Umsatzsteuer: Umsatzsteuerpflicht der Visabeschaffung durch Reiseveranstalter

Umsatzsteuer: Unabhängig davon, ob die Visabeschaffung durch einen Veranstalter von Russlandreisen als unselbständige Nebenleistung oder als eigenständige Leistung zu beur-teilen ist, ist das dafür erzielte Entgelt ohne die darin enthaltene Visumsgebühr der Umsatzsteuer zu unterwerfen, Urteil des 1. Senats vom 6.11.2012, 1 K 52/10, rechtskräftig.

 

FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 1 K 52/10
Urteil des Senats vom 06.11.2012
Rechtskraft: rechtskräftig
Normen: UStG § 25, UStG § 3 Abs. 9, UStG § 3a Abs. 1, UStG § 10
Leitsatz: Unabhängig davon, ob die Visabeschaffung durch einen Veranstalter von Russlandreisen als unselbständige Nebenleistung oder als eigenständige Leistung zu beurteilen ist, ist das dafür erzielte Entgelt ohne die darin enthaltene Visumsgebühr der Umsatzsteuer zu unterwerfen.
Überschrift: Umsatzsteuer: Umsatzsteuerpflicht der Visabeschaffung durch Reiseveranstalter
Tatbestand:
Streitig ist, ob und in welcher Höhe Umsatzsteuer für die Beschaffung von Visa durch die Klägerin zu entrichten ist.
Die Klägerin veranstaltet Reisen insbesondere in baltische Staaten und nach Russland. In diesem Zusammenhang bietet sie ihren Kunden auch die Beschaffung der erforderlichen Visa für Russlandreisen an. 99 % ihrer Kunden nehmen diese Leistung der Klägerin in Anspruch. Die Klägerin beschafft die Visa beim russischen Konsulat in A und berechnet ihren Kunden hierfür ein die Visagebühren jeweils um 20 € übersteigendes Entgelt.
Die Klägerin versteuerte in den Streitjahren die von ihr erbrachten Reiseleistungen gemäß § 25 UStG. Sie behandelte dabei ihre Leistung als steuerfrei, soweit die ihr zuzurechnenden Reisevorleistungen im Drittlandgebiet (insbesondere Russland) bewirkt wurden (§ 25 Abs. 2 UStG). Die Entgelte für die Visabeschaffung behandelte die Klägerin als ebenfalls gemäß § 25 Abs. 2 UStG steuerfreien Teil der Reiseleistung.
Nach einer für die Jahre 2004 bis 2006 durchgeführten Betriebsprüfung (Betriebsprüfungsbericht vom … 2008) gelangte der Beklagte zu der Auffassung, die von der Klägerin erzielten Entgelte für die Visabeschaffung seien als Entgelte für selbstständige Leistungen umsatzsteuerpflichtig. Unter Einbeziehung des gesamten Entgeltes für Visabeschaffung einschließlich der beim Konsulat zu entrichtenden Visagebühren errechnete der Beklagte insoweit eine zusätzliche Umsatzsteuer für 2004 in Höhe von 8.532,24 €, für 2005 in Höhe von 9.428,10 € und für 2006 in Höhe von 6.048,05 €. Auf dieser Grundlage ergingen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide vom 13.10.2008 über die Umsatzsteuer für 2004 bis 2006. Der hiergegen von der Klägerin am … 2008 eingelegte Einspruch blieb gemäß Einspruchsentscheidung vom … 2010 erfolglos.
Die Klägerin trägt vor, zu der von ihr zu erbringenden Visabeschaffung gehöre auch die erforderliche Einholung der Visumsbetätigungen/Visareferenzen von den hierfür lizenzierten Unternehmen in Russland. Dabei handele es sich nicht um eine bloße Hotelbestätigung. Eine Visumsreferenz sei für die Erteilung eines Visums erforderlich. Sie werde von der Klägerin im Zusammenhang mit der Buchung der
Unterkunft eingeholt. Bei einer Direktbuchung im Hotel falle hierfür in der Regel eine separate Vergütung von 10 bis 20 € an. Bei einer Buchung über Agenturen, bei denen ein Gesamtpaket eingekauft werde, sei die Gebühr dafür bereits enthalten. Der von ihr ihren Kunden berechnete Betrag für die Besorgung eines Visums enthalte eine Vergütung für die gesamten Dienstleistungen einschließlich der Einholung der Visareferenz.
