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Auswirkungen der Lohnsteuerklassen auch bei Lohnersatzleistungen!

Ehepartner stellen sich immer wieder die Frage, welche Lohnsteuerklassenkombination ist für uns am besten? Hier treten steuerliche Folgen – aber auch erhebliche Folgen hinsichtlich von Sozialleistungen auf. 
Für Ehepartner gibt es die Möglichkeiten der folgenden Kombinationen, wobei der Ehemann immer zuerst genannt ist: III/V, IV/IV sowie V/III. Bei einem Bruttoentgelt von € 3.500,– fallen bei der Lohnsteuerklasse III Lohnsteuern von € 350,66 bei IV 618,56 und bei V € 975,58 (Quelle: Stollfuß Tabellen Lohnsteuer 2011) an. Daneben werden noch der Solidaritätszuschlag, die Kirchensteuer als auch die Sozialversicherungsbeiträge erhoben. Allgemein gilt die Faustformel: Verdient ein Ehepartner doppelt soviel wie der Andere, führt die Lohnsteuerklassenwahl III (für den Besserverdienenden) und V (für den Partner) zu dem niedrigsten Lohnsteuerabzug. Man sollte aber gerade bei der Lohnsteuerklassenkombination III/V bedenken, dass diese Kombination in der Praxis bei der in diesen Fällen obligatorischen Einkommensteuerveranlagung oft zu Nachzahlungen führt. Anders herum werden bei der Einkommensteuerveranlagung zuviel bezahlte Lohnsteuerbeträge des Jahres durch das Finanzamt zurückgezahlt.
Aber worauf hat die Lohnsteuerklasse weitere Auswirkungen? Nach dem Nettoeinkommen richten sich nämlich auch bestimmte Lohnersatzleitungen, wie z. B. Arbeitslosengeld I, Mutterschutzgeld, Krankengeld und Elterngeld. Das Arbeitslosengeld beträgt 60 % (mit anrechenbarem Kind 67 %) des letzten Nettoentgeltes. Bei einem Bruttoeinkommen von € 3.500,– erhält ein Arbeitsloser zum Beispiel monatlich ca. € 430,– weniger Arbeitslosengeld bei der Lohnsteuerklasse V im Vergleich zur Lohnsteuerklasse III. Ändert ein Arbeitsloser während der Arbeitslosigkeit seine Lohnsteuerklasse von III auf V, damit der Ehegatte mehr Nettoentgelt erzielt, mindert sich zeitgleich das Arbeitslosengeld. Ein „Zurückwechseln“ der Lohnsteuerklasse korrigiert diesen Umstand nicht! Ferner wird ein Wechsel der Lohnsteuerklasse kurz vor Eintritt in die Arbeitslosigkeit aus rein leistungsrechltichen Aspekten nicht akzeptiert. Beim Elterngeld ist dies anders: Die zuletzt gültige Lohnsteuerklasse ist immer die maßgebliche Grundlage für die Berechnung des Elterngeldes.  Auch bei einer so unscheinbaren Entscheidung wie der Lohnsteuerklassenwahl kann Ihnen Ihr Steuerberater ein wertvoller Berater sein und Ihnen bei der richtigen Entscheidung auch noch finanzielle Vorteile bringen.

Quelle: Steuerberaterverband Schleswig-Holstein e.V.

Lohnsteuerklassen III und V für eingetragene Lebenspartner

 Leitsatz

1. Nach dem die Frage, ob die Nichtgewährung des Splittingvorteils aus § 32a Abs. 5 EStG an Steuerpflichtige, die eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen sind, eine Verletzung des Gleichheitsgebotes nach Art. 3 Abs. 1 GG darstellt, Gegenstand dreier Verfassungsbeschwerdeverfahren (Az.: 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06 und 2 BvR 288/07) ist, bestehen ernstliche Zweifel an der Versagung der lohnsteuerrechtlichen Einstufung eingetragener Lebenspartner in die Steuerklassen III und V.

