Kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Tatsache, dass der Arbeitgeber nach Betriebsvereinbarung steuerfreie Zuschläge als steuerpflichtigen Arbeitslohn behandelt hat.

Niedersächsisches Finanzgericht 3. Senat, Urteil vom 29.03.2017, 3 K 78/16

Verfahrensgang

nachgehend BFH, Az: VI B 47/17, Nichtzulassungsbeschwerde

Tatbestand

1
Streitig ist die nachträgliche Steuerbefreiung nach § 3b Einkommensteuergesetz (EStG) für vom Arbeitgeber gezahlte Zulagen nach Betriebsvereinbarung (sogenannte BV-Zulagen) für vom Kläger geleistete Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit und insbesondere die Frage, ob die Voraussetzungen für die Änderung von bestandskräftigen Einkommensteuerbescheiden gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) vorliegen.

2
Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger ist verheiratet und wird zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit aus seiner Tätigkeit als Fernmeldehandwerker bei der A-GmbH. Aufgrund dieser Tätigkeit hat der Kläger von dem Arbeitgeber, der A- GmbH, unter anderem Zahlungen nach entsprechenden Betriebsvereinbarungen (sogenannte BV-Zulagen) erhalten.

3
Dem Kläger standen aufgrund der Betriebsvereinbarungen zur Entlohnung von Schichtdienstkräften vom 29. März 2011 und vom 1. Oktober 2012 jeweils gemäß § 3 folgende Schichtzulagen für tatsächlich geleistete Sonderschichten zu:

4
Sonntags-Dienst pro Sonntag 43 €
Hoher Feiertag pro hohem Feiertag 60 €
Nachschichtzulage pro Nachtschicht 40 €.
5
Die Erfassung der tatsächlich erbrachten Arbeitszeiten erfolgte elektronisch und ist in der „Zeitnachweisliste“ dokumentiert (Anlage 3, Bd. II GA Bl. 109 ff.).

6
Auf Basis dieser Zeitnachweislisten wurde die monatliche „Bezügemitteilung“ durch den Arbeitgeber erstellt. Die dort abgerechneten „Zeitbezüge“ beziehen sich auf die Zeiterfassung des zweiten des dem Abrechnungsmonat vorangegangenen Monats, d. h. in der Bezügemitteilung für März 2014 wurden die tatsächlich im Januar 2014 erbrachten Sonderschichten abgerechnet.

7
Die A-GmbH hat die nach den Betriebsvereinbarungen zu leistenden Zulagen für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit aufgrund eines Software-Fehlers nicht steuerfrei gezahlt, sondern der normalen Lohnbesteuerung unterworfen. Steuerfrei gezahlt worden sind Zuschläge aufgrund von Manteltarifverträgen. Insoweit wird auf die vom Kläger im Klageverfahren vorgelegten Bezügemitteilungen für den Streitzeitraum 01/2011 bis 12/2014 verwiesen und Bezug genommen (Bd. II Gerichtsakte, Bl. 1 bis 102).

8
Die Bezügemitteilungen des Klägers sind sehr komplex. Sie enthalten eine Vielzahl von Einzelpositionen und meistens diverse Zulagen und Zuschläge. So beinhaltet zum Beispiel die Bezügemitteilung 05/2012 unter dem Oberbegriff „Zeitbezüge“ allein sieben Zulagen. Weitere acht Positionen, die für die Ermittlung der Bezüge von Bedeutung sind, finden sich unter dem Punkt „Zielerreichung“. Als „Basisbezüge“, die in das Gesamtbrutto einfließen, sind weitere sieben Positionen aufgeführt.

9
Eine Abrechnung oder Abgleichung des steuerpflichtigen und des nichtsteuerpflichtigen Arbeitslohnes des Lohnkontos zum jeweiligen Ende des Veranlagungszeitraums ist nicht vorgenommen worden. Der Arbeitgeber behandelte auch Lohnbestandteile, die als BV-Zulage gezahlt wurden, als steuerpflichtig und erfasste sie als Brutto-Arbeitslohn.

10
Der Kläger gab in seinen Einkommensteuererklärungen 2011 – 2014 den auf den Lohnsteuerbescheinigungen ausgewiesenen steuerpflichtigen Brutto-Arbeitslohn an. Das Finanzamt veranlagte erklärungsgemäß. Die streitbefangenen Einkommensteuerbescheide sind bestandskräftig.

11
Der Kläger erhielt erst am 17. Juli 2015 durch eine elektronische Nachricht der Personalabteilung Kenntnis von der falschen Berechnung seines Bruttoarbeitslohnes.

12
Mit Schreiben vom 18. August 2015 sowie vom 14. September 2015 beantragte der Kläger die Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide 2011 – 2014 wegen neuer Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO). Er begehrte die Minderung der Brutto-Arbeitslöhne für die Streitjahre 2011 – 2014 um bisher versteuerte Zulagen, da diese nach § 3b EStG steuerfrei seien.

13
Die A-GmbH hatte dem Kläger mit im Übrigen gleichlautenden Schreiben vom 31. August 2015 die Leistung von Zulagen nach Betriebsvereinbarung im Zusammenhang mit § 3b EStG für die Jahre 2011 in Höhe von 1.381,58 €, für 2012 in Höhe von 2,711,23 €, für 2013 in Höhe von 1.659,17 € und für 2014 in Höhe von 1.711,99 € bescheinigt.

14
Das Schreiben für 2011 lautet:

15
„Sehr geehrter Herr ..,

16
nach individueller Prüfung der von unserem/Mitarbeiter/in aufgrund von Stundenzetteln, Schichtplänen, Stempelkarten usw. erstellten und uns vorgelegten Aufzeichnungen bestätigten wir die Richtigkeit der Angaben. Unter Berücksichtigung der einkommensteuerlichen Grundsätze des § 3b EStG bestätigen wir den sich aus den Berechnungen unseres Mitarbeiters für das Jahr 2011 ergebenden Betrag in Höhe von 1.381,58 €.

17
Die Anerkennung der Steuerbefreiung des u.a. Betrags nach § 3b EStG ist u.E. gerechtfertigt, da die Zulagen nach BV für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit zusätzlich zur Grundvergütung geleistet wurden. Die normierten Beträge des § 3b EStG wurden unter Anrechnung der bereits steuerfrei ausgezahlten Zuschläge M-TV nicht überschritten.

18
Eigene Aufzeichnungen zur Berücksichtigung der Steuerfreiheit nach § 3b EStG waren uns aufgrund einer vorgenommenen internen Strukturänderung bisher nicht möglich. Dies hätte für uns einen Änderungsaufwand bedeutet. Allerdings können die tatsächlich erbrachten Arbeitszeiten von uns nachgewiesen werden.

19
Mit freundlichen Grüßen“ .

20
Den Schreiben der A-GmbH ist jeweils eine vom Kläger angefertigte Aufstellung der ihm im entsprechenden Veranlagungszeitraum zustehenden Zulagen nach BV beigelegt. Diese enthalten Anschreibungen für die einzelnen Arbeitstage (Bl. 14 ff. GA).

21
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2015 lehnte der Beklagte die Änderung der Einkommensteuerbescheide 2011 – 2014 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ab, weil für die von der A-GmbH gezahlten Zulagen nach Betriebsvereinbarung keine Steuerbefreiung nach § 3b EStG gewährt werden könne. Denn es handele sich bei den Zulagen um pauschal zum Arbeitslohn gezahlte Beträge.

22
Hiergegen wendet sich der Kläger nach erfolglosem Vorverfahren im vorliegenden Klageverfahren. Er führt dazu im Wesentlichen aus: Die Voraussetzungen des § 3b EStG seien sehr wohl gegeben. Er habe dem Finanzamt detaillierte Aufstellungen über seine Arbeitszeiten vorgelegt. Sein Arbeitgeber habe für alle streitigen Steuerjahre erklärt, dass die Zulagen nach der Betriebsvereinbarung für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit zusätzlich zur Grundvergütung geleistet worden seien. Die von der A-GmbH gezahlten Zuschläge gem. Betriebsvereinbarung sollten entsprechend der BFH-Rechtsprechung als Abschlagszahlungen für zu leistende Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit steuerfrei gezahlt werden.

