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Vorsteuerberichtigung bei Umlaufvermögen

Vorsteuerberichtigung bei Umlaufvermögen

Kernaussage

Unternehmer müssen bei Leistungsbezug entscheiden, ob und in welchem Umfang sie den Vorsteuerabzug vornehmen. Entscheidend ist hierbei, ob die beabsichtigte Verwendung zum Vorsteuerabzug berechtigt. Ändern sich diese Voraussetzungen später, so erfolgt i. d. R. eine Korrektur der Vorsteuer über § 15a UStG. Dieser gilt seit dem 1.1.2005 auch für Umlaufvermögen. Beispiel: Ein Unternehmer erwirbt ein Grundstück, um dieses später unter Option zur Umsatzsteuer zu verkaufen. Er macht daher die Vorsteuer aus dem Erwerb geltend. Tatsächlich verkauft er das Grundstück steuerfrei. Folge: Der gesamte ursprüngliche Vorsteuerabzug wird im Zeitpunkt der Veräußerung berichtigt.

Neue Verwaltungsanweisung

Das Bayerische Landesamt für Steuern (LFSt) befasst sich in einer aktuellen Verfügung ausführlich mit der Vorsteuerkorrektur bei Umlaufvermögen. Neben den Grundzügen der Regelung werden auch für die Praxis wichtige Fragen erörtert, so z. B. die Ermittlung der Vorsteuerkorrektur bei Umlaufvermögen, das vom Unternehmen selbst hergestellt wurde.

Konsequenzen

Die Verfügung gibt eine gute Hilfestellung, um derartige Fälle zutreffend zu erfassen. Typische Fallkonstellationen in denen eine Vorsteuerberichtigung bei Umlaufvermögen zu berücksichtigen ist, sind z. B. der Verkauf von Grundstücken des Umlaufvermögens sowie der Wechsel vom Kleinunternehmer bzw. pauschal besteuerten Landwirt zur Regelbesteuerung. Zu beachten ist, dass die Korrektur sich auch zu Gunsten der Unternehmer auswirken kann, so z. B. beim Wechsel vom Kleinunternehmer zur Regelbesteuerung. Dies setzt allerdings voraus, dass im Zeitpunkt des Leistungsbezugs eine ordnungsgemäße Rechnung vorlag und die Leistung dem Unternehmen zugeordnet wurde. D. h., Unternehmer, die sich eine spätere Korrektur der Vorsteuer zu ihren Gunsten offen halten wollen, müssen die Rechnungen im Hinblick auf einen möglichen Vorsteuerabzug prüfen, auch wenn sie diesen noch gar nicht vornehmen können.

Vorsteuerberichtigung von sog. Umlaufvermögen nach § 15a Abs. 2 UStG

Verfügungen des Bayerischen Landesamts für Steuern

S 7316.2.1-3/5 St33 vom 26.08.2013

Nach § 15a Abs. 2 UStG ist eine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen, wenn sich bei einem Wirtschaftsgut, das nur einmalig zur Erzielung eines Umsatzes verwendet wird, die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse ändern.

Diese Regelung des § 15a Abs. 2 UStG beruht auf Art. 5 Abs. 12 des Richtlinien-Umsetzungsgesetzes (EURLUmsG) vom 9.12.2004.

1. Anwendung

§ 15a UStG in der Fassung von Art. 5 Nr. 12 EURLUmsG ist zum 1.1. 2005 in Kraft getreten. Die Regelungen sind nur auf Vorsteuerbeträge anzuwenden, deren zugrunde liegende Umsätze i.S.v. § 1 Abs. 1 UStG nach dem 31.12.2004 ausgeführt werden (§ 27 Abs. 11 UStG). Damit scheidet eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 2 UStG für Wirtschaftsgüter aus, die vor dem 1.1.2005 angeschafft oder hergestellt wurden, selbst wenn die Verwendung im Zeitraum der Neuregelung liegt (vgl. BFH-Urteil vom 12.2.2009, BStBl II S. 76). Gleiches gilt für vor dem 1.1.2005 bezogene Lieferungen und sonstigen Leistungen für Wirtschaftsgüter, die erst nach dem 31.12.2004 fertig gestellt und verwendet werden.

2. Berichtigungsobjekt

Berichtigungsobjekt i.S.d. § 15a Abs. 2 UStG sind Wirtschaftsgüter, die nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet werden. Das sind im Wesentlichen die Wirtschaftsgüter, die ertragsteuerrechtlich Umlaufvermögen darstellen. Ertragsteuerrechtliches Anlagevermögen kann ebenfalls betroffen sein, wenn es veräußert oder entnommen wird, bevor es zu anderen Verwendungsumsätzen gekommen ist (Abschn. 15a.1. Abs. 2 Nr. 2 UStAE).

Zur Feststellung des Berichtigungsobjekts ist jeweils auf den Gegenstandabzustellen. Dies gilt auch dann, wenn mehrere Gegenstände gleicher Art und Güte geliefert wurden. Bei der Lieferung vertretbarer Sachen ist hingegen auf die zwischen leistendem Unternehmer und Leistungsempfänger geschlossenen vertraglichen Vereinbarungen im Verwendungszeitpunkt abzustellen (vgl. Abschn. 15a.11. Abs. 1 UStAE).

Stellt der Unternehmer Erzeugnisse selbst her, ist Berichtigungsobjekt immer dasfertige Erzeugnis im Zeitpunkt der Verwendung. Alle für die Herstellung notwendigen Vorbezüge – sei es Lieferungen oder Dienstleistungen – gehen in dieses Berichtigungsobjekt ein; eine Vorsteuerberichtigung für diese Vorbezüge wird damit anteilig über die Vorsteuerberichtigung der Endprodukte vorgenommen.

Beispiele aus der Landwirtschaft:

Sachen gleicher Art und Güte; z.B. Viehbestand:
Soweit Tiere individualisierbar sind (z.B. Rinder durch die Eintragung in der „Hit-‚DatenBank“), handelt es sich um einzelne Gegenstände (Abschn. 15a.11. Abs.1 Satz 3 UStAE), selbst wenn Tiere in einer Partie erworben oder verkauft werden. Das gleiche gilt für Schweine, vgl. BFH-Urteil vom 03.11.2011, V R 32/10, BStBl 2012 II S. 525. Damit ist das maßgebliche Berichtigungsobjekt der einzelne Gegenstand, hier das einzelne Tier im Zeitpunkt seiner Verwendung = Verkauf.

Vertretbare Sachen, z.B. für Zwecke des späteren Verkaufs eingelagertes Getreide:
Getreide ist eine vertretbare Sache. Berichtigungsobjekte sind die einzelnen Mengen, wie sie der Landwirt nach den vertraglichen Vereinbarungen im Verwendungszeitpunkt verkauft.

Vertretbare Sachen, z.B. stehende Feldfrüchte (zum Verkauf bestimmter Winterweizen):
Maßgebliches Berichtigungsobjekt ist das Endprodukt, d.h. der später geerntete Weizen. Da es sich um vertretbare Sachen handelt, ist jedes Verkaufsgeschäft als einzelnes Berichtigungsobjekt zu erfassen.

3. Änderung der Verhältnisse

Für die Frage, ob eine Änderung der Verhältnisse vorliegt, sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der tatsächlichen Verwendung im Vergleich zum ursprünglichen Vorsteuerabzug entscheidend (vgl. § 15a Abs. 2 S. 1 UStG und Abschn. 15a.2. Abs. 2 UStAE).

Verwendung i.S.v. § 15a UStG ist die tatsächliche Nutzung des Berichtigungsobjekts zur Erzielung von Umsätzen. Als Verwendung sind auch die Veräußerung und die unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b und 9a UStG anzusehen (vgl. Abschn. 15a.2. Abs. 1 UStAE).

Beispiel (Abschn. 15a.5. Abs. 2 UStAE):

Unternehmer U erwirbt am 1. 7. 01 ein Grundstück zum Preis von 2.000.000 €. Der Verkäufer des Grundstücks hat im notariell beurkundeten Kaufvertrag auf die Steuerbefreiung verzichtet (§ 9 Abs. 3 Satz 2 UStG). U möchte das Grundstück unter Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchstabe a UStG weiterveräußern, so dass er die von ihm geschuldete Umsatzsteuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG als Vorsteuer abzieht. Am 1. 7. 03 veräußert er das Grundstück entgegen seiner ursprünglichen Planung an eine hoheitlich tätige juristische Person des öffentlichen Rechts, so dass die Veräußerung des Grundstücks nicht nach § 9 Abs. 1 UStG als steuerpflichtig behandelt werden kann und nach § 4 Nr. 9 Buchstabe a UStG steuerfrei ist.

