DBA: Stand der DBA und anderer Abkommen im Steuerbereich sowie der Abkommensverhandlungen am 01.01.2016

Kurzfassung

Das BMF übersendet eine Übersicht über den gegenwärtigen Stand der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) und anderer Abkommen im Steuerbereich sowie der Abkommensverhandlungen.Wie die Übersicht zeigt, werden verschiedene der angeführten Abkommen nach ihrem Inkrafttreten rückwirkend anzuwenden sein. In geeigneten Fällen sind Steuerfestsetzungen vorläufig durchzuführen, wenn ungewiss ist, wann ein unterzeichnetes Abkommen in Kraft treten wird, das sich zugunsten des Steuerschuldners auswirken wird. Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind im Bescheid anzugeben. Ob bei vorläufiger Steuerfestsetzung der Inhalt eines unterzeichneten Abkommens bereits berücksichtigt werden soll, ist nach den Gegebenheiten des einzelnen Falles zwischen BMF und Ländern abgestimmt zu entscheiden.

Zur Rechtslage nach dem Zerfall der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ)ist auf Folgendes hinzuweisen:

Vereinbarungen über die Fortgeltung des DBA mit der SFRJ vom 26. März 1987 wurden geschlossen mit:

  • Republik Bosnien und Herzegowina (BGBl. 1992 II S. 1196),
  • Republik Serbien (Namensänderung; ehem. Bundesrepublik Jugoslawien BGBl. 1997 II S. 961),
  • Republik Kosovo (BGBl. 2011 II S. 748) und
  • Montenegro (BGBl. 2011 II S. 745).

Zur Rechtslage nach dem Zerfall der Sowjetunion ist auf Folgendes hinzuweisen:

Vereinbarungen über die Fortgeltung des DBA mit der UdSSR vom 24. November 1981 wurden geschlossen mit:

  • Republik Armenien (BGBl. 1993 II S. 169),
  • Republik Moldau (BGBl. 1996 II S. 768),

und

  • Turkmenistan (Bericht der Botschaft Aschgabat vom 11. August 1999 – Nr. 377/99).

Zur Rechtslage nach der Teilung der Tschechoslowakei ist auf Folgendes hinzuweisen:

Vereinbarungen über die Fortgeltung des DBA mit der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik vom 19. Dezember 1980 wurden mit der Slowakischen Republik und mit der Tschechischen Republik getroffen (BGBl. 1993 II S. 762).

Hongkong wurde mit Wirkung ab 1. Juli 1997 ein besonderer Teil der VR China (Hongkong Special Administrative Region). Das allgemeine Steuerrecht der VR China gilt dort nicht. Damit ist das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der VR China abgeschlossene DBA vom 10. Juni 1985 in Hongkong nicht anwendbar. Vorgenannte Ausführungen zu Hongkong (außer Luftfahrtunternehmen) gelten in entsprechender Weise auch für Macau nach dessen Übergabe am 20. Dezember 1999 an die VR China (Macau Special Administrative Region).

Aufgrund des besonderen völkerrechtlichen Status von Taiwan wurde ein Steuerabkommen nur von den Leitern des Deutschen Instituts in Taipeh und der Taipeh Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet. Das Gesetz vom 2. Oktober 2012 zum diesbezüglichen Abkommen vom 19. und 28. Dezember 2011 zwischen dem Deutschen Institut in Taipeh und der Taipeh Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung hinsichtlich der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen ist veröffentlicht (BGBl. 2012 I S. 2079; BStBl I 2013 S. 20). Das Abkommen ist am 7. November 2012 in Kraft getreten (BGBl. 2012 I S. 2461; BStBl I 2013 S. 33) und damit grundsätzlich ab 1. Januar 2013 anzuwenden.

 Quelle: BMF, Schreiben IV B 2 – S-1301 / 07 / 10017-07 vom 19.01.2016 

Dividendenstripping teilweise zulässig

Bestimmte Konstellationen des Dividendenstrippings sind offenbar zulässig. Nach Angaben der Bundesregierung in ihrer Antwort ( 18/7213 ) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ( 18/6863 ) hat der Bundesfinanzhof in zwei Urteilen für bestimmte Konstellationen die Zulässigkeit festgestellt. Ob in anderen Konstellationen die Grenzen des Gestaltungsmissbrauchs überschritten seien, hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. Wie hoch die Steuerausfälle durch Dividendenstripping sind, kann die Bundesregierung nicht sagen. Es gebe „keine geeigneten Erkenntnisquellen“.

