondere das angesprochene Programm „Förderung unternehmerischen Know-hows“ bietet den KMU die nötige Unterstützung, um qualifizierte Beratungsleistungen in Anspruch nehmen zu können.

Quelle: DStV, Mitteilung vom 15.01.2018

 

Unterhaltsrechtliche Leitlinien des Kammergerichts für 2018 veröffentlicht

Die Familiensenate des Kammergerichts haben ihre unterhaltsrechtlichen Leitlinien für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2018 veröffentlicht. Diese Leitlinien dienen der Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts in der Praxis. Sie konkretisieren unbestimmte Rechtsbegriffe des Unterhaltsrechts und pauschalieren die unterhaltsrelevanten Beträge.

Hintergrundinformationen zu den Änderungen der Leitlinien:

Die unterhaltsrechtlichen Leitlinien werden von den Familiensenaten des Kammergerichts in der Regel im Jahresturnus, jeweils im Nachgang zur Bekanntmachung einer neuen „Düsseldorfer Tabelle“ beschlossen, um den Berliner Familiengerichten, aber auch der unterhaltsrechtlichen Praxis der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, den Berliner Jugendämtern und der Unterhaltsvorschusskassen sowie den Berliner Sozialbehörden, eine erste Orientierungshilfe in Unterhaltssachen zu geben. Sie binden die Rechtsprechung nicht.

Die unterhaltsrechtlichen Leitlinien 2018 weisen nur geringfügige Änderungen auf. Die für die unterhaltsrechtliche Praxis wichtigste Änderung findet sich in Nr. 11 und dem dortigen Verweis auf die Unterhaltsbedarfssätze nach der aktuellen Düsseldorfer Tabelle 2018: Einige Familiensenate des Kammergerichts folgen dem Ansatz des Oberlandesgerichts Düsseldorfs und der Unterhaltskommission des Deutschen Familiengerichtstages und sprechen sich wie diese dafür aus, den Bedarf eines volljährigen, im Elternhaushalt lebenden Kindes zu begrenzen. Damit soll vermieden werden, dass sich dessen Bedarf im Vergleich zu demjenigen eines allein lebenden Erwachsenen überproportional erhöht. Deshalb wird für 2018 davon abgesehen, die Bedarfssätze in der vierten Altersstufe zu erhöhen; diese entsprechen vielmehr den Sätzen des Jahres 2017. Die Familiensenate des Kammergerichts wollen die Entwicklung des Bedarfs in der vierten Altersstufe sorgfältig beobachten und prüfen, ob bei den dortigen Sätzen weiterer Anpassungsbedarf besteht und inwieweit hieran künftig weiter festgehalten werden soll.

Quelle: KG Berlin, Pressemitteilung vom 11.01.2018

Unterhaltsrechtliche Leitlinien Kammergericht 2018 (Stand: Januar 2018)

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin