Steuerrecht im Bundestag: Reisekostenrecht wird vereinfacht / Anwendung des steuerlichen Splittingtarifs / Bezüge von Reservisten bleiben komplett steuerfrei / Elektroautos sollen zehn Jahre lang steuerfrei fahren

Reisekostenrecht wird vereinfacht

Das steuerliche Reisekostenrecht wird erheblich vereinfacht. Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages beschloss am Mittwoch den von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP gemeinsam eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts (BT-Drucks. 17/10774). SPD-Fraktion und Linksfraktion lehnten den von der Koalition zuvor in einigen Punkten abgeänderten Entwurf ab. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen enthielt sich. Eingeführt werden soll nach Angaben der Koalitionsfraktionen ein ausgewogenes Gesamtmodell mit Vereinfachungen in den Bereichen Fahrtkosten, Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten. In vielen Fällen werde es zu Verbesserungen für die Arbeitnehmer kommen.

Nach Ansicht der CDU/CSU-Fraktion ist mit der Neuregelung des Reisekostenrechts “ein großer Wurf gelungen”. Für 35 Millionen Arbeitnehmer werde das Steuerrecht jetzt wesentlich vereinfacht. Auch nach Ansicht der FDP-Fraktion wird es einen großen Schub zur Vereinfachung des Steuerrechts für Arbeitnehmer geben. Die Linksfraktion, die den Gesetzentwurf wegen der Steuererleichterungen für Unternehmen insgesamt ablehnte, begrüßte den Gesetzesteil zu den Reisekosten. Nach Ansicht von Bündnis 90/Die Grünen handelt es sich aber um keine Regelung für die Praxis.

Bei den Pauschalen für Verpflegungskostenmehraufwendungen wird an die Stelle der dreistufigen eine zweistufige Staffelung der Pauschalen treten. Künftig wird für den An- und Abreisetag bei einer mehrtägigen auswärtigen Tätigkeit eine Pauschale von jeweils zwölf Euro als Werbungskosten berücksichtigt. Die bisherige Prüfung von Mindestabwesenheitszeiten entfällt. An Tagen, an denen ein Arbeitnehmer 24 Stunden von seiner Wohnung abwesend ist, bleibt die Pauschale bei 24 Euro. Auch bei Dienstreisen ohne Übernachtung beträgt die Pauschale zwölf Euro bei einer Abwesenheit von mindestens acht Stunden.

Beruflich veranlasste Unterkunftskosten im Rahmen einer längerfristigen Auswärtstätigkeit an ein und derselben Tätigkeitsstätte werden im Zeitraum von 48 Monaten unbeschränkt als Werbungskosten abzugsfähig sein. Danach werden sie nur noch bis zur Höhe der vergleichbaren Aufwendungen im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung berücksichtigt (höchstens 1.000 Euro im Monat). Im Bereich der Unternehmensbesteuerung sieht der Beschluss vor, den Höchstbetrag beim Verlustrücktrag von derzeit 511.500 Euro auf eine Million Euro anzuheben. Für zusammen veranlagte Ehegatten soll der doppelte Betrag gelten. Damit wird ein Konvergenzvorschlag aus dem Grünbuch der deutsch-französischen Zusammenarbeit im Bereich der Unternehmensbesteuerung umgesetzt. Zudem werden die Regelungen zur “steuerlichen Organschaft” vereinfacht und an die Rechtsprechung angepasst.

Die SPD-Fraktion sorgte sich, dass die Änderungen bei der Nutzung von Verlusten zu einem Einfallstor für neue Steuersparmodelle werden könnten. Die Regelung sei vielleicht europapolitisch richtig, aber fiskalpolitisch sei sie falsch. Dagegen lobten CDU/CSU und FDP-Fraktion die Maßnahme, weil sie mehr Liquidität für kleine und mittlere Unternehmen schaffe. Ähnlich äußerte sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Abgelehnt wurde ein Antrag der Linksfraktion (BT-Drucks. 17/5525) mit dem Ziel, die Möglichkeiten der Verlustverrechnung im Steuerrecht einschränken. Deutschland habe im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedsstaaten großzügige Regelungen zur zeitlichen Verschiebung der steuersenkenden Verrechnung von Verlusten, hieß es als Begründung. Dies habe zu einer von Jahr zu Jahr größeren Anhäufung von steuerlichen ungenutzten Verlusten bei Großunternehmen geführt.