2. Die Aussetzung der Vollziehung ist auch nicht wegen Nichtvorliegens eines besonderen berechtigten Interesses an der Vollziehungsaussetzung zu verweigern. Für die Bejahung des besonderen berechtigten Interesses der Lebenspartner an der Aussetzung der Vollziehung genügt es, dass die beanstandete Ungleichbehandlung die Lebenspartnerschaft besonders trifft, was bei der zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft differenzierenden und damit an die sexuelle Orientierung von Personen anknüpfenden Regelung anzunehmen ist.

 Tatbestand

 Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes um die Frage, ob in den Lohnsteuerkarten von Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft vorläufig die Merkmale der gemeinsamen Veranlagung nach dem Splittingtarif (Steuerklassen III und V) einzutragen sind.

Die beiden Antragsteller (nachfolgend: ASt) begründeten am 30. September 2011 vor dem Standesamt eine Lebenspartnerschaft (vgl. die Lebenspartnerschaftsurkunde auf Blatt 5 der Rechtsbehelfsakte). Sie leben nicht getrennt und sind im Inland unbeschränkt steuerpflichtig. Sie beziehen beide Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Die ASt beantragten am 2. November 2011 bei dem Antragsgegner (dem Finanzamt – FA –), ihre Lohnsteuerkarten insoweit zu ändern, als in die Lohnsteuerkarte des ASt zu 1. für 2012 die Steuerklasse III und für den ASt zu 2. die Steuerklasse V einzutragen sei. § 38b EStG sei eine lückenhafte Regelung, da dort zwar die Ehe, nicht jedoch die eingetragene Lebenspartnerschaft geregelt sei. Die ASt dürften jedoch nicht wie Ledige behandelt werden, da die eingetragene Lebenspartnerschaft in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht einer Ehe entspreche.

Das FA lehnte am 3. November 2011 den Antrag auf Änderung der Lohnsteuerklassen ab. Die derzeit gültige Rechtslage sehe nur die Einzelveranlagung der Lebenspartner vor, der Splittingtarif nach §§ 26 , 26b des Einkommensteuergesetzes (EStG) gelte nur für den Familienstand von Ehegatten. Dem Ausgang der wegen dieser Frage anhängigen Verfahren bei dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) könne vorliegend nicht vorgegriffen werden. Die Entscheidung des BVerfG vom 21. Juli 2010 (1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BVerfGE 126, 400 ) habe das Erbschaftsteuerrecht betroffen und könne nicht zur Beantwortung der Frage nach der Anwendung des Splittingtarifs auf Lebenspartner im Einkommensteuerrecht angewendet werden. Es sei jedoch möglich, einen Einkommensteuerbescheid für 2012 nach dessen Ergehen anzufechten und das Verfahren dann im Hinblick auf die anhängigen Verfassungsbeschwerden ruhen zu lassen (vgl. Blatt 17 der Rechtsbehelfsakte).

Am 9. November 2011 legten die ASt gegen diesen Bescheid Einspruch ein und beantragten die Vollziehung der Ablehnung der Änderung der Steuerklassen wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit aufzuheben (vgl. Blatt 19 ff. der Rechtsbehelfsakte).

Das FA lehnte am 28. November 2011 die Aussetzung der Vollziehung ab. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Ablehnungsentscheidung sei nicht ernstlich zweifelhaft. Das FA verwies in der Rechtsbehelfsbelehrung auf die Möglichkeit, gerichtliche Aussetzung der Vollziehung zu beantragen (vgl. Blatt 24 f. der Rechtsbehelfsakte). Am 5. Dezember 2011 verfolgten die ASt bei dem Sächsischen Finanzgericht ihr Begehren weiter.

Der ASt zu 2. ist seit 1. April 2012 als Arbeitnehmer beschäftigt. Das FA bestätigte dem ASt zu 2. mit Schreiben vom 18. April 2012, dass für sein Lohnsteuerabzugsverfahren ab 1. April 2012 die Steuerklasse I gelte (vgl. Blatt 25 der Gerichtsakte).

Die ASt sind der Ansicht, dass die begehrte Änderung der Steuerklassen auf den Lohnsteuerkarten für 2012 im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes durch Aussetzung der Vollziehung, nicht durch einstweilige Anordnung zu bewirken sei. Der BFH habe diese Rechtsfrage offen gelassen, aber in einer Entscheidung vom 8. Juni 2011 (– III B 210/10 –, BFH/NV 2011, 1692 ) angemerkt, dass viel dafür spreche, den vorläufigen Rechtsschutz bei einer Ablehnung der Änderung der Steuerklasse entsprechend dem Vorgehen bei der Ablehnung der Eintragung eines Freibetrags in einer Lohnsteuerkarte zu gestalten. Es dürften für die Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung keine höheren Anforderungen gestellt werden, wenn es statt um die Eintragung eines Freibetrags auf einer Lohnsteuerkarte um die Eintragung einer anderen Steuerklasse gehe.

Nach Ansicht der ASt bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Eintragung der Steuerklassen III und V in die Lohnsteuerkarten der ASt für 2012. Denn zu Jahresbeginn 2012 seien die ASt nicht ledig gewesen, sondern verpartnert. Die Lücke, die in der Regelung des § 38b EStG dadurch entstehe, dass Ledige und Ehegatten genannt würden, nicht jedoch die eingetragene Lebenspartnerschaft, dürfe nicht so geschlossen werden, wie das FA dies getan habe. Die Lebenspartner seien aus einkommensteuerrechtlicher Sicht nicht der Gruppe der Ledigen zuzuordnen, sondern den Ehegatten. Denn aus einkommensteuerrechtlicher Sicht entspreche die Lebenspartnerschaft der Ehe. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides folgten aus den Entscheidungen des BVerfG über die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes der Lebenspartner bei der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung im öffentlichen Dienst (Beschluss des Ersten Senats des BVerfG vom 7. Juli 2009 – 1 BvR 1164/07 –, BVerfGE 124, 199 ) und bei der Erbschaftsteuer (Beschluss des Ersten Senats des BVerfG vom 21. Juli 2010 – 1 BvR 611/07 , 1 BvR 1464/07 –, BVerfGE 126, 400 ). Die Grundsätze dieser Entscheidungen seien ohne Weiteres auf die Gleichstellung von Lebenspartnern auch bei der Einkommensteuer zu übertragen. Die Privilegierung von Ehegatten sei auch im Einkommensteuerrecht nicht davon abhängig, ob die betroffenen Ehepaare Kinder hätten oder nicht. Den genannten Entscheidungen des BVerfG komme Gesetzeskraft zu. Sie seien deshalb auch für den vorliegenden Rechtsstreit bindend. Die dem entgegenstehende frühere Rechtsprechung des BFH sei überholt. Die ASt verweisen auf verschiedene finanzgerichtliche Entscheidungen, durch die der von ihnen begehrte vorläufige Rechtsschutz in vergleichbaren Fällen gewährt worden sei.