Die tatsächliche steuerfreie Veräußerung schließt nach § 15 Abs. 2 UStG den Vorsteuerabzug aus und führt damit zu einer Änderung der Verhältnisse im Vergleich zu den für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnissen. Da Grundstück nur einmalig zur Ausführung eines Umsatzes verwendet wird, ist der gesamte ursprüngliche Vorsteuerabzug i.H.v. 380 000 € nach § 15a Abs. 2 UStG im Zeitpunkt der Verwendung für den Besteuerungszeitraum der Veräußerung zu berichtigen. Der Vorsteuerbetrag ist demnach für den Monat Juli 03 zurückzuzahlen (Beispiel 1 aus Abschn. 15a.5. Abs. 2 UStAE).

Eine Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 15a UStG liegt auch beim Wechsel von Besteuerungsformen (von §§ 19, 23, 23a, 24 UStG zur Regelbesteuerung und umgekehrt) vor (vgl. § 15a Abs. 7 UStG; Abschn. 15a.9. UStAE).

Gleiches gilt bei der Überführung eines Wirtschaftsgutes von einem der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegenden Betriebsteils in einen der Regelbesteuerung unterliegenden Betrieb und umgekehrt (sog. Mischbetriebe – § 24 Abs. 3 UStG).

4. Zeitpunkt der Vorsteuerberichtigung

Eine Berichtigung nach § 15a Abs. 2 UStG ist im Zeitpunkt der tatsächlichen Verwendung durchzuführen, wenn diese von der ursprünglichen Verwendungsabsicht beim Erwerb abweicht (Abschn. 15a.5. Abs. 1 UStAE).

Der Zeitpunkt der tatsächlichen Verwendung ist der Zeitpunkt, an dem mit dem jeweiligen Berichtigungsobjekt ein Umsatz ausgeführt wird, d.h. der Umsatz löst die Vorsteuerberichtigung aus. Dieser Grundsatz gilt auch für Berichtigungen nach § 15a Abs. 7 i.V.m. Abs. 2 UStG.

Beispiel:

Schreiner S stellt eine Küche her. Beim Wechsel der Besteuerungsform (zum 31.12.2007) ist die Küche halbfertig. Die Küche wird nach Fertigstellung im Mai 2008 verkauft. Maßgebendes Berichtigungsobjekt ist die fertige Küche im Zeitpunkt der Verwendung. Die Vorsteuerberichtigung ist grundsätzlich im Voranmeldungszeitraum des Verkaufs (Monat Mai oder zweites Quartal 2008) vorzunehmen, also im Verkaufszeitpunkt. § 44 Abs. 2 ff. UStDV ist zu beachten.

Beispiel:

Wie Beispiel zu Tz. 3, nur erfolgt die tatsächliche steuerfreie Veräußerung erst 18 Jahre nach dem steuerpflichtigen Erwerb des Grundstücks. Das Grundstück ist zwischenzeitlich tatsächlich nicht genutzt worden. Da § 15a Abs. 2 UStG keinen Berichtigungszeitraum vorsieht, muss auch hier die Vorsteuer nach § 15a Abs. 2 UStG berichtigt werden. U hat den Vorsteuerbetrag i.H.v. 380 000 € für den Voranmeldungszeitraum der Veräußerung zurückzuzahlen (Beispiel 2 aus Abschn. 15a.5. Abs. 2 UStAE).

5. Durchführung der Vorsteuerberichtigung

Bei der Berichtigung des Vorsteuerabzugs ist von den gesamten Vorsteuerbeträgen auszugehen, die auf das Berichtigungsobjekt entfallen. Dabei ist ein prozentuales Verhältnis des ursprünglichen Vorsteuerabzugs zum Vorsteuervolumen insgesamt zu Grunde zu legen (Abschn. 15a.1. Abs. 3 UStAE). Auf das Beispiel 2 der Tz. 9 wird verwiesen.

6. Anwendung der Nichtaufgriffsgrenze von 1.000 €

Eine Vorsteuerberichtigung unterbleibt, wenn die auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts entfallende Vorsteuer 1.000 € nicht übersteigt (§ 44 Abs. 1 UStDV). Nach Abschn. 15a.11. Abs. 1 Satz 2 UStAE ist bei der Prüfung der Betragsgrenze auf den Gegenstand abzustellen. Der Gegenstand entspricht dem in Tz. 2 beschriebenen Berichtigungsobjekt.