23
Die fehlerhafte Besteuerung der Zuschläge durch die A-GmbH sei auf einen Software-Fehler zurückzuführen. Die nichterfolgte Abrechnung am Ende des jeweiligen Kalenderjahres habe sich ergeben, weil Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Fehler nicht erkannt hätten. Dieser sei erst im Jahr 2015 bekannt geworden.

24
Aus den aufgrund der Zeitnachweisliste und den Bezügemitteilungen erfolgten Abrechnungen sei ersichtlich, dass es sich bei den abgerechneten Schichtzulagen (hohe Feiertage, Sonntag und Nachtschicht) nicht um einen pauschalen Abschlag oder Vorschuss auf die zu leistenden Schichten handele, sondern um die endgültige Zahlung für geleistete „Sonderschichten“.

25
Als Nachweis dafür führt der Kläger beispielhaft an die Bezügemitteilung für den Monat 3/2014 (Anlage 4, Bd. II GA Bl. 201) sowie die Zeitnachweisliste für den Auswertungszeitraum 1. Januar 2014 – 31. Januar 2014 (Anlage 5, Bd. II GA, Bl. 243 ff.).

26
So habe er ausweislich der Zeitnachweisliste am 1. Januar 2014 (Neujahr) gearbeitet. Aus diesem Grund sei die Schichtzulage „Hoher Feiertag“ i.H.v. 60 € gezahlt worden. Darüber hinaus habe er am 25./26. (Samstag/Sonntag) und am 26./27. Januar (Sonntag/Montag) Sonntags-Schichten geleistet. Daher sei die Schichtzulage „Sonntag“ zweimal i.H.v. 43 € gezahlt worden. Die „Nachtschichtzulagen“ i.H.v. viermal 40 € seien für Nachtschichten am 8./9., 9./10., 25./26. und 26./27. Januar 2014 gezahlt worden.

27
Da ihn kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der neuen Tatsachen treffe, seien die Steuerbescheide für 2011 bis 2014 gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO wegen Vorliegens neuer Tatsachen zu ändern. Er sei in einem technischen Beruf tätig. Die Lohnabrechnung sei aufgrund diverser Zuschläge sehr komplex und unübersichtlich. Auch die Vielzahl der fehlerhaften Lohnabrechnungen und die Zeitspanne zwischen erstmaliger falscher Abrechnung mit Einführung der Betriebsvereinbarung zum 1. April 2011 bis zur „Entdeckung“ des Fehlers im Jahr 2015 zeige, dass der Fehler nicht offensichtlich gewesen sei und ihn, den Kläger, kein grobes Verschulden treffe.

28
Im Übrigen weise er darauf hin, dass zwischenzeitlich einige Finanzämter dieser Auffassung gefolgt seien.

29
Der Kläger beantragt,

30
unter Aufhebung des Einspruchsbescheides vom 15. Februar 2016 und des Ablehnungsbescheides vom 17. Dezember 2015 die Einkommensteuer für die Veranlagungszeiträume 2011 – 2014 neu festzusetzen unter Berücksichtigung der nach § 3b EStG zu gewährenden Steuerbefreiung für die vom Arbeitgeber gezahlten Zulagen für von ihm geleistete Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit wie folgt:

31
a) Steuerbefreiung der Zulagen für 2011 i.H.v. 1.181,58 €

32
b) Steuerbefreiung der Zulagen für 2012 i.H.v. 2.611,23 €

33
c) Steuerbefreiung der Zulagen für 2013 i.H.v. 1.459,17 €

34
d) Steuerbefreiung der Zulagen für 2014 i.H.v. 1.711,99 €.

35
Der Beklagte beantragt,

36
die Klage abzuweisen.

37
Er hält an seiner im Vorverfahren vertretenen Rechtsansicht fest. Er führt ergänzend aus, für die Steuerbefreiung nach § 3b EStG sei es erforderlich, dass die nach dem übereinstimmenden Willen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer pauschal geleisteten Zuwendungen als Abschlagszahlungen oder Vorschüsse auf eine spätere Einzelabrechnung geleistet würden. Die Zuschläge seien dann jeweils vor Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung, somit regelmäßig spätestens zum Ende des Kalenderjahres bzw. beim Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Dienstverhältnis zu errechnen.

38
Aus der Behandlung der pauschal gezahlten Zulagen nach einer entsprechenden Betriebsvereinbarung (sogenannte BV-Zulagen) als steuerpflichtig ergebe sich, dass der Arbeitgeber diese Zulagen nicht als Abschlagszahlungen oder Vorschüsse auf eine spätere Einzelabrechnung zum Ende des jeweiligen Lohnzahlungszeitraums gezahlt habe. § 3b EStG könne damit auf diese Zulagen keine Anwendung finden, auch nicht nachträglich im Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren.

39
Unabhängig von den vom Kläger nunmehr im Klageverfahren eingereichten Unterlagen, die er als Nachweise für die Steuerfreiheit der Zuschläge i.S.d. § 3b EStG erbracht habe, lägen die Voraussetzungen für eine Änderung der angefochtenen Steuerbescheide nach § 173 AO nicht vor. Im vorliegenden Fall träfe den Steuerpflichtigen ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der neuen Tatsachen.

40
Anhand der eingereichten Bezügemitteilungen sei eindeutig und leicht erkennbar, dass die streitigen Zulagen vom Arbeitgeber als steuerpflichtiger Arbeitslohn behandelt worden seien (z.B. Bezügemitteilungen 10/2011, 09/2012, 03/2013, 12/2014). Außerdem enthielten einige Bezügemitteilungen „Bearbeitungsvermerke“, aus denen ersichtlich sei, dass der Kläger diese Mitteilungen insbesondere bezüglich der steuerfreien Zulagen geprüft habe.

41
Der Rechtstreit ist durch Beschluss vom 6. März 2017 gemäß § 6 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung(FGO) der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen worden.

II.

Entscheidungsgründe

42
Die Klage ist begründet.

43
Der Beklagte hat zu Unrecht die Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2014 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO abgelehnt. Er hat zu Unrecht die dem Kläger im Streitzeitraum April 2011 bis Dezember 2014 nach den im Streitzeitraum geltenden Betriebsvereinbarungen zur Entlohnung von Schichtdienstkräften (BV-Zulagen) nicht nachträglich als nach § 3b EStG steuerbefreit angesehen, und zwar i.H.v. 1.181,58 € für 2011, i.H.v. 2.611,23 € für 2012 und i.H.v. 1.459,17 € für 2013 und i.H.v. 1.711,99 € für 2014.

44
Die Höhe der vom Arbeitgeber an den Kläger geleisteten BV-Zulagen ist von den Beteiligten in der genannten und aus dem Tenor ersichtlichen Höhe unstreitig gestellt worden.

45
1. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

46
Tatsachen i.S. dieser Vorschrift sind alle Sachverhaltsbestandteile, die Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestandes sein können. Also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (BFH-Urteil vom 27. Oktober 1992 VIII R 41/89, BStBl. II 1993, 569; vom 14.05 2003 II R 25/01, BFH/NV 2003, 1395).

47
Nachträglich bekanntgewordene Tatsachen sind solche, die zu dem für eine Aufhebung oder Änderung nach § 173 AO maßgeblichen Zeitpunkt – in der Regel dem Erlass des zu ändernden Bescheides – bereits vorhanden, aber noch unbekannt waren (BFH-Urteil vom 16. September 1987 II R 178/85, BStBl. II 1988, 174). Maßgebend ist die Kenntnis der sachlich und örtlich zuständigen Finanzbehörde (BFH-Urteil vom 29. Juni 1984 VI R 34/82, BStBl. II 1984, 694).

48
Neue Tatsache i.S.v. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist im vorliegenden Fall der Umstand, dass der Arbeitgeber die dem Kläger nach Betriebsvereinbarungen gezahlten Zulagen als lohnsteuerpflichtig behandelt hat. Dieser Umstand war sowohl dem Kläger als auch dem Beklagten neu.

49
§ 173 AO setzt für die Zulässigkeit der Änderung voraus, dass die Unkenntnis von Tatsachen für die ursprüngliche Veranlagung ursächlich gewesen sein muss, dass also die Steuerfestsetzung bei Kenntnis der nachträglich bekanntgewordenen Tatsache im Zeitpunkt des Ergehens des ursprünglichen Bescheids, anders als geschehen vorgenommen worden wäre. Die Rechtserheblichkeit einer nachträglich bekanntgewordenen Tatsache ist somit nur dann zu verneinen, wenn das FA auch bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsache schon bei der ursprünglichen Veranlagung bzw. Feststellung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Entscheidung gekommen wäre (BFH-Urteil vom 7. Juni 1989 II R 73/87, BFH/NV 1990, 415; BFH-Urteil vom 11.02.2010 VI R 65/08, BStBl. II 2010, 628).

50
Die neue Tatsache, dass der Arbeitgeber die nach Betriebsvereinbarung gezahlten Zulagen der Lohnsteuer unterworfen hat, ist auch rechtserheblich. Das FA hätte bei rechtzeitiger Kenntnis dieser Tatsache schon bei der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Steuerfreiheit der gewährten Zuschläge für Feiertags-, Sonntags- und Nachtarbeit gewährt.

51
Der Arbeitgeber hat keine pauschalen Abschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt.

52
Nach § 3b Abs. 1 EStG sind neben dem Grundlohn gewährte Zuschläge nur dann steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift ist Grundlohn der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht. Er ist in einen Stundenlohn umzurechnen.

53
Die Steuerbefreiung tritt nur ein, wenn die neben dem Grundlohn gewährten Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt worden sind (BFH-Urteil vom 26. Oktober 1984 VI R 1999/80 BStBl. 1985, 57), und setzt grundsätzlich Einzelaufstellungen der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden an Sonntagen, Feiertagen oder zur Nachtzeit voraus (BFH-Urteile vom 28. November 1990 VI R 90/87, BStBl. II 1991, 293; vom 8. Dezember 2011 VI R 18/11, BStBl. II 2012, 291). Dadurch soll von vornherein gewährleistet werden, dass ausschließlich solche Zuschläge steuerfrei bleiben, bei denen betragsmäßig genau feststeht, dass sie nur für die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden und die keine allgemeinen Gegenleistungen für die Arbeitsleistung darstellen. Hieran fehlt es jedoch, wenn die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit lediglich allgemein pauschaliert abgegolten wird, da hierdurch weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach Prozentsätzen des Grundlohns) möglich ist.

54
Nach den im Laufe des Klageverfahrens vorgelegten Unterlagen und gegebenen Erläuterungen hat der Kläger auf Einzelberechnungen basierende BV-Zuschläge für tatsächlich von ihm geleistete Arbeitsstunden an Sonntagen, Feiertagen und zur Nachtzeit bezahlt bekommen. Die tatsächlich vom Kläger geleisteten Arbeitszeiten sind elektronisch erfasst worden und in einer Zeitnachweisliste zusammengefasst. Auf der Basis der elektronisch erfassten Arbeitszeiten sind dann jeweils im Abstand von zwei Monaten die Bezügemitteilungen erfolgt. Das heißt z.B. in der Bezügemitteilung für März 2014 sind tatsächlich die vom Kläger erbrachten Arbeitsleistungen und die hierfür geleisteten Schichtzulagen (hohe Feiertage, Sonntage und Nachtschicht) für den Monat Januar 2014 enthalten.

55
Den Kläger trifft am nachträglichen Bekanntwerden der Tatsache, dass sein Arbeitgeber, die A- GmbH, die nach Betriebsvereinbarungen gezahlten Zuschläge für Arbeit an hohen Feiertagen, an Sonntagen und zur Nachtzeit als steuerpflichtigen Arbeitslohn behandelt hat, kein grobes Verschulden.

56
Grobes Verschulden i.S.v. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO umfasst Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (ständige Rechtsprechung z.B. BFH-Urteil vom 4. Februar 1998 IX R 47/97, BFH/NV 1998, 682; vom 10. Dezember 2013 VIII R 10/11, BFH/NV 2014, 820 m.w.N.). Grob fahrlässig handelt der Steuerpflichtige, wenn er die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und im Stande ist, in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt (ständige Rechtsprechung vgl. BFH-Urteile vom 4. Februar 1998 XI R 47/97, BFH/NV 1998, 682; vom 26. November 2014 XI R 41/13, BFH/NV 2015, 491).

57
Grobes Verschulden ist unter anderem anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige aus Schludrigkeit Beweismittel nicht vorlegt oder in das Erklärungsformular die ihm übermittelten Daten nicht richtig einträgt (BFH-Beschluss vom 30. Januar 1997 III B 99/95, BFH/NV 1997 385) oder im Erklärungsformular ausdrücklich gestellte Fragen unbeachtet lässt (BFH-Urteil vom 9. November 2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545).

58
Nach den oben aufgezeigten Maßstäben trifft den Kläger kein grobes Verschulden. Der Kläger ist von Beruf Techniker und in erster Linie in seinem Berufsfeld firm, nicht so sehr in Buchhaltungs- und Abrechnungs- sowie Steuerfragen.

59
Der Kläger hat ausweislich seiner Bezügemitteilungen in den meisten Monaten eine Vielzahl von Zulagen erhalten. Exemplarisch sei genannt und Bezug genommen auf die Bezügemitteilung 05/2012 (GA Bd. II Bl.35). Dort sind unter dem Oberbegriff „Zeitbezüge“ allein sieben Zulagen genannt, unter dem Begriff „Zielerreichung“ sind weitere acht Positionen genannt, die für die Ermittlung der Bezüge von Bedeutung sind. Unter dem Begriff „Basisbezüge“ werden abermals sieben Positionen benannt, die in das Gesamtbrutto einfließen. Insgesamt umfasst die Bezügemitteilung 05/02 zwei DIN A 4 Seiten.

60
Der Kläger hat – wie im Übrigen seine Kollegen auch – hinsichtlich der Richtigkeit der Bezügemitteilungen auf seinen Arbeitgeber und dessen Kenntnisse vertraut. Dieser Arbeitgeber ist nicht irgendeine kleine Firma, sondern ein großer, durchorganisierter und leistungsstarker Arbeitgeber, nämlich die A- GmbH, hinter der letzten Endes ein bundesweiter Konzern steht. Der Kläger durfte auf die Kompetenz der dortigen Lohnbuchhaltung und Gehaltsabteilung vertrauen. Dort war erst im Jahr 2015 nach Ablauf mehrerer Jahre die fehlerhafte steuerliche Behandlung der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags-oder Nachtarbeit für die Zeit ab April 2011 erkannt worden. Es handelt sich also nicht um einen offensichtlichen Fehler, der einem im technischen Dienst tätigen Arbeitnehmer hätte auffallen müssen.

61
In seinen Einkommensteuererklärungen hat der Kläger jeweils die ihm von seinem Arbeitgeber in den elektronisch übermittelten Lohnsteuerbescheinigungen enthaltenen Angaben übernommen, in denen die Zuschläge nach Betriebsvereinbarungen nicht als steuerfreie Bezüge benannt oder ausgewiesen waren.

62
Der Kläger war nicht verpflichtet, seine durchaus komplexen und von zahlreichen Details geprägten Bezügemitteilungen in allen – eventuell auch steuerlich relevanten – Einzelheiten zu kontrollieren. Bei der Abgabe seiner Einkommensteuererklärungen hat er die vom Arbeitgeber übermittelten Daten korrekt übertragen. Der Kläger hat auch keine falschen Angaben in der Anlage N gemacht. Angaben zu steuerfrei gezahlten Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit werden dort nicht abgefragt. Der Kläger hat keine im Erklärungsformular ausdrücklich gestellten Fragen unbeantwortet gelassen.

63
Er hat nach der Überzeugung des Gerichts die Sorgfalt, zu der er als normaler Arbeitnehmer und Techniker nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und im Stande war, jedenfalls nicht in ungewöhnlichem Maße und auch nicht in nicht entschuldbarer Weise verletzt.