Die Bundesregierung erläutert in der Antwort, wie sog. Cum-Cum-Geschäfte funktionieren. Charakteristisch dafür sei die Übertragung von Aktien an Steuerinländer vor dem Dividendenstichtag. Nach Bezug der Dividende erfolge eine Rückübertragung der Aktien unter Berücksichtigung des Dividendenabschlags. Voraussetzung für die Kalkulation der Gestaltung sei die Steuerpflicht der Dividende. Außerdem müsse diese Steuerpflicht durch einen Veräußerungsverlust in Höhe des Dividendenabschlags bei der Rückübertragung der Aktien beim Steuerinländer kompensiert werden können. Wie die Bundesregierung mitteilt, hat sie mit dem Entwurf des Investmentsteuerreformgesetzes Vorschläge zur Verhinderung von Cum-Cum-Geschäften vorgelegt.

Quelle: Deutscher Bundestag, hib-Nr. 32/2016, Mitteilung vom 19.01.2016

 

Einkommensteuer: Mögliche finanzielle Auswirkungen von Vorschlägen zur Reform des Ehegattensplittings und des Familienlastenausgleichs

Der Übergang vom bestehenden Ehegattensplitting zu einem Realsplitting analog zur Realsplittingregelung für Geschiedene würde zu Steuermehreinnahmen von 3,54 Milliarden Euro führen. Davon würden 170 Millionen auf den Solidaritätszuschlag entfallen, heißt es in der Antwort der Bundesregierung ( 18/7212 ) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/6828 ). Die Antwort enthält weitere Angaben zu den Aufkommenswirkungen zu verschiedenen Varianten des sog. Familiensplittings.

Quelle: Deutscher Bundestag, hib-Nr.32/2016, Mitteilung vom 19.01.2016

 

Einkommensteuer: Steuerliche Gewinnermittlung

Aufstockung von Investitionsabzugsbeträgen nach § 7g EStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (BGBl. I S. 1912) in einem Folgejahr

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 12. November 2014 (BStBl 2016 II S. xx) entschieden, dass ein Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (BGBl. I S. 1912) in einem Folgejahr innerhalb des dreijährigen Investitionszeitraums bis zum gesetzlichen Höchstbetrag aufgestockt werden kann. Er widerspricht damit der in Randnummer 6 des BMF-Schreibens vom 20. November 2013 (BStBl I S. 1493) enthaltenen Regelung, wonach ein Investitionsabzugsbetrag für ein begünstigtes Wirtschaftsgut nur in einem Wirtschaftsjahr geltend gemacht werden kann.

Nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder sind die Grundsätze des BFH-Urteils vom 12. November 2014 (a. a. O.) über den entschiedenen Einzelfall hinaus allgemein in allen noch offenen Fällen anzuwenden. Soweit Randnummer 6 und die sonstigen Regelungen des BMF-Schreibens vom 20. November 2013 (a. a. O.) dieser Entscheidung entgegenstehen, sind diese nicht weiter anzuwenden.

Hinsichtlich der Erhöhung (Aufstockung) von Investitionsabzugsbeträgen, die in vor dem 1. Januar 2016 endenden Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen worden sind, gilt Folgendes:

  1. Maßgebende Betriebsgrößenmerkmale nach § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG

    Ein Investitionsabzugsbetrag kann nur geltend gemacht werden, wenn der Betrieb am Schluss des jeweiligen Abzugsjahres die in § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG genannten Größenmerkmale nicht überschreitet.

    Die Erhöhung eines in einem Vorjahr für eine bestimmte Investition beanspruchten Investitionsabzugsbetrages setzt voraus, dass das maßgebende Größenmerkmal gemäß § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG auch am Ende des Wirtschaftsjahres nicht überschritten wird, in dem die Erhöhung berücksichtigt werden soll.