Zuvor begrüßten Experten bereits die geplanten Vereinfachungen im Bereich des steuerlichen Reisekostenrecht. Das wurde während eines öffentlichen Fachgespräches des Finanzausschusses bereits am Montagnachmittag deutlich. Lob gab es auch für die Verfahrensweise. So habe sich das Bundesfinanzministerium im Vorfeld schon durch viele Workshops Expertenrat geholt.

Mit der Reform werde eine langjährige Forderung der Deutschen Wirtschaft umgesetzt, hieß es vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Das Gesetz führe zu deutlichen Vereinfachungen und Verbesserungen, sagte der BDI-Vertreter. Aus Sicht des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) ist die Definition der “ersten Tätigkeitsstätte” durch arbeits- oder dienstrechtliche Festlegungen des Arbeitgebers ein Fortschritt im Vergleich zur bisherigen Regelung, da es immer wieder unklar gewesen sein, ob es nicht auch mehrere “regelmäßige Arbeitsstätten” geben könne. Die Anhebung der Mindestverpflegungspauschale von 6 auf 8 Euro führe laut DIHK bei vielen Arbeitnehmern zu Verbesserungen. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte die Neuregelung grundsätzlich. Der DGB-Vertreter machte jedoch auf mögliche negative Folgen der Regelung aufmerksam, wonach von einer ersten Tätigkeitsstelle auszugehen sei, wenn die Zuordnung zu dieser Tätigkeitsstätte über 48 Monate hinausgeht. Damit drohe – mit Blick auf die Regelungen zur Zeit- und Leiharbeit – eine völlig überzogene Feststellung, was unter einer vorübergehenden Tätigkeit zu verstehen sei.

Mit “viel Wohlwollen” betrachtet die Deutsche Steuer-Gewerkschaft die Neuregelung. So sei etwa die Deckelung der Unterkunftskosten auf 1.000 Euro “sehr sinnvoll”. Es sei nun nicht mehr nötig über ortübliche Mieten und Kosten zu streiten. “Damit können alle Steuerzahler leben”, sagte der Vertreter der Steuer-Gewerkschaft. “Keine Einwände” habe er zudem gegen die Neuregelung der Verpflegungspauschalen. Nachbesserungsbedarf gibt es aus Sicht des Neuen Verbandes der Lohnsteuerhilfevereine angesichts der Gleichsetzung einer “vollzeitigen Bildungsmaßnahme” mit der “ersten Tätigkeitsstätte”. Für “kurzzeitige und angeordneten Bildungsmaßnahmen” dürfe dies nicht gelten, forderte der Verbandsvertreter, da sonst Erstattungen der Agentur für Arbeit etwa versteuert werden müssten.

Umstritten war die in dem Gesetz ebenfalls geplante Anhebung des Höchstbetrages beim Verlustrücktrag von derzeit 511.500 Euro auf eine Million Euro. Dagegen sprach sich Professor Lorenz Jarass von der Hochschule RheinMain aus. Mit der Änderung würden große und sehr große Einkommen “noch stärker” begünstigt werden und “unnötige Steuerausfälle” verursacht. Für die Änderung plädierte Professor Oliver Fehrenbacher von der Universität Konstanz. Ein Verlust, so Fehrenbacher, müsse als “Minderung der Leistungsfähigkeit” angesehen werden und Berücksichtigung finden. Der “Besteuerungsabschnitt der Berücksichtigung” spiele insoweit “nicht die entscheidende Rolle”.