Beispiel:

Sachverhalt wie Beispiel in Tz. 4. Vorsteuern auf Herstellungskosten der Küche betragen insgesamt 1.200 €, davon sind 700 € bis zum 31.12.2007 angefallen. Die Nichtaufgriffsgrenze des § 44 Abs. 1 UStDV greift nicht, da die Vorsteuern aus der Summe der Herstellungskosten der Prüfung zu Grunde zu legen sind.

Die zum 1.1.2005 erhöhten Beträge in § 44 UStDV finden nur in Fällen Anwendung, in denen das Wirtschaftsgut nach dem 31.12.2004 angeschafft und hergestellt bzw. die sonstige Leistung bezogen wurde (Tz. 70 des BMF-Schreibens vom 6.12.2005, BStBl I S. 1068).

7. Ermittlung der Berichtigungsbeträge

Das Vorsteuervolumen ist für jedes Berichtigungsobjekt einzeln zu ermitteln. In die Vorsteuerberichtigung sind alle Vorsteuerbeträge einzubeziehen ohne Rücksicht auf besondere ertragsteuerrechtliche Regelungen, z.B. sofort absetzbare Beträge oder Zuschüsse, die der Unternehmer erfolgsneutral behandelt (Abschn. 15a.1. Abs. 4 UStAE).

Grundsätzlich sind die Berichtigungsbeträge anhand der vom Unternehmer zu führenden Aufzeichnungen i.S.d. § 22 Abs. 4 UStG zu ermitteln. In der Regel liegen dem Unternehmer Aufzeichnungen vor, da er diese für das einzelne Berichtigungsobjekt von dem Zeitpunkt an zu führen hat, für den der Vorsteuerabzug vorgenommen worden ist. Die besondere Aufzeichnungspflicht nach § 22 Abs. 4 UStG entfällt insoweit, als sich die erforderlichen Angaben aus den sonstigen Aufzeichnungen oder der Buchführung des Unternehmers eindeutig und leicht nachprüfbar entnehmen lassen (Abschn. 15a.12. UStAE).

Kleinunternehmer und land- und forstwirtschaftliche Betriebe, die die Durchschnittssätze nach § 24 UStG anwenden, sind allerdings von den Aufzeichnungspflichten des § 22 Abs. 4 UStG befreit (§§ 65, 67 UStDV). Soweit es um buchführende Betriebe handelt, liegen die für die Vorsteuerberichtigung erforderlichen Unterlagen vor. Ansonsten hat der Unternehmer seine begehrte Berichtigung anhand von Einzelbelegen etc. nachzuweisen.

Eine Vorsteuerberichtigung ist nur vorzunehmen, wenn im Zeitpunkt des Leistungsbezugs die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 UStG vorlagen. Insbesondere muss eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegen und die bezogene Leistung im Zeitpunkt des Leistungsbezugs dem Unternehmen zugeordnet sein (vgl. hierzu Abschn. 15a.1. Abs. 6 UStAE, BFH-Urteil vom 12.10.2006, BStBl II 2007 S. 485). Zum Nachweis der Vorsteuer im Einzelnen vgl. Abschn. 15.11 UStAE. Vorsteuerbeträge, für die diese Voraussetzungen nicht vorliegen, sind von der Berichtigung ausgenommen.

Diese Grundsätze gelten auch, soweit die Berichtigung nach § 15a UStG zu einem erstmaligen Vorsteuerabzug führt, weil der Vorsteuerabzug beim Leistungsbezug nach § 15 Abs. 2 und 3 UStG oder § 19 UStG ausgeschlossen oder mit der Durchschnittssatzbesteuerung des § 24 UStG abgegolten war (Abschn. 15a.1. Abs. 5 UStAE).