Die Klägerin ist der Auffassung, bei der von der Klägerin als Eigenleistung erbrachten Visabeschaffung handele es sich um eine unselbstständige Nebenleistung der Reiseleistung mit der Folge, dass sie nicht selbstständig der Umsatzsteuer unterliege. Sie sei Bestandteil der einheitlichen Leistung gemäß § 25 Abs. 1 S. 3 UStG. Sie sei nicht etwa mit einer Reiserücktrittskostenversicherung vergleichbar. Ein Visum sei für die Durchführung der Reise erforderlich. Die Leistung habe ein relativ geringes wirtschaftliches Gewicht. Einem Durchschnittsverbraucher stelle sich die Visumsbeschaffung als Nebenleistung der Reiseleistung dar. Sie sei daher auch ein verbreitetes Angebot von Reiseveranstaltern. Die Reiseleistung und die Visabeschaffung seien in Deutschland grundsätzlich steuerbar und steuerpflichtig als sonstige Leistung gemäß § 25 Abs.1 i. V. m. § 3a Abs.1 UStG. Im Hinblick auf die im Drittlandsgebiet – Russland – erbrachten Reisevorleistungen (u. a. Verpflegungs- und Beherbergungsleistungen) sei jedoch die gesamte Reiseleistung einschließlich der Visabeschaffung als Nebenleistung der eigentlichen Reiseleistung steuerfrei gemäß § 25 Abs.2 UStG. Sofern entgegen der Auffassung der Klägerin die Visabeschaffung nicht gemäß § 25 Abs. 2 UStG steuerfrei sei, seien zumindest die Visagebühren als steuerfreie durchlaufende Posten zu behandeln. Die Klägerin verweist darauf, dass zuvor in mehreren Umsatzsteuersonderprüfungen die umsatzsteuerliche Behandlung der Visabeschaffung durch die Klägerin nicht beanstandet worden war. Zudem erleide sie einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Mitbewerbern dadurch, dass von den Mitbewerbern keine Umsatzsteuer auf die Visabeschaffung verlangt werde.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide für 2004 bis 2006 vom 13.10.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … 2010 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2004 um 8.532,24 €, für 2005 um 9.428,10 € und für 2006 um 6.048,05 € herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, die Visabeschaffung sei nicht als unselbstständige Nebenleistung anzusehen. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Visabeschaffung gehöre nicht überwiegend zum Leistungsangebot von Reiseveranstaltern. Zudem sei die Visumsbeschaffung als Beibringung einer behördlichen Einreisegenehmigung nicht als nebensächlich zu qualifizieren, sondern stelle eine bürokratische Voraussetzung der Reisedurchführung dar. Mit ihr werde keine Ergänzung oder Verbesserung der Reise erreicht, denn als bloße Einreisegenehmigung sei die Visumsbeschaffung mit der eigentlichen Transportleistung, der Unterbringung und Verpflegung und gegebenenfalls anderen Serviceangeboten nicht inhaltlich verknüpft, sondern stelle ein aliud dar. Sie sei eine
sonstige Leistung, deren Leistungsort sich am Ort des Unternehmens der Klägerin und damit im Inland befinde.
Dem Gericht haben die Betriebsprüfungsakten I, Bp-Arbeitsakten I und II, Rechtsbehelfsakte, Umsatzsteuerakten Bd. 1 und die Bilanz- und Bilanzberichtsakten II bzgl. der Klägerin zur Steuernummer … (neu …) vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der Beklagte hat zwar zu Recht die Visabeschaffung als umsatzsteuerpflichtige Leistung der Klägerin behandelt, dabei jedoch die Umsatzsteuer für die Jahre 2004 bis 2006 insoweit zu hoch festgesetzt und damit die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 FGO), als die Umsatzsteuer unter Einbeziehung der Visagebühren in die Bemessungsgrundlage berechnet worden ist. Die Umsatzsteuer ist daher im tenorierten Umfang herabzusetzen.