64
Nach der Überzeugung des Gerichts hat der Kläger seine vom Beklagten monierten Bearbeitungsvermerke auf seinen Bezügemitteilungen erst angebracht, nachdem er von seinem Arbeitgeber im Jahr 2015 von der fehlerhaften steuerlichen Behandlung der BV-Zuschläge unterrichtet worden war.

65
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 137 Abs. 1 Satz 1 FGO. Hiernach können einem Beteiligten die Kosten ganz oder teilweise auch dann auferlegt werden, wenn er obsiegt hat, die Entscheidung aber auf Tatsachen beruht, die er früher hätte geltend machen oder beweisen können und sollen. Dem Kläger sind die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da die zutreffende und erläuternde Darstellung des Sachverhalts sowie das Einreichen weiterer Beweismittel erst im Klageverfahren erfolgt ist.

Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen, die der Steuerpflichtigen aufgrund eines Vergleichs zur Ablösung einer Darlehensschuld zu leisten hat

Niedersächsisches Finanzgericht 2. Senat, Urteil vom 07.12.2016, 2 K 177/15

§ 9 Abs 1 S 1 EStG

Verfahrensgang

nachgehend BFH, Az: IX R 10/17, Revision eingelegt

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten über die steuerliche Abzugsfähigkeit von Aufwendungen, die dem Kläger im Rahmen eines gerichtlichen Vergleiches zur Ablösung einer Darlehensschuld aus einer Immobilieninvestition entstanden sind.

2
Der Kläger war zu 25% an der „GbR O.-Straße 50“ beteiligt, zu deren Vermögen ein Gebäudekomplex in der O.-Straße in M. gehörte (im Folgenden: GbR).

3
Nach einem Verkauf des Gebäudekomplexes im Jahr 1994 verblieben Restverbindlichkeiten.

4
Im Jahr 2001 übernahm der Kläger – unter gesamtschuldnerischer Mithaft zweier ehemaliger Mitgesellschafter – die Verbindlichkeiten der GbR i.H.v. 5.032.000 €.

5
In der Folgezeit fielen die für die Restverbindlichkeiten mithaftenden Mitgesellschafter des Klägers (teilweise aufgrund von Insolvenzen) aus, so dass nur noch der Kläger als Verpflichteter aus der Darlehensschuld der GbR in Anspruch genommen werden konnte und wurde.

6
Im Rahmen eines Rechtsstreits mit der Gläubigerbank (M-Bank) gegen den Kläger wurde zwischen beiden am 30. Mai 2012 ein Vergleich geschlossen, in dem sich der Kläger verpflichtete, auf die Darlehensforderung einen Betrag i.H.v. 500.000 € zu leisten. Dadurch sollten alle Ansprüche der Gläubigerbank gegen den Kläger abgegolten sein. Die Gesamtforderung der M-Bank betrug zu diesem Zeitpunkt 2.704.648,77 €, davon Zinsen i.H.v. 620.007,36 €. Der Betrag wurde von dem Kläger wie vereinbart i.H.v. 100.000 € bis zum 31. Juli 2012 und sodann in jährlichen Raten von 80.000 € gezahlt.

7
Die Kläger machten den im Jahr 2012 geleisteten Betrag von 100.000 € sowie die für den Prozess mit der M-Bank entstanden Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 10.837,87 € als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend.

8
Im Bescheid für 2012 über Einkommensteuer vom 30. Juli 2014 berücksichtigte das beklagte Finanzamt die Aufwendungen gar nicht, da nicht erkennbar sei, inwieweit die gezahlten Beträge nicht bereits im Rahmen der Liquidation der GbR berücksichtigt wurden und inwieweit die zugrunde liegenden Verbindlichkeiten dort hätten beglichen werden können.

9
Hiergegen wandten sich die Klage zunächst mit ihrem Einspruch und verwiesen auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) in der Sache IX R 12/12, wonach das für eine Entlassung aus der Haftung gegenüber einem Darlehensgläubiger geleistete Entgelt als vergebliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar sein kann, wenn es der Steuerpflichtige aufwendet, um sich aus einer gescheiterten Immobilieninvestition zu lösen und so die Höhe der vergeblich aufgewendeten Kosten zu begrenzen. Der Abzug sei dabei nicht auf den Zinsanteil beschränkt.

10
Das beklagte Finanzamt erkannte sodann den auf die Zinsen entfallenden Teil des geltend gemachten Betrages, nämlich ein Betrag von 25.409 €, als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an, wies den Einspruch aber im Übrigen als unbegründet zurück. Zur Begründung führt es zunächst aus, es sei „unstreitig, dass die von den [Klägern] geltend gemachten Aufwendungen tatsächlich entstanden sind und diese Aufwendungen dem Grunde nach in einem Veranlassungszusammenhang mit früher erzielten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung stehen, so dass grundsätzlich eine Berücksichtigung der Aufwendungen als nachträgliche Werbungskosten zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung möglich ist“. Die Berücksichtigung könne jedoch nur insoweit erfolgen, als die Aufwendungen Zinsaufwand darstellten, nicht jedoch, soweit es sich um einen Darlehenstilgung handele. Denn es könne nicht sein, dass wenn die Bank eine ähnliche Vereinbarung mit den Mitgesellschaftern des Klägers schlösse, durch eine steuerliche Berücksichtigung auch der jeweiligen Tilgungsanteile in der Summe mehr steuerlich abziehbar wäre als bei einer planmäßigen Rückzahlung des Darlehens. Soweit die Kläger auf die Entscheidung des BFH verwiesen, sei diese noch nicht amtlich veröffentlicht und über den Einzelfall hinaus anwendbar. Im Übrigen liege der Entscheidung ein anderer Sachverhalt zugrunde, denn dort sei die Vereinbarung mit der Gläubigerbank vor Veräußerung der vermieteten Immobilie getroffen worden, während sie im Streitfall erst nach der Veräußerung getroffen worden sei.

11
Hiergegen richtet sich die Klage.

12
Die Kläger beantragen,

13
unter Änderung des Bescheides für 2012 über Einkommensteuer vom 30. Juli 2014 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 1. September 2015 die Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 87.914,10 € festzusetzen.

14
Der Beklagte beantragt,

15
die Klage abzuweisen

16
und verweist zur Begründung vollumfänglich auf den Einspruchsbescheid.

Entscheidungsgründe

17
I. Die zulässige Klage ist begründet. Die Zahlungen des Klägers auf Grundlage des Vergleichs mit der Gläubigerbank sowie die für den Prozess aufgewandten Rechtsanwaltsgebühren sind in vollem Umfang als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.

18
1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen, die gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart abzuziehen sind, bei der sie erwachsen. Auch „vergebliche“ Aufwendungen können als Werbungskosten abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige – nachdem er das Scheitern seiner Investition erkannt hat – etwas aufwendet, um sich aus der vertraglichen Verbindung zu lösen und damit die Einkünfteerzielung zu beenden. Der durch die Absicht der Einkünfteerzielung begründete Veranlassungszusammenhang wirkt fort, solange er nicht durch eine neue – einkommensteuerlich relevante oder irrelevante – Veranlassung überlagert wird (BFH, Urteile vom 21. November 2013 – IX R 12/12, BFH/NV 2014, 834; v. 7. Juni 2006 – IX R 45/05, BFHE 214, 176, BStBl II 2006, 803; v. 15. November 2005 – IX R 3/04, BFHE 212, 45, BStBl II 2006, 258).

19
Nach diesen Maßstäben ist die von dem Kläger geleistete Zahlung als nachträgliche Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Ihm ist Aufwand in Höhe von insgesamt 510.838 € entstanden, um die im Kauf des Immobilienobjekts liegende gescheiterte Investition zu beenden und so die Höhe der vergeblich aufgewendeten Kosten zu begrenzen. Der als Werbungskosten grundsätzlich berücksichtigungsfähige rückständige Zinsaufwand aus dem zur Finanzierung der Herstellungskosten der Immobilie aufgenommenen Darlehen belief sich zu diesem Zeitpunkt auf über 620.000 €. Vor diesem Hintergrund bedarf es – entgegen der Auffassung des beklagten Finanzamts – auch keiner Prüfung, in welchem Verhältnis die Darlehensgläubigerin die geleistete Zahlung auf Zinsschuld und/oder Darlehensschuld verrechnet hat (s. BFH, Urteil vom 21. November 2013 – IX R 12/12, BFH/NV 2014, 834). Die Anrechnung der Zahlungen auf die offenen Zinsen entspricht auf der in § 367 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches genannten Tilgungsreihenfolge.