Das Interesse der ASt an der Aussetzung der Vollziehung sei höher zu bewerten, als die gegen die Aussetzung des Vollzugs sprechenden öffentlichen Belange. Zwar handele es sich bei der Norm, auf die die Ablehnung der Eintragung der begehrten Steuerklassen III und V für Lebenspartner gestützt werde, um ein formell verfassungskonform zustande gekommenes Gesetz, das grundsätzlich Geltung beanspruchen dürfe. Ein besonderes berechtigtes Interesse an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes trotz der aufgezeigten erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Regelung bzw. deren Anwendung könne auch nicht wegen eines Haushaltsvorbehaltes verneint werden. Dies könnte nur dann in Betracht kommen, wenn eine Aussetzung der Vollziehung eine erhebliche Breitenwirkung mit entsprechenden finanziellen Wirkungen zur Folge hätte. Es sei jedoch davon auszugehen, dass nur eine geringe Zahl eingetragener Lebenspartnerschaften von dieser Frage betroffen sei; im Jahr 2010 hätten in Deutschland erst etwa 23.000 Lebenspartnerschaften bestanden. Im Übrigen könne durch die Aussetzung der Vollziehung gerade vermieden werden, dass durch die Verplanung oder Verausgabung möglicherweise verfassungswidrig festgesetzter Steuern später die öffentliche Haushaltsführung beeinträchtigt werde. Schließlich nehme die Änderung der Lohnsteuerklassen nicht die Einkommensteuerveranlagung vorweg. Wenn das BVerfG die Nichtgewährung des Splittingvorteils für Lebenspartner nicht verfassungsrechtlich beanstande, könne in dem nachfolgenden Veranlagungsverfahren der einfache Steuertarif angesetzt werden. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 3a EStG seien die ASt verpflichtet, eine Einkommensteuererklärung abzugeben, da sie im Jahr 2012 beide Arbeitslohn bezögen.

Schließlich sei auch nicht zu erwarten, dass das BVerfG dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist zur Herstellung verfassungsgemäßer Zustände einräumen werde. Auch in der oben genannten Erbschaftsteuer-Entscheidung habe das BVerfG keine befristete Fortgeltung angeordnet, sondern die Nichtigkeit der gesetzlichen Regelungen ausgesprochen. Wenn dem Gesetzgeber nach einer Nichtigerklärung auch ein Gestaltungsspielraum für eine Neuregelung zukomme, so sei die einzig tragfähige Unterscheidung – die Beschränkung des Splittingvorteils auf Ehegatten mit Kindern – nicht zu erwarten. Sollte das Splitting auch kinderlosen Ehen zugestanden werden, so müsse dies auch für Lebenspartner anwendbar sein.

Die ASt beantragen

  1. 1.          den Bescheid des FA vom 28. November 2011 aufzuheben und
  2. 2.          die Vollziehung des Bescheids des FA vom 3. November 2011 nach § 69 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 FGO auszusetzen und anzuordnen, dass für das ganze Jahr 2012 die Steuerklasse des ASt zu 1. von I in III und die des ASt zu 2. von I in V zu ändern ist.

 

Das FA beantragt,

die Anträge abzulehnen.

Die Rechtmäßigkeit der vorgenommenen Ablehnung der Eintragung der Steuerklassen III und V sei nicht ernstlich zweifelhaft. Es verweist auf die Begründung in der angefochtenen Entscheidung.

 Gründe

  

II.

Die zulässigen Anträge sind begründet.

1. Die Anträge sind zulässig.

a) Das Verfahren der gerichtlichen Aussetzung der Vollziehung ist das statthafte Verfahren für das Begehren der ASt. Einstweiliger Rechtsschutz gegen die Ablehnung einer beantragten Änderung auf der Lohnsteuerkarte ist durch die Aussetzung der Vollziehung, nicht durch die einstweilige Anordnung zu gewähren (vgl. BFH, Beschluss vom 8. Juni 2011 – III B 210/10 –, BFH/NV 2011, 1692 ; FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. September 2011 – 3 V 2820/11 –, StE 2011, 743; Niedersächsisches FG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 7 V 56/11 –, juris; FG Köln, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 4 V 2831/11 –, juris; FG Bremen, Beschluss vom 13. Februar 2012 – 1 V 113/11 (5) –, juris; vgl. Drenseck, in: Ludwig Schmidt, EStG , 30. Auflage 2011, § 39 Rn. 8).

b) Das FA hat vor Anrufung des Finanzgerichts einen Antrag der ASt auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt (vgl. § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).

2. Die Anträge sind begründet. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Eintragung der begehrten Steuerklassen III und V für eine vorläufige Bestimmung der Lohnsteuerpflicht.

a) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts sind anzunehmen, wenn bei der überschlägigen Prüfung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung des BFH vgl. Beschluss vom 10. Februar 1967 – III B 9/66 –, BStBl III 1967, 182; vgl. Koch, in: Gräber, FGO , 7. Auflage 2010, § 69 Rn. 86).