  2. Maßgebender Investitionszeitraum

    Die dreijährige Investitionsfrist nach § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a EStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (a. a. O.) beginnt mit Ablauf des Wirtschaftsjahres, in dem ein Investitionsabzugsbetrag für ein begünstigtes Wirtschaftsgut erstmals geltend gemacht wird. Eine Erhöhung des Abzugsbetrages in einem Folgejahr verlängert den Investitionszeitraum nicht.

  3. Zeitpunkt der Inanspruchnahme von Erhöhungsbeträgen

    Die Randnummern 20, 22 und 23 (Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen in der Steuererklärung vor der erstmaligen Steuerfestsetzung) sowie die Randnummern 24 bis 26 (Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen nach der erstmaligen Steuerfestsetzung) des o. g. BMF-Schreibens vom 20. November 2013 (a. a. O.) sind bei der Inanspruchnahme von Erhöhungsbeträgen entsprechend anzuwenden. So scheidet eine Erhöhung aus, wenn die Investitionsfrist bei Antragstellung abgelaufen ist und die Investition nicht durchgeführt wurde oder bei bereits durchgeführten Investitionen die Erhöhung erkennbar dem Ausgleich von nachträglichen Einkommenserhöhungen dient.

  4. Keine Erhöhung von Investitionsabzugsbeträgen im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung der begünstigten Investition

    Investitionsabzugsbeträge können nur für künftige Investitionen beansprucht werden (§ 7g Abs. 1 Satz 1 EStG). Ein Abzug im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsgutes ist nicht möglich. Dies gilt auch für die Erhöhung von Investitionsabzugsbeträgen.

  5. Rückgängigmachung von nicht hinzugerechneten Investitionsabzugsbeträgen

    Bei Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsgutes sind die Regelungen der Randnummern 45 und 46 des BMF-Schreibens vom 20. November 2013 (a. a. O.) zur Hinzurechnung von Investitionsabzugsbeträgen nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG anzuwenden. Dabei sind die zuerst beanspruchten Teilabzugsbeträge vorrangig hinzuzurechnen. Soweit die insgesamt beanspruchten Investitionsabzugsbeträge für eine bestimmte Investition den Hinzurechnungsbetrag nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG übersteigen und auch keine nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten innerhalb des verbleibenden Investitionszeitraums anfallen, ist der verbleibende Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 3 EStG rückgängig zu machen. Dabei sind die zuletzt beanspruchten Teilabzugsbeträge vorrangig rückabzuwickeln.

Beispiel:

Investitionsabzugsbetrag

Wirtschaftsjahr 2012:
4.000 Euro

Wirtschaftsjahr 2013:
2.000 Euro

Investition 2015:
12.000 Euro

Hinzurechnung § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG 40 %:
4.800 Euro

Rückgängigmachung Teilabzugsbetrag aus 2013:
1.200 Euro

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 6 – S-2139b / 13 / 10001 vom 15.01.2016

 

Einkommensteuer: Ersatz für rechtswidrig erbrachte Mehrarbeit ist Arbeitslohn

Der 1. Senat des Finanzgerichts Münster hat mit Urteil vom 1. Dezember 2015 (Az. 1 K 1387/15 E) entschieden, dass an einen Feuerwehrmann gezahlte Beträge für rechtswidrig erbrachte Mehrarbeit Arbeitslohn darstellen.

