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Geringe Manipulation von Zeiterfassungsdaten rechtfertigt keine Kündigung

Geringe Manipulation von Zeiterfassungsdaten rechtfertigt keine Kündigung

Rechtslage

Bis zur vieldiskutierten „Emily“-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts verhielt es sich so, dass auch geringfügige Straftaten zu Lasten des Arbeitgebers (beispielsweise auch die Unterschlagung von Pfandbons) eine fristlose Kündigung rechtfertigen konnten. Hierzu gehörte stets auch der Arbeitszeitbetrug. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat jetzt für diesen Bereich (wohl) erstmals eine mit der „Emily“-Rechtsprechung vergleichbare Richtung eingeschlagen.

Sachverhalt

Beim beklagten Arbeitgeber bestand ein Zeiterfassungssystem, in das sich die Arbeitnehmer einstempeln mussten und das einer Arbeitsstunde 12 Zeiteinheiten zuordnete, wobei zu den einzelnen Tätigkeiten im Betrieb bestimmte Zeiteinheiten hinterlegt waren. Für den hier erheblichen Ölwechsel erhielt der Kläger 9 Zeiteinheiten gutgeschrieben. Wenn ein Lehrling an der Arbeit beteiligt war, umfasste eine Arbeitsstunde 14 oder 16 Zeiteinheiten. Im konkreten Fall hatte der Kläger einen Lehrling angewiesen, ihm beim Abschrauben einer Verkleidung zu helfen, was ca. eine Minute erforderte, und sich dafür nicht in die Zeiterfassung einzustempeln. Wegen dieses Vorfalls kündigte der Arbeitgeber dem Kläger fristlos und unterlag vor dem Landesarbeitsgericht.

Entscheidung

Die Richter entschieden, dass ein systematischer Missbrauch der Zeiterfassung zwar weiterhin eine zur fristlosen Kündigung berechtigende schwere Pflichtverletzung darstelle und der Kläger die Zeiterfassung auch zu seinen Gunsten manipuliert habe, indem er verhinderte, dass die Hilfe des Lehrlings die Zeiteinheiten seiner Arbeitsstunde erhöhten. Der für die fristlose Kündigung zum Anlass genommene Vorwurf stelle aber eine verhältnismäßig geringe Pflichtverletzung dar, die keine Kündigung rechtfertige.

Konsequenz

Die Entscheidung zeigt eine deutliche Tendenz im Bereich der Rechtsprechung zu Kündigungen, die wegen Straftaten, die zu Lasten des Arbeitgebers begangen wurden, ausgesprochen werden. Dort, wo verhältnismäßig geringe Verstöße denkbar und möglich sind, scheint die Rechtsprechung zu Gunsten des Arbeitnehmers ein einmaliges bzw. geringfügiges Fehlverhalten für noch erträglich zu erachten.

Hierarchieabbau rechtfertigt keine betriebsbedingte Kündigung

Hierarchieabbau rechtfertigt keine betriebsbedingte Kündigung

Rechtslage

Grundsätzlich sind unternehmerische Entscheidungen, die zum Wegfall eines Arbeitsplatzes und damit zu einer betriebsbedingten Kündigung eines Arbeitnehmers führen, im arbeitsgerichtlichen Verfahren nur begrenzt überprüfbar. Insbesondere darf die unternehmerische Entscheidung nicht unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sein. Soweit dies nicht der Fall ist, ist die betriebsbedingte Kündigung wirksam; eine weitergehende Prüfung erfolgt nicht. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer jüngeren Entscheidung die Prüfungskriterien für den Fall angehoben, dass die unternehmerische Entscheidung in der Rationalisierung einer Hierarchieebene im Unternehmen besteht.

Sachverhalt

Der Kläger war beim beklagten Arbeitgeber in leitender Position beschäftigt. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingte mit der Begründung, dass die Stelle des Klägers unter anderem wegen schlechter wirtschaftlicher Ergebnisse ersatzlos gestrichen werde. Die bisher dem Kläger zugewiesenen Aufgaben würden zukünftig auf die hierarchisch nachfolgende Ebene verteilt. Mit seiner Kündigungsschutzklage obsiegte der Kläger.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht urteilte, dass unternehmerische Entscheidungen des Arbeitsgebers, die zur Kündigung führen, im Rahmen einer Kündigungsschutzklage zwar nur daraufhin überprüfbar seien, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind. Etwas anderes gelte aber dann, wenn unternehmerische Entscheidung und Kündigungsentschluss quasi deckungsgleich seien. Sei dies der Fall, müsse der Arbeitgeber darlegen, ob für den Arbeitnehmer nicht andere Einsatzmöglichkeiten bestünden, oder ob der Beschäftigungsbedarf tatsächlich entfallen sei. Im konkreten Fall war dies deshalb zweifelhaft, weil die Arbeitnehmer der nachgelagerten Hierarchieebene voll ausgelastet waren.

Konsequenz

Das Bundesarbeitsgericht verschärft jedenfalls für eine bestimmte unternehmerische Entscheidung die Kriterien für die Zulässigkeit einer betriebsbedingten Kündigung. Läuft die unternehmerische Entscheidung letztlich auf den Abbau einer Hierarchieebene, verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben hinaus, gelten erhöhte Begründungsmaßstäbe.

Mehrjährige Haftstrafe rechtfertigt regelmäßig eine Kündigung

Mehrjährige Haftstrafe rechtfertigt regelmäßig eine Kündigung

Rechtslage

Außerbetriebliches, insbesondere straferhebliches Fehlverhalten rechtfertigt nur ausnahmsweise die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses. Die Kündigungsgrenze ist allerdings dann in der Regel erreicht, wenn es zu einer nicht mehr unerheblichen Verurteilung kommt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer jüngeren Entscheidung die Voraussetzungen, unter denen eine Kündigung wegen einer Verurteilung zulässig sein kann, näher abgesteckt.

Sachverhalt

Der Kläger war länger bei einem großen Unternehmen beschäftigt. Im November 2006 wurde er in Untersuchungshaft genommen und im Mai 2007 – bei fortdauernder Inhaftierung – zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 7 Monaten verurteilt. Der Arbeitgeber besetzte den Arbeitsplatz des Klägers neu und kündigte das Arbeitsverhältnis im Februar 2008 ordentlich. Gegen die Kündigung wandte der Kläger ein, der Arbeitgeber hätte die Zeit der haftbedingten Abwesenheit überbrücken müssen, bis er den in Aussicht gestellten Freigängerstatus erlangt habe, unterlag aber vor dem Bundesarbeitsgericht.

Entscheidung

Das Gericht sah die Kündigung aus einem personenbedingten Grund als zulässig an. Bei einer strafgerichtlichen Verurteilung wegen einer Straftat ohne Bezug zur Arbeit ist insbesondere bei einer (längeren) Haftstrafe die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt. Da der Arbeitnehmer die Störung des Arbeitsverhältnisses selbst zu vertreten habe, seien dem Arbeitgeber zur Überbrückung der Fehlzeit nur geringere Anstrengungen zuzumuten als bei einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 2 Jahren verurteilt worden ist, kann der Arbeitgeber den Arbeitsplatz in der Regel dauerhaft neu besetzen.

Konsequenz

Die Entscheidung wird so interpretiert werden können, dass eine rechtkräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 2 Jahren eine ordentliche Kündigung rechtfertigt; die fristlose Kündigung braucht noch stärkerer Gründe.