20
Der – von dem beklagten Finanzamt im Einspruchsbescheid als „unstreitig“ bezeichnete – Veranlassungszusammenhang der Aufwendungen mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung wird nicht durch den Umstand überlagert, dass die Immobilie vor dem Zeitpunkt des Vergleichs bereits veräußert worden ist. Im Gegenteil bleibt der Veranlassungszusammenhang gerade deshalb bestehen, weil die für die vermieteten Immobilie aufgenommenen Darlehen mit den Erlösen aus dem Verkauf der Immobilie nicht beglichen werden konnten (vgl. BFH-Urteile vom 7. Juli 1998 – VIII R 5/96, BFHE 186, 526, BStBl II 1999, 209; vom 19. Juni 2001 – X R 104/98, BFH/NV 2002, 163).

21
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

22
III. Die Revision war nicht zuzulassen, da die hierfür in § 115 FGO genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Das Gericht ist mit seiner Entscheidung dem Urteil des BFH in der Sache IX R 12/12 gefolgt. Dass dieses vom Bundesministerium der Finanzen nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht worden ist, erfordert keine neuerliche Befassung des BFH mit der Rechtsfrage.

Verschärfte EU-Regeln im Kampf gegen Geldwäsche, Steuervermeidung und Terrorismusfinanzierung treten in Kraft

Die Juncker-Kommission hat den Kampf gegen Steuervermeidung, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu einer ihrer Prioritäten erklärt. Am 26. Juni 2017 ist die Vierte Richtlinie zur Geldwäschebekämpfung in Kraft getreten. Sie verschärft die bestehenden Regelungen und sorgt für eine wirksamere Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Zudem schafft sie mehr Transparenz, um Steuervermeidung zu verhindern. Zusätzliche Maßnahmen zur weiteren Stärkung der Richtlinie sind bereits in einem fortgeschrittenen Stadium. Darüber hinaus hat die Kommission am 26. Juni 2017 einen Bericht veröffentlicht, mit dem die Behörden der Mitgliedstaaten beim praktischen Vorgehen gegen Geldwäsche-Risiken unterstützt werden sollen.

Gemäß den Vorgaben der neuen Richtlinie hat die Kommission bewertet, wie hoch die Risiken von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in verschiedenen Branchen und für unterschiedliche Finanzprodukte sind. Der am 26. Juni 2017 veröffentlichte Bericht benennt die riskantesten Bereiche und die von Kriminellen am häufigsten genutzten Geldwäschepraktiken.

Frans Timmermans, Erster Vizepräsident: „Gewaschenes Geld hält Kriminalität, Terrorismus und Steuervermeidung in Gang. Wir müssen den Nachschub kappen, so gut wir können. Die am 26. Juni 2017 in Kraft getretenen schärferen Vorschriften sind ein großer Fortschritt, jetzt brauchen wir allerdings noch eine schnelle Einigung über die weiteren Verbesserungen, die die Kommission im Juni vergangenen Jahres vorgeschlagen hat.“

Věra Jourová, Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung, erklärte: „Terroristen und andere Verbrecher finden weiter Wege, um ihr Treiben zu finanzieren und illegale Einkünfte in den Wirtschaftskreislauf einzuschleusen. Die seit dem 26. Juni 2017 geltenden neuen Vorschriften werden entscheidend dazu beitragen, bestehende Schlupflöcher zu schließen. Ich fordere alle Mitgliedstaaten auf, die neuen Regelungen unverzüglich umzusetzen – denn niedrigere Hürden in einem Land behindern die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in der gesamten EU. Außerdem rufe ich zur raschen Einigung über die weiteren Änderungen auf, die die Kommission in Reaktion auf die Panama-Papiere vorgeschlagen hat, um die Transparenz bezüglich der wirtschaftlichen Eigentümer zu erhöhen.“

Bestehende Regelungen verschärfen

Die Vierte Richtlinie zur Bekämpfung von Geldwäsche verschärft bestehende Vorschriften durch die folgenden Änderungen:

  • Die Pflicht zur Risikobewertung für Banken, Anwälte und Steuerberater wird intensiviert;
  • für Unternehmen werden klare Transparenzanforderungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Eigentümer festgelegt. Diese Informationen werden in einem zentralen Register, beispielsweise einem Handelsregister, gespeichert und stehen nationalen Behörden und Verpflichteten zur Verfügung;
  • die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen den zentralen Meldestellen der verschiedenen Mitgliedstaaten zur Ermittlung und Verfolgung verdächtiger Geldtransfers wird erleichtert, um terroristische Aktivitäten und andere Straftaten aufzudecken und zu verhindern;
  • es wird eine kohärente Strategie gegenüber Drittländern mit einem unzureichenden Vorgehen bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gewährleistet;
  • die Sanktionsbefugnisse der zuständigen Behörden werden erweitert.

Im Juli 2016 hat die Kommission einen Vorschlag zur weiteren Verschärfung dieser Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung und zur Erhöhung der Transparenz in Bezug auf die tatsächlichen Eigentümer von Gesellschaften und Trusts angenommen. Die Kommission fordert das Europäische Parlament und den Rat auf, ihre gesetzgeberische Arbeit so schnell wie möglich abzuschließen, damit die neuen Vorschriften rasch in Kraft treten können. Aufbauend auf der Vierten Geldwäscherichtlinie werden diese neuen Vorschriften einen robusten EU-Rahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche schaffen.

Verbesserte Risikobewertung am Binnenmarkt

Der supranationale Risikobewertungsbericht soll die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, Risikobereiche, in denen es zu Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung kommen kann, zu erkennen, zu analysieren und anzugehen. In dem Bericht werden die Risiken in den Finanz- und Nicht-Finanzsektoren analysiert und neu entstehende Risiken etwa durch virtuelle Währungen oder Crowdfunding-Plattformen untersucht. Der Bericht enthält:

  • eine ausführliche, nach Bereichen aufgeschlüsselte Bestandsaufnahme der Risiken sowie eine Liste der bevorzugten Geldwäschemethoden von Straftätern;
  • Empfehlungen an die Mitgliedstaaten zum angemessenen Vorgehen gegen die ermittelten Risiken – beispielsweise durch eine intensivere Risikoanalyse oder Aufsicht bei bestimmten Tätigkeiten.

Zudem sagt die Kommission zu, Möglichkeiten zu prüfen, wie sich die Tätigkeit und grenzübergreifende Zusammenarbeit von zentralen Meldestellen optimieren lässt.

Nächste Schritte

Vierte Geldwäscherichtlinie

Die Mitgliedstaaten sollten die Kommission bis zum 26. Juni 2017 von der Umsetzung der Vierten Geldwäscherichtlinie unterrichtet haben. Die Europäische Kommission wird jetzt den Stand der Umsetzung prüfen und sich rasch mit den Mitgliedstaaten in Verbindung setzen, falls sie die notwendigen Maßnahmen noch nicht ergriffen haben.

Supranationaler Risikobewertungsbericht

Die Kommission wird die im Bericht skizzierten notwendigen Maßnahmen ergreifen. Dazu gehört auch, Möglichkeiten zu prüfen, wie sich die Tätigkeit und grenzübergreifende Zusammenarbeit von zentralen Meldestellen durch spezifische EU-Regelungen optimieren lässt. Die Kommission wird zudem im Zusammenspiel mit den Mitgliedstaaten die Umsetzung der Empfehlungen verfolgen.

Ferner wird sie die Entwicklung der Risiken von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung weiterhin beobachten und bis spätestens Juni 2019 und im Anschluss im Zwei-Jahres-Takt eine aktualisierte Bewertung dieser Risiken erstellen.