Der Kläger, der als Feuerwehrmann tätig ist, erhielt im Jahr 2012 von seiner Arbeitgeberin einen finanziellen Ausgleich von knapp 15.000 Euro, weil er in den Jahren 2002 bis 2007 entgegen den gesetzlichen Bestimmungen teilweise mehr als 48 Stunden wöchentlich gearbeitet hatte. Die Berechnung des Ausgleichsbetrages erfolgte in Anlehnung an das Gesetz über die Mehrarbeit von Feuerwehrleuten. Das Finanzamt erfasste die Zahlung als Arbeitslohn und unterwarf diesen als Vergütung für mehrere Jahre dem ermäßigten Steuersatz. Der Kläger war demgegenüber der Ansicht, dass es sich um nicht steuerbaren Schadensersatz handele, der auf der schuldhaften Verletzung von Arbeitgeberpflichten beruhe. Vorrangig sei der Anspruch auf Freizeitausgleich gerichtet und nur ausnahmsweise auf Zahlung eines Geldbetrages.Dem folgte der Senat nicht und wies die Klage ab. Die Zahlung stelle Arbeitslohn dar, weil der Kläger sie als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung seiner Arbeitsleistung erhalten habe. Das unmittelbar auslösende Moment sei nicht die Verletzung von Arbeitgeberpflichten, sondern der Umfang der geleisteten Dienste des Klägers gewesen. Hieran knüpfe auch die konkrete Berechnung der Entschädigungshöhe an. Bei wertender Betrachtung habe der Zweck der Ausgleichszahlung nicht darin bestanden, einen Schaden im Privatvermögen auszugleichen. Unerheblich sei, dass der Anspruch vorrangig auf die Gewährung von Freizeitausgleich gerichtet sei, weil es nur auf den tatsächlichen Leistungsinhalt ankomme. Darüber hinaus sei der Sachverhalt vergleichbar mit Entschädigungszahlungen für verfallene Urlaubstage, die ebenfalls Arbeitslohn darstellten.

Die vom Senat zugelassene Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az. IX R 2/16 anhängig.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 15.01.2016 zum Urteil 1 K 1387/15 vom 01.12.2015 (nrkr – BFH-Az. IX R 2/16)

 

Einkommensteuer: Reichweite einer Schätzung nach der sog. 30/70-Methode

Mit Urteil vom 4. Dezember 2015 (Az. 4 K 2616/14 E,G,U) hat der 4. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden, dass aus dem Ergebnis einer Getränkekalkulation bei einem Restaurant nach der sog. 30/70-Methode nicht ohne Weiteres auch auf den Außerhausverkauf von Speisen geschlossen werden kann.

Der Kläger betrieb ein chinesisch-mongolisches Speiserestaurant mit Buffetangebot. Der Außerhausverkauf von Speisen machte nach den Geschäftsunterlagen fast 30 % des Gesamtumsatzes aus. Im Rahmen einer Betriebsprüfung gelangte das Finanzamt zu der Ansicht, dass die Kassenführung aufgrund schwerwiegender Mängel nicht ordnungsgemäß sei. Zur Ermittlung der Gewinn- und Umsatzhinzuschätzungen nahm der Prüfer eine Getränkekalkulation vor und berechnete anhand des gebuchten Anteils der Getränkeumsätze (18,51 %) den Gesamtumsatz. Von der Kalkulationsdifferenz zum erklärten Umsatz nahm der Prüfer einen Sicherheitsabschlag in Höhe von 10 % vor. Gegen die aufgrund der Betriebsprüfung erlassenen Änderungsbescheide wandte der Kläger ein, dass das vom Prüfer ermittelte Ergebnis wirtschaftlich nicht erzielbar sei.

Das Gericht gab der hiergegen erhobenen Klage teilweise statt. Aufgrund der erheblichen Mängel in der Kassenführung bestehe dem Grunde nach eine Schätzungsbefugnis. Die Schätzung auf Grundlage einer Getränkekalkulation sei grundsätzlich als auf betriebsinternen Daten aufbauende Schätzungsmethode bei Speisegaststätten geeignet. Diese sog. 30/70-Methode basiere auf dem Gedanken, dass das Verhältnis zwischen verzehrten Speisen und Getränken nur geringen Schwankungen unterliege, da die Gäste im Durchschnitt zu jeder Speise eine bestimmte Menge an Getränken zu sich nehme. Demgegenüber bestehe zwischen den Getränkeumsätzen im Restaurant und den Speisen, die außer Haus geliefert werden, keine logische Verknüpfung. Da der Anteil der Außerhausverkäufe nicht unerheblich sei, könnten aus der Getränkekalkulation auf diese Umsätze keine unmittelbaren Schlussfolgerungen gezogen werden. Andererseits seien alle Umsätze in derselben Barkasse gelandet, so dass die zu den Hinzuschätzungen berechtigenden Kassenführungsmängel für alle Bereiche gleichermaßen gelten. Aufgrund der doppelten Hebelwirkung, die bei der Übertragung des Kalkulationsergebnisses auf die außer Hausumsätze entstehe, nahm der Senat für diese Umsätze einen doppelt so hohen Sicherheitsabschlag wie bei den übrigen Umsätzen vor. Anders als das Finanzamt zog der Senat die Sicherheitsabschläge nicht erst von der Kalkulationsdifferenz, sondern vom Kalkulationsergebnis ab, weil hiermit alle Unwägbarkeiten der gesamten Kalkulation abgegolten würden.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 15.01.2016 zum Urteil 4 K 2616/14 vom 04.12.2015