Nach Rechtsprechung des BFH kann in besonders gelagerten Ausnahmefällen trotz Vorliegens solcher Zweifel die Aussetzung der Vollziehung gleichwohl abgelehnt werden. Dies kommt etwa dann in Betracht, wenn die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer den Verwaltungsakt tragenden gesetzlichen Vorschrift beruhen. Die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung soll dann wegen des – bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – bestehenden Geltungsanspruchs jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes zusätzlich ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes voraussetzen. Dieses berechtigte Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen sei mit den gegen die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung sprechenden öffentlichen Belangen abzuwägen. Hierbei komme es maßgeblich – einerseits – auf die Bedeutung und Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids eingetretenen Eingriffs bei dem Steuerpflichtigen und – andererseits – auf die Auswirkungen einer Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich des Gesetzesvollzugs und des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung an. Das Gewicht der ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der betroffenen Vorschrift sei bei dieser Abwägung nicht von ausschlaggebender Bedeutung. An dem Erfordernis eines besonderen berechtigten Aussetzungsinteresses des Steuerpflichtigen bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an einer streitentscheidenden Norm sei jedenfalls dann festzuhalten, wenn der Ausspruch der begehrten Aussetzung der Vollziehung im Ergebnis zur vorläufigen Nichtanwendung eines ganzen Gesetzes führte, die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung bei dem Steuerpflichtigen erfolgten Eingriffs eher gering einzustufen sei und der Eingriff keine dauerhaft nachteiligen Wirkungen habe (vgl. BFH, Beschluss vom 1. April 2010 – II B 168/09 –, BStBl II 2010, 558 zur gerügten Verfassungswidrigkeit des § 19 ErbStG ; Beschluss vom 9. März 2012 – VII B 171/11 –, BFH/NV 2012, 874 zur gerügten formellen Verfassungswidrigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes). Das Kriterium des besonderen Aussetzungsinteresses bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an Steuergesetzen wird in der Judikatur des BFH aber auch zum Teil in Frage gestellt (vgl. BFH, Beschlüsse vom 22. Dezember 2003 – IX B 177/02 –, BStBl II 2004, 367; vom 31. Januar 2007 – VIII B 219/06 –, BFH/NV 2007, 914 und vom 25. August 2009 – VI B 69/09 –, BStBl II 2009, 826) und wird in der Literatur zum Teil kritisiert (vgl. Schallmoser, DStR 2010, 297 und Seer, DStR 2012, 325).

b) Der Senat setzt die Vollziehung in dem beantragten Umfang aus, da bereits die vorhandene Judikatur der Finanzgerichte ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verwaltungsakte belegt (aa). Den ASt ist die Aussetzung auch nicht wegen Nichtvorliegens eines besonderen berechtigten Interesses an der Vollziehungsaussetzung zu verweigern (bb). Ebenso wenig steht der Aussetzung ein Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen (cc).

aa) Die von den beiden ASt begehrte steuerliche Erleichterung durch Anwendung des ermäßigten Einkommensteuertarifs durch das Splitting-Verfahren nach § 32a Abs. 5 EStG gegenüber dem ansonsten geltenden Grundtarif des § 32a Abs. 1 EStG steht ihnen nach den geltenden einkommensteuerrechtlichen Vorschriften deshalb nicht zu, weil sie nicht als Ehegatten gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt werden im Sinne von §§ 26 , 26b EStG. Diese unterschiedliche einkommensteuerliche Belastung ist der Hintergrund der verfahrensgegenständlichen Frage einer lohnsteuerrechtlichen Einstufung in die begehrten Steuerklassen III und V nach § 38b Satz 2 Nr. 3 und Nr. 5 EStG . Darüber hat das FA nach § 39 Abs. 6 Satz 3 EStG negativ für die ASt entschieden.

Die Frage indes, ob die Nichtgewährung des Splittingvorteils aus § 32a Abs. 5 EStG an Steuerpflichtige, die eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen sind, eine Verletzung des Gleichheitsgebotes aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG ) darstellt, ist Gegenstand dreier Verfassungsbeschwerdeverfahren, die bei dem Zweiten Senat des BVerfG anhängig sind; sie sind u.a. gegen Entscheidungen des BFH gerichtet, in denen die Verfassungskonformität der unterschiedlichen Besteuerung bejaht wurde (2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06 und 2 BvR 288/07).

Nach der in jüngerer Zeit, insbesondere nach dem Beschluss des Ersten Senates des BVerfG vom 21. Juli 2010 , in dem die verfassungsrechtliche Unvereinbarkeit der Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht festgestellt wurde (– 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 –, BVerfGE 126, 400 ), ergangenen Rechtsprechung der Finanzgerichte ist es ernsthaft zweifelhaft, ob die unterschiedliche Begünstigung von Ehegatten und Lebenspartnern durch Gewährung oder Versagung des Splittingtarifs den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes standhält. So wird in einer Vielzahl finanzgerichtlicher Entscheidungen die ernsthafte Möglichkeit einer nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigten Benachteiligung von Lebenspartnern gegenüber zusammen veranlagten Ehegatten bejaht (vgl. die Beschlüsse des FG Nürnberg vom 16. August 2011 – 3 V 868/11 –, StE 2011, 729; des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 12. September 2011 – 3 V 2820/11 –, StE 2011, 743; des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 15. Juni 2011 – 3 V 125/11 –, juris vom 7. Dezember 2011 – 7 V 56/11 –, juris; des FG Köln vom 7. Dezember 2011 – 4 V 2831/11 –, juris des FG Bremen vom 13. Februar 2012 – 1 V 113/11 –, StE 2012, 183). Auch der BFH hält die Rechtslage insoweit für nicht endgültig geklärt (vgl. schon dessen Beschluss vom 14. Dezember 2007 – III B 25/07 –, BFH/NV 2008, 779 ). Es ist vor diesem Hintergrund von einer rechtlichen Unsicherheit beziehungsweise Unentschiedenheit auszugehen, die das Vorhandensein ernstlicher Zweifel begründet.

bb) Der Senat lässt offen, in welchem Umfang ein besonderes berechtigtes Interesse der ASt für eine Aussetzung der Vollziehung wegen materieller verfassungsrechtlicher Zweifel gefordert werden kann. Nimmt man im Sinne der dieses Kriterium befürwortenden Rechtsprechung des BFH eine Abwägung zwischen dem Interesse des Steuerpflichtigen an einem effektiven Rechtsschutz und dem Geltungsanspruch des formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes vor, so überwiegt nach Überzeugung des Senates im Streitfall das Aussetzungsinteresse der ASt (so im Ergebnis auch die oben unter 2.b.aa) genannte finanzgerichtliche Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen; eine Aussetzung der Vollziehung wurde mangels eines besonderen Aussetzungsinteresses wegen einer im Stattgabefall als wahrscheinlich unterstellten vorläufigen Weitergeltungsanordnung des BVerfG abgelehnt durch das FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 4 V 1910/11 –, EFG 2012, 459 . Eine Ablehnung mangels besonderen Aussetzungsinteresses wurde auch durch das FG München in einem Beschluss vom 5. August 2010 – 8 V 1107/10 –, EFG 2011, 67 ausgesprochen).