8. Vereinfachungsregelung

Eine vereinfachte Ermittlung des Berichtigungsbetrags ist nur zulässig, wenn eine Einzelermittlung nicht oder nur mit erheblichem Ermittlungsaufwand möglich ist. Der Berichtigungsbetrag eines selbst hergestellten Erzeugnisses ist dabei immer für das konkrete fertige Erzeugnis als Berichtigungsobjekt zu ermitteln (vgl. Tz. 2). Kommt im Einzelfall eine vereinfachte Ermittlung in Betracht, muss darauf geachtet werden, dass der Berichtigungsbetrag ggf. um Abschläge für die in die Herstellungskosten des Berichtigungsobjekts eingeflossenen Aufwendungen für den Wertverzehr von Anlagegütern (Berichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG) bereinigt wird.

Die Vereinfachungsregelung für den Verkauf der Ernte nach Aufgabe des Betriebs (sog. nachlaufende Ernte) in Abschn. 217 e Abs. 7 UStR 2008 ist überholt, vgl. BMF-Schreiben vom 15.3.2010, BStBl I S. 255, Abschn. 24.1. Abs. 4 S. 3 UStAE.

9. Beispiele:

Beispiel 1:

Unternehmer U ist im Jahr 01 Kleinunternehmer. Er erwirbt im Jahr 01 Waren, die zur Veräußerung bestimmt sind (Umlaufvermögen). Im Jahre 02 findet wegen Überschreitens der Umsatzgrenze die Kleinunternehmerregelung keine Anwendung. Im Jahr 03 liegen die Voraussetzungen der Kleinunternehmerbesteuerung wieder vor und U wendet ab 03 die Kleinunternehmerregelung an. U veräußert die im Jahr 01 erworbenen Waren im Jahr 03.

Lösung:

Weder für das Jahr 02 noch für das Jahr 03 ist eine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen (Beispiel ausführlich in Abschn. 15a.9. Abs. 3 UStAE).

Beispiel 2:

Ein Schreiner stellt eine Küche her. Zum 31.12.2007 ist die Küche halbfertig. Die Küche wird nach Fertigstellung im Mai 2008 verkauft. Wegen Überschreitens der Umsatzgrenze kommt die Kleinunternehmerregelung ab 2008 nicht mehr zur Anwendung. Der Unternehmer gibt seine Voranmeldungen vierteljährlich ab.

Dem Schreiner wurden folgende Vorsteuerbeträge in Rechnung gestellt:

auf verwendetes Material bis zum Zeitpunkt

des Wechsels der Besteuerungsform               760,- €

nach Wechsel der Besteuerungsform bis

zum Verkauf                                             1.520,- €

Lösung:

Eine Vorsteuerberichtigung ist wegen des Wechsels von der Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) zur Regelbesteuerung vorzunehmen (§ 15a Abs. 2 i.V.m. Abs. 7 UStG).

Prüfung der Nichtaufgriffsgrenze des § 44 Abs. 1 UStDV):

Da als maßgebliches Berichtigungsobjekt die fertige Küche im Zeitpunkt des Verkaufs anzusehen ist, sind in die Prüfung der Betragsgrenze des § 44 Abs. 1 UStDV die Vorsteuerbeträge aus den gesamten Produktionskosten mit einzubeziehen.

Gesamte Vorsteuer aus den Herstellungskosten            2.280,- €

Damit ist § 44 Abs. 1 UStDV nicht anwendbar.

Feststellung des Berichtigungsbetrags:

Bisher nicht abziehbare Vorsteuern des Jahres 2007        760,- €

bisher in 2008 geltend gemachte Vorsteuer                 1.520,- €

Änderung der Verhältnisse:     33,3% (760 : 2.280)

Berichtigungsbetrag: 33,3 % x 2.280,- € =                     760,- €

Der Schreiner kann die Vorsteuerberichtigung erst in der Jahressteuererklärung 2008 geltend machen (§ 44 Abs. 3 und Abs. 4 S. 1 UStDV).

Beispiel 3:

Landwirt A (§ 24 UStG) erwirbt im Kalenderjahr 2007 in einem Liefervorgang fünf Bullenkälber. Er kauft im Jahr 2007 von einem anderen Landwirt Kraftfutter zu (10.000 € zzgl. USt = 1.070 €). Zum Stichtag 31.12.2007 liegt noch Kraftfutter im Wert von 6.000 € netto auf Lager. Am 20.04.2008 und am 25.04.2008 verkauft der Landwirt diese fünf Mastbullen an einen fleischverarbeitenden Betrieb.

Nach dem Verkauf der Mastbullen ist noch Kraftfutter im Wert von 1.000 € vorhanden, das er wegen einer Betriebsumstellung Ende August 2008 an einen anderen Landwirt verkauft.