 

Abgabenordnung: Vernichtung von Originalunterlagen durch die Behörde kann zu ihrem Nachteil gewertet werden

Kann nicht mehr festgestellt werden, ob eine Unterschrift unter einer Zahlungsanweisung tatsächlich vom Kindergeldberechtigten stammt, weil die Familienkasse die Originalunterlagen nach Einscannen zwecks Erstellung einer elektronischen Kindergeldakte vernichtet hat, kann sie sich nicht mehr auf das Dokument berufen. Dies hat der 14. Senat des Finanzgerichts Münster in einem für Zwecke der Gewährung von Prozesskostenhilfe ergangenen Beschluss vom 24. November 2015 (Az. 14 K 1542/15 AO) entschieden.

Die Familienkasse überwies das für die beiden Kinder der Antragstellerin festgesetzte Kindergeld zunächst auf ein von ihr angegebenes Konto. Im Jahr 2010 ging ein unterschriebenes Formular „Veränderungsanzeige“ bei der Familienkasse ein, das Namen, Anschrift und Kindergeldnummer der Antragstellerin sowie die Eintragung enthält, dass das Kindergeld nunmehr auf ein anderes Konto überwiesen werden soll, dessen Inhaber die Mutter der Antragstellerin und der Vater der Kinder waren. Die Familienkasse überwies das Kindergeld fortan auf das angegebene Konto.

Nachdem die Familienkasse festgestellt hatte, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld nicht mehr vorlagen, hob sie im Jahr 2015 die Festsetzung ab März 2010 auf und forderte die Antragstellerin zur Rückzahlung auf. Diese wandte gegen den Rückforderungsbescheid ein, dass ihre Unterschrift auf der Veränderungsanzeige gefälscht sei und sie sich zum Zeitpunkt der Abgabe dieses Dokuments gar nicht in Deutschland aufgehalten habe. Im Rahmen des Klageverfahrens, für das die Antragstellerin Prozesskostenhilfe beantragte, teilte die Familienkasse dem Gericht mit, dass die Kindergeldakte nicht mehr im Original vorgelegt werden könne, weil diese nach dem Einscannen vernichtet worden sei und nur noch elektronisch geführt werde.

Der Senat gab dem Antrag auf Prozesskostenhilfe in vollem Umfang statt. Nach der gebotenen summarischen Prüfung müsse die Antragstellerin das zu viel gezahlte Kindergeld nicht erstatten, weil sie nicht als Leistungsempfängerin anzusehen sei. Aller Voraussicht nach werde die Familienkasse den ihr obliegenden Beweis dafür, dass die Veränderungsanzeige tatsächlich von der Antragstellerin stammt, nicht erbringen können. Selbst wenn ein Sachverständigengutachten ergebe, dass die Unterschrift von der Antragstellerin stamme, sei dennoch nicht auszuschließen, dass die Unterschrift im Wege einer Fotokopie oder einer technischen Manipulation auf das Dokument gelangt sei. Hinzu komme, dass eine Finanzbehörde ihre Ansprüche gerade nicht mehr auf entscheidungserhebliche Originalunterlagen stützen dürfe, die sie selbst während des laufenden Verfahrens vernichtet hat.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 15.01.2016 zum Beschluss 14 K 1542/15 vom 24.11.2015

 

Steuern und Sozialbeträge in den EU-Mitgliedstaaten

Im Jahr 2014 variierte die Steuerquote im Verhältnis zum BIP zwischen den Mitgliedstaaten nahezu im Verhältnis 1 zu 2