1. Für die Entscheidung ist es unerheblich, ob die Visabeschaffung durch die Klägerin als eigenständige Leistung oder als unselbstständige Nebenleistung, die das umsatzsteuerliche Schicksal der Hauptleistung teilt, nach Maßgabe der Auslegungshinweise des EuGH gem. dessen Urteil vom 25.02.1999, C-349/96, juris zu betrachten ist.
a) Versteht man die Visabeschaffung durch die Klägerin als eigenständige Leistung, so ist diese umsatzsteuerpflichtig im Inland gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 1; 3 Abs. 9; 3a Abs. 1 UStG. Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer gem. § 10 Abs. 1 UStG ist dabei das vom Leistungsempfänger aufgewendete Entgelt abzüglich der Umsatzsteuer. Dabei gehören jedoch solche Beträge nicht zum Entgelt, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten, § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG). Die von der Klägerin aufgewandten Konsulatsgebühren für die Visa sind durchlaufende Posten im Sinne dieser Regelung, so dass sie in die Bemessung der Umsatzsteuer nicht einzubeziehen sind. Denn die Visa werden von der Klägerin für bestimmte gegenüber dem Visaaussteller konkret bezeichnete Personen beschafft und damit im Namen und auf Rechnung ihrer Kunden. In diesem Sinne sind auch in dem Fall des Urteils des BFH vom 02.03.2006, V R 25/03, BFHE 213,.134, BStBl II 2006, 788 von den Beteiligten die Konsulatsgebühren unstreitig als durchlaufende Posten behandelt worden. Die Umsatzsteuer bemisst sich daher nach dem von der Klägerin erzielten Entgelt ohne Einbeziehung der Visagebühr.
b) Versteht man dagegen die Visabeschaffung durch die Klägerin als unselbstständige Nebenleistung zu den von der Klägerin gegenüber ihren Kunden erbrachten Reiseleistungen und damit als Bestandteil der einheitlichen sonstigen Leistung der Klägerin gemäß § 25 Abs. 1 S. 3 UStG, so folgt die Umsatzsteuerpflicht des Entgelts für die Visabeschaffung aus § 25 UStG. Gemäß § 25 Abs. 1 UStG gelten besondere Vorschriften für Reiseleistungen eines Unternehmers, die nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers bestimmt sind, soweit der Unternehmer dabei gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen auftritt und Reisevorleistungen in Anspruch nimmt. Die Leistung des Unternehmers ist als sonstige Leistung anzusehen. Erbringt der Unternehmer an einen
Leistungsempfänger im Rahmen einer Reise mehrere Leistungen dieser Art, so gelten sie als eine einheitliche sonstige Leistung. Der Ort der sonstigen Leistung bestimmt sich nach § 3a Abs. 1 UStG. Reisevorleistungen sind Lieferungen und sonstige Leistungen Dritter, die den Reisenden unmittelbar zugutekommen. Gemäß § 25 Abs. 2 UStG ist die sonstige Leistung steuerfrei, soweit die ihr zuzurechnenden Reisevorleistungen im Drittlandsgebiet bewirkt werden. Die sonstige Leistung bemisst sich gem. § 25 Abs. 3 UStG nach dem Unterschied zwischen dem Betrag, den der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, und dem Betrag, den der Unternehmer für die Reisevorleistungen aufwendet. Die Umsatzsteuer gehört dabei nicht zur Bemessungsgrundlage.
Die Klägerin erbringt Reiseleistungen im Sinne des § 25 UStG und unterliegt daher der Margenbesteuerung nach dieser Vorschrift. Bei Einbeziehung der Visabeschaffung durch die Klägerin in die von ihr den Kunden erbrachte einheitliche sonstige Leistung ist die Margenbesteuerung gemäß § 25 Abs. 3 UStG unter Einbeziehung der von der Klägerin für die Visabeschaffung erzielten Entgelte abzüglich der von ihr als Vorleistung aufgewandten Visagebühren zu berechnen. Die Visabeschaffung ist nicht gemäß § 25 Abs. 2 UStG steuerfrei, da die Steuerfreiheit nach dieser Regelung nur im Drittlandsgebiet bewirkte Reisevorleistungen umfasst. Die Regelung setzt Art. 26 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG um, wonach die Dienstleistung eines Reisebüros einer nach Art. 15 Nr. 14 der Richtlinie befreiten Vermittlungstätigkeit gleichgestellt wird, wenn die Umsätze, für die das Reisebüro andere Steuerpflichtige in Anspruch nimmt, von diesen außerhalb der Gemeinschaft erbracht werden; werden diese Umsätze sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gemeinschaft erbracht, so ist nur der Teil der Dienstleistung des Reisebüros als steuerfrei anzusehen, der auf die Umsätze außerhalb der Gemeinschaft entfällt. Für den Fall einer einheitlichen sonstigen Leistung im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 3 UStG gilt damit ein ausdrückliches Aufteilungsgebot, wonach eine Steuerfreiheit der sonstigen Leistung (Reiseleistung) nur in Betracht kommt, wenn und soweit die entsprechenden Reisevorleistungen tatsächlich im Drittlandsgebiet bewirkt wurden (vgl. BFH Urteil vom 19.10.2011, XI R 18/09, BFHE 236, 222, BFH/NV 2012, 887). Die Visabeschaffung durch die Klägerin erfolgt in Deutschland beim russischen Konsulat in A und damit im Inland und nicht im Drittlandsgebiet. Sie kann daher nicht ebenso als steuerfrei behandelt werden wie die in Russland gegenüber den Kunden erbrachten bzw. beschafften Reisevorleistungen (z. B. Beförderung, Unterkunft, Verpflegung, Betreuung, Visareferenz und anderes).
Das für die Visabeschaffung erzielte Entgelt ist nicht aufzuteilen auf die eigentliche Visabeschaffung und die Einholung der Visareferenz. Es liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass das von der Klägerin ihren Kunden in Rechnung gestellte Entgelt für die Visabeschaffung auch Aufwendungen für die Einholung der Visareferenz umfasst. Die Einbeziehung solcher Aufwendungen würde dazu führen, dass die Klägerin für ihre Bemühungen im Zusammenhang mit der Visabeschaffung bei Entgelten für die Visareferenz bis zu 20 € keine eigene Vergütung erhalten würde. Es ist daher davon auszugehen, dass Aufwendungen für die Visareferenzen bereits in die sonstigen Reisevorleistungen gemäß § 25 Abs. 2 UStG einzubeziehen sind. Dem entspricht auch die von der Klägerin nicht beanstandete Berechnung der Betriebsprüfung zu den Umsätzen aus Visa-Besorgungsleistungen, die lediglich Angaben zu den Visagebühren und dem Gesamtentgelt, nicht jedoch Angaben zu darin berücksichtigten Aufwendungen für Visareferenzen enthält.
2. Die von der Klägerin in den Streitjahren für die Visabeschaffung zu entrichtende Umsatzsteuer bemisst sich nach dem von der Klägerin erzielten Entgelt ohne die darin enthaltene Visumsgebühr. In Anknüpfung an die in der Betriebsprüfung zusammengestellten unstreitigen Umsätze aus der Visabeschaffung errechnet sich eine im tenorierten Umfang zu hoch angesetzte Umsatzsteuer gemäß der folgenden tabellarischen Darstellung:

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO. Sie entspricht dem Verhältnis des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens. Die vom Beklagten bisher für die Visabeschaffung für die Streitjahre insgesamt angesetzte Umsatzsteuer von 24.008,39 € ist um 16.928,96 € herabzusetzen. Dies entspricht einem Obsiegen der Klägerin von 71 %.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.