 

Bundesregierung nimmt Stellung zur Anwendung des steuerlichen Splittingtarifs

In 14 Bundesländern wird eingetragenen Lebenspartnerschaften die Aussetzung der Vollziehung gewährt, wenn sie in einem Rechtsbehelfsverfahren die Anwendung des steuerlichen Splittingtarifs beantragen. Nur in Bayern und Sachsen sei dies nicht der Fall, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (BT-Drucks. 17/10740) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (BT-Drucks. 17/10543). Die Fraktion hatte sich nach den Konsequenzen aus mehreren Gerichtsurteilen zugunsten eingetragener Lebenspartnerschaften erkundigt.

 

Bezüge von Reservisten bleiben komplett steuerfrei

Der Finanzausschuss hat weiter den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 (BT-Drucks. 17/10000) in seiner Sitzung am Mittwoch gebilligt. Nach Einfügung zahlreicher Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen und Ablehnung mehrerer Änderungsanträge der Oppositionsfraktionen billigte der Ausschuss den Entwurf mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP bei Enthaltung der Fraktion Die Linke. Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen stimmten dagegen. Alle drei Oppositionsfraktionen bemängelten übereinstimmend, dass die Koalition nicht bereit gewesen sei, die Gleichstellung von eingetragenen Partnerschaften mit der Ehe im Einkommensteuerrecht vorzunehmen, sondern sich hinter einem ausstehenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts verschanze. Alle drei Fraktionen kritisierten zudem die kurzfristige Vorlage von Änderungsanträgen durch die Koalition.

Mit dem Gesetz bleiben Wehrsold und Dienstgeld für freiwillig Wehrdienstleistende auch in Zukunft steuerfrei. Weitere Bezüge der freiwillig Wehrdienstleistenden wie der Wehrdienstzuschlag und besondere Zuwendungen wie die unentgeltliche Unterkunft und Verpflegung werden dagegen steuerpflichtig. Neu aufgenommen wurden jetzt eine Bestimmung, nach der alle Bezüge von Reservisten von der Steuer ausgenommen werden. Nach dem Gesetzentwurf wird ferner das für den Bundesfreiwilligendienst gezahlte Taschengeld steuerfrei gestellt. Diese Steuerbefreiung wurde durch einen Änderungsantrag auf Geldbezüge in anderen freiwilligen zivilen Diensten, insbesondere im Jugendfreiwilligendienst, ausgedehnt.

Außerdem sieht der Gesetzentwurf die Reduzierung von Aufbewahrungsfristen vor. Im Steuerrecht sollen Unterlagen, die bisher zehn Jahre lang aufbewahrt werden mussten, nur noch acht Jahre aufbewahrt werden müssen. Ab 2015 soll diese Frist auf sieben Jahre verkürzt werden. Nach heftigem Widerspruch von Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung zu dem Gesetzentwurf wurde mit Änderungsantrag der Koalition die geplante Freistellung von Bildungsleistungen von der Mehrwertsteuer zurückgenommen. Es drohe erheblicher Aufwand im praktischen Vollzug, hieß es. Außerdem wird im Bereich der Gemeinnützigkeit darauf verzichtet, dass die Finanzbehörden anhand der Verfassungsschutzberichte die Verfassungsfeindlichkeit eines Vereins feststellen und die Gemeinnützigkeit aberkennen müssen.

Die CDU/CSU-Fraktion stellte in der Debatte besonders die Förderung der Elektromobilität im Jahressteuergesetz heraus. Deutschland solle bis 2020 zu einem “Leitmarkt für Elektromobilität” gemacht werden. Ein “wichtiger Schritt” in dem “sehr gut gelungenen Gesetz” sei auch die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen. Dies begrüßte auch die FDP-Fraktion. Sie zeigte sich erfreut, dass keine neuen steuerlichen oder bürokratischen Belastungen aufgenommen worden seien. Die SPD-Fraktion vermisste neben der Gleichstellung von eingetragenen Partnerschaften Regelungen zum automatischen Informationsaustausch bei Kapitaleinkünften in der EU.

Die Linksfraktion begrüßte den Verzicht auf die Extremismusklausel im Jahressteuergesetz. Denn angesichts der Zustände im Verfassungsschutz könne dieser keine geeignete Quelle sein. Vereine dürften außerdem nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen begrüßte den Verzicht auf die Extremismusklausel. Die Art und Weise, wie die Koalition die Elektromobilität fördere, sei ein Holzweg.

 

Elektroautos sollen zehn Jahre lang steuerfrei fahren

Personenkraftwagen, Nutzfahrzeuge, Leichtfahrzeuge und Krafträder sollen für zehn Jahre von der Kraftfahrzeugsteuer befreit werden, wenn sie reine Elektrofahrzeuge sind oder Brennstoffzellen haben. Der Finanzausschuss stimmte am Mittwoch dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Versicherungssteuergesetzes und des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (BT-Drucks. 17/10039) mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP zu. Die SPD-Fraktion enthielt sich, während die Fraktion Die Linke und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen den von der Koalition noch mit Änderungsanträgen abgeänderten Entwurf ablehnten. Änderungswünsche der Opposition lehnte die Koalitionsmehrheit ab.

Die Steuerbefreiung soll für alle vom 18. Mai 2011 (Datum des Kabinettsbeschlusses zur Elektromobilität) bis zum 31. Dezember 2015 zugelassenen Fahrzeuge gelten. Fahrzeuge, die im Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2020 erstmals zugelassen werden, sollen wieder wie bisher schon für den Zeitraum von fünf Jahren von der Steuer befreit werden. Auf Antrag der Koalitionsfraktionen wurden auch Fahrzeuge mit Brennstoffzellen in die Regelung einbezogen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte vergeblich gefordert, alle Fahrzeuge mit einem Ausstoß unter 50 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer von der Steuer zu befreien. Das wäre ein wichtiger Beitrag, um Forschung und Entwicklung hocheffizienter Antriebe wie auch die Innovationsdynamik bei herkömmlichen Antrieben und den Trend zu immer mehr Hybridfahrzeugen voranzubringen.

Bei den Vorschriften zur Sicherung des Steueraufkommens nahm die Koalition einige Änderungen vor. So sollen tatsächlich getragene Selbstbehalte bei Kfz-Haftpflichtversicherungen nicht mehr steuerpflichtig werden. Die Vorschrift hätte vor allem Großkunden mit Fahrzeugflotten betroffen. Außerdem soll das Versicherungssteuergesetz in Zukunft auch in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (Zone seewärts der Zwölf-Seemeilen-Grenze bis zu 200 Seemeilen Entfernung zur Küste) gelten. Diese Bestimmung soll aber nicht 2013, sondern erst ein Jahr später in Kraft treten.

Die CDU/CSU-Fraktion hob die Befreiung von Elektrofahrzeugen und Autos mit Brennstoffzellentechnik von der Steuer hervor. Außerdem sei es gelungen, für die Landwirtschaft eine günstige Regelung für die versicherungssteuerliche Behandlung von Mehrgefahrenversicherungen (gegen Hagel, Hochwasser- und andere Schäden) zu finden. Auch die FDP-Fraktion begrüßte die Lösung für die Landwirtschaft und zeigte sich erfreut, dass Steuererhöhungen und bürokratische Mehrbelastungen vermieden worden seien.

Von der SPD-Fraktion wurde kritisiert, dass nur Neufahrzeuge nach ihrem Kohlendioxidausstoß besteuert würden. Die Koalition habe ihre eigene Ankündigung, die Besteuerung nach Kohlendioxidausstoß auch auf Altfahrzeuge auszudehnen, nicht eingehalten. Die Linksfraktion kritisierte generell die Förderung von Elektroautos. Entscheidend sei, wie der Strom erzeugt werde. Komme der Strom aus Atom- oder Kohlekraftwerken, sei das gerade nicht umweltfreundlich.

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