Anstieg gegenüber 2013 in den meisten Mitgliedstaaten

Die Steuerquote im Verhältnis zum BIP, d. h. die Summe aller Steuern, Abgaben und Nettosozialbeiträge in Prozent des BIP, belief sich in der Europäischen Union (EU) im Jahr 2014 auf 40,0 % gegenüber 39,9 % im Jahr 2013. Im Euroraum lag die Steuerquote im Verhältnis zum BIP bei 41,5 % im Jahr 2014, ein Anstieg gegenüber 41,2 % im Jahr 2013. Seit dem Tiefstand im Jahr 2010 ist die Quote über die vergangenen Jahre hinweg kontinuierlich gestiegen.

Zwischen den Mitgliedstaaten sind erhebliche Unterschiede bei der Steuerquote im Verhältnis zum BIP für 2014 festzustellen. Am höchsten war die Quote in Dänemark (50,8 %), gefolgt von Belgien und Frankreich (je 47,9 %), Finnland (44,0 %), Österreich (43,8 %), Italien und Schweden (je 43,7 %). Die niedrigsten Quoten verzeichneten hingegen Rumänien (27,7 %), Bulgarien (27,8 %), Litauen (28,0 %) und Lettland (29,2 %).

Diese Informationen sind einem Bericht von Eurostat, dem statistischen Amtes der Europäischen Union, zu entnehmen. Die auf der Grundlage des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG 2010) erhobenen harmonisierten Indikatoren ermöglichen einen genauen Vergleich der Steuersysteme und Steuerpolitik der EU-Mitgliedstaaten.

Größter Anstieg der Steuerquote in Dänemark, stärkster Rückgang in der Tschechischen Republik

Im Vergleich zum Jahr 2013 ist die Steuerquote im Verhältnis zum BIP 2014 in den meisten Mitgliedstaaten gewachsen. Der größte Anstieg wurde in Dänemark (von 48,1 % im Jahr 2013 auf 50,8 % im Jahr 2014) registriert, gefolgt von Zypern (von 31,6 % auf 34,2 %) und Malta (von 33,6 % auf 35,0 %). Rückgänge waren dagegen in acht Mitgliedstaaten zu beobachten, insbesondere in der Tschechischen Republik (von 34,8 % im Jahr 2013 auf 34,1 % im Jahr 2014) und im Vereinigten Königreich (von 34,9 % auf 34,4 %).

In Schweden haben die Produktions- und Importabgaben den höchsten Anteil an der Steuerquote, in Dänemark die Einkommens- und Vermögenssteuern und in Frankreich die Nettosozialbeiträge

Bei der Betrachtung der Hauptabgabenkategorien zeigen sich große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten der EU. In dreizehn Mitgliedstaaten waren die Produktions- und Importabgaben die größte Quelle des Steuer- und Abgabenaufkommens, in neun Mitgliedstaaten waren es die Nettosozialbeiträge und in sechs Mitgliedstaaten die Einkommen- und Vermögensteuern. Der Anteil der Produktions- und Importabgaben war 2014 in Schweden am höchsten (mit 22,1 % des BIP), gefolgt von Kroatien (18,8 %) und Ungarn (18,6 %). Am geringsten war dieser Anteil in der Slowakei (10,8 %) und in Deutschland (10,9 %).

Einkommen- und Vermögensteuern waren in Dänemark mit einem Anteil von 33,4 % des BIP die größte Quelle des Steuer- und Abgabenaufkommens, dahinter folgten Schweden (17,9 %), Belgien (16,8 %) und Finnland (16,5 %). Am niedrigsten lag die Quote der Einkommen- und Vermögensteuern im Verhältnis zum BIP in Litauen (5,1 %) und Bulgarien (5,3 %). Während die Nettosozialabgaben in Frankreich (19,2 %), Belgien (16,9 %) und Deutschland (16,5 %) einen beträchtlichen Anteil des BIP ausmachten, war dieser Anteil in Dänemark (1,1 % des BIP), Schweden (3,7 %) und Irland (5,8 %) am geringsten.

