Die korrekte Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben zu einem Wirtschaftsjahr ist ein zentrales Thema für Freiberufler, insbesondere wenn diese ihren Gewinn nach der Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermitteln. Im Fokus steht dabei das Zufluss- und Abflussprinzip nach § 11 EStG, welches jedoch durch Sonderregelungen ergänzt wird, um spezielle Sachverhalte abzudecken.
1. Das Zufluss- und Abflussprinzip
Laut § 11 Abs. 1 und Abs. 2 EStG sind Einnahmen und Ausgaben grundsätzlich in dem Kalenderjahr zu berücksichtigen, in dem die wirtschaftliche Verfügungsmacht über diese erlangt oder aufgegeben wurde.
- Zufluss: Betriebseinnahmen gelten als zugeflossen, sobald sie auf dem Konto gutgeschrieben oder bar entgegengenommen werden (BFH, 21.8.12, IX R 55/10).
- Abfluss: Betriebsausgaben sind in dem Jahr zu erfassen, in dem die Zahlung geleistet wird.
Besondere Regelungen gelten beispielsweise für Forderungen, die an Verrechnungsstellen oder Inkassounternehmen abgetreten werden, sowie für Zahlungen in Fremdwährungen, bei denen der Zuflusszeitpunkt vom Wechselkurs abhängt.
2. Sonderregelung: Regelmäßig wiederkehrende Leistungen
Eine Ausnahme vom Zufluss- und Abflussprinzip gilt für regelmäßig wiederkehrende Leistungen (z. B. Mietzahlungen, Abschlagszahlungen), die kurz vor oder nach Jahresende gezahlt werden.
Voraussetzungen:
- Es handelt sich um eine regelmäßig wiederkehrende Zahlung.
- Die Zahlung liegt im Zeitraum 22.12. bis 10.01. (sog. Zehn-Tages-Regelung).
- Die Zahlung gehört wirtschaftlich zu einem bestimmten Jahr.
Beispiel:
- Die Januarmiete eines Mietverhältnisses wird am 30.12. überwiesen und dem Vermieter gutgeschrieben.
- Lösung: Die Miete wird dem folgenden Kalenderjahr zugerechnet, da sie wirtschaftlich dem Januar zuzuordnen ist (BFH, 11.11.14, VIII R 34/12).
Für die Anwendung dieser Regelung ist entscheidend, dass auch der Fälligkeitszeitpunkt in den Zehn-Tages-Zeitraum fällt (BFH, 16.2.22, X R 2/21).
3. Vorauszahlungen
Vorauszahlungen unterliegen ebenfalls Sonderregelungen:
- Kurzfristige Vorauszahlungen (unter 5 Jahren): Diese werden im Zuflussjahr erfasst.
- Langfristige Vorauszahlungen (mehr als 5 Jahre, z. B. bei Erbbauzinsen oder Mietzahlungen): Diese sind gleichmäßig über den Nutzungszeitraum zu verteilen (§ 11 Abs. 1 S. 3 und Abs. 2 S. 3 EStG).
Praxistipp:
Zahlungen, die eine Nutzungsüberlassung betreffen, sollten klar dokumentiert werden. Insbesondere bei unbefristeten Verträgen mit Kündigungsrechten ist die Verteilungsregelung nicht anwendbar (BFH, 4.6.19, VI R 34/17).
4. Übergangsregelungen bei der Gewinnermittlungsart
Ein Wechsel von der EÜR zur Bilanzierung erfordert eine besondere Beachtung der sogenannten Übergangsgewinne.
- Diese entstehen, wenn vorher nicht erfasste Vorgänge durch den Wechsel der Gewinnermittlungsart sichtbar werden.
- Verteilungsregelung: Der Übergangsgewinn kann auf bis zu drei Jahre verteilt werden, um eine Belastung im Wechseljahr abzufedern (R 4.6 Abs. 1 S. 2 EStR).
5. Sonderfall: Gesellschafter-Geschäftsführer
Für Gesellschafter-Geschäftsführer, die Dienstleistungen an ihre GmbH erbringen, gelten zusätzliche Besonderheiten:
- Bei beherrschenden Gesellschaftern (Anteil > 50 %) greift eine Zuflussfiktion, die eine Versteuerung bereits bei Rechnungsstellung vorschreibt.
- Bei nicht beherrschenden Gesellschaftern entscheidet der Zeitpunkt des Zuflusses, es sei denn, gleichgerichtete Interessen mit beherrschenden Gesellschaftern bestehen (FG Rheinland-Pfalz, 11.5.22, 2 K 1811/17).
6. Fazit
Die Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben bei Freiberuflern ist eng mit den Grundsätzen des Zufluss- und Abflussprinzips verknüpft. Die Sonderregelungen für regelmäßig wiederkehrende Leistungen und Vorauszahlungen bieten Flexibilität, verlangen jedoch eine präzise Anwendung, um steuerliche Risiken zu vermeiden. Eine frühzeitige Beratung ist ratsam, insbesondere bei komplexen Sachverhalten wie der Wechsel der Gewinnermittlungsart oder Gesellschafter-Leistungen an GmbHs.
Ihr Steuerberater steht Ihnen hierbei gerne beratend zur Seite!