Ab dem 01.01.2008 optiert er zur Regelbesteuerung.

Lösung:

Eine Vorsteuerberichtigung ist wegen des Wechsels von der Durchschnittssatzbesteuerung (§ 24 UStG) zur Regelbesteuerung vorzunehmen (§ 15a Abs. 2 i.V.m. Abs. 7 UStG). Das maßgebliche Berichtigungsobjekt ist der einzelne Mastbulle im Zeitpunkt seiner Verwendung = Verkauf. In das Berichtigungsobjekt gehen alle Vorbezüge (hier z.B. das eingekaufte Kraftfutter) ein.

Als „Berichtigungsvolumen“ sind die Vorsteuern zu Grunde zu legen, die auf die gesamten bis zum Verkaufstag aufgelaufenen Produktionskosten bezogen auf jeden einzelnen Bullen entfallen sind. Dieses Berichtigungsvolumen ist auch bei der Prüfung des § 44 Abs. 1 UStDV als maßgeblicher Wert zu Grunde zu legen. Der Veräußerungspreis oder die auf die bis zum Stichtag 31.12.2007 aufgelaufenen Produktionskosten entfallende Vorsteuer sind insoweit unerheblich.

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Summe der Vorsteuerbeträge aus den gesamten Produktionskosten (z.B. Anschaffungskosten, Futter, Tierarztkosten) eines jeden einzelnen Mastbullens die 1.000 €-Grenze des § 44 Abs. 1 UStDV nicht übersteigt. Somit kann Landwirt A hinsichtlich der Mastbullen keine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 2 UStG beanspruchen.

Mit dem Verkauf des noch auf Lager befindlichen Kraftfutters wird diese Menge selbst zu einem Endprodukt und damit zu einem selbständigen Berichtigungsobjekt. Die auf die Anschaffungskosten des Restpostens entfallenden Vorsteuern liegen unter 1.000 € (§ 44 Abs. 1 UStDV). Eine Vorsteuerberichtigung unterbleibt.

Beispiel 4:

Unternehmer B gründet im Jahr 2007 ein Handelsgeschäft für Jeans. In diesem Jahr unterliegt er der Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG. Er erwirbt im Jahr 2007 ein Posten von Jeansjacken im Wert von 9.000 € zzgl. USt (= 1.710 €). Die Warenlieferung umfasst 60 Jeansjacken à 150 € + 28.50 € USt. B veräußert – einzeln – 20 Stück der Jeansjacken im Jahr 2007, die restlichen 40 Stück im Jahr 2008.

Im Jahr 2008 muss er wegen Überschreitens der Umsatzgrenze im Jahre 2007 zur Regelbesteuerung übergehen.

Lösung:

Eine Vorsteuerberichtigung ist wegen des Wechsels von der Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) zur Regelbesteuerung vorzunehmen (§ 15a Abs. 2 i.V.m. Abs. 7 UStG).

Als Berichtigungsobjekt ist jede einzelne Jeansjacke anzusehen, weil jede Jacke in einem gesonderten Geschäftsvorgang verkauft wird. Eine Vorsteuerberichtigung entfällt (§ 44 Abs. 1 UStDV).

Vorsteuerberichtigung bei Umlaufvermögen

Vorsteuerberichtigung bei Umlaufvermögen

Rechtslage

Ändern sich die Verhältnisse, die für den Vorsteuerabzug beim Erwerb von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens maßgebend waren, so ist die Vorsteuer zu berichtigen (§ 15a UStG).

Sachverhalt

Kauft ein Kleinunternehmer Ware in 2011, so steht ihm hieraus kein Vorsteuerabzug zu. Überschreitet er in 2012 die Kleinunternehmergrenze, so wird er steuerpflichtig. Verkauft er nun in 2012 die in 2011 erworbene Ware, so unterliegt der Verkauf der Umsatzsteuer. Im Gegenzug kann die Vorsteuer aus dem Erwerb der Ware berichtigt, d. h. nachträglich geltend gemacht werden.

Neue Verwaltungsanweisung

Das Bayerische Landesamt für Steuern stellt in einer Verfügung die Verwaltungsauffassung zur Korrektur der Vorsteuer bei Umlaufvermögen dar.

Konsequenzen

Die Verfügung ist insbesondere in folgenden Fallkonstellationen zu beachten: – Wechsel vom Kleinunternehmer zur Regelbesteuerung und umgekehrt. – Wechsel von der Durchschnittssatzbesteuerung für Land- und Forstwirte zu Regelbesteuerung und umgekehrt. – Erwerb eines Grundstückes mit Vorsteuerabzug zwecks steuerpflichtiger Weiterveräußerung und spätere tatsächliche steuerfreie Veräußerung. Besonders zu beachten sind folgende Sachverhalte: Eine Korrektur zugunsten der Unternehmer setzt voraus, dass bei Erwerb des Umlaufvermögens ordnungsgemäße Rechnungen vorgelegen haben. Die Unternehmer sollten daher bei Erwerb des Umlaufvermögens nur einwandfreie Rechnungen akzeptieren. Auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch keine Vorsteuer ziehen können, so erhalten sie sich diese Möglichkeit für den Fall, dass sich die Verhältnisse, wie dargestellt, ändern. Da eine Korrektur nur erfolgt, wenn die auf den Erwerb des jeweiligen Wirtschaftsgutes entfallende Vorsteuer 1.000 EUR übersteigt, kann es gerade für Landwirte zudem wichtig sein, zu klären, was als Wirtschaftsgut bzw. Berichtigungsobjekt im Sinne des § 15a UStG zu verstehen ist. Kauft ein Landwirt z. B. eine Partie von 100 Schweinen auf die insgesamt 1.200 EUR Vorsteuer entfallen, so setzt eine spätere Berichtigung voraus, dass diese Partie als Berichtigungsobjekt angesehen wird, da die Vorsteuer, die auf ein einzelnes Schwein entfällt, nicht 1.000 EUR übersteigt. Die Verfügung stellt hierzu die Auffassung der Finanzverwaltung dar, die von der Rechtsprechung jedoch nicht in vollem Umfang geteilt wird.

Wer Schweine hat, entgeht der Vorsteuerberichtigung

Wer Schweine hat, entgeht der Vorsteuerberichtigung

Kernaussage

Weicht die spätere Nutzung eines Wirtschaftsgutes des Anlage- bzw. Umlaufvermögens von derjenigen ab, die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug ursächlich war, so sieht das UStG einen Korrekturmechanismus vor (§ 15a UStG). Dieser greift jedoch nur, wenn die Vorsteuer, die auf die Anschaffung bzw. Herstellung des betreffenden Wirtschaftsgutes entfällt, 1.000 EUR übersteigt (§ 44 Abs. 1 UStDV).

Sachverhalt

Ein Landwirt erwarb im Jahr 2007 893 Schweine für ca. 39.000 EUR und nahm den Vorsteuerabzug hieraus vor, da er zur Regelbesteuerung optiert hatte. Mit Beginn des Jahres 2008 kehrte er zur Besteuerung nach Durchschnittssätzen zurück. Im gleichen Jahr verkaufte er 350 der in 2007 erworbenen Schweine. Aufgrund des Wechsels zur Durchschnittssatzbesteuerung verlangte das Finanzamt eine Korrektur der Vorsteuer aus der ursprünglichen Anschaffung (§ 15a UStG). Hiergegen wandte der klagende Landwirt ein, dass eine Vorsteuerkorrektur daran scheitere, dass die auf das einzelne Schwein entfallende Vorsteuer nicht 1.000 EUR übersteige. Das beklagte Finanzamt betrachtete die gesamte Partie Schweine als Berichtigungsobjekt, nicht das einzelne Schwein. Die Klage war erfolgreich.

Entscheidung

Das Niedersächsische Finanzgericht folgt der Ansicht des Landwirtes. Demnach ist als Wirtschaftsgut das einzelne Schwein anzusehen und nicht eine Gesamtheit von Schweinen. Da für das einzelne Schwein die genannte Bagatellgrenze nicht überschritten ist, unterbleibt eine Korrektur der Vorsteuer.

Konsequenz

Der Fall mag kurios klingen, ist aber durchaus für andere Sachverhalte von Bedeutung. So wird auch in anderen Fällen genau zu prüfen sein, ob es sich um ein Berichtigungsobjekt in seiner Gesamtheit handelt oder um mehrere einzelne, die unter die Bagatellgrenze des § 44 Abs. 1 UStDV fallen.