Im EU-Durchschnitt hatten die Produktions- und Importabgaben 2014 (13,6 % des BIP) den größten Anteil am Steuer- und Abgabenaufkommen, dicht gefolgt von den Nettosozialabgaben (13,4 %) und den Einkommen- und Vermögensteuern (12,8 %). Für den Euroraum ergibt sich eine etwas andere Reihenfolge der Abgabekategorien. Hier entfiel der größte Anteil des Steuer- und Abgabenaufkommens auf die Nettosozialabgaben (15,5 %); dahinter folgten die Produktions- und Importabgaben (13,3 %) und die Einkommen- und Vermögensteuern (12,5 %).

 Quelle: Eurostat, Pressemitteilung vom 15.01.2016
 

Umsatzsteuer: Übergangsregelung in § 27 Abs. 19 UStG zur Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen verfassungsgemäß

§ 27 Abs. 19 UStG betrifft vor dem 15. Februar 2014 erbrachte umsatzsteuerpflichtige Leistungen, bei denen leistender Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen sind, dass der Leistungsempfänger die Steuer als Bauleistung nach § 13b UStG schuldet, diese Annahme sich aber nachträglich als unrichtig herausstellt. Für diesen Fall begründet § 27 Abs. 19 UStG eine Änderungsmöglichkeit der Steuerfestsetzung beim Leistenden, sofern der zu Unrecht nach § 13b UStG in Anspruch genommene Leistungsempfänger seine gezahlte Steuer zurückfordert.

Nachdem der BFH mit Urteil vom 22. August 2013 (V R 37/10, BStBl II 2014, S. 128) entschieden hatte, dass Bauträger keine Steuerschuldner nach § 13b UStG sind, forderte der Leistungsempfänger im Streitfall die gezahlte Steuer zurück. Gleichzeitig setzte das Finanzamt die Steuer für 2009 nunmehr gegenüber dem Kläger als leistenden Unternehmer nach § 27 Abs. 19 UStG fest.

Der 5. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts wies die Klage ab. Er führt im Urteil vom 29.10.2015 – 5 K 80/15 – aus, dass § 27 Abs. 19 UStG als verfahrensrechtliche Sondervorschrift zu § 174 Abs. 3 AO (widerstreitende Steuerfestsetzung) zu verstehen sei und nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Rückwirkungsverbot verstoße (keine echte Rückwirkung). Bei verfahrensrechtlichen Änderungsmöglichkeiten unterscheide der BFH die echte von der unechten Rückwirkung danach, ob die Festsetzungsfrist für die zu ändernden Bescheide bereits abgelaufen sei (z. B. BFH-Urteil vom 16.12.2014 – VIII R 30/12, DStR 2015, 1151 zu § 32a KStG). Danach beinhalte § 27 Abs. 19 UStG lediglich eine unechte Rückwirkung, weil bei Inkrafttreten der Regelung (31.07.2014) im Streitfall noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten war.

Die Grundsätze des Vertrauensschutzes seien durch § 27 Abs. 19 Sätze 3 und 4 UStG in verfassungskonformer Weise gewährleistet. Danach könne der leistende Unternehmer die Steuerforderung des Finanzamts dadurch erfüllen, dass er seinen zivilrechtlichen Umsatzsteuernachforderungsanspruch an das Finanzamt abtritt. Der Umsatzsteuernachforderungsanspruch ergebe sich aus der nachträglichen Bruttoabrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger. Der sich zivilrechtlich aus § 313 BGB (Wegfall der Geschäftsgrundlage) ergebende Anspruch auf Vertragsanpassung sei nicht verjährt, weil die dreijährige Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB frühestens mit Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen (hier: Urteil des BFH vom 22. August 2013) zu laufen beginne.

Das Urteil betrifft Bauleistungen an Bauträger und damit eine Vielzahl von Fällen. Nachdem bereits mehrere Gerichte in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes von einer verfassungsrechtlich unzulässigen echten Rückwirkung des § 27 Abs. 19 ausgegangen sind (z. B. FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.06.2015 – 5 V 5026/15, UR 2015, 592), liegt nunmehr – soweit ersichtlich – die erste Entscheidung eines Gerichts in der Hauptsache vor. Die Revision wurde zugelassen. Ein Aktenzeichen des BFH liegt noch nicht vor.