Hintergrund

Der neue Rahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche besteht aus zwei Rechtsakten (IP/15/5001): der Vierten Geldwäscherichtlinie und der Geldtransfer-Verordnung, die beide am 20. Mai 2015 verabschiedet wurden.

Im Juli 2016 hat die Kommission einen Vorschlag vorgelegt, um schärfer gegen die Terrorismusfinanzierung vorzugehen und nach den Enthüllungen der Panama-Papiere mehr Transparenz bei Finanztransaktionen zu gewährleisten (IP/16/2380). Diese Änderungen zielen darauf ab, strenge Sicherheitsvorkehrungen für Finanzströme aus stark risikobehafteten Drittländern zu treffen, den Zugang der zentralen Meldestellen zu Informationen einschließlich zentraler Bankkontenregister zu verbessern und gegen das Risiko anzugehen, dass terroristische Aktivitäten mit Hilfe von virtuellen Währungen und Prepaid-Karten finanziert werden. Der Vorschlag wird derzeit von Rat und Europäischem Parlament verhandelt, eine Verabschiedung noch in diesem Jahr ist zu erwarten.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 26.06.2017

 

Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften

Das Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz – StUmgBG) vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1682) sieht vor, dass durch erhöhte Transparenz, erweiterte Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen und Dritter sowie neue Ermittlungsbefugnisse der Finanzbehörden Domizilgesellschaften künftig wirksamer ermittelt werden können. Daneben gibt es Anpassungsbedarf im Steuerberatungsrecht sowie im Bereich der direkten Steuern aufgrund von EuGH-Urteilen bzw. Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission.

 Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz – StUmgBG)

 

Quelle: BMF, Mitteilung vom 24.06.2017

 

Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen

Das Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1822) setzt die Vierte Geldwäscherichtlinie um. Dazu wird das bestehende Geldwäschegesetz neu gefasst, weitere Gesetze werden angepasst.

Zudem wird die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen bei der Generalzolldirektion eingerichtet. Sie soll geldwäscherechtliche Meldungen entgegennehmen, analysieren und bei einem Verdacht auf Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung an die zuständigen öffentlichen Stellen weiterleiten. Ihr kommt damit eine wichtige Filterfunktion zu.

Darüber hinaus werden in diesem Gesetz zur Begleitung der Geldtransferverordnung unter anderem die verwaltungsrechtlichen Sanktionen und Maßnahmen angepasst, deren Bekanntmachung geregelt und die zuständigen Behörden für die Überwachung und Einhaltung der Vorgaben der Geldtransferverordnung bestimmt.

 Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen

 

Quelle: BMF, Mitteilung vom 24.06.2017

Probleme mit Umsatzsteuer im Internet

Berlin: (hib/HLE) Der Umsatzsteuerbetrug auf Online-Handelsplattformen wird von allen Fraktionen als Problem angesehen. Man gehe von einem Steuerausfall von 800 Millionen bis einer Milliarde Euro aus. Außerdem entstehe ein Wettbewerbsnachteil für Händler, die die Umsatzsteuer abführen würden, erläuterte ein Vertreter der CDU/CSU-Fraktion am Mittwoch in einer Sitzung des Finanzausschusses. Dennoch sprach sich die Unionsfraktion gegen einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/12556) aus, in dem Maßnahmen zur wirksamen Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs auf Online-Handelsplattformen gefordert wurden. Bundesregierung und Länder würden sich des Problems bereits annehmen, erklärte die Unionsfraktion. Ein Antrag sei daher nicht notwendig. Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD lehnte der Ausschuss den Antrag ab. Die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen stimmten dafür.

Nach Ansicht der SPD-Fraktion wird der Online-Handel weiter zunehmen. Und angesichts der Größenordnung der Steuerausfälle müsse man sich Gedanken machen, wie eine Lösung aussehen könne. So hätten sich nur 400 Online-Händler aus Fernost für die Umsatzsteuer registriert. Diese niedrige Zahl zeige, dass viele den Wettbewerbsvorteil von 19 Prozent durch nicht abgeführte Umsatzsteuer nutzen würden.

Die Fraktion Die Linke unterstützte den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen. Die Regierung habe bisher nicht erkennen lassen, dass sie das Thema mit Priorität bearbeite. Die Finanzbehörden müssten aber mit zusätzlichem Personal ausgestattet werden. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zeigte sich enttäuscht, dass die Koalition den Antrag ablehne. Die Regierung habe bei der Digitalisierung bis nicht die Geschwindigkeit, mit der sich die Technik entwickle.

In dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen. Wie die Abgeordneten erläutern, steigt der Marktanteil von Handelsplattformen im Internet ständig. Zugleich würden sich die Anzeichen mehren, dass besonders in China ansässige Händler keine Umsatzsteuer abführen würden. Sämtliche Online-Marktplätze würden ein Steuerausfallrisiko bergen. Mit dem Gesetzentwurf müsse erreicht werden, dass die an der Abwicklung der Geschäfte Beteiligten an den steuerlichen Pflichten der leistenden Unternehmer beteiligt würden, etwa durch eine Gesamtschuldnerschaft, fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Quelle: Deutscher Bundestag, hib-Nr. 406/2017

 

Antrag auf Aufteilung der Gesamtschuld kann nicht zurückgenommen werden

Der 11. Senat hat mit Urteil vom 14. Februar 2017 (Az. 11 K 370/15) entschieden, dass ein Antrag auf Aufteilung der Einkommensteuerschuld bis zum Eintritt der Bestandskraft des Aufteilungsbescheids nicht zurückgenommen werden kann.

Der Kläger und seine zum Verfahren beigeladene (Ex-)Frau leben seit Juni 2011 getrennt und sind seit Februar 2013 geschieden. Beide Eheleute erzielten im Streitjahr 2010 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Rahmen der Zusammenveranlagung stellte der Kläger mit Zustimmung der Beigeladenen einen Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld nach §§ 268 ff. der Abgabenordnung (AO). Die Gesamtschuld aus der Einkommensteuerfestsetzung 2010 teilte das beklagte FA mit Aufteilungsbescheid nach dem Verhältnis der Beträge auf, die sich bei getrennter Veranlagung zur Einkommensteuer ergeben hätten. Dies führte dazu, dass die Steuerschuld in voller Höhe auf den Kläger entfiel. Gegen den Aufteilungsbescheid legte der Kläger Einspruch ein und erklärte, er nehme mit Zustimmung der Beigeladenen seinen Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld zurück. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück, da die Vorschriften über die Aufteilung einer Gesamtschuld nach §§ 268 ff. AO die Möglichkeit, dass der Schuldner den Aufteilungsantrag zurücknehme, nicht vorsähen. Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos.

Das Finanzgericht verneinte die höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage, ob ein einmal gestellter Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld im Sinne des § 268 AO bis zum Eintritt der Bestandskraft des Aufteilungsbescheids vom Steuerpflichtigen wieder zurückgenommen werden könne. Es folgte damit der Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts in dessen Urteil vom 5. November 2013 (Az. 15 K 14/13, EFG 2014, 106). Die Vorschriften über die Aufteilung einer Gesamtschuld (§§ 268 bis 280 AO) würden die Möglichkeit, dass der Schuldner den Aufteilungsantrag zurücknimmt, nicht vorsehen. Unter welchen Voraussetzungen ein Aufteilungsbescheid geändert werden könne, sei abschließend in § 280 Abs. 1 AO geregelt, der vorliegend unstreitig nicht erfüllt sei. § 280 AO sei eine für den Bereich der Aufteilungsbescheide insgesamt abschließende Korrekturnorm, die als einzige Ausnahme Änderungen wegen offenbarer Unrichtigkeiten (§ 129 AO), nicht jedoch die Rücknahme des Antrags auf Aufteilung vorsehe. Der Anwendungsbereich des § 280 AO sei dabei nicht auf bestandskräftige Aufteilungsbescheide beschränkt. Bei dem Antrag auf Aufteilung der Gesamtschuld nach § 268 AO handele es sich zudem um die Ausübung eines verwaltungsrechtlichen Gestaltungsrechts, das sich ebenso wie die Ausübung schuldrechtlicher Gestaltungsrechte unmittelbar rechtsgestaltend auf das Steuerschuldverhältnis auswirke, was es rechtfertige, wie bei diesen (z. B. der Aufrechnung nach § 226 AO) von einer Unwiderruflichkeit und Unwiederholbarkeit der Gestaltungserklärung auszugehen.

FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 30.06.2017 zum Urteil 11 K 370/15 vom 14.02.2017 (nrkr – BFH.: VI R 14/17)

 

Keine Änderung der Verlustfeststellung bei bestandskräftigem Einkommensteuerbescheid

Der 11. Senat hat mit Urteil vom 17. Januar 2017 (Az. 11 K 1669/13) entschieden, dass die einschränkenden Voraussetzungen der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags gemäß § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2010 (EStG 2010) verfassungsgemäß sind. Diese Regelungen sind erstmals für Verluste anwendbar, für die nach dem 13. Dezember 2010 eine Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags abgegeben wird (§ 52 Abs. 25 Satz 5 EStG 2010).

Der Kläger hatte im Jahr 2004 eine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer begonnen und im August 2005 erfolgreich abgeschlossen. Seine hierfür im Jahr 2004 aufgewendeten Kosten hatte das beklagte FA aufgrund des in dieser Sache ergangenen Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Juli 2011 VI R 5/10 (BFHE 234, 262, BStBl II 2012, 553) als Werbungskosten anerkannt und zum 31. Dezember 2004 einen verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer in Höhe von 64.949 Euro gesondert festgestellt. Für das Jahr 2005 hatte der Kläger eine Einkommensteuererklärung eingereicht, in der er neben geringfügigen positiven Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit bei den Sonderausgaben unter der Bezeichnung „Aus-/Weiterbildung im nichtausgeübten Beruf“ auch weitere Kosten der Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer in Höhe von 16.408 Euro erklärt hatte. Das FA hatte daraufhin die Einkommensteuer des Klägers für 2005 auf 0 Euro festgesetzt, da sich ein negatives zu versteuerndes Einkommen ergeben hatte. Der Einkommensteuerbescheid 2005 vom 6. Juli 2006 blieb unangefochten.

Erstmals am 19. August 2011 ging beim FA ein Antrag des Klägers auf Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31. Dezember 2005 ein, in welchem die ursprünglich als Sonderausgaben erklärten Ausbildungskosten in Höhe von 16.371 Euro nunmehr als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit qualifiziert wurden. Das FA lehnte den Antrag unter Hinweis auf die Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids 2005 ab. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wollte der Kläger erreichen, dass der aus 2004 herrührende Verlustvortrag um die Berufsausbildungskosten des Jahres 2005 erhöht wird.

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Da der Kläger erstmals mit Schreiben vom 19. August 2011 und somit nach dem maßgeblichen 13. Dezember 2010 eine Verlustfeststellung zum 31. Dezember 2005 beantragt habe, seien § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG 2010 anwendbar (§ 52 Abs. 25 Satz 5 EStG 2010). § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG 2010 bewirke eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Einkommensteuerbescheid. Daher entfalle die Verlustfeststellung, wenn der Einkommensteuerbescheid des betroffenen Veranlagungszeitraums nicht mehr änderbar sei. Sei der Steuerbescheid dieses Veranlagungszeitraums bestandskräftig und berücksichtige er keinen Verlust, komme eine Verlustfeststellung nur noch in Betracht, wenn der Steuerbescheid des Verlustentstehungsjahres nach den Vorschriften der Abgabenordnung änderbar sei. Das gelte sowohl für den erstmaligen Erlass eines Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustvortrag als auch für die Änderung der Verlustfeststellung. Im Zeitpunkt der Antragstellung des Klägers sei der Einkommensteuerbescheid 2005 bereits bestandskräftig gewesen. Eine Änderungsmöglichkeit nach der Abgabenordnung bestehe nicht. Eine von § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG 2010 abweichende Festsetzung nach Satz 5 der Vorschrift scheide ebenfalls aus. Eine Aufhebung, Änderung oder Berichtigung des Einkommensteuerbescheides 2005 unterbleibe nicht ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer, sondern weil der Bescheid mangels eines Einspruchs bestandskräftig geworden sei.

Der in § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG 2010 enthaltene Anwendungsbefehl entfalte zwar Rückwirkung, verstoße aber nicht gegen die Verfassung. Es liege nur eine gerechtfertigte tatbestandliche Rückanknüpfung vor. Der Gesetzgeber habe mit § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG 2010 ausschließen wollen, dass Rechtsfragen trotz bereits bestandskräftiger und verfahrensrechtlich nicht mehr änderbarer Einkommensteuerveranlagung im Verlustfeststellungsverfahren aufgeworfen werden können. Dies würde zu nicht beabsichtigten Vorteilen gegenüber anderen Steuerpflichtigen führen, die die nämliche Rechtsfrage im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung aufgeworfen und nach für sie negativer Entscheidung im Vertrauen auf die in diesem Zeitpunkt maßgebliche Rechtsprechung den (ggf. negativen) Feststellungsbescheid hätten unanfechtbar werden lassen. Die Vorschrift des § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG 2010 solle den Steuerpflichtigen das Risiko eines Rechtsbehelfsverfahrens nicht dadurch abnehmen, dass ihnen gestattet werde, sich auf Tatsachen gegenüber dem FA erst dann zu berufen, wenn etwa durch eine spätere Änderung der Rechtsprechung eine Rechtslage eintrete, die eine bisher nicht vorgetragene Tatsache nunmehr als relevant erscheinen lasse. Das zeige auch der vorliegende Fall. Der Kläger hätte lediglich die streitbefangenen Aufwendungen bereits im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für 2005 als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit erklären und auf der Grundlage dieser Qualifizierung einen Antrag auf Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs auf den 31. Dezember 2005 stellen müssen.

FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 30.06.2017 zum Urteil 11 K 1669/13 vom 17.01.2017 (nrkr – BFH-Az.: IX R 15/17

Gewerbesteuerlicher Verlustabzug bei unterjährigem Gesellschafterwechsel

Mit Urteil vom 18. Mai 2017 (Az. 1 K 3691/15) hat der 1. Senat des Finanzgerichts entschieden, dass bei einem unterjährigen Gesellschafterwechsel der Gewerbeertrag einer Mitunternehmerschaft für den gesamten Erhebungszeitraum einheitlich zu ermitteln ist mit der Folge, dass nach dem Gesellschafterwechsel entstandene Verluste mit vor dem Gesellschafterwechsel entstandenen Gewinnen zu verrechnen sind.

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. Die Komplementär-GmbH leistete keine Kapitaleinlage und war am Ergebnis der Klägerin nicht beteiligt. Kommanditisten der Klägerin waren F und M. Wirtschaftsjahr ist das Kalenderjahr. Im Streitjahr 2012 fand ein Gesellschafterwechsel statt. Zum 30. Oktober 2012 veräußerten F und M ihre Kommanditanteile an den Z, der damit seit 1. November 2012 alleiniger Kommanditist der Klägerin ist. Die Gesellschaftsanteile an der Komplementär-GmbH wurden ebenfalls an den Z übertragen. Auf den Zeitpunkt des Verkaufs wurde ein Zwischenabschluss erstellt. Hieraus ergab sich bis zum Ausscheiden von F und M ein Gewerbeertrag von 75.735.884,73 Euro. Der nach dem Ausscheiden der Altgesellschafter entstandene Gewerbeverlust betrug 7.803.251,02 Euro. Unter Berücksichtigung der jährlichen Sondervergütung der Komplementär-GmbH in Höhe von 1.528,35 Euro ergab sich so für das Jahr 2012 ein in der Höhe unstreitiger Gewerbeertrag in Höhe von 67.934.162 Euro. Der für das Vorjahr festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust betrug 50.384.971 Euro. Bei der Berechnung der Höhe des Verlustabzugs ging die Klägerin von dem bei den Altgesellschaftern F und M entstandenen Gewerbeertrag von 75.735.884,73 Euro aus. Dem folgte das beklagte Finanzamt nicht. Es berechnete den Verlustabzug ausgehend von einem Gewerbeertrag i. H. von 67.934.162 Euro, d. h. dem Wert des Gesamtjahres. Das führte gegenüber der Berechnung der Klägerin zu einem verminderten Verlustabzug und in der Folge zu einem höheren Gewerbesteuermessbetrag.

Das Finanzgericht folgte im Ergebnis der Berechnung des FA. Es stellte zunächst fest, dass durch den Gesellschafterwechsel kein abgekürzter Erhebungszeitraum entstanden sei, weil durch das Ausscheiden von F und M (partieller Mitunternehmerwechsel) weder die persönliche noch die sachliche Gewerbesteuerpflicht der Klägerin beendet worden sei. Ein Übergang eines Gewerbebetriebs im Ganzen liege bei einer Mitunternehmerschaft nur vor, wenn alle Gesellschafter der das Unternehmen fortführenden Personengesellschaft ausscheiden. Das sei hier wegen der Gesellschafterin gebliebenen Komplementär-GmbH nicht der Fall. Erhebungszeitraum sei daher das (gesamte) Kalenderjahr 2012. Im Rahmen der Kürzung des Gewerbeertrags mit Gewerbeverlusten sei das FA zutreffend von einem maßgebenden Gewerbeertrag i. S. v. § 10a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i. H. von 67.934.161 Euro ausgegangen. Bei der Anwendung des § 10a GewStG sei der partielle Unternehmerwechsel wie der Wechsel des Alleinunternehmers zu behandeln. Dementsprechend gehe beim Ausscheiden von Gesellschaftern aus einer Personengesellschaft der Verlustabzug gemäß § 10a GewStG verloren, soweit der Fehlbetrag anteilig auf die ausgeschiedenen Gesellschafter entfalle. Diese Gleichstellung von partiellem und vollständigem (Mit-)Unternehmerwechsel für Zwecke des Verlustabzugs müsse auch insoweit gelten, als der partielle Unternehmerwechsel unterjährig stattfinde. Da der Gewerbebetrieb bei einem bloßen partiellen (Mit-)Unternehmerwechsel jedoch nicht als eingestellt gelte, seien diese (positiven) Gewerbeerträge zunächst mit etwaigen Verlusten, die noch nach dem Ausscheiden des Mitunternehmers im Erhebungszeitraum entstanden sind, zu verrechnen. Vorliegend betrug der Gewerbeertrag bis zum Ausscheiden von F und M 75.735.884,73 Euro, von dem der nach dem Ausscheiden der Altgesellschafter entstandene Gewerbeverlust des Streitjahres i. H. von 7.803.251,02 Euro abzuziehen war. Unter Berücksichtigung der jährlichen Sondervergütung der Komplementär-GmbH i. H. von 1.528,35 Euro ergab sich so ein maßgebender Gewerbeertrag i. S. v. § 10a GewStG i. H. von 67.934.162 Euro. Vom maßgebenden Gewerbeertrag könne in einem ersten Schritt nach § 10a Sätze 1 und 5 GewStG nur ein zeitanteiliger Höchstbetrag i. H. von 833.334 Euro abgezogen werden (10/12 von 1.000.000 Euro). In einem zweiten Schritt sei nach § 10a Sätze 2 und 5 GewStG der maßgebende Gewerbeertrag abzüglich des anteiligen Höchstbetrags bis zu 60 % um bisher nicht berücksichtigte Gewerbeverluste zu kürzen (Gewerbeertrag nach Verlustabzug).

FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 30.06.2017 zum Urteil 1 K 3691/15 vom 18.05.2017 (nrkr – BFH-Az.: IV R 8/17)

 

Kein Gestaltungsmissbrauch bei Nießbrauchsbestellung zu Gunsten eines studierenden Kindes

Der 11. Senat hat mit Urteil vom 13. Dezember 2016 (Az. 11 K 2951/15) entschieden, dass es keinen Gestaltungsmissbrauch darstellt, wenn eine Mutter ihrer Tochter zur Finanzierung des Studiums den Nießbrauch an einem vermieteten Grundstück bestellt.

Die verheirateten Kläger haben eine Tochter, die seit Oktober 2011 studiert. Um ihrer Tochter die Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts während des Studiums bereitzustellen, räumte die Mutter (Klägerin) mit notariell beurkundetem Vertrag ihrer Tochter ab dem 1. Januar 2013 einen bis zum 31. Dezember 2017 befristeten, unentgeltlichen Nießbrauch an einem bebauten Grundstück ein. Alleineigentümerin dieses Grundstücks ist die Klägerin, die es seit 1996 an ihren Mann (Kläger) für dessen Handwerksbetrieb vermietet hatte. Seit dem 1. Januar 2013 vermietet die Tochter das Betriebsgebäude an ihren Vater, der es unverändert für seine gewerbliche Tätigkeit nutzt und die Mietzahlungen als Betriebsausgaben geltend macht. Die Mieteinnahmen stehen in voller Höhe der Tochter zu, die alle Lasten des Grundstücks trägt. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung der Kläger für das Jahr 2013 erkannte das Finanzamt (FA) die Bestellung des Nießbrauchs zugunsten der Tochter steuerlich nicht an, da insoweit ein Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 der Abgabenordnung (AO) vorliege.

Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass die Einkünfte aus der Vermietung des Betriebsgrundstücks der Tochter und nicht der Klägerin zuzurechnen sind. Die im Streitjahr 2013 bereits volljährige Tochter habe auf der Grundlage des zivilrechtlich wirksam begründeten Nutzungsrechts (Nießbrauch) die rechtliche Macht, das Grundstück entgeltlich auf Zeit zur Nutzung zu überlassen. Sie sei während des Zeitraums, für den der Nießbrauch bestellt wurde (fünf Jahre), in der Disposition über den Gegenstand des Nutzungsrechts in keiner Weise beschränkt. Am 1. Januar 2013 habe sie auf der Grundlage dieses Nutzungsrechts einen – ebenfalls zivilrechtlich wirksamen – Mietvertrag über die gewerblichen Räume mit dem Kläger geschlossen.

Diese zivilrechtliche Gestaltung sei nicht im Sinne des § 42 AO missbräuchlich und daher auch steuerrechtlich anzuerkennen. Ziel der vorliegenden Gestaltung sei es, die Tochter während ihres Studiums mit den nötigen finanziellen Mitteln auszustatten. Bereits vor Bestellung des Nießbrauchs seien die Kosten für Miete und Nebenkosten sowie Studiengebühren von dem Konto der Klägerin beglichen wurden, auf dem auch die Mietzahlungen für die Gewerbeimmobilie eingingen. Nach Bestellung des Nießbrauchs und Abschluss des Mietvertrages mit der Tochter erhalte diese die Mieteinnahmen direkt. Nach Auffassung des Senats stehe es Eltern frei, zu entscheiden, ob sie zum Zwecke der Gewährung von Unterhalt dem Kind Barmittel überlassen oder ob sie ihm – auch befristet – die Einkunftsquelle selbst übertragen. Wenn sie sich aus steuerlichen Gründen für Letzteres entscheiden, führe allein dies nicht dazu, dass die zugrunde liegende rechtliche Gestaltung als unangemessen anzusehen wäre. Auch Angehörigen dürften ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst günstig gestalten. Der steuerliche Vorteil der Gestaltung bestehe hier im Wesentlichen darin, dass die Vermietungseinkünfte unter Berücksichtigung der steuerlichen Progression niedriger oder – falls der Grundfreibetrag nicht überschritten werden sollte – überhaupt nicht besteuert werden. Die Verlagerung von Einkünften aus einem Wirtschaftsgut auf Familienangehörige mit geringerem Steuersatz widerspreche allerdings nicht den Wertungen des Gesetzgebers. Die Mietaufwendungen seien bereits in der Vergangenheit beim Kläger als Betriebsausgaben steuerlich abzugsfähig gewesen. Mit der gewählten Gestaltung seien daher keine steuerlich nicht abzugsfähigen Unterhaltsaufwendungen in den Bereich des Betriebsausgabenabzugs verlagert worden.

FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 30.06.2017 zum Urteil 11 K 2951/15 vom 13.12.2016 (rkr)

 

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