Zwar geht der Senat nicht davon aus, dass bei den ASt ein besonders dringendes wirtschaftliches Bedürfnis vorliegt, vorläufig die steuerliche Minderbelastung durch Gewährung des Splittingvorteils zu erhalten, wenngleich nicht zu verkennen ist, dass der Splittingvorteil für den ASt zu 1. erheblich und auch wirtschaftlich bedeutsam sein dürfte, da der ASt zu 2. lediglich eine geringfügig bezahlte Erwerbstätigkeit ausübt und der Ast zu 1. ihm zivilrechtlich in vollem Umfange unterhaltspflichtig ist. Es ist indes auch von Seiten des FA kein hinreichend gewichtiger Grund dargetan, der den Vollzug der in verfassungsgerichtlicher Prüfung befindlichen einkommensteuerrechtlichen Regeln über die Anwendung des Splittingvorteils aus öffentlichen Interessen geboten erscheinen lässt. Insbesondere für eine konkrete Gefährdung einer geordneten Haushaltsführung hat das FA nichts vorgetragen. Angesichts der durch die ASt mitgeteilten geringen Anzahl der bestehenden eingetragenen Lebenspartnerschaften in Deutschland ist eine solche Gefährdung einer geordneten Haushaltsführung auch nicht erkennbar. Auch kann die Aussetzung der Lohnsteuer, soweit sie den Splittingtarif übersteigt, nicht zur Nichtanwendbarkeit des gesamten EStG oder eines erheblichen Teils davon führen. Für die Bejahung des besonderen berechtigten Interesses der ASt an der Aussetzung der Vollziehung genügt es danach, dass die beanstandete Ungleichbehandlung die ASt besonders trifft. Denn die gesetzliche Regelung nimmt eine Differenzierung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft vor, die damit letztlich an die sexuelle Orientierung von Personen anknüpft; in diesem Bereich wiegt eine Ungleichbehandlung jedoch grundsätzlich schwer; es ist dort deshalb auch eine strenge Gleichheitsprüfung gefordert (vgl. Beschluss des Ersten Senats des BVerfG vom 21. Juli 2010 , a.a.O., Rn. 85 m.w.N.).

cc) Die Abgeltungswirkung der Lohnsteuererhebung für die Einkommensteuer nach § 46 Abs. 4 EStG kann vorliegend nicht zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen, so dass offen bleiben kann, ob der – aus dem Bereich des vorläufigen Rechtsschutzes durch einstweilige Anordnung (§ 114 FGO ) stammende – Gedanke der grundsätzlichen Unzulässigkeit einer solchen Vorwegnahme überhaupt im Verfahren nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FGO Berücksichtigung finden könnte. Es kann dahinstehen, ob im Streitfall eine Veranlagungspflicht nicht nur im Falle der Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG , sondern auch – wie die ASt dartun – wegen § 46 Abs. 1 Nr. 3a EStG besteht. Denn die letztgenannte Fallgruppe setzt voraus, dass die Veranlagungspflicht jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beziehender Ehegatten – über den Wortlaut der Norm hinaus – auch auf Lebenspartner anzuwenden wäre. Kommt man zur Bejahung der materiellen Gleichbehandlung von Lebenspartnern und Ehegatten, so spricht der gebotene Gleichlauf zwischen materiellem Recht und lohnsteuerlichem Verfahren dafür, die Veranlagungspflicht dann auch für Lebenspartner zu bejahen.

Die vorliegend zu treffende Entscheidung über die teilweise Aussetzung der Vollziehung einer Lohnsteuerabzugsverpflichtung steht indes wegen ihrer Vorläufigkeit nicht der endgültigen Wirkung des Lohnsteuerabzugs gleich. Die erstrebte Aussetzung der Vollziehung einer Lohnsteuerpflicht, die die Belastung durch die Splittingtabelle übersteigt, kann demnach nicht die Abgeltungswirkung des § 46 Abs. 4 Satz 1 EStG verursachen. Die endgültige Bestimmung der Reichweite der Lohnsteuerpflicht und damit der Abgeltungswirkung für die Einkommensteuer muss deshalb dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

3. Die Aussetzung der Vollziehung wird ohne Sicherheitsleistung angeordnet, da ein Sicherungsbedürfnis durch das FA nicht dargetan wurde. Auch aus den Akten ergibt sich dies nicht.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO . Die Beschwerde an den BFH wird wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 128 Abs. 3 , § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.