Quelle: FG Niedersachsen, Pressemitteilung vom 15.01.2016 zum Urteil 5 K 80/15 vom 29.10.2015

 

Kirchensteuer: Kirchensteuer auf Abgeltungsteuer: Elektronisches Verfahren in Verwaltungsanweisung gegossen

Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) hatte in der Vergangenheit bereits einige Erfolge im Kirchensteuerabzugsverfahren verbuchen können. Diese finden sich nun in einem Entwurf eines gleich lautenden Erlasses der obersten Finanzbehörden der Länder wieder. Dazu hat der DStV kürzlich Stellung genommen ( Stellungnahme S 15/15 ). Eine entscheidende Erleichterung, wonach die Regelabfrage nur noch einmal zu Beginn der rechtlichen Beziehung getätigt werden muss, wurde bereits im Bürokratieentlastungsgesetz verankert.

Wie vom DStV gefordert, müssen sich Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer, die keiner steuererhebenden Religionsgemeinschaft angehören, nicht beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) für die Zulassung zur Teilnahme am Kirchensteuerabzugsverfahren registrieren. Ebenfalls kann von einer Abfrage abgesehen werden, wenn mit Sicherheit feststeht, dass im Folgejahr keine Ausschüttung erfolgen wird. Ferner entlastend wirkt sich für die Abzugsverpflichteten aus, dass keine Dokumentationspflichten für Fälle bestehen, in denen die Steueridentifikationsnummer nicht ermittelt werden kann. Für Gläubiger, deren Kapitalerträge monatlich ausgezahlt werden, ist im Regelfall aus Vereinfachungsgründen eine einmal jährliche Abfrage ausreichend.

Im vorgelegten Erlass werden jedoch auch Rechtsunsicherheiten konstituiert, deren Nachbesserung der DStV angeregt hat. Dabei handelt es sich im Einzelnen um die Details der technischen Umsetzung des elektronischen Verfahrens. Insbesondere Abzugsverpflichtete, die große Datenmengen abfragen, würden davon profitieren, wenn die praktizierte Datenhin- und -rücklieferung im CSV-Dateiformat im Erlass festgeschrieben werden würde. Denn die Fehleranfälligkeit ist im Gegensatz zur Auswertung der alternativ übermittelten PDF-Daten erheblich geringer.

Kritisch ist auch die Verpflichtung zu sehen, wonach der Gläubiger der Kapitalerträge unrichtige Meldedaten, die ein nicht zutreffendes Kirchensteuerabzugsmerkmal (KiStAM) nach sich ziehen, der Meldebehörde mitzuteilen hat. Unzutreffend abgeführte Kirchensteuer auf Abgeltungsteuer kann den Steuerbescheinigungen (i. S. d. §§ 45a Abs. 2 oder 3 und 51a Abs. 2d S. 2 EStG) entnommen werden, aus denen der Klarname der steuererhebenden Religionsgemeinschaft hervorgeht. Da der Abzugsverpflichtete die Steuerbescheinigungen nur auf Verlangen des Gläubigers der Kapitalerträge übermittelt, können auch nur jene Gläubiger der Kapitalerträge die Meldedaten abgleichen, denen die Steuerbescheinigung zugeht. Da es sich bei der Regelabfrage des KiStAM um eine Stichtagsabfrage handelt, bergen insbesondere solche Fälle Fehlerpotenzial, in denen geänderte Meldedaten in Stichtagsnähe zwischen den Behörden ausgetauscht werden. Ebenso wenig kann der Abzugsverpflichtete, wie z. B. die Bank, das vom BZSt zurückgegebene KiStAM mit den vom Kunden hinterlegten Daten abgleichen, da dieses verschlüsselt ist.

Der Entwurf des Erlasses sieht darüber hinaus einen verpflichtenden Hinweis auf die Möglichkeit des Sperrvermerks vor, selbst wenn es sich um eine Anlassabfrage auf Wunsch des Gläubigers der Kapitalerträge handelt. Der DStV fordert in seiner Stellungnahme S 15/15 die Abstandnahme von derartig bürokratieerhöhenden Maßnahmen.

Quelle: DStV, Mitteilung vom 14.01.2016

 

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin